Volume 1, No. 1, Art. 29 – Januar 2000

Grenzschwierigkeiten, Antinomien und Paradoxien des Lehrer(innen)handelns – Ergebnisse der Fallanalyse des Entwicklungsprozesses einer Einzelschule

Karl Prokopp

Zusammenfassung: Die Tätigkeit von Lehrer(inne)n stößt immer wieder an Grenzen, die nicht einfach überwunden werden können. Handlungen, die in sich widersprüchlich sind, behindern die Entfaltung von Lernprozessen bei den Schüler(inne)n. Unterschiede hinsichtlich Raum, Zeit und Sinnwelten führen zu falschen Annahmen und zu Entscheidungen und Handlungen, die von den jeweils Betroffenen nicht verstanden werden und unter Umständen konflikthafte Interaktionen zur Folge haben.

Keywords: Grenzschwierigkeiten, Antinomien, Paradoxien, Lernprozesse, Schulentwicklungsforschung

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Datengrundlage und Konzeptionalisierung der Untersuchung

3. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs

4. Grenzschwierigkeiten des Lehrer(innen)handelns im Rahmen der Schulorganisation

4.1 Grenzschwierigkeit der Exteriorität

4.2 Grenzschwierigkeit der Inkommensurabilität

5. Antinomien des Lehrer(innen)handelns

5.1 Handlungsantinomie

5.2 Sinnweltantinomie der Generationen

6. Paradoxien des Lehrer(innen)handelns

6.1 Lernorganisationsparadoxie

6.2 Lerngegenstandsparadoxie

6.3 Lehrtätigkeitsparadoxie

Anmerkungen

Literatur

Zum Autor

Zitation

 

1. Einleitung

Paradoxien professionellen Handelns sind erst in letzter Zeit Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung geworden. Fritz SCHÜTZE hat sich mit solchen Paradoxien im Berufsfeld der Sozialarbeit befaßt (SCHÜTZE 1992, 1996). Als Paradoxien werden von ihm Phänomene bezeichnet, die bei der Untersuchung eines Falles von Klientenbetreuung durch eine(n) Sozialarbeiter(in) auftauchen. Durch die Auflösung seiner/ihrer Tätigkeit in einzelne Bearbeitungsschritte, bei gleichzeitiger Berücksichtigung seines/ihres Vorwissens über soziale Zusammenhänge und seinen/ihren Bemühungen bei der Herstellung einer Beziehung zum jeweiligen Klienten lassen sich viele widersprüchliche, unauflösbare Handlungskonstellationen erkennen und nicht zutreffende Annahmen, durch welche die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. [1]

Im Graduiertenkolleg Schulentwicklungsforschung wurde diese Konzeption, die auf dem professionellen Handeln von Einzelpersonen beruht, in den schulischen Bereich hinein erweitert. Bezug genommen wurde dabei auf Grundüberlegungen zur Funktion von Professionen in der Gesellschaft (HUGHES 1965; PARSONS 1964), wonach Professionen überall dort gebraucht werden, wo Menschen kritische Übergangsphasen in der Gesellschaft bewältigen müssen und umsichtige und kenntnisreiche Hilfe zur Bewältigung erforderlich ist. In einer zusammen mit Teilnehmern des Graduiertenkollegs "Schulentwicklungsforschung"1) verfaßten Analyse wurde eine erste Skizzierung des Untersuchungsfeldes Schule und der in ihm auftretenden Paradoxien vorgenommen (SCHÜTZE u.a. 1996). [2]

In der vom Verfasser im Rahmen seiner Dissertation durchgeführten Analyse einer Einzelschule (PROKOPP 2000) steht nicht mehr das Handeln von einzeln agierenden Professionellen im Mittelpunkt, sondern das gleichzeitige und koordinierte Handeln einer ganzen Professionellengruppe, d.h. der Lehrer(innen) der untersuchten Schule. Die Analyse stützte sich auf Daten des Verfassers, der selbst vorher an der untersuchten Schule unterrichtet hatte. An dieser Schule – einer Gesamtschule – kam es zu einer Weiterentwicklung des Ausgangsmodells aus den 70er Jahren. Mitte der 80er Jahre wurde es um die jeweils einen Schüler(innen)jahrgang umfassende Teamkonzeption2) für Lehrer(innen) ergänzt. Dieser Prozeß verlief ohne Einflußnahme von außen, beruhte also ganz auf der Eigendynamik der sozialen Prozesse innerhalb des Lehrer(innen)kollegiums. [3]

