Volume 6, No. 3, Art. 7 – September 2005
Translokale Ethnographie
Andrea Lauser
Zusammenfassung: In meinem Beitrag geht es mir darum, das Verhältnis von lokal / global in eine konkret erforschbare Dimension rücken. Dafür greife ich die Konzept-Metapher der Landschaft – landscape – auf, die APPADURAI (1998 [1991]) in seiner radikalen Argumentation einer entterritorialisierten Welt formuliert hat und verknüpfe diese theoretische Perspektive mit dem methodologischen Entwurf einer "multi-sited ethnography", wie ihn George MARCUS (1998) in seiner Aufsatzsammlung Ethnography through Thick and Thin vorschlägt. In ethnographischen Vignetten aus meiner Forschung zur philippinischen Heiratsmigration in transnationaler Perspektive ("Ein guter Mann ist harte Arbeit!", LAUSER 2004a) schaue ich anschließend konkret auf einige kulturelle Dynamiken und Verflechtungen von globalen, lokalen und persönlichen Angelegenheiten in einer enträumlichten Welt. Die Frage der Lokalisierungen wird mit einem starken Plädoyer für die ethnographische Forschungspraxis verbunden, die mehr denn je den Verortungen des Sprechens, Schreibens und Forschens sorgfältige Aufmerksamkeit zu widmen hat.
Keywords: global ethnography, multi-sited ethnography, teilnehmende Beobachtung, Lokalisierung und Positionierung im Forschungsprozess, reflektive Ethnographie
Inhaltsverzeichnis
1. Alternative Bilder des Globalen und Lokalen
1.1 APPADURAIs globale kulturelle Ökonomie als fließende Landschaften
1.2 "Vielortige Ethnographie durch Dick und Dünn" (George MARCUS)
2. Ethnographische Vignetten
2.1 Ein "Asia Food Store" als Knoten- und Ausgangspunkt der Spurensuche
2.2 Auf der Spur von Lebensgeschichten im transnationalen Familiennetzwerk
2.3 Auf den Spuren von Bildern und Imaginationen: Schönheits- und Geschlechterkonstruktionen bei den Tausug (Süd-Philippinen)
3. Schluss
Ich möchte meine Leser und Leserinnen zum Einstieg zu einer typischen "Ankommensszene" auf die Philippinen einladen, wo ich einen großen Teil meiner ethnographischen Forschungserfahrungen gesammelt habe. [1]
Wer die Philippinen bereist, bewegt sich vor allem mit Schiffen fort. Dies liegt nahe bei einer Landschaft, die sich aus über 7.000 Inseln zusammensetzt. Seien es nun kleine Auslegerboote, schnelle Motorboote oder laut dröhnende, gemächlich dahintuckernde Fracht- und Passagierdampfer, die reisende Ethnologin hat sich fast immer in diese völlig überladenen Verkehrsmittel zu zwängen. Im Unterschied zu den übervollen städtischen U-Bahnen zur "rush hour" reist auf diesen Schiffen eine bunte, vielfältige Ladung mit und verbreitet eine verwirrende Mischung an visuellen, akustischen und olfaktorischen Eindrücken: Hifi-Anlagen "konkurrieren" mit dem intensiven Aroma der Durian-Frucht, Gesprächsfetzen in Englisch, Tagalog und anderen lokalen Sprachen werden übertönt von Pop-Musik, Videofilmvorführungen (von Wrestling-Kämpfen bis Schönheitsschauen), Kindergeschrei und Hahnengekrähe. [2]
In diesem Teil der Welt, so begreift die Reisende sehr schnell, ist der Begriff Insel nicht mit Abgeschiedenheit und Isoliertheit gleichzusetzen, sondern ganz im Gegenteil mit Dynamik und Mobilität. Bereits in ersten kurzen Reisegesprächen, bei denen zunächst mit besonderer Aufmerksamkeit nicht-philippinische Reisende nach ihrem Woher und Wohin befragt werden, ist über die weltweite Vernetzung philippinischer Familien zu erfahren: Brüder und Schwestern leben und arbeiten in Singapur, Hongkong, Taiwan, Australien und Japan; Cousins, Onkel und Tanten sind in Amerika, Saudi-Arabien, Europa (in Deutschland, Griechenland, Spanien, Holland oder Norwegen ...), Väter und Mütter halten sich in Kanada, auf hoher See, oder in Hawaii auf. Es drängt sich der Eindruck auf, als ob jede philippinische Familie über Familienmitglieder transnational vernetzt sei, eine Art globale Familie bilde. [3]
