Volume 16, No. 3, Art. 14 – September 2015



Schulnahe Therapien und inklusive Bildung: im Spannungsfeld von institutionell definierter Zuständigkeit und subjektivem Problem- und Wirksamkeitserleben mit Folgen für die Interventionen

Martin Vetter

Zusammenfassung: Psychomotoriktherapeutinnen und -therapeuten, die in der Schweiz zu den fest eingebundenen sonderpädagogischen Maßnahmen in der Schule gehören, sind bei bestimmten Konstellationen in ihrem Arbeitsumfeld verunsichert bezüglich ihrer Angebote für Schülerinnen und Schüler: Sie hinterfragen dann ihre therapeutischen Zugänge und ihre Werthaltungen, die sie grundsätzlich zwar für richtig, aber als wenig kompatibel zum Bildungssystem empfinden. Diese erlebte Einschränkung und Verunsicherung in ihrer therapeutischen Arbeit empfinden sie dann, wenn die Strukturen und Abläufe im Schulsystem aus ihrer Sicht eng und stark standardisiert sind. Der Befund stützt die These, dass eine enge Reglementierung von Berufsausübenden über administrative Vorgaben unter bestimmten Voraussetzungen langfristig zum Verschwinden der Spezifik eines Berufes und zur De-Professionalisierung führen kann.

Im Forschungsprojekt "Subjektive Theorien von Psychomotoriktherapeutinnen und -therapeuten", aus welchem die Daten und Analysen stammen, waren Fragen zum Zuständigkeitskonstrukt, zum Wirksamkeitserleben und zum Umgang mit Herausforderungen zentrale Leitfragen der gering strukturierenden Leitfadeninterviews mit Therapeutinnen und Therapeuten dieses Berufes in der deutschsprachigen Schweiz. Deren Professionsverständnis bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen definiertem Auftrag vonseiten der Bildungsverantwortlichen einerseits und davon deutlich abweichendem, selbst konstruiertem Zuständigkeitserleben andererseits. Im Beitrag wird exemplarisch die Methodik der Rekonstruktion bei der Herausarbeitung der Befunde aus dem transkribierten Material mithilfe der integrativen, texthermeneutischen Analyse (vgl. KRUSE, 2014) nachgezeichnet, Ergebnisse werden zur Diskussion gestellt und die geplanten, nächsten Schritte aufgezeigt.

Keywords: Psychomotorik; Therapiewirksamkeit; Sonderpädagogik; integrative texthermeneutische Analyse; Leitfadeninterviews; Inklusion

Inhaltsverzeichnis

1. Problemaufriss und Struktur des Beitrages

1.1 Struktur des vorliegenden Beitrages

1.2 Selbstverständnis und Zuständigkeit von Psychomotorik

1.3 Einblicke: Zuständigkeiten im Schweizer Bildungssystem und in der Psychomotoriktherapie

2. Ergebnisüberblick: Die großen Veränderungen im Bildungswesen verunsichern vor allem erfahrene Therapeut/innen

2.1 Weitere Ergebnisse

3. Methodik des Projekts: Stichprobe, Leitfadeninterview, Extrahierung, Datenanalysen

3.1 Sampling

3.2 Leitfadenerstellung

3.3 Analyse I: Datendeskription, Inventarisierung, Segmentierung

3.4 Analyse II: Strukturierung, Bündelung, Verdichtung

3.5 Analyse III: Typenbildung, Aufbereitung an Fallexzerpten

4. Ergebnisabsicherung und Ergebnisdetails: Illustrationen und Kontrastierungen an typischen Beispielen

4.1 Erfahrene Therapeut/innen aus Zürich: Strukturen in der Schule beeinflussen Spielraum in der Therapiestunde

4.2 Kontraste: Weniger erfahrene Therapeut/innen aus Zürich und Therapeut/innen mit weniger organisierten Anstellungsbedingungen sehen und nutzen Spielräume

5. Erste Kontextualisierungen: Warum werden als gut betrachtete Anstellungsbedingungen als einschränkend empfunden und was sind mögliche Folgen?

5.1 Die Institution als Wegbereiterin der Verunsicherung?

5.2 Psychomotoriktherapie im Kontext veränderter Bildungsangebote

Anhang 1: Legende verwendeter Zeichen in der Transkription

Anhang 2: Interviewleitfaden

Anhang 3: Konzipierung des Projekts, Erstellung und Analyse des Materials

Anmerkungen

Literatur

Zum Autor

Zitation

 

1. Problemaufriss und Struktur des Beitrages

Psychomotoriktherapie1) gehört seit dem Jahre 2008 in der Schweiz zum Grundangebot der sonderpädagogischen Unterstützung in der Schule. Der bis dahin von Fall zu Fall unterschiedlich in schulische Abläufe integrierte Beruf wurde im Zuge einer durch ein kantonsübergreifendes Konkordat begleiteten Entscheidung in vielen Kantonen durch Verordnungen, Konzepte und Strukturen stärker in sonderpädagogische Problemstellungen eingebunden. Durch diese Rahmung wurde die Tätigkeit der Psychomotoriktherapeut/innen auch vielerorts stärker strukturiert oder reglementiert. [1]

Im Forschungsprojekt "Subjektive Theorien von Psychomotoriktherapeutinnen und -therapeuten" wurde den folgenden Fragestellungen vorrangig nachgegangen:

In diesem Beitrag wird vor allem ein spezieller Aspekt dieser Fragestellungen beleuchtet:

1.1 Struktur des vorliegenden Beitrages

Im vorliegenden Artikel wird, um Lesende bei der Herausarbeitung der Untersuchungsergebnisse mitzunehmen, wie folgt vorgegangen:

Ich bin mir darüber bewusst, dass diese Gliederung unüblich, jedoch dem Verständnis hoffentlich zuträglich ist. [5]

1.2 Selbstverständnis und Zuständigkeit von Psychomotorik

Psychomotorik versteht sich im deutschsprachigen Raum spätestens seit Beginn der 1980er Jahre als "ganzheitlich-humanistische, entwicklungs- und kindgemäße Art" der Intervention mittels Bewegung (KIPHARD 1984, S.49). Dabei besteht eine Ausbildungs- und Begriffspluralität: In Deutschland wird eine Befähigung zur Ausübung der psychomotorischen Förderung bzw. Therapie u.a. über einen Master-Abschluss in Motologie an der Universität Marburg, einen Bachelor-Abschluss in Psychomotorik an der Hochschule Emden-Leer oder über einen Abschluss als staatlich geprüfter Motopäde/staatlich geprüfte Motopädin an Fachschulen für Motopädie, beispielsweise in Bergisch-Gladbach, erworben. In der Schweiz ist die Zulassung zur Berufsausübung in Psychomotoriktherapie ausschließlich über ein Bachelor-Studium an zwei Ausbildungsorten möglich. In Österreich besteht u.a. die Möglichkeit an der Universität Wien, ein Weiterbildungsstudium mit Master of Science-Abschluss zu absolvieren. Psychomotorische Angebote richten sich an alle Altersstufen, den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit im deutschsprachigen Raum bilden Interventionen bei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. [6]

Es geht nach psychomotorischem Selbstverständnis entweder darum, mithilfe von Bewegungsangeboten Entwicklungsaufgaben zu bewältigen (z.B. FISCHER 2009), das Selbstkonzept zu stärken (z.B. ZIMMER 2012), oder auch darum, im Sinne des Fallverstehens phänomenologisch, hermeneutisch oder tiefenhermeneutisch über psychomotorische Bewegungssituationen an Themen zu arbeiten bzw. Erkenntnisse zu gewinnen (z.B. SEEWALD 2007). Persönlichkeitsbildende Aspekte bilden stets einen Schwerpunkt der bewegungsorientierten Arbeit und werden selbst bei vordergründig funktional wirkenden Zugängen nicht außen vor gelassen (NAVILLE & MARBACHER 2012). In nahezu allen derzeit gebräuchlichen Ansätzen wird ein multidimensionales Verständnis von Entwicklung deutlich (vgl. zusammenfassend HAAS 1999; VETTER 2001, 2007): Es geht dabei vorrangig um die Verbesserung der persönlichen Situation, um – beispielsweise bezogen auf den Bildungskontext – Teilhabe an Gesellschaft, Lernen und Bildung zu ermöglichen. [7]

Konzeptionell handelt es sich also in erster Linie nicht um ein Training zur Verbesserung der Motorik, sondern um eine Unterstützung der Selbstwerdung und des Findens von eigenen Ressourcen mittels speziell aufbereiteter Bewegungsangebote. In einer zeitgemäß verstandenen psychomotorischen Förderung oder Therapie ist es also im Rahmen eines bio-psycho-sozialen Verständnisses von Diagnose und Intervention lediglich ein Aspekt von vielen anderen, dass eine Verbesserung bewegungsbezogener Funktionen angestrebt wird. Grafomotorische Unterstützung, ein besonders in der Schweiz bedeutsamer Teilbereich der psychomotorischen Arbeit, hilft dabei, die Voraussetzungen für eine ökonomische, flüssige und leserliche Handschrift zu erlernen bzw. zu verbessern. [8]

Somit positioniert dieses theoretische Selbstverständnis den Beruf im Tätigkeitsfeld zwischen Therapie und Pädagogik: Pädagogische Grundhaltung und therapeutische Techniken ergänzen einander. Der Einsatz therapeutischer Techniken und therapeutischen Wissens hat, ähnlich wie beispielsweise auch in der Sozialpädagogik, Tradition: Man bedient sich therapeutischer Konzepte, um in der Praxis fallspezifisch passende, bewegungsgetragene Lösungen und Handlungsansätze zu finden. Die Grundhaltung zeichnet dabei ein hoher Grad der Aufrechterhaltung des Alltagsbezuges bei der Bearbeitung von Problemstellungen über das Medium Bewegung und Spiel aus (vgl. dazu GALUSKE 2009, S.132-142, zur Abgrenzung zwischen therapeutischen und pädagogisch-therapeutischen Interventionen vgl. auch VETTER 2009). [9]

Im Zuge der Neuorganisation des Bildungswesens der Schweiz finden sich in offiziellen Dokumenten der Bildungsbehörden ebenfalls Definitionen dessen, welche Aufgaben Psychomotoriktherapeut/innen, seit dem Jahr 2008 kontinuierlich enger eingebunden in das Bildungssystem, übernehmen sollen. Im Dokument zur Absicherung einer einheitlichen Terminologie im Bereich der Sonderpädagogik der SCHWEIZERISCHEN KONFERENZ DER KANTONALEN ERZIEHUNGSDIEKTOREN (2007a, S.4) (kurz EDK, vergleichbar ungefähr mit der Kultusministerkonferenz in Deutschland) heißt es beispielsweise dazu: "In der Psychomotorik werden psychomotorische Entwicklungsauffälligkeiten, -störungen und -behinderungen diagnostiziert sowie Therapie- und Unterstützungsmassnahmen geplant, durchgeführt und ausgewertet". In Dokumenten der BILDUNGSDIREKTION DES KANONTS ZÜRICH umschreibt man die Tätigkeit wie folgt: "Die psychomotorische Therapie richtet sich an Kinder und Jugendliche der Kindergarten-, Primar- und Sekundarstufe, die Auffälligkeiten und Abweichungen in ihrer Bewegungsentwicklung und ihrem Bewegungsverhalten aufweisen" (2011, S.3). [10]

1.3 Einblicke: Zuständigkeiten im Schweizer Bildungssystem und in der Psychomotoriktherapie

Mit dem Stichtag zum 1. Januar 2008 wurde in der Schweiz die Bildungsverantwortung innerhalb der staatlichen Aufgaben neu organisiert: Eine für das Bildungssystem und somit auch für Sonderpädagogik bedeutsame Änderung war dabei der Transfer der Zuständigkeit für eine Sonderschulung für Menschen von 0 bis 20 Jahren von der Invalidenversicherung (IV) neu in den finanziellen und organisatorischen Verantwortungsbereich der Kantone (EIDGENÖSSISCHES FINANZDEPARTEMENT 2007). Die bereits existierende kantonale Schulhoheit wurde somit um die Zuständigkeit für heil- und sonderpädagogische Maßnahmen ergänzt. Gerahmt wurden diese Entscheidungen auch von der erkannten Notwendigkeit, verbesserte Rahmenbedingungen für eine inklusive Ausgestaltung des Bildungssystems zu schaffen. [11]

1.3.1 Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik

Um den Prozess der beschlossenen Veränderungen zu begleiten und um den kantonalen Spielraum abzustecken, wurde von der SCHWEIZERISCHEN KONFERENZ DER KANTONALEN ERZIEHUNGSDIREKTOREN (2007b) ein Sonderpädagogikkonkordat erarbeitet, welches die Grundzüge zukünftiger, inklusiv ausgerichteter Bildungspolitik beschreibt. Psychomotoriktherapie gilt seitdem im Bildungssystem der Schweiz, ebenso wie auch Logopädie, als pädagogisch-therapeutisches Grundangebot in der Schule und ist, gemeinsam mit schulischer Heilpädagogik und Schulpsychologie, eine der Säulen der sonderpädagogischen Unterstützung. Bis heute sind diesem Konkordat 15 Kantone beigetreten, für sie ist die im Konkordat gesetzte Rahmung verpflichtend bei der Ausgestaltung ihrer Bildungsangebote, für die nicht beigetretenen Kantone freiwillig. [12]

1.3.2 Psychomotoriktherapie im Kanton Zürich und "Schulische Standortgespräche"

Im Nachgang dieser interkantonalen Vereinbarung waren nun die Kantone aufgefordert, die Einbindung dieser genannten Berufe in eigenen Konzepten genauer zu regeln und an ihre kantonalen Bedingungen und Voraussetzungen anzupassen. Die Kantone kamen diesem Ansinnen mit unterschiedlicher Regulierungstiefe nach. Der Kanton Wallis trat dem Konkordat als erster Kanton überhaupt im Jahre 2008 bei, es existieren jedoch nach wie vor, durch wenige Regularien, große Freiräume für die Ausgestaltung der pädagogisch-therapeutischen Tätigkeit. Der Kanton Zürich trat bis heute zwar nicht bei, nahm dieses Konkordat aber trotzdem mit zum Anlass, neue Konzepte zu entwickeln und Vorgaben zu erlassen. Zuständigkeiten, Abläufe und Tätigkeitsprofile im Bereich der Schule und der sonderpädagogischen Unterstützung wurden vollständig neu strukturiert und geregelt. Die kantonalen Konzepte waren wiederum Orientierungsrahmen für die Ausarbeitung von Tätigkeitsprofilen und Stellenbeschreibungen auf städtischer Ebene bzw. Gemeindeebene. [13]

Die Aufgabe der Psychomotoriktherapie ist im Kanton Zürich beschrieben und festgelegt in Dokumenten des Kantons (BILDUNGSDIREKTION KANTON ZÜRICH 2010, 2011). Das Angebot umfasst zum einen "kind- bzw. fallbezogene Interventionen" (S.3) mit Abklärung, Diagnostik und Indikation sowie ambulante Einzel- und Gruppentherapie in der entsprechenden Infrastruktur und therapiebegleitende Maßnahmen wie Gespräche, Beratung, Unterrichtsbesuche oder interdisziplinäre Zusammenarbeit. Der zweite Bereich sind "fachbezogene Interventionen (Prävention)", beispielsweise "präventive Interventionen" innerhalb von Kindergarten- oder Schulklassen oder "fachbezogene interdisziplinäre Zusammenarbeit" (a.a.O.). [14]