Die Wiedergabe der Untersuchung erfolgt als Fallstudie, wie sie in der amerikanischen Sozialforschung bzw. in der dortigen erziehungswissenschaftlichen Forschung nichts Ungewöhnliches ist (BECKER & RAGIN 1992, YIN 1994, STAKE 1995, MERRIAM 1998) und bei der viele Einzelaspekten aus drei unterschiedlichen Datenquellen zusammengeführt werden. Die verbindende Fragestellung für die Untersuchung ergab sich aus dem Interesse des Verfassers am Entwicklungsprozeß der Schule, an der er seit 1979 beschäftigt war. Es interessierte ihn dabei besonders, welche Mechanismen es genau waren, die dazu geführt hatten, daß in den Augen vieler Lehrer(innen) eine Weiterentwicklung der Schulkonzeption notwendig geworden war und wodurch die Entfaltung des Lehrer(innen)handelns trotz dieser Weiterentwicklung immer noch behindert wurde. Diese aus der Praxis herrührende Vorstellung darüber, was von Interesse für künftige Projekte schulischer Weiterentwicklung sein könnte, leitete das Zusammenstellen der Daten während der Zeit der Tätigkeit als Lehrer an der untersuchten Schule. [4]

Der Datenerhebungsprozeß war bereits abgeschlossen, als unter Mithilfe des Graduiertenkollegs "Schulentwicklungsforschung" und des Forschungskolloquiums von Fritz Schütze mit der Auswertung der Daten begonnen wurde. Bei den Diskussionen konnte das Kontextwissen, das der Verfasser als Beteiligter am Entwicklungsprozeß mitbrachte, einbezogen werden und führte zu ersten generativen Fragen beim Erschließen des Materials. In die Bearbeitung des Datenmaterials wurde sowohl die Methodologie der "Grounded Theory" (GLASER & STRAUSS 1967, STRAUSS 1991, STRAUSS & CORBIN 1996) einbezogen, als auch Verfahren der Texterschließung von Fritz SCHÜTZE (1987). [5]

2. Datengrundlage und Konzeptionalisierung der Untersuchung

Für die Analyse des Entwicklungsprozesses der Schule und der dabei wirksam werdenden Elemente der Arbeitsbeeinträchtigung standen drei Arten von Daten zur Verfügung:

Zur Bearbeitung dieser drei Datensorten galt es ein Konzept zu entwickeln. Dabei mußte berücksichtigt werden, daß die Daten unterschiedliche Kontexte haben, nicht alle in freier Rede entstanden und daß sie an unterschiedliche Adressaten gerichtet sind. Die Konferenzprotokolle liegen in einer abgesprochenen, schriftlicher Form vor und sind an eine innerschulische Öffentlichkeit gerichtet. Die Protokollanten mußten allerdings damit rechnen, daß sie von Vertretern der Elternschaft und der Schulaufsicht mitgelesen werden. [7]

Die Aussagen der Lehrer(innen)interviews sind an den Verfasser gerichtet. Den Interviewten ist dabei aber bewußt, daß sie mit ihren Aussagen etwas aus der Hand geben, das sie später nicht mehr kontrollieren können. Sie haben allerdings Zeit genug, sich auszusuchen, wie sie sich darstellen wollen oder was sie erzählen möchten. [8]

Der Mitschnitt der Lehrer(innen)konferenz ist die Aufzeichnung einer internen Diskussion, bei welcher der Verfasser als Beteiligter offiziell befugt war, teilzunehmen. Er hatte darum gebeten, ein Aufnahmegerät aufstellen zu dürfen. Diesem Wunsch wurde von allen anwesenden Lehrer(innen) entsprochen. Sie kannten ihn als langjährigen Kollegen und erwarteten, daß er mit seinem Forschungsprojekt nicht gegen sie und gegen sich selbst als Lehrer agieren würde. [9]

Bei der Auswertung der drei Datensorten treffen unterschiedliche Zeitebenen aufeinander. In den Protokollen ist eine jeweils aktuelle, abgeschlossene vergangene Zeitebene vorhanden, die in eine neue, konstruierte Ablaufstruktur verwandelt wird. Diese künstliche Zeit läßt sich der subjektiv empfundenen vergangenen Zeit in den Interviews gegenüberstellen. Schwierig wird es jedoch mit der vergangenen Zeitebene im Aktualtext der Lehrer(innen)konferenz. Sie ist lediglich in der Erfahrung der Akteure vorhanden und muß rekonstruiert werden. [10]

Das Auseinanderklaffen der Zeitebenen bedeutet, daß es schwierig ist, zwischen den Datensorten eine direkte Beziehung herzustellen. Rekonstruierter Ablauf der schulischen Weiterentwicklung und aktuelle Diskussion der Lehrer(innen) sind nicht ohne weiteres aufeinander zu beziehen. Erleichtern läßt sich die Konzeptionalisierung (BLUMER 1973) von solchen Beziehungen über die Zeitebenen hinweg nur, wenn die Daten zunächst einmal mit Hilfe von theoretischen Konzepten, die zueinander passen, kategorisiert werden. [11]

Deswegen wird für jede Datensorte ein theoretisches Konzept aus der interpretativen Sozialforschung herangezogen wird, läßt sich eine Kontrastfolie herstellen für die Kategorisierung der Daten eines Bereichs der Untersuchung, also für Protokolle, für Interviews und für den Aktualtext. Die aus allen drei Datensorten herausgearbeiteten Kategorien werden dann trianguliert und weiter kodiert. Dies wird nun genauer erläutert. [12]

3. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs

Anselm Strauss nennt den oben angesprochenen Vorgang "Entdeckung einer neuen Theorie, ausgehend von einer bestehenden Theorie" (STRAUSS 1991, S.359). Voraussetzung dabei ist, daß es sich um den gleichen Theorietyp handelt, der auf unmittelbarer Beobachtung sozialer Prozesse und ihrer Interpretation gründet. Auf diese Weise eingebrachte Konzepte bzw. Kategorien ermöglichen eine Dimensionalisierung des Datenmaterials, auf das sie angewendet werden und dienen der theoretischen Sensitivierung im weiteren Verlauf des Kodierungsprozesses. [13]

Eine Datenquelle, auf die der Verfasser immer wieder zurückgreifen konnte, waren seine Erinnerungen an die Vielzahl der von ihm selbst erlebten schulischen Situationen. Anfangs waren sie hinderlich, weil sie das Verlassen der Lehrer(innen)perspektive erschwerten. Durch die zunehmende zeitliche Distanz zur schulischen Praxis und bedingt durch die Diskussionsprozesse in Graduiertenkolleg und Forschungskolloquium ließen sich diese Einflüsse jedoch relativieren. Die Datenquelle der persönlichen Erinnerung erübrigte ein erneutes Aufsuchen des Forschungsfeldes und ermöglichte Kontrastierungen und Memoschreiben weit über das vorhandene schriftliche Datenmaterial hinaus. Vor dem Hintergrund des riesigen Datenberges der Erinnerungen boten die aus bestehenden Theorien abgeleiteten Kategorien neben der Unterstützung der Dimensionierung auch eine Orientierungshilfe für den Verfasser. [14]

Als theoretisches Konzept zur Anwendung auf die Datensorte der Konferenzprotokolle dient die Kategorie der "Mikropolitik" (BURNS 1962), die selbst nicht aus dem Zusammenhang interpretativer Forschung stammt, die aber das strategische Verhalten der Lehrer(innen) im Schulalltag auf den Begriff bringt. Mit Mikropolitik meint BURNS, daß die Akteure innerhalb einer Organisation bei ihren einzelnen oder gemeinsamen Handlungen strategischen Gesichtspunkten folgen, ohne daß dabei den Handlungen eine Programmatik zu Grunde läge. Um "Mikropolitik" in den qualitativen Forschungsprozeß einbinden zu können, wird sie um den Aspekt der "Aushandlung" (STRAUSS 1978) erweitert. [15]

Als theoretisches Konzept für die Lehrer(innen)interviews dient die Kategorie des "konjunktiven Erfahrungsraumes" von Mannheim (MANNHEIM 1980). Er bezeichnet damit die Ergebnisse gemeinsamer Erfahrungen innerhalb eines Lebensabschnitts, die eine Verständigung ohne gegenseitige Information über Hintergründe möglich machen. Auf der Grundlage des Begriffs eines "konjunktiven Erfahrungsraumes" wird die Möglichkeit eröffnet, nach den Besonderheiten gemeinsamer Erfahrungen der Lehrer(innen) zu suchen. [16]

Der Mitschnitt der Lehrer(innen)konferenz läßt eine bestimmte Ablaufstruktur erkennen. Um den Konflikt zwischen Lehrer(innen) und Schülern und das Verhalten der Lehrer(innen) bei dessen Bearbeitung in der Konferenz erfassen zu können, wird zur Kontrastierung das theoretische Konzept des "sozialen Dramas" (TURNER 1989) zu Hilfe genommen verwendet. Unter "sozialem Drama" versteht TURNER die Sequenzstruktur eines sozialen Konflikts, die sich als Bruch von Normen, darauffolgende Krise der Beziehungen, Bewältigung der eingetretenen Auflösungserscheinungen und abschließende Neuregelung ausdrücken läßt. [17]

Vor der Folie dieser theoretischen Konzepte werden nun aus den drei Datensorten Kategorien entwickelt. Diese Kategorien haben etwas Gemeinsames. Sie verweisen auf Widersprüche, an denen die Lehrer(innen) nicht vorbeikommen. Gerade bei der Beobachtung über einen längeren Zeitraum wird deutlich, daß Lehrer(innen) in der Regel auf Probleme treffen, die sie nicht vorausgesehen haben und die sie mit einer defensiven oder offensiven Handlungsstrategie oder einer Mischung aus beidem zu beantworten versuchen. Dabei sind sie sich nicht einig und entwickeln je für sich eine von der eigenen Persönlichkeitsstruktur abhängige Privatstrategie, die sich nicht auf andere Lehrer(innen) übertragen läßt, von der aber subjektiv angenommen wird, daß sich viele Probleme lösen ließen, wenn sie einfach von anderen übernommen würde. Diese unterschiedlichen Privatstrategien sind ein permanenter Konfliktpunkt im Lehrer(innen)kollegium während des Untersuchungszeitraumes. Mit der Einführung der Teamkonzeption wird von einem Teil der Lehrer(innen) versucht, eine gemeinsame Gesprächsebene zu institutionalisieren, von der sie sich erhoffen, Probleme kontinuierlich bereden und Absprachen über eine gemeinsam zu verfolgende Strategie treffen zu können. Der als Chaos empfundenen Alltag der Schule soll so in überschaubaren Bahnen gehalten werden. Zur Illustration der unübersichtliche Situation, in der sich die Lehrer(innen) befinden, seien hier einige Beispiele aus dem Datenmaterial angeführt:

Die Daten werden zunächst "offen" kodiert, d.h. es geht darum, Konzepte zu entwickeln und analytische Distanz zu gewinnen, um sich von der Bedeutungsebene zu lösen, die den Daten durch ihre Kontexte gegeben ist. Die durch offene Kodierung gewonnenen Kategorien haben vorläufigen Charakter. Bei der Kodierung wird deutlich, daß das scheinbare Durcheinander auf Gegensätze zurückzuführen ist, die im Lehrer(innen)handeln angelegt sind. [19]

Kategorisieren lassen sich diese Gegensätze durch Gegenüberstellungen. So stehen sich während des Entwicklungsprozesses der Schule "Bewahrer(innen)" und "Veränderer(innen)" gegenüber, die über ein breites Arsenal von Beweggründen verfügen und versuchen, im Kollegium ihren Einfluß auszuweiten. Im alltäglichen Lehrer(innen)handeln stehen sich "monologisch orientierte" und "dialogisch orientierte" Professionstheorien gegenüber. Sich auf monologisch orientierte Professionstheorien stützende Lehrer(innen) sehen sich in erster Linie als Wissensvermittler, welche die Schüler(innen) weitgehend nur als Rezipienten der von ihnen dargebotenen Unterrichtsinhalte wahrnehmen, sich auf dialogisch orientierte Professionstheorien stützende Lehrer(innen) akzeptieren die Schüler(innen) als gleichberechtigte Dialogpartner, die sich in einem auf eigenen Erfahrungsgrundlagen beruhenden Denkprozeß befinden. Die Lernprozesse werden in den monologisch orientierten Professionstheorien nur am Wissensfortschritt in Bezug auf die präsentierten Unterrichtsinhalte gemessen, während sie in den dialogisch orientierten Professionstheorien unter dem Aspekt der persönlichen Entwicklung der Schüler(innen) mit den dazugehörigen Eigenheiten gesehen werden. Bei den Handlungsformen der Lehrer(innen) im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Organisationsform Schule stehen sich "abstrakt-formale" und "beziehungsorientierte" Ausprägungen gegenüber. [20]

Mit abstrakt-formal ist eine strenge Orientierung an den Vorschriften und der aus Gesetzestexten abgeleiteten Verfügungsgewalt gemeint, unter beziehungsorientiert ist eine Handlungsweise zu verstehen, die den formalen Rahmen nicht wichtig nimmt und stattdessen auf die persönliche Beziehung zu den Schüler(innen) und auf damit verbundene Verständigungsmöglichkeiten baut. Professionstheorien und Handlungsformen lassen sich nur in der Kodierung so scharf voneinander trennen. Im Schulalltag verschwimmen die genannten Gegensätze bei den einzelnen Lehrer(innen). Dialogisch orientierte Professionstheorien können z.B. mit monologischen Elementen durchsetzt sein oder teilweise mit abstrakt-formalen Handlungsformen korrespondieren und umgekehrt. Über einen längeren Zeitraum läßt sich allerdings die Tendenz bei den Lehrer(innen) beobachten, mehr der einen oder der anderen Ausprägung von Professionstheorien bzw. Handlungsformen zuzuneigen. [21]

Die allgemeine Befindlichkeit der Lehrer(innen) wird in den den Kategorien "Auskühlung" und "Image" zusammengefaßt. Mit "Auskühlung" ist der Prozeß der persönlichen Bilanzierung der eigenen Tätigkeit durch die Lehrer(innen) angesprochen. Dabei spielt nicht nur die Erfahrung des zunehmenden Lebensalters eine Rolle sowie die mit dem Beruf verbundenen Notwendigkeit, permanent die mit den Entwicklungsprozessen von Kindern und Jugendlichen verbundenen Spontaneität aushalten zu müssen, sondern auch die Erfahrung der scheinbaren Interesselosigkeit bzw. Ignoranz übergeordneter Schulaufsichtsbehörden, die kein Verständnis für die mannigfaltigen Problemlösungsanstrengungen erkennen lassen. Mit der Kategorie "Image" wird die Schematisierung der wechselseitigen Wahrnehmung jeweils anderer Personen durch die Lehrer(innen) in der Schule ausgedrückt. Die Schule ist eine arbeitsteilige Organisation, in der sich die Lehrer(innen) nur ausschnittweise wahrnehmen, z.B. auf Grund von Eigenheiten, wie dem Verhalten im Lehrerzimmer oder durch besondere Auftritte auf Gesamtkonferenzen. Bei solchen Auftritten wird von den Lehrer(innen) ein Bild von sich selbst entworfen. Wenn ein(e) Lehrer(in) nicht selbst für sein/ihr Image Sorge trägt, indem er/sie sich aus den Interaktionsprozessen des Kollegiums heraushält, wird von den anderen ohne sein/ihr aktives Zutun ein Image erzeugt. Mit diesem ist es ihnen dann möglich, ihn/sie im Alltagsgeschehen einzuordnen. Ähnlich verhält es sich mit der Imageerzeugung gegenüber den Schüler(innen). Zwischen Lehrer(innen) und Schüler(innen) werden grundsätzliche "Verstehensprobleme der Generationen" kategorisiert. In allen drei Datensorten, besonders aber im transkribierten Text der Lehrer(innen)konferenz wird an vielen Stellen erkennbar, daß es den Lehrer(innen) unmöglich ist, sich in die Perspektive der Schüler(innen) zu versetzen. Die Schüler(innen) haben auf Grund ihres Alters einen geringeren Erfahrungsumfang, der sich dazu noch wegen der anderen historischen Zeit, in der sie ihre Jugend verleben, von dem der Lehrer(innen) unterscheidet. Die Schüler(innen) reagieren mit verschiedensten Formen der Verweigerung auf die ihnen entgegengebrachte Verständnislosigkeit. [22]