Bereits diese Reiseskizze illustriert die Tatsache, dass Verbindungen und Beziehungen zwischen den lokalen Philippinen und der globalen Welt unbestreitbar existieren. Zensusdaten gehen davon aus, dass 7 bis 10 Millionen Filipinos (oder sogar noch mehr) sich nicht auf den Philippinen, sondern in über 130 Ländern der Welt aufhalten. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 70 Millionen belegen (also) "harte Fakten" erste Eindrücke (SHINOZAKI 2003, PARRENAS 2001).1) [4]
In meinem Beitrag möchte ich mich mit der Frage befassen, wie wir ethnographische Feldforschung in einer "globalisierten" Welt durchführen sollen? Bis heute wird die langfristige teilnehmende Beobachtung in alltagsweltlichen Lebenszusammenhängen als das sine qua non unserer Disziplin (der Ethnologie) betrachtet. Im Sinne dieser Einstellung möchte ich einige Gedanken zur Theorie und Methodik einer viel-ortigen und viel-perspektivischen Feldforschung – einer multi-sited ethnography (MARCUS 1995) – mit meinen eigenen Erfahrungen verbinden. [5]
Die Frage ist, wie sich die globalen Verflechtungen methodologisch handhaben lassen, ohne in einer Dichotomisierung von binären Gegensätzen und Endpunkten wie "lokale Peripherie" (einerseits) und "globales Zentrum" (andererseits) zu verharren? Wo ist denn nun der ethnographische Ort des "Dortseins" – des "being there" – an dem sich Ethnographen und Ethnographinnen des "Globalen" (und Transnationalen) aufhalten sollten? Lassen sich die ethnographischen Forschungsfelder nur noch in fließenden Netzwerken und virtuellen Strömen im flimmernden "Dazwischen" auffinden? Wie lässt sich die Opposition von "space of flows versus space of places" (CASTELLS 1997) zugunsten eines Verständnisses der relationalen Konstituierung von Orten und Netzwerken aufheben? [6]
Ich gehe davon aus, dass der Ort eine wichtige Perspektive einer "globalen Ethnographie" bleibt; denn trotz komplizierter sozialer und ökonomischer Prozesse globaler Dimensionen organisieren die Menschen ihr Alltagsleben auf überschaubare Weise und schaffen sich reale Begegnungsorte und Übergangsräume. Diese Orte sind allerdings nicht einfach statisch oder homogen, sondern werden in Interaktionen hergestellt, verhandelt und in Frage gestellt. Um das Problem der konkreten Verortungen und Perspektiven im Spannungsverhältnis von lokal und global auf eine erforschbare Ebene zu rücken, möchte ich die Konzept-Metapher der Landschaft – "landscape" – aufgreifen, die Arjun APPADURAI in seiner radikalen Argumentation einer entterritorialisierten Welt formuliert hat. Das Bild der Landschaft bietet neben APPADURAIs abstrakten theoretischen Ausführungen (1995, 1996, 1998, 2001) doch auch eine sehr nachvollziehbare Anschauung: Je nach Landschaftsperspektive machen Details, Grenzziehungen und Wegmarkierungen Sinn. Der Horizont auf einem hohen Gebirgszug beispielsweise ist anders als in einem engen Tal; und Wege durchziehen weite Ebenen anders als verzweigte Flusslandschaften. Diese Landschaftsmetapher möchte ich mit George MARCUS' methodologischem Entwurf einer "multisited ethnography" verknüpfen, die er in seiner Aufsatzsammlung Ethnography through Thick and Thin (1998) als eine Art Spurensuche vorschlägt. [7]
1. Alternative Bilder des Globalen und Lokalen
1.1 APPADURAIs globale kulturelle Ökonomie als fließende Landschaften
Wissenschaftliche Diskurse über Globalisierung sind zu weiten Teilen in einer generalisierten Sprache der Abstraktion formuliert. Aus der Perspektive der Ethnologie ist ihnen vorzuwerfen, dass sie unter der Dominanz der ökonomischen Perspektiven die symbolischen und kulturellen Bedeutungsebenen vernachlässigen. Aber auch Kritiken innerhalb der ethnologischen Debatten machen darauf aufmerksam, dass das "Globale" theoretisch verhandelt wird, ohne es empirisch zu erden und zu analysieren (BURAWOY 2000, GREENHOUSE, MERTZ & WARREN 2002, MAURER 2003, MOLYNEUX 2001, SMITH & GUARNIZO 1998 u.a.). Das Ergebnis sind dann Ethnographien, die zwar innerhalb eines vorgestellten globalen Kontextes situiert sind, aber dennoch ethnographische Dichte über