Im Zuge der beschriebenen Veränderungen entstand im Kanton Zürich u.a. auch das obligatorische Verfahren "Schulische Standortgespräche" (SSG) (HOLLENWEGER & LIENHARD 2009). Es stellt eine einheitliche Struktur und einen vereinheitlichten Ablauf für die Erfassung, Bearbeitung und Dokumentation von Problemen und Ressourcen von Schülerinnen und Schülern sowie für den Prozess ihrer Begleitung zur Verfügung. Seine Durchführung ist zwingend Voraussetzung für die Zuweisung zu einer sonderpädagogischen Maßnahme (BILDUNGSDIREKTION KANTON ZÜRICH 2012), somit auch zur Zuweisung einer Schülerin oder eines Schülers zur Psychomotoriktherapie. [15]

1.3.3 Psychomotoriktherapie in der Stadt Zürich

In der Stadt Zürich (die nicht mit dem Kanton Zürich identisch, sondern politisch und bezüglich der Population ein Teil des Kantons ist) sind die kantonalen Vorgaben letztlich, bezogen auf die städtischen Bedingungen und Besonderheiten, konkret geregelt: Die Zuweisung zur psychomotorischen Abklärung erfolgt, nach Gespräch und Einverständnis von Eltern und Schulleitung, über eine Anmeldung der Lehrer/innen an die zuständige Therapiestelle. Nach der psychomotorischen Fachabklärung erfolgt das erste SSG, bei welchem die Einschätzungen von allen Beteiligten zusammengetragen und gemeinsam Förderziele festgehalten werden. Die Psychomotoriktherapeutin/der Psychomotoriktherapeut verfasst einen Abklärungsbericht, in welchem die fachlichen Einschätzungen dokumentiert und die Ziele der psychomotorischen Unterstützung beschrieben werden. Mit dem Abschlussbericht nach beendeter Therapie wird in gleicher Weise verfahren. [16]

Die Fachstelle Psychomotoriktherapie, welche zur Abteilung Strategie- und Organisationsentwicklung (ASO) des Schul- und Sportamtes gehört, ist verantwortlich für die personelle und inhaltliche Führung der Therapiestellen innerhalb des Stadtgebietes (FACHSTELLE PSYCHOMOTORIK-THERAPIE DES SCHUL- UND SPORTDEPARTEMENTS DER STADT ZÜRICH 2011). Sie begleitet und evaluiert zudem die Abläufe auf Grundlage ihrer Vorgaben mit eigens von ihr entwickelten Dokumenten und Formularen. [17]

2. Ergebnisüberblick: Die großen Veränderungen im Bildungswesen verunsichern vor allem erfahrene Therapeut/innen

Esther D2).: "Aber mit dem [Schüler, Anm. M.V.] habe ich eigentlich ein Jahr lang praktisch nur Fußball gespielt. Drum sage ich eben, das/ dort habe ich das irgendwie mich noch getraut. Und jetzt habe ich das Gefühl: Ah, nee, das geht doch nicht" (122)3) 4).

Im Zeitraum Frühjahr/Sommer 2012 wurden insgesamt 15 Leitfadeninterviews mit Psychomotoriktherapeut/innen in der deutschsprachigen Schweiz geführt und anschließend bearbeitet. Methodisch aufgebaut wurden die Interviews und deren anschließende Bearbeitung in Anlehnung an das integrative Basisverfahren von KRUSE (2014, siehe detaillierte Angaben zur Methodik in Abschnitt 3). Es handelte sich um das Gespräch gering strukturierende, erzählgenerierende Interviews. [18]

Sieben der Interviewten arbeiten in der Stadt Zürich, acht in anderen Kantonen der Schweiz. Es nahmen sowohl an Berufsjahren erfahrene als auch weniger erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten an den Interviews teil. Ein Überblick über Daten, Vorgehensweisen und Besonderheiten findet sich in Tabelle 1. [19]

Im obigen Zitat beschreibt die Psychomotoriktherapeutin Esther D. aus der Stadt Zürich mit ihren Worten, dass sie die aktuellen Entwicklungen im Bildungssystem bei der Auswahl von Methoden und Zugängen zu Schülerinnen und Schülern, die zu ihr wöchentlich in die Therapie kommen, stark verunsichern. Das Zitat steht typisch für die Selbstwahrnehmung der an Berufsjahren erfahrenen Zürcher Therapeut/innen. Für die Erfahrenen in der Zürcher Stichprobe (mindestens 18 Berufsjahre) ist der Vergleich mit der Situation vor der Neuregelung der oben beschriebenen sonderpädagogischen Abläufe in den Interviews stets bedeutsam und präsent, die erlebt wurde als eine, welche höhere Freiheitsgrade zur Ausgestaltung der individuell an die Schülerinnen und Schüler angepassten Interventionen besaß. Die Gründe für das Erleben eines eingeschränkten Gestaltungsraumes kontextualisieren die Therapeut/innen in den Interviews vor allem mit Veränderungen der letzten Jahre im Zürcher Bildungssystem, die diese Einengungen nach ihrem Empfinden herbeigeführt oder katalysiert haben. [20]

Es kann anhand des Materials herausgearbeitet werden, dass sich seit der Einführung der neuen sonderpädagogischen Strukturen in Zürich, geschehen auf einer Makroebene, nicht nur die Abläufe und die Form der Zusammenarbeit verändert haben, sondern dass sich seit diesen strukturellen Veränderungen sogar der Inhalt der psychomotorischen Therapiestunden, also die Mikroebene, gewandelt hat. Konkret bedeutet dies, dass von den veränderten Rahmenbedingungen des Berufes die Interventionen in der individualisierten Therapie beeinflusst wurden, obwohl dies in den Dokumenten und Handreichungen dieser veränderten Rahmung, herausgegeben von der Zürcher Bildungsverantwortlichen, nirgends thematisiert, geschweige denn intendiert war. Sowohl die Veränderungen der Abläufe und der Zusammenarbeit als auch die dadurch veränderten Zugänge innerhalb der Therapiestunde selbst werden von den Therapeut/innen dabei kaum positiv, sondern eher negativ und einschränkend beschrieben. [21]

Dabei ist sichtbar, dass die Therapeut/innen5) durchaus eine hohe Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Lehrerinnen und Lehrer erkennen können und ihre Anstellungsbedingungen, was finanzielle Ressourcen, Absicherung und Weiterbildungsmöglichkeiten angeht, als außerordentlich gut beschreiben. Zürcher Therapeut/innen berichten von großer Zustimmung zur Therapie durch die Lehrerinnen und Lehrer, von Wertschätzung und Sympathie durch Eltern und von Kindern, die gerne zur in der Regel wöchentlichen Therapiestunde kommen. Nur hier und da berichten sie in zum Teil anekdotischen Beispielen, in denen Lehrer/innen an den Methoden und der Wirksamkeit der Psychomotoriktherapie offensichtlich gezweifelt haben. Auf einer faktischen Oberfläche typischer Indikatoren guter Arbeitsbedingungen betrachtet, gibt es also im Umfeld und aus den Anstellungsbedingungen der Therapeut/innen kaum Hinweise darauf, warum sie sich eingeschränkt und verunsichert fühlen müssten. [22]

Obwohl also die Lehrerinnen und Lehrer aus Sicht der Psychomotoriktherapeut/innen die Psychomotorik als wertvoll und wirksam ansehen, und obwohl auch das Elternfeedback in der Regel positiv beschrieben wird, stehen die Psychomotoriktherapeut/innen dem Gestaltungsspielraum ihrer eigenen Arbeit im Kontext des Schulsystems sehr selbstkritisch gegenüber. Dies ist verbunden mit einer Art Systemkritik, welche die nach ihrem Dafürhalten eher kognitiv-wissensproduzierende Ausrichtung des Schulsystems an vielen Punkten infrage stellt und die Methoden sowie die erwünschten und die erzielten Wirkungen der Psychomotoriktherapie zwischen Werthaltungen, eigenem Zuständigkeitskonstrukt und Erfordernissen der Schule unklar erscheinen lassen. Der Spielraum der Arbeitsgestaltung wird erlebt als zerrieben zwischen vom "System" abweichenden Werthaltungen sowie Strukturen und Abläufen im Bereich der Organisation der sonderpädagogischen Maßnahmen. [23]

Grundsätzlich hadern sie bei der Beschreibung ihres eingeschränkten Spielraumes damit, dass scheinbar unterschiedliche Werthaltungen und Überzeugungen zwischen der Schule und ihnen als Psychomotoriktherapeut/innen vorliegen, was die Perspektive auf Defizite und Ressourcen von Schülerinnen und Schülern angeht. Dabei wird die Schule von ihnen verstanden als Ort, dessen Lehrpersonen, und dazu zählen auch die schulischen Heilpädagog/innen6), vorwiegend die kognitiven Aspekte für Schülerinnen und Schüler, respektive die Defizite beim kognitiven Lernen, im Fokus haben. Sie selbst sehen sich eher als Hüter/innen der Ressourcen und als Entwicklungsbegleiter/innen, welche mehr grundsätzliche Entwicklungsanreize initiieren und fördern.

Maria H.: "(lacht) Ja. (...) Also, (..) die Heilpädagogin, so wie ich sie kenne, arbeitet sehr aufs Defizit orientiert, also das Mädchen wird ständig mit dem konfrontiert, was es NICHT kann, (...) und ich würde halt 180 Grad umgekehrt arbeiten. (..) Ich denke, das ist der große Unterschied" (93). [24]

Deutlich wird aber auch ein Ringen um Loyalität mit der Schule zur effizienteren Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, welche die Therapie besuchen. Martha L., seit vielen Jahren im Beruf, selbst Mutter von schulpflichtigen Kindern, kann dies mit ihren Worten, exemplarisch für die Stichprobe, treffend wiedergeben:

Martha L.: "Also so Selbstorganisation und das denke ich die Loyalität zur Schule muss man haben und sonst ähm, also dass man sagt, ja ich bemühe mich auch dem Kind oder die dem Kind zu helfen die Anpassungsleistung an die Schule oder an den Schulalltag besser bewältigen zu können. Und eigentlich nicht eine Therapie machen im Sinne von äh, ich finde halt auch die Schule ist eigentlich zu anspruchsvoll, oder? Ist total daneben. Also weißt du, dann denke ich dann kommt man ein wenig in eine schwierige Situation" (109). [25]

Gerade ein von den Therapeut/innen als eher funktional beschriebener Fokus der Lehrpersonen auf Probleme und ihr eigener, von ihnen dazu als Kontrast empfundener, mehr ressourcenorientierter Fokus in der Psychomotoriktherapie bringt sie also offenbar in Schwierigkeiten: So zeigt sich bei den erfahrenen Züricher Psychomotoriktherapeut/innen nahezu durchgängig ihre Unsicherheit, Therapietechniken, Vorgehensweisen oder -inhalte, die sie selbst für richtig halten, im Kontext der Schule vor Lehrer/innen und/oder Eltern in Gesprächen oder gar in der Therapie vor sich selbst zu rechtfertigen. Ihnen gelingt es nach eigener Aussage nur unter großen Anstrengungen, den Spagat zwischen einem aus ihrer Sicht eher funktionalen Anmeldegrund oder Therapiebegehren durch die Lehrer/innen (z.B. Verbesserung von schulischen Leistungen, Abstellen von störendem Verhalten, Verbesserung der Lesbarkeit der Schrift, Grafomotorik) und dem eigenen, mehr therapeutischen Selbstverständnis zu leisten. Ihr eigener Anspruch ist eher der, die von Lehrer/innen beschriebenen Auffälligkeiten als Signal einer tiefer liegenden Problematik von Schülerinnen und Schülern zu sehen und sich über eine eigene Anamnese selbst auf die Suche nach Ursachen der als Symptom begriffenen, von Eltern oder Lehrpersonen beschriebenen Störungen zu begeben. Diese Haltung schien früher, also vor der Neuorganisation des sonderpädagogischen Angebotes, nach Wahrnehmung der Psychomotoriktherapeut/innen eher die Regel gewesen zu sein. [26]

Ausführlich beschreiben die Befragten die Situation vor der Neustrukturierung des sonderpädagogischen Bereichs in Zürich in Bezug auf die Anamnese und den Therapieauftrag. Typisch sind dazu die Äußerungen von Maria H:

"Und (...) damals war kein schulisches Standortgespräch daran beteiligt, sondern ich habe mit den Eltern gesprochen. Und die haben mir einfach auch andere Dinge erzählt von dem Kind, also wo einfach andere Förderthemen zum Vorschein gekommen sind, andere Therapiethemen zum Vorschein gekommen sind, und ich habe dann mit der Lehrperson am Telefon (..) gesprochen, und ihr einfach gesagt, dass (.) ich äh jetzt mal mit äh einer (.) allgemeinen Psychomotorik-Therapie beginnen möchte. Und dann die Grafomotorik ähm (.) äh so gut wie es geht einfach dazu nehme, wenn es passt. (..) So bin ich mit der Lehrerperson verblieben. (...) Und sie war einverstanden damit, also das war dann okay" (38). [27]

Bei der Schilderung der gegenwärtigen verbindlichen Praxis, bei der im Kanton Zürich Gespräche mit Eltern als SSG stattfinden, sehen sie ein Schwinden der therapeutischen Besonderheiten und Anliegen: Im SSG sollen, neben den Eltern, alle Personen beteiligt sein, die zur Veränderung einer Problematik beitragen können (HOLLENWEGER & LIENHARD 2009, S.12). In der Regel sind hier also vier bis acht Personen anwesend. Die Therapeut/innen sehen zwar auch die Vorteile des so vernetzten Arbeitens, machen sich aber vor allem Sorgen, wie sie im so organisierten System die therapeutischen Anliegen integrieren können. Exemplarisch benennt die Therapeutin Esther D., die unten noch ausführlicher vorgestellt wird, solche Situationen im SSG wie folgt:

"Und ähm, ja, und bei der (klopft auf den Tisch) Psychomotorik-Therapie finde ich, sind eher so anamnestische Sachen auch wichtig. Oder sind die ganzen Sachen, die äh Beziehung und was die alles erlebt haben und so. Und einerseits finde ich das schwierig gegenüber den Eltern, weil die sind (klopft auf den Tisch) Schulangebot. Und dann kommt die (klopft auf den Tisch) Therapeutin und will irgendwie wissen, wie das bei der Geburt war (klopft auf den Tisch) und wie die Entwicklung war und so. (Verstellt die Stimme, schlüpft in die Rolle von Eltern) 'Also äh, der geht doch hier in die Schule. Und das soll ihm doch helfen, dass er besser wird in der Schule'. (Wieder mit normaler Stimme) Ähm, ja, das finde ich eine Schwierigkeit" (131). [28]