Wenn diese Kategorien im weiteren Untersuchungsgang miteinander verglichen werden, stellt sich heraus, daß sie über einen gemeinsamen Bezugspunkt verfügen, von dem aus es möglich ist, Schlüsselkategorien zu entwickeln. Sowohl mit Professionstheorien, wie auch mit dem Auskühlungsvorgang, mit der Imagebildung und mit den Verständnisproblemen der Generationen lassen sich Handlungen in Verbindung bringen. Allen diesen Aktivitäten gemeinsam ist ihr Charakter als "Handlungen". Kontrastiert wird diese Überlegung zur Verallgemeinerung der Kategorien durch einen Handlungsbegriff, der auf intersubjektive Verständigung abzielt und Handlung stets als wechselseitig in Gang gesetzt versteht. (SCHÜTZ 1971) Mit Handlung ist also stets Interaktion verbunden. Ohne Interaktion, die auch vom Individuum in sich hineingenommen worden ist, kann keine Handlung stattfinden (MEAD 1975). Mit diesem theoretischen Konzept von Handlung und Interaktion, das ebenso wie vorher die theoretischen Konzepte zum Aufbrechen der drei Datensorten als Kontrastfolie dient, werden die bisherigen Kategorien neu konzeptualisiert, um Schlüsselkategorien zu finden, die sich auf alle Daten beziehen lassen. [23]

In die Schlüsselkategorien gehen vor allem die Hindernisse für die Handlung und Interaktion von Lehrer(innen) ein, die im Datenmaterial kategorisiert wurden. Sie werden nun auf einer analytischen Ebene erneut kategorisiert. Es lassen sich drei Schlüsselkategorien unterscheiden: Grenzschwierigkeiten, Antinomien und Paradoxien. Sie werden im folgenden erläutert und mit Beispielen aus dem Datenmaterial illustriert. [24]

4. Grenzschwierigkeiten des Lehrer(innen)handelns im Rahmen der Schulorganisation

Mit Grenzschwierigkeiten wird die Differenz von "Innen" und "Außen" bei einer Organisation wie der Schule kategorisiert. Es sind einerseits räumliche Unterschiede zu anderen Schulen oder Behörden, die zu Mißverständnissen führen, andererseits die Differenz zwischen Individuum und Organisation. Die Individuen sind höchst unterschiedlich mit unterschiedlichen Begabungen und Bedürfnissen, die Organisation muß mit Standards operieren, damit sie überhaupt als Organisation funktionieren kann. So befinden sich die Individuen eigentlich immer außerhalb der Organisation, weil sie deren Anforderungen nie ganz entsprechen können. Bezugspunkt für die Kategorie der Grenzschwierigkeiten ist die Organisation, nicht das einzelne Individuum. Wenn umgekehrt das Individuum den Bezugspunkt bildet, wird von Antinomien gesprochen. Auf der Grundlage des vorliegenden Datenmaterials lassen sich zweierlei Arten von Grenzschwierigkeiten unterscheiden. [25]

4.1 Grenzschwierigkeit der Exteriorität

Die Grenzschwierigkeit der "Exteriorität" betrifft die unterschiedlichen Denkweisen, die in den verschiedenen Instanzen der Behördenhierarchie oder der Hierarchie der Schule anzutreffen sind und bei Anordnungen, die auf Grund von Unkenntnis der Handlungsbedingungen an einem anderen Ort nicht die beabsichtigte Wirkung erzielen können, aufeinanderprallen. [26]