die Beschaffenheit der gelebten Leben und konstruierten Identitäten missen lassen. Der problematischere Begriff in diesen ethnologischen Debatten um das Verhältnis von "global" und "lokal" scheint der des "Globalen" zu sein, der zum einen eine theoretische Abstraktion ist und gleichzeitig eine Reihe von konkreten Prozessen, Erfahrungen und Verbindungen umfasst.2) Eine Ethnographie des Lokalen hingegen definierte schon immer das Selbstverständnis der Ethnologie, die sich in besonderem Maße dazu berufen sah, über die teilnehmende Beobachtung eine emische Perspektive (von innen heraus) einzunehmen und damit die kreativen Kräfte des Widerständigen zu demonstrieren und zu würdigen.3) [8]
APPADURAI betont zu Recht, dass die spezifische alltägliche Durchdringung von Kultur und Ökonomie der Ort der Verbindung des Lokalen mit dem Globalen ist. Dabei identifiziert er fünf Dimensionen kultureller Strömungen, die sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten um die Welt bewegen und die er in Anlehnung an ANDERSON "imaginierte Landschaften" nennt: ethnoscapes, mediascapes, technoscapes, financescapes und ideoscapes. Als fließende, ungleichmäßige Landschaften (oder Gebilde) sind sie weit davon entfernt, eine starre Systematik bereitzustellen. Im Gegenteil, sie sehen je nach Standpunkt – aus jedem Blickwinkel – verschieden aus. In dieser Optik sind die "landscapes" als perspektivische Konstruktionen zu verstehen, moduliert im Alltag durch Kontext, Erfahrung und (sehnsuchtsvolle oder ehrgeizige) Imaginationen. [9]
Das Bild der fließenden Landschaften öffnet Räume für Debatten. Dabei ist es nicht die Aufgabe einer Konzept-Metapher, Doppeldeutigkeiten zu lösen, sondern sie ganz im Gegenteil beizubehalten – als Spannungsfeld zwischen universalen Ansprüchen und partikularen Kontexten und Besonderheiten. Aus bestimmten "Landschaftsperspektiven" machen (vordergründig widersprüchliche) Details, Fakten und Verbindungen Sinn – und zwar nicht nur für Ethnologen und Ethnologinnen, sondern auch für Nationalstaaten, transnationale Gemeinschaften, Interessengruppen, Dörfer, Nachbarschaften, Familien und Individuen (MOORE 2004, S.79). APPADURAIs Stärke bei der Theoretisierung der Landschaftsmetapher liegt in der Hinwendung zu der Vorstellung von Prozessen und Verflechtungen und besonders auch zu der großen Bedeutung der Imaginationen. Auf welchem Wege man sich mit diesem Konzept empirisch annähern soll, lässt er offen. [10]
Eine einfache Antwort liegt auf der Hand: Durch Ethnographie. Indem wir das tun, was wir schon immer getan haben. Indem wir schauen, wie die Menschen – Individuen wie Gruppen – solche Verbindungen gestalten, wie sie sich positionieren in ihren imaginierten und engagierten Welten. Indem wir neben der "Makroperspektive" von Globalisierung als unaufhaltsamer Macht Mikroperspektiven liefern, die davon berichten, wie Menschen als Akteure globale Bilder, Kategorien und Themen in ihre alltäglichen Praxen integrieren.4) [11]
1.2 "Vielortige Ethnographie durch Dick und Dünn" (George MARCUS)
George MARCUS argumentiert in seinem Buch Ethnography through Thick and Thin, dass die Erforschung einer zunehmend globalisierten Welt eine viel-örtliche und viel-perspektivische Beschreibung erfordert – eine so genannte multi-sited ethnography – oder doch zumindest eine "multi-sited" Forschungsidee und -imagination. So schlägt er vor, Feldforschung und teilnehmende Beobachtung auf viele Orte auszudehnen und zu erweitern, um so bestimmte abgegrenzte Lokalitäten in ihrem komplexen und vielschichtigen Verhältnis zur Außenwelt erfassen zu können. Dann sind nicht mehr Ausgangsort und Zielort als binäre Pole zu verstehen, sondern die raum-zeitlichen Verbindungen in einem erweiterten Netzmodell zu erfassen. Dabei kommt es nicht nur auf die Punkte an, an denen wir normalerweise ein Netz festmachen, auf die Knotenpunkte, sondern auch auf die Linien, auf die Verbindungen und auf die Bewegung (MARCUS 1998, S.89-95).