Vor einer unten folgenden, vertieften Darstellung und Analyse lässt sich bis hierher also Folgendes konstatieren: Die erlebten Beschränkungen von erfahrenen Psychomotoriktherapeut/innen werden in einem eng reglementierten Umfeld wie in der Stadt Zürich vor allem beschrieben als Einschränkungen

Diese Ergebnisse werden kontrastiert durch Therapeut/innen, die weniger als 18 Berufsjahre in der Stadt Zürich arbeiten und von Therapeut/innen, die, gleich welcher Dauer der Berufserfahrung, in anderen Regionen der Schweiz arbeiten, in welchen weniger tiefgreifende Veränderungen der beruflichen Einbindung und Organisation stattfanden. [30]

2.1 Weitere Ergebnisse

Das Projekt lieferte weitere Ergebnisse, die hier nur erwähnt und in anderen Veröffentlichungen vertieft werden sollen:

3. Methodik des Projekts: Stichprobe, Leitfadeninterview, Extrahierung, Datenanalysen

In diesem Abschnitt wird die Methodik bei der Herausarbeitung der in Abschnitt 2 skizzierten und in Abschnitt 4 detaillierter dargestellten Ergebnisse vertieft beschrieben. [32]

Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses standen Zuständigkeitskonstrukte von Psychomotoriktherapeut/innen. Bezüglich des Berufsauftrages und der maßgeblichen Tätigkeiten wurde im Jahre 2008 eine erste, quantitativ ausgerichtete Fragebogenerhebung durchgeführt (ADLER et al. 2007), welche eher erklärungs- und verstehensbedürftige Daten und neue Fragen lieferte, die im Nachgang jener Erhebung nicht abschließend geklärt werden konnten. Fragen nach Zuständigkeit und handlungsleitenden Konzepten beispielsweise wurden dort von Therapeut/innen oft mit Verweis auf Autor/innen im Fach, auf fachfremde Autor/innen oder auf existierende Schulkonzepte beantwortet. Als besonders geeignet für die o.g. Fragestellungen im Projekt erschienen somit eher qualitative, hermeneutische Zugangsweisen durch gering strukturierte Interviews, um ein vertieftes Verständnis für die Arbeitsweisen und das Selbstverständnis der Psychomotoriktherapeut/innen zu ermöglichen. [33]

Die methodische Orientierung erfolgte am "integrativen Basisverfahren", wie es KRUSE (2009, 2014)7) als Kombination verschiedener rekonstruktiv-hermeneutischer Zugänge vorgestellt hat. Kern im Interview selbst und bei der anschließenden Datenanalyse und -interpretation von durch Transkription entstandenen Texten ist das Prinzip der Offenheit als "Zurückstellung der eigenen Vorannahmen und des eigenen Relevanzsystems" (S.374). Der von KRUSE (2009, 2014) und von HELFFERICH (2011) favorisierte Weg der Analyse und Interpretation ist als Ansatz zu verstehen, der seine Wurzeln in der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) sieht (vgl. dazu KRUSE 2014, S.374). [34]

Im Interview selbst geht es folglich um den reflexiven Umgang mit Fremdverstehen und, durch Techniken der Befragung, um die Eröffnung des Raumes für Deindexikalisierung durch die Interviewten. Die Interviewer/innen steuern also nicht die Befragung durch das Abhaken von Leitfragen und durch ein Einordnen von Begriffen und Aussagen in ihr eigenes Relevanzsystem, sondern sind dafür sensibilisiert, gesprächsöffnend nachzufragen, damit die Interviewten ihr Relevanzsystem offenlegen können. [35]

Auch nach der anschließenden Transkription der Texte mit allen prosodischen Merkmalen wie Räuspern, Pausen, Fülllauten, etc. erfolgt zunächst keine direkte Kodierung der Textstellen. Vielmehr wird die Analyse "verzögert" durch Anfertigen von Lesarten des Textes, durch Anfertigung von Inhaltsverzeichnissen der Interviews, von Inventaren, Segmentmatrizen oder detaillierten Sequenzanalysen, die im Forschungsteam verglichen, abgeglichen oder infrage gestellt werden sollen (vgl. dazu KRUSE 2014, S.472-574 und als Übersicht S.567). Die Verlangsamung des Analyseprozesses soll stets die Möglichkeit eröffnen, bereits Entdecktes erneut zu hinterfragen, um nicht bereits früh Setzungen (eben aus dem eigenen Relevanzsystem der Bearbeitenden) vorzunehmen. [36]

Die Kategorien, welche dann aus Texten vorzugsweise induktiv gebildet werden sollen, sind eher als "Arbeitscontainer " des analysierten Materials zu verstehen, weniger bereits als Codes, mit denen der Text "durchgerecht" (S.390) wird. Im Forschungsprozess selbst werden somit, bildlich gesprochen, die Türen zur Revision des Kategoriensystems sehr lange offen gehalten. Neue, induktive Elemente kommen somit auch noch spät im Kategorisierungsprozess zum Zuge. [37]

Entlang dieser Haltung und der daraus beschriebenen Arbeitsweisen wurde im hier beschriebenen Projekt maßgeblich verfahren. Daraus ergaben sich folgende forschungsmethodische Konsequenzen, die unten noch detaillierter ausgeführt werden:

3.1 Sampling

Aufgrund des sehr heterogenen Berufsfeldes8) waren große Herausforderungen an die Auswahl des Samplings gestellt. Ein n von ca. 20 Teilnehmer/innen wurde angestrebt. Hierzu wurde zunächst ein theoretisch vorüberlegtes Samplingraster erstellt (Kriterien: mindestens drei Jahre im Beruf, Pensum in den vergangenen drei Jahren 30-100%, regelmäßige Tätigkeit im Bereich Grafomotorik, Abbildung der Altersspanne im Beruf, Interviewsprache Deutsch). Ein bedeutender Umfang der geplanten Stichprobe musste zudem in der Stadt Zürich arbeiten, da vonseiten des Schul- und Sportamtes der Stadt Zürich eine Mitfinanzierung erfolgte. [39]

Die Stichprobe in Zürich wurde durch eine Art Gatekeeper-Verfahren (vgl. MERKENS 1997, S.101) gewonnen: Von allen 41 Psychomotoriktherapeut/innen in der Stadt Zürich hatten sich elf gegenüber der für sie zuständigen Fachleitung bereiterklärt, für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Durch eine vorgängige Befragung konnten von diesen potenziellen Teilnehmer/innen Profile angelegt werden, die zur Auswahl hilfreich waren: Es lagen Informationen über Ausbildungsart, -länge und -ort, Alter, Jahre im Beruf, ggf. Erstausbildung und Arbeitsort vor. Nach diesen und obigen Kriterien wurden, ohne dass die Fachleitung (als vorgesetzte Stelle) Kenntnis über die letztendliche Auswahl erhielt, zunächst drei Therapeutinnen ausgewählt und interviewt. Danach und nach erster Sichtung und Besprechung der Transkripte wurden weitere, induktiv entstandene Kriterien berücksichtigt und die folgenden vier Personen ausgewählt. Auch in diesem zweiten Schritt der Ergänzung der Stichprobe wurde Rücksicht auf die deduktiv gesetzten Kriterien genommen und beispielsweise darauf geachtet, ob die Stichprobe in "dünn besetzten" Kriterien ergänzt werden sollte. So schien es beispielsweise wichtig, Teilnehmer/innen mit Migrationserfahrungen (auch innerhalb der Schweiz, z.B. Personen, welche die Sprach- oder Kantonsgrenzen überschritten haben) in die Stichprobe zu integrieren, da sich hier ein besonderer Gehalt für die Kontrastierung bzw. Bestätigung von Mustern erhofft wurde. [40]

Für die Gewinnung der Stichprobe in den anderen Kantonen der Schweiz wurden zunächst eine Information über das Projekt und der Aufruf zur Mitwirkung im Printorgan des Berufsverbandes der Psychomotoriktherapeut/innen (astp-Bulletin) veröffentlicht. Anschließend wurden Therapeut/innen von dem Projektleiter gezielt angesprochen und die ersten drei Interviews geführt. Auch hier wurde, nach Berücksichtigung der o.g. deduktiv gesetzten Kriterien, die Stichprobenziehung durch Anregungen aus den ersten Interviews ergänzt. [41]

Es war dem Forschungsteam durchaus bewusst, dass dieses Verfahren der Stichprobenziehung nicht in allen Kriterien der Stichprobengewinnung der GTM entspricht (vgl. MERKENS 1997; REINDERS 2005). Trotzdem erschien die Kombination von induktiven, deduktiven und Gatekeeper-Elementen als sehr praktikabel und ausreichend offen, um dem (beispielsweise bei REICHERTZ 2007, S.290-291 formulierten) Anspruch des Entdeckens von Neuem (versus der Bestätigung von bereits Bekanntem) gerecht zu werden. [42]

Es wurden 17 Interviews geführt, von denen 15 transkribiert und ausgewertet wurden. Ein Pilotinterview wurde nicht transkribiert, ein Interview wurde von persönlichen Themen zwischen Interviewer und Interviewter, die sich kannten, stark überlagert und deshalb nicht verwendet. [43]

3.2 Leitfadenerstellung

Die Leitfadeninterviews wurden im Frühjahr 2012 geführt. Sieben der interviewten Therapeut/innen haben ihren Arbeitsplatz in der Stadt Zürich, acht in anderen Regionen bzw. Kantonen der Deutschschweiz. [44]

Für die Erstellung und Zusammenstellung der Fragen wurde nach der Methode "SPSS" vorgegangen (HELFFERICH 2011, S.182). Die Abkürzung steht hier (und mit Blick auf das klassische Statistikprogramm sicherlich mit einem Schuss Ironie gewählt) für das Sammeln, Prüfen, Sortieren und Subsumieren von potenziellen Fragen für einen Interviewleitfaden (zum genauen Ablauf des Verfahrens siehe S.182-189). Dabei wurde einer Gruppe von vier bis fünf (auch von nicht am Forschungsprojekt beteiligten) Personen, in welcher jede/r mit Stift und Karten ausgestattet war, das Vorhaben in seinen Grundzügen kurz vorgestellt. Danach wurden potenzielle Fragen an spätere Interviewpersonen laut in die Gruppe gerufen, anschließend aufgeschrieben und auf einen Stapel in der Mitte gelegt. Später wurden die Fragen mit der Gruppe nach gemeinsamen Themenfeldern sortiert (Diskussion war erwünscht), um eine Grundlage für die Themenfelder des Interviewleitfadens zu gewinnen. [45]

Der so aus ca. 160 Fragen zweier der mit dieser Technik geführten Team-Fragenbrainstormings abgeleitete Leitfaden enthielt in seiner endgültigen Form sieben Leitfragen bzw. Erzählaufforderungen (siehe Anhang 2). Zusätzlich existieren ein Block mit konkreten Nachfragen sowie ein Fenster mit Aufrechterhaltungsfragen im Interview. [46]

Typisch bei der Durchführung der Leitfadeninterviews der oben beschriebenen Art ist das Zurückhalten von Konzepten aufseiten der Interviewer/innen, um den interviewten Personen die Möglichkeit zu geben, eigene Themen einzubringen. Dies bedeutet beispielsweise, dass Nachfragen durch den Interviewer/die Interviewerin im Interview selbst möglichst offen gestaltet werden, also den Interviewpartner/innen nicht bereits eine "Antwortrichtung" vorgegeben wird. Das folgende Beispiel soll dies als typische Sequenz, wie bei Nachfragen von Interviewpartner/innen verfahren wurde, illustrieren:

"Interviewer: Hattest du so eine Situation schon mal wo du überlegt hast, du schmeißt alles hin?

Befragte: Also jetzt in einem bestimmten Fall? Oder den ganzen Beruf?

Interviewer: In einem bestimmten Fall oder den ganzen Beruf.

Befragte: Also den ganzen Beruf nein /

Interviewer: Du darfst selber entscheiden.

Befragte: Das nicht. Das nicht. (..) Ich glaube da, wie ist es gewesen (..) nein, es ist mehr wirklich da habe ich nicht mehr so klar, den Fall von dem ich jetzt erzählt habe, ..." (Nora X., 28) [47]

Durch die nicht-steuernde Haltung des Interviewers entscheidet die Interviewpartnerin selbst, was sie auf dessen Frage thematisiert: In diesem Beispiel bezieht sie sich dann in der Folge auf das Hinschmeißen eines Falles in der Therapie, nicht auf das Hinschmeißen des gesamten Berufes. [48]

Die Interviews wurden anschließend mit allen prosodischen Merkmalen transkribiert und in MAXQDA 10 eingespeist [49]

3.3 Analyse I: Datendeskription, Inventarisierung, Segmentierung

In einem ersten Schritt erfolgte nun ein Lesedurchgang (auf Papier) durch das Material, um Ansätze für Lesarten und Analysen zu finden. Dieser Lesedurchgang verlief weitgehend unsystematisch, um nicht bereits hier, beispielsweise durch eine Sortierung der Lesereihenfolge der Interviews, Vorannahmen zu manifestieren. Dabei ging es also um eine Art Beschreibung der Daten: Wie ist das Interview aufgebaut, wie kann es in einzelne Segmente unterteilt und welche Überschriften können einzelnen Segmenten gegeben werden? [50]

Ein Arbeitsergebnis der erfolgten Segmentierung sind Übersichten oder Gliederungen des Inhaltes der Transkripte. So wurde für eine Auswahl von Interviews ein vollständiges Inhaltsverzeichnis des gesamten Transkriptes erstellt. Dabei wurden die Überschriften der "Kapitel", also der als zusammengehörig erscheinenden Passagen in den Interviews, nahe an den Formulierungen der Interviewpartner/innen orientiert, soweit dies möglich war. Ein solches Inhaltsverzeichnis der Interviewten Esther D. zeigt Übersicht 1. Durch diese Inhaltsverzeichnisse der Interviews entsteht also, über alle Interviews hinweg, eine Inventarisierung des Materials: Es können dann damit, ohne in dieser Phase zu tief in die Transkripte einsteigen zu müssen, ökonomisch zu bewerkstelligende Analysen und Vergleiche, beispielsweise bezüglich bestimmter Thematisierungsregeln oder -reihenfolgen, angestellt werden. [51]

Danach wurden vier Transkripte der Interviews zunächst überblicksartig, dann detailliert sequenzanalytisch bearbeitet. Die erste Sequenzanalyse erfolgte Absatz für Absatz und wurde in tabellarischer Form festgehalten. Ziel dieses Arbeitsschrittes war es, die "kommunikative Sinnstruktur" (KRUSE 2009, S.201) offenzulegen. Schwerpunkt der folgenden detaillierten Analyse bildeten hier die kommunikativen Inhalte, Interaktion, Grammatik und Semantik der transkribierten Interviews. Ein Beispiel dazu folgt in Abschnitt 4.1.1. Die entstandenen Tabellen wurden anschließend als Memos an die Transkripte in MAXQDA angehängt und dort gegebenenfalls weiter ergänzt (siehe exemplarisch den Auszug aus der ersten überblicksartigen Sequenzanalyse der Interviewten Laura C. in Tabelle 1). [52]