Eine Grenzschwierigkeit der Exteriorität liegt beispielsweise dann vor, wenn die Schulaufsichtsbehörde auf der Grundlage von vorliegenden Schüler(innen)zahlen Entscheidungen trifft über die Größe der an den Schule einzurichtenden Lerngruppen, ohne Bescheid zu wissen über die dort konkret vorhandenen Möglichkeiten der Zusammensetzung solcher Lerngruppen, über die Möglichkeiten der Einbindung von verhaltensauffälligen Schüler(innen), über die Möglichkeiten der Betreuung durch die Lehrer(innen) usw. In den Gesamtkonferenzprotokollen ist wiederholt von Entscheidungen dieser Art die Rede. Die Grundlage von Entscheidungen der übergeordneten Behörde sind überwiegend Schüler(innen)zahlberechnungen und ein vorgegebener finanzieller Rahmen. Die Schulaufsicht hat viele Schulen zu betreuen und muß deshalb auf der Abstraktionsebene von Zahlen operieren, was den Lehrer(innen) in der jeweiligen einzelnen Schule nicht verständlich ist, weil sie die mit der Entscheidung der Behörde entstandene konkrete Situation bewältigen müssen. Diese Grenzschwierigkeit wird noch verstärkt durch das hierarchische Verhältnis von Einzelschule und Behörde. [27]

4.2 Grenzschwierigkeit der Inkommensurabilität

Die Grenzschwierigkeit der "Inkommensurabilität" betrifft den Gegensatz zwischen der Organisationsform der Schule mit ihren Planungsinhalten und dem Verlauf von individuellen Lernprozessen junger Menschen, die sich nicht mit der die Schule konstituierenden allgemeinen Planung von Organisationsabläufen vereinbaren lassen. [28]

Die Grenzschwierigkeit der Inkommensurabilität wird deutlich in den Teamkonferenz-Protokollen. Bei den Diskussionen wird problematisiert, daß sowohl die schwachen als auch die besonders guten Schüler(innen) trotz Leistungsdifferenzierung keine ausreichende Förderung erhalten. Dabei würden sich die guten Schüler(innen) nach unten anpassen, die schwachen Schüler(innen) würden rebellieren. Die enge Zusammenarbeit der Lehrer(innen) in Teams würde diesen Zustand mildern, aber nicht beseitigen können. Die individuellen Verläufe von Lernprozessen können von der Schule als Organisation nicht berücksichtigt werden. Beide sind inkommensurabel. Die Erfahrung dieser Unmöglichkeit führen bei vielen Lehrer(innen) zu der Ansicht, daß "man ja sowieso nichts machen könne". [29]

5. Antinomien des Lehrer(innen)handelns

Antinomien beziehen sich im Gegensatz zu Grenzschwierigkeiten auf die konkrete Einzelhandlung der Lehrer(innen). Sie kategorisieren die in einer solchen Einzelhandlung auftauchenden Mißverständnisse, die sich tendenziell ausräumen lassen und den Fortlauf der Interaktion nicht weiter behindern, die aber immer wieder aufbrechen, weil ihnen eine grundsätzlich divergierende Perspektive auf das Handlungsspektrum innerhalb der Schulorganisation zu Grunde liegt. Aus dem vorhandenen Material lassen sich zwei Antinomien des Lehrer(innen)handelns herausarbeiten. [30]

5.1 Handlungsantinomie

Die "Handlungsantinomie" ist auf falsche Annahmen zurückzuführen, die darin begründet sind, daß sich die Lehrer(innen) wechselseitig im Schulalltag nur reduziert bzw. über ein "Image" vermittelt wahrnehmen können und nur ansatzweise wissen, wie ein(e) andere(r) Lehrer(in) den Umgang mit den Schüler(innen) gestaltet. [31]

Handlungsantinomien sind scheinbar zu bewältigen, indem die falsche Annahme erkannt und darauf geachtet wird, auf ihr basierende mißlungene Handlungen in Zukunft gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Ihre Vermeidung ist aber nicht ohne weiteres möglich. Die Lehrer(innen) haben unterschiedliche Vorstellungen von Schule, vom Unterricht, von den Schüler(innen) und auch unterschiedliche Fähigkeiten, mit den Schüler(innen) umzugehen. Dies veranlaßt sie z.B. zur unterschiedlichen Durchführung einer ins Auge gefaßten Absprache mit anderen Lehrer(innen). Wenn – wie in den Teamprotokollen nachzulesen – im Jahrgangsteam verabredet wird, mit den Schüler(innen) über das Verhalten in den Pausen zu reden, so geschieht das auf höchst unterschiedliche Weise mit sehr differierenden Ergebnissen. Die Schüler(innen) des(r) einen Lehrers(in) kennen die Regeln, die des(r) anderen nicht. Dieser Umstand kann wieder korrigiert werden, war aber nicht genau vorauszusehen. [32]

5.2 Sinnweltantinomie der Generationen

Bei der "Sinnweltantinomie der Generationen" stehen sich Lehrer(innen)generation und Schüler(innen)generation gegenüber, die auf Grund der unterschiedlichen Erfahrungshintergründe eine unterschiedliche Perspektive auf Unterrichtsabläufe, Verhalten in der Schule, Relevanz von Unterrichtsinhalten, Selbstdarstellung usw. haben. [33]