"Multi-sited research is designed around chains, paths, threads, conjunctions, or juxtapositions of locations in which the ethnographer establishes some form of literal, physical presence, with an explicit, posited logic of association or connection among sites that in fact defines the argument of the ethnography" (MARCUS 1998, S.90, Hervorhebung A.L.). [12]
Dabei identifiziert er ein methodologisches Design mit durchaus konkreten Anweisungen als eine Art Spurensuche: "Follow the People"; "Follow the Thing", "Follow the Metapher", "Follow the Plot, Story, or Allegory"; "Follow the Life or Biography", "Follow the Conflict" etc. (ibid., S.90ff.). [13]
Die Vorteile des Ansatzes, den Menschen zu folgen – auf den Spuren der Menschen zu sein – liegen darin, dass sie in unterschiedlichen Realitäten und auf verschiedenen Bühnen repräsentiert werden können. Dieses Vorgehen ist die offensichtlichste und konventionellste Art, eine "mult-sited ethnography" umzusetzen, wenn sie auch bei großen Entfernungen mit einigem (zeitlichen und materiellen) Aufwand verbunden ist. Es knüpft an frühe Arbeiten ethnographischer Feldforschung an, wie etwa an MALINOWSKIs Beschreibung des Kula-Ringtausches bei den Trobriandern von "Melanesisch-Neuguinea" (in "The Argonauts of the Western Pacific", 1922), sowie an alle Studien über Menschen, die sich bewegen, seien es Menschen, die eine nomadische Lebensweise pflegen oder Menschen, die migrieren. [14]
Nicht unerheblich ist dabei auch der persönliche Kontakt und der Blick auf Lebensgeschichten, follow the life – auf den Spuren der Lebensgeschichten: Lebensgeschichten werden in verschiedenen sozialen Kontexten von Menschen erzählt, die ihre individuellen Erfahrungen reflektieren und ordnen. Die Spuren der Geschichten verweisen daher einerseits auf den Moment des Erzählens und den Prozess des Geschichtenerzählens und andererseits auf Zusammenhänge und raum-zeitliche Verknüpfungen, die in makrostrukturellen Perspektiven nie zum Vorschein kommen würden:
"They are potential guides to the delineation of ethnographic spaces otherwise invisible. These spaces are not necessarily subaltern spaces (although they may be most clearly revealed in subaltern life histories), but they are shaped by unexpected or novel associations among sites and social contexts suggested by life history accounts" (MARCUS 1998, S.94). [15]
Auf den Spuren der Dinge : "Dinge" wie Warengüter, Geschenke, Geld, Kunstwerke und Bücher (und andere intellektuelle Güter) zirkulieren ebenfalls durch verschiedene Kontexte und hinterlassen auf ihren oft eindrucksvollen Reisen eine bemerkenswerte Deutungsvielfalt. Da die Bedeutung der Waren, Tauschobjekte und des Geldes weltweit stark ansteigt, interessiert gerade auch eine ethnologische Konsumforschung die Prozesse der Aneignung fremder Elemente, der kulturellen Interpretation und Übersetzung, sowie die Entstehung neuer Bedürfnisse. [16]
Auf den Spuren der Menschen, der Dinge, des Geldes, der Metaphern ebenso wie auf der Spur der (Lebens-) Geschichten und Konflikte bewegen sich Ethnographen und Ethnographinnen (des Globalen) in privaten und öffentlichen Feldern ebenso wie in offiziellen und informellen, subalternen Kontexten. Mit einem derart vielseitigen Forschungsdesign sowohl "nach oben" als auch nach "unten" – und jenseits der Dichotomisierung von makro versus mikro und lokal versus global – gilt es also den vielfältigsten Existenzen über Raum und Zeit zu folgen und Verbindungen zwischen Orten herzustellen, die früher als unvereinbar galten (MARCUS 1998, S.14). Zusammengehalten werden die Standorte der Feldforschung durch die Konstruktionen der Ethnographen und Ethnographinnen, die ihrer assoziativen Logik und ihrer bisweilen auch spontanen und willkürlichen Entdeckungen geschuldet sind. Der methodologische Imperativ des "Dortseins" (being there) wird ersetzt durch eine Art "Verfolgungsjagd" oder Spurensuche. Und dies erfordert eine gründliche Reflexion der Positioniertheit des Ethnographen und der Ethnographin; denn wenn sich die "Landschaft" verändert, muss auch die Identität der Ethnographin/des Ethnographen neu verhandelt werden, denen es kaum erspart bleibt, sich in widersprüchlichen, persönlichen, politischen und konfliktiven Spannungen (und Verpflichtungen) wiederzufinden. Laut MARCUS führen dabei die durchaus widersprüchlichen Lösungen mancher Konflikte nicht zu einem unbeteiligten Rückzug seitens des Ethnographen oder der Ethnographin, sondern ganz im Gegenteil zu einer reflektierten Positionierung – zu einer Art "ethnographer-activist (MARCUS 1998, S.98) – die aufrichtiger und politischer ist als einseitige Parteinahmen oder Distanzierungen.5) [17]