3.4 Analyse II: Strukturierung, Bündelung, Verdichtung

Nach einem weiteren Lesedurchgang durch das transkribierte Material, nun in MAXQDA, wurden zentrale Themen aus dem Leitfaden für eine erste Strukturierung deduktiv gesetzt und ergänzt durch induktiv entstandene Kategorien aus dem ersten Lesedurchgang. So wurden beispielsweise in MAXQDA 10 u.a. die Kategorien "Arbeitsweisen in der Therapie" oder "Wirksamkeit" als Code-Container mit den Subcodes "Misserfolge und deren Begründungen" und "Erfolge und deren Begründungen" gebildet. Im Verlaufe der nach dem Lesedurchgang folgenden Kategorisierung über diese ersten Codes wurden die Codes induktiv weiter ausdifferenziert oder ergänzt: So kamen u.a. die Subcodes "Selbstwirksamkeitserleben" (Aussagen darüber, als wie wirksam die eigene Arbeit erlebt wird) und "Fremdwirksamkeitsempfinden" (also Aussagen darüber, wie die Wirksamkeit der Arbeit von anderen, z.B. Lehrpersonen, Kolleg/innen oder Freund/innen wahrgenommen wird) hinzu. Zur exakteren Zuordnung der Textaussagen wurde an diese jeweils ein Textmemo angeheftet, um die Kategorie zu erklären bzw. von anderen Codes abzugrenzen. [53]

Bei diesem Schritt wurden zur Verdichtung der Befunde auch Kontextualisierungsskizzen zu Textpassagen aus dem ersten Analyseschritt einbezogen. Beispielsweise fiel bei der Analyse I des Materials auf, dass die Interviewten an vielen Stellen eine Zuständigkeit beschreiben, die aus einer schwierigen Situation des Übergangs oder der Veränderung im Entwicklungsprozess von Schülerinnen und Schülern, die die Therapie besuchen, resultierte. Diese von Therapeut/innen offenbar wahrgenommene Zuständigkeit für Phänomene des Überganges in Lebens- oder Entwicklungsphasen ist bisher in der Psychomotorik nirgends ausführlich beschrieben. Durch ein erstes Literaturstudium wurde somit innerhalb des Codes "Arbeitsweisen in der Therapie" ein Subcode "transitorisch verstandene Arbeitsweisen" gebildet, um Aussagen zu diesen Übergangsphänomenen bündeln zu können. [54]

3.5 Analyse III: Typenbildung, Aufbereitung an Fallexzerpten

Das bis hierher wie beschrieben aufbereitete Material wurde dann im nächsten Schritt so bearbeitet, dass Typen und Muster herausgearbeitet werden konnten. Die Überprüfung der Relevanz von Merkmalskombinationen wurde vorbereitet mit aus MAXQDA erstellten Kreuztabellen und Segmentmatrizen (als deren ausführliche Textform) mit den entsprechenden Merkmalen und Kategorien (vgl. dazu das Konzept des Merkmalsraums bei LAZARUS, zit. n. KELLE & KLUGE, 2010, S.96-101). Dabei wurde zunächst nicht unterschieden zwischen den Befragten der Züricher Stichprobe und denjenigen der anderen Kantone. [55]

Kreuztabellen und Segmentmatrizen in MAXQDA 10 wurden u.a. erstellt aus den Kategorien oder Merkmalen

Zudem wurden unterschiedliche Aktivierungen (Alter, Ausbildungsort, Dauer im Beruf etc.) und mit den Codes entsprechend gekreuzt bzw. Segmentmatrizen mit aktivierten Codes erstellt. [57]

Ergänzt wurde diese Suche später im Analyseprozess mit Segmentmatrizen von Merkmalen und Kategorien zur These, ob der von Therapeut/innen wahrgenommene, abnehmende Spielraum in der eigenen Arbeit Einfluss auf das Erleben der eigenen Wirksamkeit haben kann, durch eine lexikalische Wortsuche (so z.B. mit den Such-Keywords "wirksamkeit", "wirk", "wirke", "wirku", "wirkt") in allen Transkripten (Kodierebene: Absatz), die, nach systematischer Analyse des Inhaltes und Löschung von Redundanzen, bereinigt und ggf. zusätzlich in die genannten Container (MAXQDA-Codes) integriert wurden. [58]

Nach Sichtung des so aufbereiteten Materials zeigten sich bei dessen Studium bereits schemenhaft an anderer Stelle noch genauer beschriebene Unterschiede zwischen jüngeren und erfahrenen Befragten sowie zwischen Zürcher Therapeut/innen und Therapeut/innen aus anderen Kantonen. Um diesen Sachverhalt vertieft betrachten zu können, wurden Kreuztabellierungen der Codes "Wirksamkeit", "Selbstverständnis", "Arbeit an Schnittstellen" und deren Subcodes mit unterschiedlichen Merkmalen der Befragten vorgenommen, so. z.B. mit den Merkmalen

Dazu wurden in MAXQDA entsprechende Aktivierungen von Merkmalsgruppen vorgenommen, die mit Kategorien erneut gekreuzt wurden. So können beispielsweise im Programm über eine entsprechende Variablenliste, die mit den Interviews der Befragten verknüpft ist, nur die Zürcher Therapeut/innen, die mindestens 35 Jahre alt und seit mindestens 16 Jahren im Beruf sind, zur Verknüpfung mit Codes aktiviert werden. In der Folge sucht das Programm nur in diesem Teil der Stichprobe nach den angegebenen Kategorien oder Keywords. Die Suche kann dann in anderen Gruppierungen, die auf gleiche Art vorbereitet wurden, ebenso erfolgen und den anderen Gruppierungen, erneut in einer Segmentmatrix, übersichtlich gegenübergestellt werden. [60]

Hinter dieser Anordnung und Ausdifferenzierung steckt also einerseits das faktische (Vor-) Wissen, dass in anderen Regionen bzw. Kantonen als der Stadt Zürich die Psychomotoriktherapie anders (z.B. weniger zentralisiert und weniger in die Abläufe und Strukturen der Schule eingebunden) organisiert ist und die Therapeut/innen womöglich dadurch andere Freiheitsgrade in der Gestaltung ihrer Therapie wahrnehmen. Andererseits konnte so überprüft werden, ob beispielsweise der Ort, die Dauer, der Zeitraum der Ausbildung, das Alter der Therapeut/innen oder auch die Art der beruflichen Einbindung eine Rolle für bestimmte Antwortmuster spielt. [61]

Durch diese Vorgehensweise war das Datenmaterial so weit vorbereitet, dass eventuell vorhandene Gemeinsamkeiten, Unterschiede bzw. Schnittlinien der Stichprobe herausgearbeitet werden konnten. Das obige Ergebnis, dass erfahrene Züricher Therapeut/innen ihren Arbeitskontext als einschränkend erlebten, ist ein Ergebnis dieser Analysen, welche im Anschluss weiter ausdifferenziert werden. [62]

Weitere wichtige Entscheidungen und Vorgehensweisen sind in Anhang 3 zusammengefasst. [63]

4. Ergebnisabsicherung und Ergebnisdetails: Illustrationen und Kontrastierungen an typischen Beispielen

Es herrscht bei den erfahrenen Therapeut/innen in der Stadt Zürich der Eindruck vor, dass viele der Abläufe, Methoden und Techniken, die sie seit Jahren innerhalb der Psychomotoriktherapie nutzen, schwierig kombinierbar sind mit den aktuell neueren Strukturen, Herausforderungen oder den Werthaltungen der Schule. Dieses Ergebnis wurde nun als ein Ausgangspunkt für weitere Analysen genutzt. [64]

4.1 Erfahrene Therapeut/innen aus Zürich: Strukturen in der Schule beeinflussen Spielraum in der Therapiestunde

"Interviewer: (...) Also mich würde mal interessieren, wie du dann äh für dich so/ so Entscheidungen triffst, also das Kind kommt mit dem Anmeldegrund Grafo, und du hast jetzt eben gesagt, du machst dann was anderes.

Maria H.: Das war vor ein paar Jahren" (32-33).

Es fanden sich bei der Kodierung der Daten bereits früh Hinweise darauf, dass eine Merkmalskombination der in den Interviews ausführlich bearbeiteten Themen Arbeitsweisen in der Therapie sowie Anstellungsverhältnis und -bedingungen interessante Aspekte im Kontext der übergreifenden Themen der Studie zu Zuständigkeit und Wirksamkeit hervorbringen können. Typisch und aufschlussreich waren dabei in vielen Fällen wiederkehrende Muster in den Ausführungen der Interviewten: Auf Fragen zu diesem Themenkomplex antworteten sie mit Vergleichen zwischen früher und heute sowie zwischen unterschiedlichen Arbeitsplätzen oder Arbeitsbedingungen oder Passagen, in denen die Zusammenarbeit mit Lehrpersonen und Eltern beschrieben wird. Durch die oben beschriebenen methodischen Vorgehensweisen konnte aber als ein zentrales Ergebnis herausgearbeitet werden, dass sich erfahrene Therapeut/innen aus der Stadt Zürich von weniger erfahrenen Therapeut/innen sowie Therapeut/innen aus anderen Kantonen und Regionen in der Wahrnehmung ihrer Spielräume unterscheiden, was die Gestaltung ihrer Angebote und ihrer Arbeit betrifft: Die Wahrnehmung des geringen Spielraumes steht offenbar in Zusammenhang mit den Anstellungsbedingungen und mit der strukturellen Einbindung der Psychomotoriktherapeut/innen im Bildungssystem. [65]

Illustriert werden soll das Herausarbeiten des Musters, dass die von erfahrenen Therapeut/innen empfundene Einschränkung ihrer Arbeit und die Bedingungen ihres Arbeitskontextes miteinander in Zusammenhang stehen, an Interviewpassagen der Befragten Esther D. aus Zürich, da ihre Ausführungen sehr gut als Illustrationsbeispiele taugen, um daran das Typische der Züricher Stichprobe aufzuhängen oder mit anderen Interviews zu kontrastieren. Es folgt also hier der exemplarische, sequenzanalytische Blick auf Details von Interviewpassagen, welche zu dem Ergebnis beigetragen haben. [66]

4.1.1 Sequenzanalysen: Esther D.

Esther D. hat im Verlaufe ihres beruflichen Daseins mehrere Psychomotorik-Stellen innegehabt und ist auf ihrer jetzigen Stelle nun bereits etwas mehr als zehn Jahre tätig. Im Interview selbst ist sie sehr offen, was ihre Einschätzungen der Psychomotoriktherapie im Allgemeinen sowie speziell ihre Situation betrifft. Sie wirkt im Gespräch, welches in einem Besprechungszimmer neben ihrem Therapieraum im Schulhaus stattfindet, zugleich jedoch auch sehr nachdenklich. Es ist deutlich ihre selbstkritische Distanz bezüglich der eigenen Arbeit als Psychomotoriktherapeutin zu erkennen. Esther D. äußert an mehreren Stellen im Interview, dass sie sehr unsicher ist, ob sie in ihren Therapiestunden das Richtige tut. Bezogen auf die grafomotorische Förderung, eine ausgewiesene Spezialität der Psychomotorik, macht sie sich Gedanken, welche Haltung sie bei der Auswahl der Therapieziele einnehmen soll und ist sich unsicher:

Esther D.: "Aber (.) äh ja, denke ich mir eben, ich muss jetzt an der Grafomotorik (klopft auf den Tisch) arbeiten oder Feinmotorik oder weiß ich was. Und habe das Gefühl, ich tue mich dann auf so was e/ einstellen und erlaube mir nicht, da über Umwege da hinzu/ oder Umwege ku/, schlussendlich sind es eben, ich glaube, keine (klopft auf den Tisch) Umwege. Und arbeite irgendwie an etwas, wo aber eigentlich gar nicht das Problem ist (...)" (91). [67]

Sie stellt sich grundsätzlich die Frage, ob sie eher funktionale Therapiewege beschreiten oder "Umwege" nehmen soll. Mit Umwegen meint sie, dies wird in anderen Passagen ihres Interviews deutlich, eine Betrachtung von aus ihrer Sicht eher funktional formulierten Anmeldegründen zur Therapie in einem stattdessen ihrem Arbeitsverständnis eher entsprechenden, umfassenderen Kontext. So beschreibt sie mehrere Beispiele, in denen sich die grafomotorischen Probleme von Kindern eben nicht durch das funktionale Üben fein- oder grafomotorischer Fertigkeiten verbessert haben, sondern durch das Suchen nach anderen Zugängen zum Kind. Diese Suche nach anderen Themen beginnt im Moment der Anmeldung des Schülers/der Schülerin. Mit dieser Vorgehensweise fühlt sie sich jedoch offensichtlich allein gelassen.

"Esther D.: Und/ Und ich denke eben auch, (.) keine Offenheit da, dass irgendwie über, also noch andere Sachen da drin (.) zu sehen, oder über anderes da (.) dran zu kommen. (...) Ja.

Interviewer: Das heißt (.) also, muss ich mir ungefähr so vorstellen, das/ das Kind kommt mit einem motorischen Anmeldegrund? (.) Und deine Wahrnehmung ist, wie du es jetzt geschildert hast, es ist so ein bisschen eher was anderes.

Esther D.: Mhm (bejahend)" (94-96). [68]

Es hat den Anschein, als wenn sie sich die Fragen, die der Interviewer ihr stellt, zum Teil auch selbst schon gestellt hat, denn sie erwidert auf einige Fragen sehr spontan und impulsiv. Nach einer solchen ersten Spontanantwort folgen dann oft kurze Pausen, in denen Esther D. versucht, ihre dann folgenden, ausführlicheren Antworten zu strukturieren. Die Spontanantworten sind sehr hilfreich, da sie oft eine Art Kapitelüberschrift oder einen Bezugsrahmen für die folgenden Ausführungen formulieren und dazu nicht selten das emotionale Beteiligt-Sein bezüglich der Frage oder des Themas repräsentieren.

"Interviewer: Was/ Was würdest du da so sagen, sind so im Moment so die Highlights deines Alltags?