Als Beispiel für die Sinnweltantinomie der Generationen lassen sich Konflikte nennen, die in der Lehrer(innen)konferenz verhandelt werden. Beide Seiten nehmen sich dabei nur verzerrt wahr und verstehen nicht, welche Motive die jeweils andere Seite hat. Verstärkt wird dieses Auseinanderklaffen der Sichtweisen durch die hierarchische Beziehung zwischen den Generationen, wobei der Wissensvorsprung der älteren Lehrer(innen)generation als ein Machtverhältnis aufgefaßt wird, das Widerspruch herausfordert. Die Lehrer(innen) ärgern sich über die Fähigkeit der Schüler, die "Schwachstellen des Systems genau herauszuspüren" und so lange zu argumentieren "bis alles verwaschen (sei)". Die Schüler brächten zum Ausdruck, daß sie machen würden, was sie wollten und daß "keiner gezwungen worden (sei), Lehrer zu werden". Den Schülern geht es nicht darum, einfach nur den Unterricht zu stören, sondern sie wollen von den Lehrer(innen) ernstgenommen werden bei ihren Bemühungen, sich eine authentische eigene Sichtweise auf die Welt anzueignen. [34]

6. Paradoxien des Lehrer(innen)handelns

Liegt eine Handlungskonstellation vor, die in sich widersprüchlich ist und in deren Verlauf Interaktion nicht mehr funktioniert, dann kann von Paradoxien des Lehrer(innen)handelns gesprochen werden. Die aus dem Datenmaterial kategorisierten verschiedenen Paradoxien des Lehrer(innen)handelns beziehen sich auf den Unterricht, von dem in den Daten allerdings nur indirekt die Rede ist. Es kommt immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Durchführung, die sich nicht genau lokalisieren lassen und die von den Lehrer(innen) als Störungen empfunden werden. Es handelt sich um drei Paradoxien des Lehrer(innen)handelns, die eng miteinander verbunden sind und die sich in der Schule nicht vermeiden lassen. [35]

6.1 Lernorganisationsparadoxie

Die Widersprüchlichkeit in der Beziehung von Lehrer(innen) und Lerngruppe bei der Vermittlung von abstrakten Lerninhalten, die während des Unterrichts nicht allen Schüler(innen) gleichzeitig vermittelt werden können, weil die individuellen Lernprozesse unterschiedlich schnell und auf unterschiedlichen Wegen verlaufen, läßt sich als "Lernorganisationsparadoxie" bezeichnen. Der/die Lehrer(in) kann nicht mit allen Schüler(innen) gleichzeitig reden, obwohl das zur Begleitung und Anleitung der Lernprozesse eigentlich notwendig wäre. [36]

Mit dem Versuch einiger Lehrer(innen) der untersuchten Schule, ein Team zu bilden, sich gegenseitig abzusprechen und gemeinsam über den Unterricht zu reflektieren, wird der Versuch unternommen, mit den Schüler(innen) eine enge Kontaktebene aufzubauen, die es ermöglichen würde, viele der Fragen, welche die Schüler(innen) haben, schon im Vorfeld des Unterrichts zu beantworten. Gruppenarbeit, die selbständiges Handeln der Schüler(innen) voraussetzt, ist die zweite Ebene, auf der eine Entschärfung der Unterrichtssituation durch Umgehung der Interaktion zwischen Lehrer(in) und Schüler(innen) versucht wird. [37]

6.2 Lerngegenstandsparadoxie

Jeder im Unterricht vorgegebene abstrakte Lerngegenstand verhindert durch seine Struktur, daß Lernprozesse, die einen komplexen Dialog mit Erprobungs- und Überprüfungsphasen zwischen Schüler(in) und Lehrer(in) darstellen, frei und ungehindert stattfinden können. Das Erklären durch die Lehrer(innen) bewirkt, daß der Vorgang des Verstehens bei den Schüler(innen) zur Übernahme der von den Lehrer(innen) vorgegebenen Weltsicht gerät. Durch deren Beurteilungsgewalt über die Lernergebnisse wird diese Weltsicht zementiert. Das, was außerhalb der Schule geschieht und im Alltag einen bestimmten Sinn hat, bekommt innerhalb der Schule als Lerngegenstand einen neuen Sinn. Nicht der sich aus dem lebensweltlichen Kontext ergebende Sinngehalt wird vermittelt, sondern das, was durch den Filter der Schulorganisation und der Lehrer(innen) als deren Sachwalter gedrungen ist. Dieser Umstand wird als "Lerngegenstandsparadoxie" bezeichnet. [38]

Auf den Teamkonferenzen wird darüber diskutiert, daß die Schüler(innen), die eine Fremdsprache erlernen, gute Noten erhielten und der Meinung wären, die Sprache auch zu beherrschen. Bei Auslandsaufenthalten müßten sie jedoch feststellen, daß sie sich nicht verständigen könnten. Sie hätten sich im Unterricht dem Schema ihres(r) Lehrers(in) anpassen müssen. Bei den Lehrer(innen) des ersten Teams, die ein neues Schulkonzept wollen, gibt es die Vorstellung von Alternativen dazu, die in Richtung eines freieren Lernens gehen. In der Praxis werden sie aber immer wieder von der Lerngegenstandsparadoxie eingeholt, weil diese nur außerhalb des Unterrichts aufgehoben werden kann. [39]