Ethnographische Vignetten aus meiner Forschung zu philippinischer Heiratsmigration (LAUSER 2004a, b, 2005a, b) mögen illustrierende Schlaglichter auf eine bewegte "Landschaft" werfen, die ich in Anlehnung an APPADURAI als "marriage-scape" bezeichnen möchte. Philippinische Heiratsmigration unter einer transnationalen Perspektive erweist sich als ein Phänomen, das auf komplexe – und bisweilen paradoxe – Art und Weise mit globalen, lokalen und persönlichen Angelegenheiten verwoben ist. Während dominante, durch das Modell des "homo oeconomicus" geprägte, Migrations-Diskurse asiatische Frauen im allgemeinen – und philippinische Frauen im besonderen – entweder als "mail-order brides", als Katalog-Bräute (beziehungsweise Heiratsmigrantinnen) oder als Arbeiterinnen (beziehungsweise Arbeitsmigrantinnen) konzipieren, zeigt ein translokaler und vielperspektivischer (multi-sited) Zugang, dass diese analytische Trennung zwischen "wife or worker", zwischen Ehefrau oder Arbeiterin (PIPER & ROCES 2003) als viel zu enger Analysepfad in Frage zu stellen ist. Statt dessen lassen sich vielfältige Verwobenheiten und Positionen illustrieren, die migrierende Frauen als Ehefrauen, Arbeiterinnen, Mütter, Töchter, Staatsbürgerinnen und kulturelle Vermittlerinnen in einem transnationalen Migrationsraum erfahren. [18]
Das heißt auch, dass Arbeitsmigrationen weder ausschließlich ökonomisch motiviert sind, noch Heiratsmigrationen ausschließlich privat, familien- und werteorientiert sind. Mit anderen Worten, philippinische Frauen heiraten nicht nur, um zu migrieren (wie häufig argumentiert wird), sondern sie migrieren auch, um zu heiraten. Dabei orientieren sich philippinische Heiratsmigrantinnen sowohl an als auch gegen lokale Geschlechterkonstruktionen und bewegen sich in transnationalen – ja globalen – "Heiratslandschaften", in denen verschiedene Motive, Logiken, Imaginationen und Begehrlichkeiten ins Spiel kommen, die von kulturellen, sozialen, kolonial-historischen und politisch-ökonomischen Faktoren geprägt sind. Solche "Kartographien des Begehrens" oder "sites of desire" (MANDERSON & JOLLLY 1997) werden bisweilen von sehr widersprüchlichen Vorstellungen und Imaginationen über Geschlecht, Tradition und Moderne geformt. Während philippinische Frauen aufgrund lokaler Begrenzungen nach "modernen Ehemännern" und "modernen Ehen" suchen mögen, mögen sich viele westliche Männer (ebenfalls aufgrund lokaler Enttäuschungen) asiatischen und philippinischen Ehefrauen zuwenden in der Vorstellung, in ihnen "traditionelle und altmodische Ehefrauen" zu finden. [19]
Mit dieser Forschung bewegte ich mich in Beziehungsgeflechten, die verschiedene Orte umspannten. Und da diese Orte in verschiedenen Nationalstaaten lokalisiert sind, sind die Beziehungsfelder als "transnational" zu bezeichnen. Der Begriff "transnational" ist dennoch zunächst ein mehr oder weniger trennscharfer Arbeitsbegriff, denn meine philippinischen Gesprächspartnerinnen (die als Heiratsmigrantinnen vorrangig weiblichen Geschlechtes waren)6) konzentrierten sich in ihren Beziehungsnetzwerken, die auf Verwandtschaft, Freundschaft oder Patronage basieren, nicht nur auf Orte, sondern ganz besonders auf die Menschen – zu Hause (auf den Philippinen) und wo auch immer diese Menschen lebten. Der Charakter dieser herkömmlichen Beziehungsstrukturen muss sich dabei nicht notwendigerweise durch die Tatsache verändern, dass nationale Grenzen überschritten wurden – auch wenn die Beziehungen selbstverständlich durch strukturelle Begrenzungen nationalstaatlicher Reglements betroffen waren. [20]
Entsprechend dem eben skizzierten Entwurf einer "multi-sited ethnography" (also einer vielseitigen Spurensuche) folgte ich recht wörtlich den verschiedenen Spuren von Menschen, Geschichten und Lebenslinien, von Migrationswegen und Konfliktlinien. Damit wurde die Frage der Lokalisierung zu einer zentralen, und Überlegungen, wann ein Feld "von Gewicht" oder eher marginal ist, ließen mich bisweilen ratlos zurück. [21]