Esther D.: Bei der Arbeit? (lachend) Das ist im Moment schwierig (lacht). Aah. Ja, das ist nicht gerade so eine günstige (lachend) Phase für die Einheit. (..) (atmet aus) (..)" (73-74). [69]

Indem Esther D. zunächst noch einmal nachfragt: "Bei der Arbeit?" und dies leicht ironisch betont, drückt sie aus, dass es derzeit in diesem Bereich für sie nicht einfach ist, so etwas wie Highlights zu formulieren. Wohl aber bezieht sie die Frage von sich aus auf ihren Arbeitskontext, obwohl dies vom Interviewer in seiner Frage nicht vorgegeben war. Sie formuliert damit aber gleichzeitig, dass es noch andere Bereiche gäbe, in denen es Highlights geben kann. Sie trennt also für sich offenbar zwischen beruflichen und anderen Bereichen. Der Seufzer ("Aah") und der folgende Satz – "Ja, das ist nicht gerade so eine günstige (lachend) Phase für die Einheit. (..) (atmet aus)" – belegt, dass es Dinge gibt, die eine Antwort zum Zeitpunkt des Interviews offenbar beeinflussen. Sehr wohl scheinen diese Dinge aber temporärer Natur zu sein, da sie von einer Phase spricht, die allerdings "nicht gerade so eine günstige" sei. Sie drückt auch aus, dass die Situation nach ihrer Einschätzung eine vorübergehende ist, eben eine "Phase". Gleichzeitig ist Esther D. anzumerken, dass sie auch eine gewisse Distanz zu ihrer Arbeit besitzt, denn sie formuliert mit Ironie und einem Lachen. Die ironische Formulierung "nicht gerade so eine" (anstatt z.B. keine) "günstige" Phase belegt dies zusätzlich. Durchaus macht sie aber klar, dass es wohl auch Zeitpunkte gegeben hat, zu denen sie diese Frage anders beantwortet hätte, es also schon günstigere Phasen gegeben haben muss. Dadurch, dass sie die Antwort auf die Frage vorab von sich aus als "Einheit" bezeichnet, macht sie zudem deutlich, dass sie hierzu noch mehr zu sagen hat. Dazu passt auch das Ausatmen am Schluss des Satzes: Sie macht zwar damit einerseits ein Belastet-Sein deutlich, andererseits kann das Ausatmen als eine Art Ausholbewegung für die dann folgenden, vertiefenden Ausführungen verstanden werden. [70]

Im weiteren Verlauf des ca. 90-minütigen Interviews kommt Esther D. dann immer wieder auf eine von ihr so empfundene Ambivalenz zwischen den Inhalten ihrer Arbeit und dem Arbeitskontext Schule zurück. Sie schildert an vielen Stellen ihre innere Auseinandersetzung zwischen den Angeboten in der Therapiestunde und dem Arbeitskontext in der Stadt Zürich. An mehreren Stellen spricht sie davon, dass sie das Gefühl hat, ihre "Wurzeln" zu verlieren: Mit Wurzeln meint sie vor allem die Arbeit an nicht-funktional, sondern eher tiefenpsychologisch begründeten Therapiezielen, die sie selbst, mit Rückgriff auf ihre damalige Ausbildung zur Psychomotoriktherapeutin, favorisiert. Sie sieht diese aber im Kontrast zu den ihrer Meinung nach funktionalen und leistungsorientierten Zielen, welche die schulische Einbindung in Zürich von ihr und ihrer Arbeit abverlange. Obwohl sie grundsätzlich daran glaubt, dass ihre so verstandene Arbeitsweise eigentlich richtig und auch erfolgreich ist, ist sie sich der Angemessenheit dieser Vorgehensweise in der Therapie mit den Schülerinnen und Schülern in ihrem Kontext nicht mehr sicher:

"Interviewer: Hat es einen Fall, wo du so richtig (.) das Gefühl hattest, du warst so richtig erfolgreich?

Esther D: Hmja. Ja, also einen, von dem ich gerade an einer Supervision berichtet habe9). Aber ich habe einen eben gehabt, das war in meinem ersten Jahr, wo ich/ Also der hatte, ich glaube, davor bei der/ Also ich habe sch/ auch noch ein Jahr eine Stellvertretung gemacht, hatte, ich glaube, schon ein bisschen Psychomotorik-Therapie davor. Aber mit dem habe ich eigentlich ein Jahr lang praktisch nur Fußball gespielt. Drum sage ich eben, das/ dort habe ich das irgendwie mich noch getraut. Und jetzt habe ich das Gefühl: Ah, nee, das geht doch nicht" (121-122). [71]

Interessant ist hier, dass Esther D., die bereits seit fast 20 Jahren durchgängig als Psychomotoriktherapeutin arbeitet, sich bezüglich eines Therapieerfolges spontan an einen Fall aus ihrem ersten Berufsjahr, damals an einer anderen Therapiestelle, erinnert. An anderen Stellen des Interviews führt sie zu dieser früheren Therapiestelle noch aus, dass sie sich dort wohler gefühlt habe, da sie zum einen eine andere Leitungsinstanz hatte (nicht, wie in der Stadt Zürich, die Organisation über eine Fachstelle), welche ihr vom Berufshintergrund eher entsprach, zum anderen mehr Freiheiten genossen habe. Sie erwähnt hier auch ihre Berufstätigkeit als Stellvertretung (so werden in der Schweiz längerfristige Vertretungen für z.B. Schwangerschaft oder Sabbaticals genannt), die bereits vor dem geschilderten Fall begann. Vermutlich will sie damit zum Ausdruck bringen, dass sie sehr wohl bereits damals Kompetenzen besaß und es sich bei der Beurteilung des Falles, aus heutiger Sicht, nicht um die damalige Wahrnehmung einer Berufsanfängerin handelte. Sie gibt also durch diese Selbstpositionierung dem von ihr berichteten Beispiel mehr Gewicht. Vor allem möchte sie aber mit dieser Vorab-Klärung der damals schon vorhandenen Kompetenz rechtfertigen, dass sie in der Therapie "praktisch nur Fußball" gespielt hat. Sie weiß also, es handelt sich um ein Spiel, dessen Einsatz in der Therapie offenbar erklärungsbedürftig, aber aus ihrer Sicht trotzdem richtig erscheint. Der Beginn des folgenden Satzes ("drum sage ich eben, das/ dort habe ich das irgendwie mich noch getraut") bezieht sich auf mehrere Passagen zuvor im Interview, in der sie ihre Ambivalenz in der Wahl der Therapieinhalte und der empfundenen Einschränkungen benennt: Obwohl sie glaubt, dass das Fußballspielen den Erfolg der Therapie maßgeblich bewirkt hat – dazu bringt sie vertiefende Ausführungen im Verlaufe des Interviews – scheint sie heute, und zwar aus Gründen, die von außen herangetragen werden, stark verunsichert: "Und jetzt habe ich das Gefühl: Ah, nee, das geht doch nicht." [72]

Diese Verunsicherung führt bei ihr dazu, dass sie offenbar in der Therapie die Wege und Methoden verlässt, denen sie die größte Wirksamkeit zuspricht. Exemplarisch zu ihrer aktuellen Situation an ihrer Therapiestelle in Zürich dazu:

Esther D.: "(...) Ähm, ja, versuche ich irgendwie, was zu machen. Äh, eben irgendwie, (was da mehr?) funktional kann ich dem auch nicht/ dazu auch nicht sagen. Aber (.) äh ja, denke ich mir eben, ich muss jetzt an der Grafomotorik (klopft auf den Tisch) arbeiten oder Feinmotorik oder weiß ich was. Und habe das Gefühl, ich tue mich dann auf so was e/ einstellen und erlaube mir nicht, da über Umwege da hinzu/ oder Umwege ku/, schlussendlich sind es eben, ich glaube, keine (klopft auf den Tisch) Umwege. Und arbeite irgendwie an etwas, wo aber eigentlich gar nicht das Problem ist. Oder wo nicht/ äh was nicht der Weg ist eigentlich zu dem Kind. Also dass ich mir wie auch nicht (.) erlaube, das äh zu spüren. Also was eigentlich ist das Thema. Also das, (.) finde ich, ist/ ist mir auch wichtig. Oder den Körper auch von mir benutzen als Resonanz und eben zum Spüren, was kommt vom anderen. (klopft auf den Tisch) Oder von der anderen. Und/ Und ähm, ja, was mache ich damit? Oder wie kann ich jetzt das Kind in der Entwicklung unterstützen? Und (..) ähm, ja, und da denke ich, einerseits habe ich das Gefühl, fehlt es mir an Zeit dafür. (lachend) Also ist es manchmal eben wegen diesem Alltag da alles irgendwie eins nach dem anderen. Aber ich denke eben auch, äh weil ich mich, ähm also eben, ich denke, das kommt auch von mir. Oder mich einenge und irgendwie in gewisse Erwartungen da rein pressen lasse. Und dann habe ich eben manchmal das Gefühl, ich komme dann auch mit den Kindern nicht weiter. Oder äh es ist irgendwo blockiert auch. Also dort sind dann vielleicht auch eben solche MISSERFOLGE (.)" (91). [73]

Esther D. verknüpft also offenbar Erfolge und Misserfolge in ihrer Psychomotoriktherapie mit der Bandbreite der ihr zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten der Therapiezugänge. Sie empfindet individuelle Wege (ihre Wortwahl zur Sequenz: "Thema", "Körper", "Resonanz", "Spüren", "was kommt vom anderen", "was mache ich damit", "wie kann ich ... unterstützen"?), die sie nicht mehr oder immer seltener beschreitet, als die wirksameren Zugänge. Sie nennt Gründe dafür, welche die empfundene Verunsicherung und Einengung beschreiben (ihre Satzfragmente in dieser Sequenz: "sich auf etwas einstellen müssen", "sich selbst keine Umwege erlauben", "wenig Zeit", "Einengung", "Erwartung von anderen", "an etwas arbeiten, was eigentlich gar nicht das Problem ist"). Die Gründe für ihre Ambivalenz sieht sie nicht nur in den Erwartungen von außen, sondern auch in Gründen, die von ihr selbst kommen. [74]

Dieses Muster der Ambivalenz zwischen der unter gängigen Kriterien als gut zu bezeichnenden Einbindung der Psychomotoriktherapie in die Organisation und Struktur der sonderpädagogischen Unterstützung im Züricher Bildungssystem einerseits sowie der Wahrnehmung des geringen Spielraumes in der Therapiegestaltung andererseits konnte, wie bereits beschrieben, nahezu durchgängig an Textstellen der Interviewpartner/innen aus Zürich festgemacht werden. Es fällt ihnen – und oft vergleichen sie mit der Zeit vor der Neuorganisation des sonderpädagogischen Bereichs in Zürich – schwerer, ihre therapeutischen Ansichten und Zugänge in der aktuellen Bildungslandschaft zu rechtfertigen, zu beschreiten oder durchzuhalten. Es kann und soll jedoch, auch das ist festzuhalten, kein Zusammenhang hergestellt werden zwischen einer tatsächlichen Wirksamkeit der Angebote der Therapeut/innen aufseiten der Klientel und ihren persönlichen Wahrnehmungen dazu. Dies bedeutet konkret, dass auch Therapeut/innen, die mit den aktuellen Bedingungen und/oder ihren Therapieangeboten, deren Ergebnissen sowie den Abläufen hadern, mit ihren Angeboten hoch wirksam sein können, auch wenn sie es selbst vielleicht nicht so empfinden. Die Beleuchtung dieser Zusammenhänge ist an anderer Stelle geplant.10) [75]

Tabelle 2 zeigt Sequenzen aus den Züricher Interviews, in denen diese erlebte Ambivalenz sichtbar wird. Die Interviewexzerpte der erfahrenen Therapeut/innen und deren Kontrastierung mit den beiden jüngsten und unerfahrensten Therapeut/innen aus Zürich, Nora X und Ingrid Y, wurden so ausgewählt, dass sie möglichst typisch für die Antwortmuster und für die Sinnstrukturen in den Interviews stehen. Ausführungen dazu folgen im nächsten Abschnitt. [76]

4.2 Kontraste: Weniger erfahrene Therapeut/innen aus Zürich und Therapeut/innen mit weniger organisierten Anstellungsbedingungen sehen und nutzen Spielräume11)

Interessant ist nun, dass der beschriebene Befund der erlebten Einschränkungen bei den beiden an Berufsjahren am wenigsten erfahrenen Therapeutinnen aus Zürich, Nora X und Ingrid Y., zwar auch benannt wird, aber nicht konsistent ist und anders antizipiert wird. Vor allem durch Ingrid Y. wird das Bild des durch neue Bildungsstrukturen eingeschränkten Spielraumes an einigen Stellen sogar kontrastiert. Sie ist in der Stichprobe auch diejenige, deren Studium am wenigsten weit, nämlich ca. fünf Jahre, zurückliegt. [77]

Ingrid Y. äußert im Gespräch zwar massive Kritik an den Inhalten und dem Aufbau ihres Psychomotorik-Studiums. Anders als alle anderen der Züricher Stichprobe sieht sie aber ihre jetzige Arbeit unter deutlich pragmatischeren Gesichtspunkten. Sie beschreibt ausführlich, dass sie sich nach Beendigung des Studiums intensiv weitergebildet und sich dadurch erst die Sicherheit in ihrem Therapiealltag erarbeitet habe. Ihre ersten Jahre als Therapeutin nach dem Studium beschreibt sie wie folgt:

Ingrid Y.: "Wir haben NICHTS Einheitliches erfahren. Andersrum wenn ich etwas bekomme hätte, hätte ich das vielleicht auch nicht mehr geändert. Ich weiß es nicht. Weil das was mir jetzt WIRKLICH bleibt, ist das was ich mir selber erarbeitet habe nach den ersten zwei Jahren in denen ich mich genervt habe. Das ist das was ich jetzt in und auswendig kann, was ich immer wieder abändere, flexibel bin oder (.) was mich fühlen lässt, dass ich eine sinnvolle Arbeit mache" (71). [78]

Deutlich unterscheidet sie sich im Interview in der Schilderung von Problemen und Herausforderungen ihres Therapiealltages. Sie erläutert Probleme eher theoriebasiert und hält es für essenziell, Therapiemethoden zu kennen, anzuwenden, anderen zu erläutern und den Therapieprozess zu reflektieren. Dies kam, nach ihrer Meinung, in ihrer Ausbildung deutlich zu kurz:

Ingrid Y.: "Psychomotorik ist nicht nur intuitiv, es gibt auch Methoden und es macht auch Sinn und man muss wissen wann, ich meine (.) wir haben die Therapieplanung in einer Stunde durchgenommen, das ist, das ist und das hat keinen Sinn gemacht für mich" (71). [79]

Sie äußert sogar verhalten Kritik an Kolleg/innen, mit denen sie in verschiedenen institutionalisierten oder informellen Strukturen spricht und diskutiert, und die ihre Vorgehensweise in der Therapie nach ihrem Dafürhalten nicht genügend begründen können:

"Ingrid Y.: Nein, also dann Therapeutinnen, bei denen ich auf den ersten Blick nicht ganz sicher bin (.), ich kenne sie natürlich NICHT, aber aufgrund von Rückmeldungen oder Zusammenarbeit, wo ich jetzt finde, mhm (..) ich weiß jetzt nicht so genau, vielleicht ist sie ja anders mit den Kindern oder so, wo ich jetzt, wo ich jetzt meine Kinder nicht gerne in die Therapie geben würde.

Interviewer: Und was macht das Unbehagen aus?