6.3 Lehrtätigkeitsparadoxie

Als "Lehrtätigkeitsparadoxie" wird der Umstand bezeichnet, daß Lehrer(innen) im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit Routinen entwickeln müssen, um den Anforderungen des Schulbetriebes genügen zu können. Durch diese notwendige Einbindung in vorgegebene Arbeitsabläufe können sie bei ihrer Tätigkeit nicht auf die individuellen Lernprozesse der Schüler(innen) und deren Emergenz eingehen und müssen an den Schüler(innen) vorbeiagieren. [40]

Bei den intensiven Diskussionen der Teamsitzungen kommt immer wieder zur Sprache, daß der eigene Unterricht durch den Unterricht der anderen Lehrer(innen) beeinflußt würde. Wenn Schüler(innen) z.B. aus einer naturwissenschaftlichen Unterrichtsstunde bei einem strengen Lehrer kämen oder eine Arbeit geschrieben hätten, wäre in der nachfolgenden Schulstunde kein normaler Unterricht möglich. Die Schüler(innen) wären nur dazu aufgelegt, Unsinn zu machen oder könnten sich nicht mehr konzentrieren. Die Teamlehrer(innen) möchten den Routinen anderer Lehrer(innen) eigene schüler(innen)orientierte Routinen entgegensetzen, um damit den Bedürfnissen der Schüler(innen) besser entsprechen zu können. Gleichzeitig sprechen sie aber davon, wie schwierig es sei, die spontanen Ideen der Schüler(innen) in das eigene Lehrprogramm zu integrieren. [41]

Die in der Untersuchung kategorisierten Paradoxien, Antinomien und Grenzschwierigkeiten des Lehrer(innen)handelns sind im Schulalltag nicht zu trennen. Trennen lassen sie sich nur durch die hier erreichte analytische Abstraktionsstufe. Mit ihnen werden Ansätze für ein theoretisches Konzept erkennbar, mit dem es vielleicht gelingen kann, die immerwährenden, latent vorhandenen, nicht auflösbaren Konfliktsituationen in der Schule besser zu verstehen und schulische Weiterentwicklung zu einem Prozeß werden zu lassen, der von den Akteuren vor Ort selbst getragen wird. [42]

Anmerkungen

1) Das Graduiertenkolleg "Schulentwicklung an Reformschulen" (1993-2000) fand an den Universitäten Kassel, Bielefeld, Magdeburg und Jena statt. Die wissenschaftliche Betreuung lag in den Händen von Rudolf MESSNER, Ludwig HUBER, Fritz SCHÜTZE, Klaus-Jürgen TILLMANN, Winfried MAROTZKI u.a. <zurück>

2) Mit "Teamkonzeption" ist die Aufteilung des Lehrer(innen)kollegiums in selbständig agierende Lehrer(innen)gruppen für einen Schüler(innen)jahrgang gemeint, die den Unterricht auf der Grundlage der geltenden Richtlinien und der Beschlüsse der Konferenz aller Lehrer(innen) der Schule (der Gesamtkonferenz) selbst organisieren und dadurch, daß sie eine überschaubare Anzahl von Schüler(inne)n zu betreuen haben, in der Lage sind, sich abzusprechen und intensiver auf die Entwicklungsprozesse der Schüler(innen) einzugehen. <zurück>

3) Gesamtkonferenzen sind die Lehrer(innen)konferenzen, die das oberste beschlußfassende Organ einer Schule darstellen. Die dort gefaßten Beschlüsse hat der/die Schulleiter(in) bei seinen/ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Ansonsten ist er/sie offiziell an die Vorgaben gebunden, die im Schulgesetz, dem Beamtengesetz sowie in Erlassen und Verordnungen formuliert sind. <zurück>

4) Teamkonferenzen sind abgewandelte Jahrgangskonferenzen der Lehrer(innen), in denen sich die Lehrer(innen) nicht nur über formale Dinge des Schullebens verständigen, sondern in denen auch über die Lernprobleme der Schüler(innen), das Lehrer(innen)verhalten, didaktische und methodische Probleme, neue Unterrichtskonzepte usw. geredet werden kann. <zurück>

Literatur

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Zum Autor

Karl PROKOPP ist Studienrat und unterrichtete an verschiedenen Gesamtschulen und Gymnasien in Hessen. Er ist Doktorand bei Fritz Schütze und Rudolf Messner und beteiligte sich als assoziiertes Mitglied am Graduiertenkolleg "Schulentwicklung an Reformschulen" (1993-2000).

Kontakt:

Karl Prokopp

Zitation

Prokopp, Karl (2000). Paradoxien und Antinomien professionellen Handelns im Lehrer(innen)beruf [42 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 29, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001297.

Revised 3/2007

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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