So wurde ich z.B. schon zu Beginn der Forschung in Deutschland mit einem allgegenwärtigen Neid-und-Intrigen-Diskurs konfrontiert. Viele meiner philippinischen Gesprächspartnerinnen erzählten mir, dass sie in der Migrationsgemeinschaft keine Freundinnen hätten und nahe Beziehungen zu kababayan (Landsleuten) auf jeden Fall vermeiden würden. Erstaunlich war das ausdrücklich formulierte Misstrauen, mit dem solche Kontakte als Bedrohung beschrieben wurden, vor der es sich zu schützen gelte. Angesichts der regen und intensiven Vernetzung und der vielen unterstützenden, solidarischen Handlungsstrategien, die ich gleichzeitig auf vielfältige Weise beobachten konnte, waren diese Selbstbeschreibungen bemerkenswert. Erst als ich das Konfliktfeld "Neid" fokussierte und den widersprüchlichen Ausdrucksweisen nachspürte, anstatt sie als lästige, meine Forschung behindernde Stimmen abzutun, erkannte ich vitale Suchbewegungen zwischen Solidarität und Rivalität. "Neid" wurde in dieser Spannung zu einem Standort, von wo aus eine neue Art von Vermittlung zwischen "Elite" und "Unterschicht", zwischen "reich" und "arm", zwischen "deutsch" und "philippinisch" gesucht und formuliert werden konnte (vgl. ausführlich LAUSER 2004a, S.268ff.). [22]
Dabei mag meine Verwirrung eine Unsicherheit und Desorientierung widerspiegeln, die auch meine ethnographischen Gesprächspartnerinnen empfanden, wenn ihnen die Ziele der eingeschlagenen Wege verschwommen erschienen oder wenn ihnen große Flexibilität abverlangt wurde im Suchen und Finden neuer Fährten. [23]
Im folgenden möchte ich mehr schlaglichtartig als systematisch ethnographische Forschungsfelder – "sites" – einer "transnationalen Heiratslandschaft" vorstellen, indem ich einige eigene, oft tastende Forschungsschritte nachzeichne. Der schon immer kritische Part der teilnehmenden Beobachtung – nämlich der Zugang zum Feld – wird durch die Ausdehnung des Feldes über Orte, Ebenen und Zeiten nicht einfacher. Das Verhandeln von Zugehörigkeit, von Inklusionen und Exklusionen prägte – wie in vielen Migrationsgemeinschaften – auch den philippinischen Migrationskontext und damit meinen Forschungsalltag. In der lebendigen Dynamik eines konkreten Ortes – nämlich eines Asia-Food-Store in einer deutschen Stadt – fand ich einen alltäglichen Ausgangs- und Knotenpunkt für meine Spurensuche im Sinne einer multi-sited ethnography (LAUSER 1997). Dieser Ort erwies sich als "Umschlagplatz" von Dingen, Geschichten, Begegnungen und Konflikten und verwies fast automatisch auf verschiedene Fährten: Das Reden über verschiedene Produkte verdeutlichte Vorstellungen von Heimat, Tradition und modernem Lebensstil. In konkreten Begegnungen wurden Ehen vermittelt und/oder Arbeitsplätze im meist "unsichtbaren" Dienstleistungssektor weitergereicht. Hier wurden nicht nur Waren eingekauft, sondern Geschichten erzählt und Konflikte verhandelt. [24]
Entsprechend greife ich in einer weiteren Vignette die Forderung "Follow the life stories" auf und skizziere das Erzählen von Lebensgeschichten als ein dynamisches Feld ethnographischer Forschung, das trotz raum-zeitlicher Brüche und Distanzen nicht auf die konkrete face-to-face-Beziehung verzichten sollte. [25]
In einem dritten und letzten Schritt möchte ich schließlich eine Idee davon geben, wie sehr translokale Imaginationen das Leben in einer enträumlichten Welt bestimmen. Denn Mobilität muss nicht nur physisch gemeint sein, sondern betrifft auch Menschen, die im praktischen Alltag begrenzt sind, aber dennoch durch unbegrenzten Medienzugang und die neuen Kommunikationsmittel neue virtuelle Räume betreten, wo eigene Praktiken mit anderen Optionen verglichen werden. Dieses imaginäre Wissen erzeugt eine Spannung und zeigt im alltagspraktischen Handeln Wirkung. [26]
Damit greife ich eine Forderung von APPADURAI auf, der die "Arbeit der Imagination" und die "imaginativen Ressourcen" als ein Fundament moderner Ethnographie verstanden sehen will (APPADURAI 1996, S.3ff.):
"Die Biographien gewöhnlicher Menschen werden auf diese Weise zu Konstruktionen, bei denen Imagination eine bedeutsame Rolle spielt. Man kann diese Funktion der Imagination nicht auf bloße Flucht vor der Wirklichkeit hinstellen. [...] Vielmehr bildet sich die Vielfalt der 'vorgestellten Gemeinschaften' [Anderson 1983] im knirschenden Getriebe zwischen sich entfaltenden Lebensformen und deren imaginierten Gegenüber. Die so entstehenden Gemeinschaften erzeugen neue Politikformen, neue Arten kollektiven Ausdrucks, und veranlassen die Eliten zur Suche nach neuen Disziplinierungs- und Überwachungsmaßnahmen" (APPADURAI 1998, S.22f.). [27]
2.1 Ein "Asia Food Store" als Knoten- und Ausgangspunkt der Spurensuche