Ingrid Y.: Nicht professionell. (..) NICHT professionell" (90-93). [80]

Was unter anderem diese mangelnde Professionalität in ihren Augen ausmacht, benennt sie ein paar Sätze später:

Ingrid Y.: "Wenn ich merke jemand kann nicht sagen, wieso macht er was und für das braucht es einfach irgendwie ein bisschen Hintergrundwissen. Klar, Erfahrungswissen ist gut und es gibt sicher auch Erfahrungswissen, das man mit der Theorie nicht holen kann, aber es darf einfach nicht nur grundsätzlich sein, man kann nicht nur grundsätzlich intuitiv handeln, nur Beziehungsarbeit" (99). [81]

Im transkribierten Interview mit Ingrid Y. belegen viele weitere Textstellen, dass sie eine andere Auffassung von ihrer therapeutischen Tätigkeit hat als die anderen, erfahreneren Therapeut/innen aus Zürich, die bereits viele Jahre im Beruf sind. Diese ist mehr an Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen orientiert und deutlich mehr geprägt von der Klärung der eigenen Methoden und Techniken als bei den anderen Therapeut/innen der Züricher Stichprobe. Als persönlichen Wunsch äußert Ingrid Y. zum Schluss des Interviews, dass die in ihren Augen unterschiedliche Problemdefinition von Auffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern zwischen Psychomotoriktherapeut/innen und Lehrpersonen besser überbrückt werden sollte:

"Weiß nicht, ich finde es auch sehr etabliert in der Stadt, etabliert, aber ob sie dann wirklich dahinter sehen, ich meine das wäre so ein bisschen die Idealvorstellung, dass die Lehrer wirklich wissen, was es denn genau ist. (.) Und das sie wissen, wann genau anmelden und vielleicht noch interessierter werden" (105). [82]

Aus dem Interview mit Ingrid Y. spricht deutlich ein Selbstbewusstsein, welches vom Glauben an die Richtigkeit des eigenen Zugangs zeugt. Anders als das vorherrschende Muster in der Züricher Stichprobe, welches eher von Selbstzweifeln bezüglich der Inhalte und Vorgehensweisen in der Therapie geprägt ist, sieht Ingrid Y. das Problem eher darin, dass Lehrpersonen nicht genügend Kenntnis über das therapeutische Vorgehen haben. Dass diese Haltung kein Zufall im Rahmen der Stichprobenauswahl ist, zeigt sich darin, dass diejenige Therapeutin der Züricher Stichprobe, deren Ausbildung am zweitkürzesten zurückliegt, tendenziell ähnliche Gedanken und Haltungen äußert: Die Psychomotoriktherapeutin Nora X. befindet sich derzeit in einem Masterstudium im pädagogischen Bereich, also erneut in Ausbildung.12) In ihren Äußerungen wird ebenfalls sichtbar, dass sie wenig Selbstzweifel bezüglich ihres eigenen beruflichen Handelns sieht, sondern Probleme bei der Zusammenarbeit eher auf die Belastungen und Haltungen der Lehrpersonen zurückführt:

"... und sonst, ich hoffe, dass sich das nachher mit den SSG irgendwie, also dass die Zusammenarbeit mit den Lehrern irgendwie noch wächst, dass sich das noch eigentlich verbessert auf eine Art, dass die Lehrer mehr auch anfangen zu verstehen, was wir überhaupt machen oder ja, auch mehr (unverständlich) die Sachen, wenn wir in die Klassen gehen, dass was wir dort machen zum Beispiel mal Grafo-Einführung, Einführung von der Schnürli-Schrift13) (unverständlich), dass das zum Beispiel die Lehrer da wirklich zu schauen (Lachen) und das nachher vielleicht selber machen können" (117). [83]

Sie sieht die bisherige, in ihren Augen ausbaubare Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen nicht als Schwierigkeit oder Problem, sondern eher als positive Herausforderung an. Die SSG sieht sie als Gewinn, um zu besserer Vernetzung zu kommen:

"Das kann ich sagen durch die SSG ist die Präsenz natürlich gestiegen und das finde ich eigentlich ja, eigentlich auch wieder gut, weil, also der Vorteil ich merke jetzt auch wirklich mehr, es gibt viel mehr Vernetzung und ich habe das Gefühl, das ist ganz wichtig (...)" (14). [84]

Während also die erfahrenen Therapeut/innen in Zürich eher defensiv wirken, was die Einschätzung der Möglichkeiten der Ausgestaltung ihrer Arbeit betrifft, wirken die zweitjüngste und vor allem die jüngste Züricher Therapeutin hier eher offensiv: Sie sind überzeugter von ihren Vorgehensweisen in der Therapie und gehen die sich stellenden Problemfelder aktiver an. Noch einmal sei betont, dass nicht herausgelesen werden kann und soll, welcher Typ letztlich eine bessere therapeutische Arbeit macht. Wohl aber kann festgestellt werden, dass die an Berufsjahren weniger erfahrenen Therapeut/innen, welche die starken Veränderungen in Zürich in den vergangenen Jahren nicht vollumfänglich selbst im Beruf erlebt haben, bezüglich des therapeutischen Selbstverständnisses ein höheres Selbstbewusstsein erkennen lassen. Dies äußert sich auch darin, dass sie bei Problemen der Vernetzung auch andere Akteur/innen im Bildungssystem in der Pflicht sehen und nicht nur sich selbst. [85]

Betrachtet man nun ergänzend typische Sequenzen der Therapeut/innen aus anderen Regionen der Schweiz, so finden sich auch hier Kontrastierungen, welche die beschriebenen Befunde noch verstärken: Ähnlich wie die weniger erfahrenen Therapeut/innen in Zürich haben auch sie keine vergleichbaren, tiefgreifenden Veränderungen ihres Berufsalltages erfahren. Ähnlich wie diese antworten sie auch im Interview, wenn es um ihre Tätigkeit und um ihre Haltungen geht: Aus dem Material der Therapeut/innen aus anderen Regionen spricht, vergleichbar mit den an Berufsjahren weniger erfahrenen und im Kontrast zu den erfahrenen Stadtzürcher Therapeut/innen, ein höheres Selbstbewusstsein, was die Selbstwirksamkeit und die eigene Position im Bildungssystem angeht. In den Interviews benennen sie den von ihnen wahrgenommenen Spielraum zur Gestaltung der eigenen Arbeit als recht hoch. Sie sprechen von guten Anstellungsbedingungen, die sich u.a. dadurch auszeichneten, dass ihnen "Bewegungsfreiheit" (Therapeutin Sabine C., 129) gegeben werde. Ihre Berufskollegin Laura C. formuliert es mit ihren Worten:

"Also man hat die Möglichkeit äh bei jedem Kind äh anders zu agieren. Es gibt keine ähm keine, keine festgefahrenen Schemata. Ich kann ganz viel über ähm (..) die Impulse der Kinder arbeiten und, und das, das gefällt mir" (21). [86]

Sabine C. sagt dazu weiter:

"und dass wenn wir oder ich mit einer neuen Idee komme, wenn ich das einigermaßen gut begründen kann, dann sind sie [die Schulleitungen, Anm. M.V.] offen dafür und lassen uns sehr viel Freiheit. Sie kontrollieren auch nicht jedes bisschen, einfach so weit, wie sie es halt müssen so vom Kanton her" (129). [87]

Für die Therapeut/innen aus anderen Regionen der Schweiz ist in ihren Ausführungen die Benennung und Wertschätzung des großen Spielraumes in ihrer Therapiegestaltung und in der Ausformung der Zusammenarbeit mit den Akteur/innen der Schule sowie den Eltern typisch. Anders als die erfahrenen Züricher Therapeut/innen formulieren sie in den Interviews aber auch strikter und klarer, wenn es um die Wahl ihrer Therapieinhalte und ihres Auftrages sowie dessen Abgrenzung geht. Sie formulieren hier Positionen, die sich so bei den Züricher Therapeut/innen an keiner Stelle fanden. Auf die Frage, ob es schon Fälle gab, die sie abgelehnt habe, antwortete beispielsweise Laura C.:

"Also so Fälle hatten wir auch schon, wo ich ein Kind gesehen habe, wo die Mutter äh (.) eine Grafo-Beratung wollte, und ich gesagt habe, das reicht nicht, das ist keine/ wir können an Grafo arbeiten, aber das ist kein/ das reicht nicht, also ähm das drückt sich grafomotorisch vielleicht aus, aber äh da möchte ich entweder eine Psychomotorik-Therapie oder wir bieten nichts an" (106). [88]

Sehr ähnlich antwortet auch Erika A.:

"Dass ich gesagt habe, ich wehre mich einfach dagegen grafomotorische Therapie zu machen, das gibt es für mich nicht. Entweder mache ich Psychomotorik-Therapie mit einem Aspekt Grafomotorik integriert. (.) Oder ich mache grafomotorische FÖRDERUNG und da gibt es auch ganz klar bei uns so Beratungseinheiten fünfmal, waren es vielleicht sechsmal" (94). [89]

Interessanterweise zeigen sich aber bei den Therapeut/innen aus anderen Regionen als Zürich auch die Nachteile einer größeren Freiheit bei der Gestaltung der eigenen Arbeit: An mehreren Stellen ist abzulesen oder benannt, dass der große Spielraum, die Art und die Häufigkeit der Zusammenarbeit mit Lehrer/innen und Eltern zwar oft positiv, aber durchaus auch negativ beeinflusst. Während die Züricher Organisationsstrukturen die Art, die Dauer, die Intensität und die Frequenz durch den engen Rahmen des obligatorischen SSG und die Organisation des sonderpädagogischen Bereichs (auch unter inklusiven Gesichtspunkten) quasi vorgeben, haben Psychomotoriktherapeut/innen und Lehrpersonen in anderen Regionen auch diesbezüglich oft einen Spielraum, den sie ganz unterschiedlich nutzen. Das bedeutet, dass hier die Ausgestaltung der Zusammenarbeit der Akteur/innen in der Schule von individuellen Vorstellungen und Ressourcen geprägt werden kann:

Anna C.: "Weil jetzt arbeite ich gar nicht interdisziplinär. Also, doch mit den Eltern und Lehrpersonen, ja und noch Kinderärzte, doch das habe ich auch. Aber es ist für mich nicht so interdisziplinäres Arbeiten, so wie ich mir das vorstelle" (148). [90]

Ähnlich auf den Punkt bringt es Doris A., wenn sie beschreibt, wer Kinder zur Psychomotoriktherapie anmeldet und wer nicht:

"Das sind immer wieder von den ähnlichen Kreisen halt Anmeldungen. Ähm, (..) bei den anderen ja, muss man sagen: 'ja schade für die Kinder'. Sage ich persönlich, aber ist auch, ja, zu akzeptieren. Es gibt ja auch Lehrer, die wirklich keine Speziallehrkräfte ins Schulzimmer lassen. Alte Sch/ oder ja Alte Schule wirklich das selber ähm meistern. Ist ja auch super, wenn das geht. Das ist einfach ein Extrem. Das andere Extrem, wo einfach hergeholt wird (.) alles, was möglich ist (lacht) oder so auf dem Markt ist. Das ist die andere Gefahr" (146). [91]

Tabelle 3 zeigt an Interviewexzerpten auf, wie Therapeut/innen aus anderen Kantonen ihre Spielräume nutzen. Ihre Anstellungsbedingungen sind nicht so organisiert und geregelt wie in Zürich. Dazu kommen erneut die weniger erfahrenen Therapeutinnen Nora X. und Ingrid Y. aus Zürich, welche sich in ihren Aussagen von den erfahrenen Therapeut/innen in Zürich unterschieden. [92]

Typisch für die Interviewten aus anderen Regionen ist demnach, ebenso wie für die beiden an Berufsjahren weniger erfahrenen Therapeut/innen aus der Stadt Zürich:

Kurioserweise ist es also so, dass die erfahrenen Züricher Therapeut/innen, welche nach gängigen Kriterien und auch ihren eigenen Maßstäben sehr gute Arbeits- und Anstellungsbedingungen vorfinden, sich durch genau diese guten Bedingungen offenbar eingeschränkt fühlen in ihrer Therapiegestaltung: Sie verlassen therapeutische Zugangswege, von deren Angemessenheit und Wirksamkeit sie zwar grundsätzlich überzeugt sind, diese ihnen aber, in ihrem derzeitigen pädagogischen Kontext, unpassend erscheinen. Sie halten ihre über Jahre oder sogar Jahrzehnte mit Überzeugung benutzten Methoden und Vorgehensweisen derzeit für argumentativ schwierig vermittelbar gegenüber den anderen Akteur/innen in der Schule und nehmen Abstand davon. Therapeut/innen aus anderen Regionen der Schweiz und an Berufsjahren weniger erfahrene Therapeut/innen nutzen dagegen Spielräume, um ihre Therapien sowie die Zusammenarbeit mit Lehrpersonen selbst zu gestalten. Ihnen ist gemeinsam, dass sie in den vergangenen Jahren selbst weniger tiefgreifende Veränderungen ihres Berufsalltages erlebt haben. Sie vertreten ihre therapeutischen Vorgehensweisen selbstbewusster. [94]

5. Erste Kontextualisierungen: Warum werden als gut betrachtete Anstellungsbedingungen als einschränkend empfunden und was sind mögliche Folgen?

Die Ansatzpunkte, die hier nun zur Diskussion gestellt werden, sind keinesfalls als abschließend, sondern im Gegenteil, als erste Kontextualisierungen zu verstehen. [95]

Am hier vorgestellten Material konnten Ambivalenzen und Dynamiken zwischen dem eigenen, eher therapeutischen Selbstverständnis von Psychomotoriktherapeut/innen, dem Strukturierungs- und Organisationsgrad ihrer Anstellungsinstitution sowie den erlebten Veränderungen ihres Arbeitskontextes aufgezeigt werden. Es wurde an den Daten offensichtlich, dass eine hohe Verunsicherung ob der Angemessenheit der eigenen Angebote vorliegt, wenn die organisatorische und strukturelle Einbindung des Berufs in den schulischen Kontext von außen vermeintlich klar definiert ist, gleichzeitig lange im Beruf gearbeitet wird und große Veränderungen miterlebt wurden. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die erlebte Autonomie bei der Entscheidung bezüglich der anzuwendenden Methoden als gering wahrgenommen wird. In die Zukunft projiziert, sinkt durch diese Wahrnehmung durch die Therapeut/innen womöglich die berufsspezifische Methodenvielfalt und Spezifität, die Ausbildung der Profession wird behindert oder erschwert. [96]

Die herausgearbeiteten Befunde richten das Augenmerk also unweigerlich einerseits auf Aspekte der Professionalisierung der Psychomotoriktherapie und andererseits auf die Rolle der Institution, in welche diese eingebunden ist. Daher sollen hier zwei Stränge andiskutiert werden:

5.1 Die Institution als Wegbereiterin der Verunsicherung?

Die psychomotorische Handlungssituation ist, angelehnt an Theorien der sozialen Arbeit (vgl. GALUSKE 2009, S.51), im Rahmen des schulnahen pädagogisch-therapeutischen Angebotes aufgespannt an den vier Fixpunkten Therapeut/in, Schüler/in, institutionelles und situatives Setting. Unter strukturtheoretischer Betrachtung der Profession ist ein Beruf u.a. dann professionell gut entwickelt, wenn er seine Methoden und Techniken im situativen Setting weitgehend unabhängig von Einflüssen aus dem institutionellen Setting entfalten kann. [98]

Deutlich legen die hier präsentierten Befunde nahe, dass die vorgefundene, starke Regulierung des institutionellen Settings im Kanton Zürich die anderen genannten Faktoren der Handlungssituation der Psychomotoriktherapie überlagert und beeinflusst. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in den eingangs zitierten Definitionen der Bildungsdirektion des Kantons Zürich und der Erziehungsdirektorenkonferenz zwar umschrieben wird, was in der Psychomotoriktherapie geschieht und an wen sie sich richtet. Es wird aber im Rahmen dieser Definitionen offenbar eher versucht, die Klientel- und Prozessebene zu beschreiben und zu reglementieren, weniger jedoch die Zieldimension der Therapie im Schulkontext. Folgerichtig aus dieser Fokussierung auf die Prozessebene wurde im Kanton Zürich unlängst auch intensiv in die Optimierung dieser Prozesse investiert: Die Reglementierung von Abläufen, Formularen und Vernetzungen und deren Evaluationen bildeten einen Schwerpunkt des Engagements der vergangenen Jahre. Nur logisch erscheint dann auch, dass der Kanton die Qualität der Arbeitsprozesse sichtbar nach ihren eher pädagogischen als therapeutischen Maßstäben zu beurteilen versucht: Sie greift beispielsweise mit verschiedenen Ausformulierungen in einsehbaren Muster-Anstellungsverträgen für Psychomotoriktherapeut/innen in Ebenen ein, für die zu diskutieren wäre, ob deren Ausgestaltung nicht eigentlich den Berufstätigen und deren Verbänden selbst obliegen sollte. So heißt es denn in den Musteranstellungsverträgen des Kantons unter der Rubrik der Mitarbeitendenbeurteilung der Psychomotoriktherapeut/innen: "Die Mitarbeiterbeurteilung richtet sich nach den Vorschriften des Lehrpersonalgesetzes (§20 LPG)" (BILDUNGSDIREKTION KANTON ZÜRICH 2014a, S.4). Dieses besagt: "Die für das Bildungswesen zuständige Direktion schafft für die Gemeinden verbindliche und einheitliche Instrumente für die periodische Beurteilung der Lehrpersonen" (BILDUNGSDIREKTION KANTON ZÜRICH 2014b, S.9). [99]

Dazu wurde für die Beurteilung des sonderpädagogischen Fachpersonals, zu welchem die Psychomotoriktherapeut/innen zählen, im Kanton Zürich zwar ein gesondertes, von Lehrpersonen abweichendes Beurteilungsdossier zur Beobachtung, Erkundung und Beurteilung erstellt (BILDUNGSDIREKTION KANTON ZÜRICH 2013). Dieses greift auch wichtige Besonderheiten der Tätigkeit der dort subsumierten Berufsgruppen auf. In der Kriterienübersicht zum Beobachtungsbericht des Dossiers, welches die urteilende Person über den Therapiebesuch anzufertigen und aus welcher sie eine "Mitarbeiterbeurteilung" abzuleiten hat, heißt es aber u.a. auch: "Erstellt die Therapie-/Förderplanung gemäß den im Schulischen Standortgespräch vereinbarten Förderzielen, der Diagnostik/Förderdiagnostik, den Fähigkeiten der Schülerin oder des Schülers sowie den Ressourcen des Umfeldes" (a.a.O, Deckblatt, Version 9/13). An anderer Stelle: "Gibt klare individuelle Ziele vor, überprüft deren Erreichung und baut die folgenden Lern- und Entwicklungsschritte darauf auf" (Abschnitt B); oder: "... schafft Verknüpfungen zum Lernkontext Ihrer Klasse" (a.a.O.). [100]

Das pädagogisch-therapeutische Personal wird also bezüglich der Zieldimension der Arbeit in Bereichen, in denen dies aus therapeutischer Sicht zu hinterfragen wäre, offenbar auch nach Maßstäben evaluiert, die der Beurteilung von Lehrpersonen entlehnt sind. Die beispielhaften Formulierungen legen nahe, dass die therapeutische Dimension in den eher pädagogisch verstandenen Beurteilungsdossiers noch spezifischer und reflektierter abgebildet werden könnte. [101]

Die Zieldimension der Psychomotoriktherapie im Bildungskontext bleibt also, aus therapeutischer Sicht betrachtet, eher unklar. Richtig verstanden im Kontext einer sinnvollen Vernetzung von unterschiedlichen Berufsgruppen müsste jedoch eine Bildungsinstitution, im Übergangsraum der strukturell unterschiedlich angelegten Berufe zwischen Pädagogik und Therapie, die Zieldimension der Tätigkeit aus therapeutischer Sicht und weniger die Prozessdimension bestimmen. Durch Eingriff in die Prozessdimension besteht die Gefahr der (unbeabsichtigten) Reduktion der Interventionsbreite. [102]

5.2 Psychomotoriktherapie im Kontext veränderter Bildungsangebote

Die erlebte Unsicherheit der Therapeut/innen bei der Anwendung therapeutischer Methoden im pädagogischen Setting der Schule wird also offenbar zum einen begünstigt durch eine Diffusität der Rollenzuschreibung vonseiten der kantonalen Bildungsbehörden. Dass auf eine Rollenklärung vonseiten der Psychomotoriktherapie und ihrer Akteur/innen scheinbar in der Entwicklung und Ausgestaltung der neuen Bildungsvoraussetzungen nicht genug hingewirkt wurde, wirft ebenso Fragen auf. [103]

Konkret scheinen die Protagonist/innen der Psychomotoriktherapie, hier umfassend verstanden als ihre Praktiker/innen, ihre berufsständische Vertretung und ihre Wissenschaft an Hochschulen, den Veränderungsprozess der vergangenen Jahre nicht genügend berufsspezifisch reflektiert und sich zu wenig miteinander vernetzt zu haben. Die Befunde legen nahe, dass der beschriebene, inklusiv motivierte Veränderungsprozess in der Bildung, der im Kanton Zürich weg von einer vonseiten der Bildungsverantwortlichen damals wenig eingebundenen und somit auch wenig gesteuerten Handlungsform im sonderpädagogischen Setting hin zu einer reglementierten Einbindung der Therapie geführt hat, die Therapeut/innen in die Sackgasse einer klassisch verstandenen Aufgabenteilung zwischen Normal- und Sonderpädagogik gebracht hat, wie sie OEVERMANN bereits 1996 beschreibt. Es ist den Therapeut/innen in diesem Veränderungsprozess des umgebenden Systems offensichtlich noch nicht genug gelungen, ihre eigene Berufsrolle und ihre Tätigkeit im Therapieraum auf die veränderten Voraussetzungen zu beziehen oder zu modifizieren. [104]

In der Wahrnehmung der Therapeut/innen werden also, explizit oder implizit, Maßstäbe der Normen- und Wissensvermittlung der Pädagogik an ihre Arbeit im Therapieraum gestellt. Diese Maßstäbe und Strukturlogiken finden mehr oder weniger diffus Eingang in das therapeutische Selbstverständnis. Dazu gehören Beschreibungen, sich als Reparaturbetrieb für an sie delegierte Fälle wahrzunehmen, als Auffangbecken bei unterschiedlichen Übergangsprozessen in der Kindheit oder generell als Therapie, die sich dem Diktat von Schulnoten unterwerfen muss, indem an diesen der Therapieerfolg mit festgemacht wird. [105]

Der aus therapeutischer Sicht wichtige Aushandlungsprozess von Therapiezielen zwischen Therapeut/in und Schüler/in rückt also, bedingt vermutlich auch durch die Struktur und Positionierung der SSG (HOLLENWEGER & LIENHARD 2009) im Prozess, in den Hintergrund. Im SSG werden im Team die Zieldimensionen manchmal schon bestimmt, bevor die Therapie überhaupt begonnen hat. Die therapeutische Zieldimension kann oft jedoch erst nach begonnener Therapie genauer umrissen werden: Denn die besondere Stellung von Professionen und eben auch ihre besondere Kompetenz wird

"erst sichtbar, wenn ihre interpretierende und sinnstiftende Deutungsfunktion in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückt. In dieser idealtypischen Konstruktion muss der Professionelle in der unmittelbaren Interaktion mit seinen Klienten neben dem Wertbezug und der wissenschaftlichen Absicherung seiner Interpretationsleistungen vor allen Dingen den sozialen Sinn der Situation erfassen und in der Sprache des Klienten formulieren" (DEWE 2000, S.296). [106]

Ergänzend könnte man anfügen: Zur therapeutischen Kompetenz in der Psychomotoriktherapie gehört es auch, den Sinn der abgewogenen und als richtig empfundenen, pädagogisch-therapeutischen Zielsetzung und Intervention über Bewegungsangebote im SSG anderen Beteiligten zu vermitteln und das Vorgehen im Kontext einer pädagogischen Zielvereinbarung zu rechtfertigen. [107]

Somit legen die Ergebnisse nahe, dass diese besondere Deutungs- und Interventionskompetenz von pädagogisch-therapeutischem Fachpersonal im Kontext der Organisation und Struktur der inklusiven Schule in Gefahr geraten kann: In die Zukunft und für schulnahe Unterstützungsangebote insgesamt gedacht, scheint eine dezidierte Aufarbeitung der Strukturlogiken und Interventionen schuleingebundener, professioneller Hilfen notwendig zu sein, um ihre Möglichkeiten in inklusiven Bildungsangeboten auszuschöpfen. Denn eine Verflachung und Vermischung von Kompetenzen und Zielen dieser pädagogisch-therapeutischen Unterstützungsangebote mit den Zielen des Unterrichts, als eine mögliche Folge mangelnder Aufarbeitung, führt womöglich in ein Verschwinden der therapeutischen Kompetenz und somit in eine Verschlechterung des Unterstützungsangebotes für Schülerinnen und Schüler. [108]

Anhang 1: Legende verwendeter Zeichen in der Transkription
(nach DRESING & PEHL 2011)

(...)

Pause (pro Sek. ein Punkt)

MISSERFOLGE

Besondere Betonung

B: Ich habe dort

I: Wo genau?

B: eingekauft.

Jeder Sprecher/jede Sprecherin hat eigene Absätze, auch bei kurzen Einwürfen.

(lachen), (seufzen)

Charakterisierung von nonverbalen Äußerungen, die die Aussagen unterstützen. Steht vor der entsprechenden Stelle.

(unv.) #Zeitmarke#

(unv., Handystörgeräusch) #Zeitmarke#

Unverständliche Äußerung mit Zeitmarke

Bei längeren Passagen möglichst mit Ursache

(Marburg?)

Vermuteter Wortlaut

Anhang 2: Interviewleitfaden

Hinweis: Die jeweils nahezu identischen Aufrechterhaltungs- und Steuerungsfragen (Beispiele "und was noch?"; "gibt es da noch etwas?"; "und wie ging das weiter?"; "und wie war das für Dich"?), die auf den Karteikarten für die Interviewsteuerung standen, sind nicht abgebildet.

Leitfrage / Erzählaufforderung

Check: Was wurde erwähnt?14)

Konkrete Fragen15)

"EISBRECHERFRAGE"

Erzähl mir doch mal zuerst von Deiner Arbeit im Schulhaus – du kannst da selbst Schwerpunkte setzen – was da für dich wichtig ist

Auf Setzungen der Interviewten achten: Entscheidet darüber, mit welchem Teil weitergegangen wird!

Was sind denn so die Highlights deines beruflichen Alltages?

Wie würde vielleicht eine Freundin beschreiben, was du beruflich machst?

 

TEIL 1: Wege zum Beruf, Selbstverständnis, Zuständigkeit

Eine Berufswahl hat ja meistens eine lange Vorgeschichte. Kannst du mir erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass du Psychomotoriktherapeut/in geworden bist?

 

 

Wird Berufswahl mit persönlichen Interessen verknüpft?

Schlüsselereignisse, die die Entscheidung katalysiert haben?

Selbst psychomotorische Schwierigkeiten gehabt?

Persönliche Definitionen des Berufs, der Zuständigkeit?

Was fasziniert dich denn an deinem Beruf?

Was müssen Psychomotoriktherapeut/innen (PMT) eigentlich für Personen sein?

Was muss ein(e) gute(r) PMT-Therapeut(in) eigentlich können?

Wem würdest du davon abraten, Psychomotorik zu studieren?

TEIL 2: EIGENE VERBINDUNG ZUR GRAFOMOTORIK

Wir sprechen ja heute über die Grafomotorik in der Psychomotorik. Kannst du mal erzählen, was eine grafomotorische Beeinträchtigung bei einem Kind für dich deiner Arbeit bedeutet, wie du da ran gehst?

Beispiele aus der eigenen Therapie gebracht?

Definitionsähnliche Begründungen genannt?

Sicht, Situation, Leidensdruck des Kindes erwähnt?

Was machst du vermutlich anders als, sagen wir mal, ..., eine Ergotherapeutin?

Was muss eine gute PMT-Therapeutin hier deiner Meinung nach können?

Wie erkennst du, dass jemand PMT macht und eben nicht Ergotherapie?

Glaubst du, dass du hier mehr zuständig bist als andere im Schulhaus?

TEIL 3: ERFOLGE

Kannst du mal einen Fall oder eine Situation schildern, wie du aus deiner Sicht so richtig Erfolg hattest mit einer grafomotorischen Intervention?

Was ist ein Erfolg in der Therapie?

Was genau hat den Erfolg bewirkt, woran hat es gelegen?

Wurde der Erfolg von anderen registriert?

Wurde er auch als Erfolg der Therapeutin registriert?

Wurde der Erfolg kommuniziert? Wie?

Wie wurde der Erfolg gemessen, woran festgemacht?

Hast du den Prozess irgendwie dokumentiert?

Gab es in deiner Arbeit den für dich wichtigen Therapieerfolg?

Kannst du konkret benennen, was in deiner Therapie gewirkt hat?

Wenn ein Kind wegen motorischen Schwierigkeiten angemeldet wird: Arbeitest du dann auch hauptsächlich da dran, oder setzt du dir auch andere Ziele?

Hast du von irgendwem schon mal Rückmeldung zu Erfolgen, positive Rückmeldung bekommen?

TEIL 4: MISSERFOLGE, ZWEIFEL

Kannst du auch einen Fall beschreiben, wie du das Gefühl hattest, mit deiner grafomotorischen Therapie nicht erfolgreich gewesen zu sein?

Was ist ein Misserfolg in der Therapie?

Was hat den Misserfolg bewirkt, woran hat es gelegen?

Wurde der Misserfolg von anderen registriert, wurde er auch als solcher registriert?

Konflikte mit anderen, am Fall beteiligten?

Hilfe geholt: von wem? wie?

Gab es mal ein konkretes Ereignis, wo du gedacht hast, du schmeisst alles hin?

Wann fühlst du dich nicht mehr kompetent genug in deiner Arbeit?

Was machst du, dann wenn du mit einem Problem nicht mehr weiterkommst?

Hast du schon Zweifel gehabt, ob PMT überhaupt etwas nützt?

TEIL 5: ZUSTÄNDIGKEIT UND WISSENSBESCHAFFUNG

Wo ist für dich so eine Grenzziehung: Wann lehnst du die Behandlung eines Kindes mit grafomotorischen Problemen vielleicht sogar ab?

Fachliche motivierte Argumentation?

In persönlich motivierten Gründen liegende Argumentation?

Alltagswissen?

Wissenschaftliches Wissen?

Handlungswissen?

Tradiertes Wissen?

Wann würdest du denn einen Fall abgeben, also im Sinne von weiterreichen an eine Kollegin oder einen Kollegen mit einem anderen Berufshintergrund zum Beispiel?

Wann fühlst du dich nicht mehr kompetent genug in deiner Arbeit?