Ein asiatischer Gemischtwarenladen verkörperte in der transnationalen Zirkulation von Texten, Bildern und Waren, aber auch von Gerüchen und Tönen zwischen Herkunftsland und der "Diaspora" eine wichtige Schnittstelle. Als öffentlicher alltäglicher Einkaufsort schuf er – in modifizierter Fortführung der Funktion eines Sari-Sari-Stores 7) auf den Philippinen – einen sozialen Übergangsraum. Er funktionierte als sozio-ökonomisches Netzwerk, wo wichtige und brauchbare Informationen ausgetauscht wurden, mehr oder weniger verbindliche Verabredungen vereinbart wurden, und wo man sich traf, um Themen wie Familie, Gemeinschaft, Nachbarschaft, Heimat und Zugehörigkeit zu verhandeln. Mit anderen Worten: dort wurden nicht nur heimatliche Produkte, Gewürze und Gerüche verkauft, sondern das komplexe vielstimmige Paket dessen, was heimatliche Kultur in der Fremde ist und sein könnte (vgl. LAUSER 1997, MANKEKAR 2002). [28]
Ein kleines, belangloses Produkt in der Umlaufbahn zwischen den Philippinen und Deutschland gibt möglicherweise eine Idee der leicht verdrehten Dynamik zwischen Bedeutungsstabilität und Bedeutungsverschiebung. So brachte ein besonderer Schmelzkäse, der von dem multinationalen Konzern "Kraft" speziell für tropische Länder wie die Philippinen produziert wurde, die philippinische Ladenbesitzerin in Deutschland zur Verzweiflung: Sie konnte dieses – auch in Deutschland stark nachgefragte – Produkt nur über den Umweg über die Philippinen importieren. Dieser Käse schien sich nicht durch unzählig schmackhaftere – und nach hiesigem Verständnis namhaftere – Käsesorten ersetzen zu lassen, sondern blieb zu einem überteuerten Preis auch in Deutschland ein begehrenswertes, nun mit Nostalgie besetztes Markenprodukt. Dort – auf den Philippinen – bedeutete der relativ teure Käse so etwas wie Teilhabe an einer "modernen, westlich-amerikanischen" Küche. Hier – in Deutschland – haftet dem immer noch teuren Stück ein Geschmack von Nostalgie an: nämlich die Erinnerung an den elitären, modernen Geschmack, den man sich zu besonderen Anlässen auf den Philippinen geleistet hat. [29]
Bezüglich der Geschlechterverhältnisse im Spannungsfeld von Partnerschaft, Arbeit, Liebe und Familie offenbarte sich der Laden ebenfalls als dynamischer Vermittlungsort. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe (LAUSER 1997), bot er als informeller Frauenraum ein kompensatorisches ebenso wie emanzipatorisches Forum. Hier trafen sich die Frauen in Erfüllung ihrer hausfraulichen Pflichten des Einkaufens, ohne diesen Ort als Frauenraum benennen zu müssen (und eventuelle Auseinandersetzungen mit argwöhnischen Ehe-Männern riskieren zu müssen). Je nach Kontext und Situation bot der Laden ein Forum, deutsche (Ehe)-Männer auszugrenzen8), sie als gute Partie vorzustellen und in die Pflicht zu nehmen oder in eine Ehe zu vermitteln. [30]
Dabei zeigte sich, dass Heiratsmigration keine ausschließlich weibliche Migrationsstrategie mehr ist (wie häufig behauptet wird). Innerhalb des kuha-Systems (des Nachholens von Verwandten und Bekannten) wurden zunehmend philippinische Männer in Ehen nach Deutschland vermittelt. Bei dem Phänomen des "Bräutigams auf Bestellung" – des "Mail-order-bridegroom" – handelt es sich um eine Dynamik, bei der nicht mehr ganz junge philippinische unverheiratete (oder verwitwete) Migrantinnen, die inzwischen relativ gut etabliert in Deutschland leben, für junge philippinische migrationswillige Männer zu attraktiven Ehepartnerinnen werden. Dabei handelt es sich nicht um so genannte Scheinehen. Es sind beispielsweise Frauen, die als Krankenschwestern in den Westen "arbeits"migriert sind und hart für einen ökonomischen Aufstieg – auch der philippinischen Familie – gearbeitet haben. Dafür haben sie im philippinischen Kontext ein hohes Prestige erhalten, aber die Zeit für eine eigene Familiengründung beinahe verpasst. Die Suche nach einem philippinischen Ehemann scheint dann nahe liegend, zumal auf den Philippinen genug aufbruchwillige Männer warten (vgl. auch LAUSER 2004a, S.129ff.). Vor der Folie dessen, dass auf der lokalen Heiratsbühne der Philippinen ältere Frauen – erst recht wenn sie verwitwet sind – nicht zu den bevorzugten Ehepartnerinnen zählen (SIAPNO 1995, CONSTABLE 2003, LAUSER 2005b), lässt sich mit der Ausdehnung auf einen transnationalen Raum ein Verschiebungsprozess erkennen, den FRIEDMAN (1998, S.47f.) auch als new geographies of identity nennt. Kulturelle und geschlechtsspezifische Handlungsmuster behalten ihre Bezeichnung und ihre äußere Form, ihre jeweilige Bedeutung und ihr Sinn für die Akteure können jedoch in spezifischen Kontexten und Machtverhältnissen umgedeutet werden. [31]