Wie gehst du vor bei einem neuen Fall, den du noch nicht kennst, also einer Diagnose, die dir bis jetzt noch nicht untergekommen ist?

TEIL 6: BEZIEHUNG

Wenn du mal darüber nachdenkst, wie sieht deine Beziehung zu deinen Therapiekindern in der Therapie aus? Kannst du das beschreiben?

Gibt es eine Bedeutung von Beziehung in der Therapie für die Therapeutin?

Zusammenhang zwischen Therapieerfolg und Beziehung; Misserfolg und Beziehung?

Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen?

Was meinst du: Welche Bedeutung hat die Beziehung der Therapeutin zum Therapiekind für den Therapieerfolg?

Was ist wichtiger: Fachkenntnis oder Menschenkenntnis?

 

Teil 7: WIRKSAMKEIT (SELBSTWIRKSAMKEIT?, KONTROLLÜBERZEUGUNG?)

Psychomotorik steht ja oft in der Kritik, was den Nachweis der Wirksamkeit angeht. Was denkst du, wenn du an deine Arbeit denkst, welche Wirkungen hat deine Arbeit?

Derzeit noch offen, ob diese Frage Sinn macht, da z.T. oben enthalten. Eventuell optional, je nach Interviewverlauf.

Wird Wirksamkeit definiert?

Wie Unterscheidung von Effekten und Wirksamkeit?

Wie evaluiert? Wie gemessen?

Wird Wirksamkeit auf den Therapieauftrag bezogen?

Wann ist denn für dich eine Therapie wirksam?

Wenn du Wünsche frei hättest, damit deine Arbeit noch besser würde, was würdest du dir wünschen?

Teil 8: EIGENE AUSBILDUNG

Wenn Du mal darüber nachdenkst, als Du eingestiegen bist in den Beruf, hast du Dich gut vorbereitet gefühlt?

 

Wird auf Wissen, das jenseits der PMT-Ausbildung erworben wurde, verwiesen?

Gibt es ein Theorie-Praxis-Dilemma?

 

Was hat dir in der Ausbildung gefehlt?

Was ärgert dich mehr an der Ausbildung: das, was du gelernt hast oder das, was du nicht gelernt hast?

Braucht es eine Masterausbildung für PMT's?

Hast du Sorge vor einer Akademisierung der PMT-Ausbildung?

Was ist für dich die wichtigste Bezugswissenschaft?

Was wäre für dich eine optimale Ausbildung?

Welche Erfahrung hast du mit PMT gemacht, die ihre Ausbildung früher bzw. später gemacht haben?

Ausleitungsfragen:

Anhang 3: Konzipierung des Projekts, Erstellung und Analyse des Materials

Datenherstellungs- und Bearbeitungsschritte

Ablauf, Besonderheiten, Bezugspunkte, Literatur

Extrahierung: Typische Problemlage der Intervention "Psychomotoriktherapie"

Herausarbeiten einer für den Beruf als typisch anzusehenden Problemlage, welche zur Rahmung der Interviews dient.

Ergebnis: Förderung des Selbstkonzepts und grafomotorische Unterstützungsangebote sind in der Schweiz sehr typische Angebote. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion wurde der Bereich Grafomotorik ausgewählt. Grafomotorische Unterstützung hilft Schulkindern dabei, die Voraussetzungen für eine ökonomische, flüssige und leserliche Handschrift zu erlernen bzw. zu verbessern.

Herausgelesen aus:

  • Tätigkeitsbeschreibungen psychomotorischer Fachstellen,

  • Curricula der Ausbildungsinstitutionen,

  • Pilotbefragung von zufällig ausgewählten Therapeut/innen mit vorwiegend qualitativ auszuwertendem Fragebogen (n=23). 22 Teilnehmer/innen gaben an, sich für Grafomotorik zuständig zu fühlen.

Leitfadeninterview:

Vorannahmen

Durchführung als erzählgenerierende Leitfadeninterviews mit Leitfragen und Aufrechterhaltungsfragen gemäß KRUSE (2014). Zuständigkeit, als ein wesentliches Element der Befragung, gilt als schwierig zu erfragendes Konstrukt. Um zu vermeiden, dass allgemeine Definitionen zitiert werden, sollte um eine Zuständigkeit "herum" gefragt werden, z.B.: "Deine Erfolge?", "Deine Misserfolge?", "Deine Zweifel?", "Wann würdest Du hinschmeißen"?, "Was sind die Highlights?", "Wie bist Du zum Beruf gekommen?", "Was machst Du, wenn Du in einem Fall nicht weiterkommst?"

Konzepte der Interviewer/innen sollten weitestgehend zurückgehalten werden. Daher war die Reihenfolge der Leitfragen in den Interviews selbst nicht festgelegt.

Leitfadeninterview:

Erstellung

Erstellung mit der Methode "SPSS" (vgl. HELFFERICH 2011):

  • Erstes Fragebogenbrainstorming mit Hochschulangehörigen (Expert/innen im Sinne der vertieften Kenntnis von Forschungsmethoden)

  • Zweites Fragebrainstorming mit Psychomotoriktherapeut/innen (Expert/innen des Berufs)

  • Es entstanden pro Durchgang ca. 80 Fragen auf Papierkarten, die z.T. gemeinsam mit den Fragengruppen vorkategorisiert, z.T. anschließend nachkategorisiert wurden.

Leitfadeninterview:

Inhalte

Sieben Themenblöcke mit jeweiliger Leitfrage (vgl. KRUSE 2009, 2014): "Eisbrecherfrage", Wege zum Beruf, Selbstverständnis, Verbindung zur Grafomotorik, Erfolge, Misserfolge, Zweifel, Zuständigkeit und Wissensbeschaffung, Beziehung, Wirksamkeit (siehe Anhang 2)

Stichprobe: Auswahl

Sampling mit deduktiven und induktiven Ergänzungen, Stichprobengröße n=17, in der Stadt Zürich mit Gatekeepern

In einem zweiten Schritt Ergänzung der Stichprobe durch Teilnehmer/innen, welche die Stichprobe nach erster Sichtung gewinnbringend und/oder in den "dünn besetzten" Kriterien ergänzten.

Gesetzte Kriterien: mindestens 3 Jahre im Beruf, Pensum in den vergangenen drei Jahren 30-100%, regelmäßige Tätigkeit im Bereich Grafomotorik. Interview in deutscher Sprache möglich (auch Schweizer Dialekt)

Außerdem angestrebt: Abbildung der Altersspanne im Beruf, bedeutender Umfang der Züricher Stichprobe wg. Drittmittelfinanzierung eines Zürcher Auftraggebers, Teilnehmer/innen mit Migrationshintergrund sollten integriert werden, da sich hier ein besonderer Gehalt für die Kontrastierung bzw. Bestätigung von Mustern erhofft wurde.

Interviews:

Durchführung

Durchführung der Interviews im Zeitraum Frühjahr/Sommer 2012: drei Interviews in den Räumen der Hochschule, alle anderen am Therapieort.

Sieben Personen in Standardsprache Deutsch, acht Personen in Schweizer Mundart (vorab zur freien Wahl gestellt)

Dauer zwischen 50 und 120 Minuten

"Abarbeitung" der Reihenfolge der Themen des Leitfadens offen

Interviewer/innen besaßen die o.g. Leitfragen mit Aufrechterhaltungsfragen auf Karten, welche sie bei Gelegenheit einstreuten.

Interviews:

Transkription

Vollständige Transkription mit allen prosodischen Merkmalen (vgl. DRESING & PEHL 2011; KRUSE 2009, 2014):

Transkription der Interviews in Standardsprache durch den Transkriptionsservice der Firma audiotranskription.de; Interviews in Schweizer Mundart durch eine unterwiesene Studentin mit Transkriptionsprogramm f4 analyse (siehe http:/www.audiotranskription.de/)

Zeicheninventar der Transkription nach DRESING und PEHL (2011)

Datenbearbeitung: Theoretischer Hintergrund

Die Analyse und Bearbeitung der Transkripte erfolgte orientiert an den rekonstruktiv-hermeneutischen Vorgehensweisen, wie sie von HELFFERICH (2011) und KRUSE (2009, 2014) vorgeschlagen werden. Einspeisung der Transkripte in MAXQDA 10.

Datenbearbeitung, Analyseschritt I:

Deskription, Inventarisierung, Segmentierung

In einem ersten Schritt erfolgte ein Lesedurchgang durch das Material (auf Papier).

Anfertigung von Inventaren, Inhaltsverzeichnissen der Transkripte (s. Übersicht 1)

Anfertigung von Segmentierungen anhand von Tabellen (s. Tabelle 1)

Datenbearbeitung: Analyseschritt II:

Strukturierung, Bündelung, Verdichtung

Aus den aufbereiteten Daten wurden nun Lesarten des Materials (KRUSE 2009, S.203) erstellt, die als Codes in MAXQDA 10 integriert wurden.

Die Erstellung von Codes erfolgte deduktiv (orientiert am Leitfaden) und induktiv (am Material).

Datenbearbeitung: Analyseschritt III:

Aufbereitung an Fallexzerpten

Das bis hierher wie beschrieben aufbereitete Material wurde dann im nächsten Schritt so bearbeitet, dass Typen und Muster herausgearbeitet werden konnten. Dazu wurden, entlang dem Konzept des Merkmalsraums (KELLE & KLUGE 2010, S.96-104), vor allem Kreuztabellen und Segmentmatrizen von Kategorien und zentralen Merkmalen der Interviewteilnehmer/innen erstellt.

Abduktion, Ergebnisabsicherung, Ergebnisdarstellung, Ergebnisdissemination

Diskussion der Ergebnisse in Forschungskolloquien und Vorträgen. Kontextualisierung mit Literatur aus benachbarten Disziplinen.

Anmerkungen

1) Psychomotorik ist europaweit unterschiedlich etabliert und verankert. Als europäische Dachorganisation gilt das European Forum of Psychomotricity (EFP). Eine Besonderheit in der Schweiz ist die Bezeichnung als Psychomotoriktherapie. Als Beruf oder Maßnahme zwischen Therapie und Pädagogik kann sie, grob vereinfacht, in ganz Europa gelten. <zurück>

2) Alle in diesem Beitrag genannten Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert. <zurück>

3) Zeicheninventar der Transkription (vgl. DRESING & PEHL 2011, S.20-25) in Anhang 1. <zurück>

4) Die Zahlen in Klammern bezeichnen die Absatznummer der Textstelle im Dokument im Analyseprogramm MAXQDA 10. <zurück>

5) An der Studie haben auch männliche Therapeuten teilgenommen. Da die Anzahl der männlichen Therapeuten in Zürich (>5) der ganzen Schweiz (>20) jedoch außerordentlich gering ist, ist in der Folge aus Gründen des Datenschutzes nur von Therapeutinnen und Therapeuten bzw. Therapeut/innen (in gemeinsamer Nennung) die Rede. Männliche Therapeuten haben, wenn sie hier im Beitrag zitiert werden und Genderaspekte in ihren Aussagen nicht vorhanden oder im genannten Kontext als unerheblich eingeschätzt wurden, auch einen weiblichen Namen bekommen, wenn Textstellen aus ihren Interviews zitiert werden. <zurück>

6) Schulische Heilpädagog/innen sind in der Schweiz in der Regel Lehrer/innen, die sich zu diesem Beruf fort- oder weiterbilden (z.B. durch einen Hochschulabschluss MA in schulischer Heilpädagogik nach einer in der Regel mehrjährigen Lehrtätigkeit an einer Schule). <zurück>

7) Das von KRUSE (2009) erstellte, sehr umfangreiche Skript bildete die Grundlage für seine im Jahr 2014 herausgegebene Monografie und ist in Teilen sogar deckungsgleich. Da manche Vorbereitungen des Projekts im Jahr 2012 u.a. auf dem ursprünglichen Skript beruhten, wird dieses hier als Quelle ebenfalls aufgeführt, wo nötig. <zurück>

8) Mehrsprachigkeit der Schweiz, unterschiedliche Ausbildungskonzepte der Ausbildungsstätten, große Altersspanne, Beruf wird zu ca. 95% von Frauen ausgeübt, oft mit reduziertem Pensum, seit 2005 BA-Studium, davor Ausbildungsgänge zwischen einem Jahr und drei Jahren, geänderte Zugangsvoraussetzungen mit Bedingung Matura, Therapeut/innen mit anderem kulturellen und/oder Ausbildungshintergrund im Beruf, Mitfinanzierung eines Auftraggebers/einer Auftraggeberin mit Interesse an Teilen der Ergebnisse <zurück>

9) Text im ersten Satz aus Datenschutzgründen abgeändert. <zurück>

10) Eine Erhebung von ergänzenden, quantitativen Daten zur Wirksamkeit der Psychomotoriktherapie aus der Sicht von Lehrpersonen im Einzugsgebiet der qualitativen Stichprobe hat im Frühjahr 2013 stattgefunden, eine Triangulation mit den hier beschriebenen Daten ist geplant. <zurück>

11) Es sei hier noch einmal darauf verwiesen, dass die Stadt Zürich Teil des Kantons Zürich ist (und nicht mit diesem identisch). Es werden also hier nicht der Kanton Zürich und andere Kantone gegenübergestellt, sondern genau genommen Therapeut/innen, die in der Stadt Zürich arbeiten, jenen Therapeut/innen, die anderswo in der Schweiz arbeiten. Diese sind zusammengefasst unter der Bezeichnung "Therapeut/innen aus anderen Kantonen" bzw. "Regionen" (synonymer Gebrauch). <zurück>

12) Die Art des Studiums wird hier aus Datenschutzgründen nicht genannt. <zurück>

13) "Schnürli-Schrift" ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die im Jahre 1947 eingeführte Schweizer Schulschrift. Gegenwärtig wird diese Schreibschrift abgelöst von der sogenannten Basisschrift, siehe dazu auch http://www.schulschrift.ch/ [Zugriff: 1. Juli 2015]. <zurück>

14) Memo für mögliche Nachfragen – nur stellen, wenn nicht von allein angesprochen! Formulierung im Interview gegebenenfalls anpassen. <zurück>

 An passender Stelle (auch am Ende möglich) in dieser Formulierung stellen.

Literatur

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Zum Autor

Martin VETTER, Prof. Dr., Pädagogische Hochschule Schwyz. Arbeits- , Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Entwicklungspsychologie, Psychomotorik, Bewegungsförderung, Professionsentwicklung in schulnahen Förder- und Unterstützungsangeboten. Psychomotoriktherapeut (EDK).

Kontakt:

Prof. Dr. Martin Vetter

Arbeitsbereich Psychomotorik, Entwicklung und Bewegung
Pädagogische Hochschule Schwyz
Zaystrasse 42
CH-6410 Goldau

E-Mail: martin.vetter@phsz.ch
URL: http://www.phsz.ch/ausbildung/dozierende/martin-vetter/

Zitation

Vetter, Martin (2015). Schulnahe Therapien und inklusive Bildung: im Spannungsfeld von institutionell definierter Zuständigkeit und subjektivem Problem- und Wirksamkeitserleben mit Folgen für die Interventionen [108 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 16(3), Art. 14,
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1503143.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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