Der konkrete Ort des Gemischtwarenladens erwies sich als ein vielschichtiger dynamischer Ort und Begegnungsraum. Dabei veränderten nicht nur Waren ihren Wert und ihre Bedeutung unterwegs von einem Ort zum anderen. Auch die Vorstellung dessen, was ein guter Ehemann und eine gute Ehefrau sei, wurde an diesem Ort in zum Teil heftigen Konflikten diskutiert und verhandelt (vgl. LAUSER 2004a, S.233fff.). [32]
2.2 Auf der Spur von Lebensgeschichten im transnationalen Familiennetzwerk
Ich entwickelte meine Ethnographie aus den Alltagsgeschichten und den lebensgeschichtlichen Erzählungen meiner Gesprächspartner und vor allem der philippinischen Gesprächspartnerinnen, die ich als Heiratsmigrantinnen und Protagonistinnen in den Mittelpunkt der Studie rückte. Mit meinem Vorgehen verfolgte ich einen Zugang, die betreffenden Frauen nicht nur als strukturgeleitete oder gar passive Wesen zu begreifen, sondern sie auch besonders in ihren Handlungsfähigkeiten wahrzunehmen. Auch wenn der Fokus auf den Perspektiven der Protagonistinnen liegt, geht es dennoch darum, diese in einem transnationalen sozialen Raum zu kontextualisieren, der von Männern und Frauen mitbestimmt wird. [33]
Meine Spurensuche nahm ihren Anfang in Gesprächen mit philippinischen Heiratsmigrantinnen, die bereits in einer interkulturellen Ehe in Deutschland lebten. Sie erweiterte sich in Begegnungen mit Frauen, die ihr Leben in der Megametropole Manila zu organisieren hatten und die Option einer Heiratsmigration in Erwägung zogen, und folgte schließlich den Erzählungen bis in die philippinische Provinz. Es ist dies im übrigen die umgekehrte Richtung, die viele meiner Gesprächspartnerinnen gegangen sind, die den ruralen Lebenszusammenhang häufig zunächst mit einer Migration in die Stadt hinter sich ließen und den Sprung auf die internationale Bühne erst von Manila aus wagten. [34]
Gespräche über private oder gar intime Themen9) verlangten nach einer Vertrautheit, die nur über den allmählichen Begegnungsprozess der teilnehmenden Beobachtung zu erlangen war. Dabei wurde deutlich, dass die Reflexion über das eigene Leben immer eingebettet war in familiäre Entscheidungsprozesse, in Relation zu anderen, und auf dem Konzept des pakikikapwa – eines gemeinsam geteilten inneren Selbst – basierte. Auffallend war, dass eine ausgeprägte filiale Treue-Beziehung es geradezu verbot, inter-generationelle Konflikte wahrzunehmen, geschweige denn anderen gegenüber zu erzählen (LAUSER 2003). [35]
Im Laufe des ethnographischen Forschungsprozesses hatte ich also zu lernen, dass zunächst Verständigung im semi-privaten Erzählkontext (d.h. jenseits familiärer, freundschaftlich-nachbarschaftlicher Beziehungen, wo man ohnehin auf gemeinsame Erfahrungen zurückgreift) über Anspielungen aus zweiter Hand organisiert wurde. Oder sie vollzog sich in vermitteltem Erzählen, indem die Erzählerin sich mit ihrem "Erzählinhalt" nicht direkt an die Adressatin wendete, sondern an eine Vermittlerperson, die für die Weitergabe sorgte (oder auch nicht). [36]
Erst als ich recht wörtlich (als sprechende, zuhörende und interagierende Person) Teil einiger transnationaler philippinischer Familiennetzwerke wurde, entwickelte sich ein feines Wechselspiel von Fremdheits-Vertrautheits-Verhältnis10). Über meine teilnehmende Beobachtung auf den Philippinen, über informelle Alltagsgespräche mit den verschiedensten Familienmitgliedern und über gemeinsame Familienfeiern lernte ich Familiengeschichten kennen und ging selbst in einige Geschichten ein. Indem ich ein fast empathisches Gefühl (des pakikiramdam) für die soziale und familiäre Situation des "Zusammenseins" (von pakikisama zu pakikiisa) ausbildete und vermitteln konnte, trat ich in einen Kreis (kultureller) Vertrautheit und Zugehörigkeit ein. Aus der gemeinsamen Erfahrung ließen sich dann auch die emotional bedrängenden oder konfliktreichen Beziehungen, wie beispielsweise die Positionierung innerhalb der Geschwisterschaft und die daran geknüpften Rollenanweisungen, oder unglückselige Liebesgeschichten in Worte fassen. Hiervon ausgehend entschlüsselten sich die spannungsreichen Beziehungsthemen als die hintergründigen Katalysatoren des Migrationsaufbruches, der vordergründig immer mit dem Argument der ökonomischen Verbesserung legitimiert wurde. Damit erweiterten sich Erzählsituationen und Erzählinhalte und verdichteten den Blick auf Heiratsmigration als einen komplexen Lebensentwurf zwischen Konvention und Rebellion, zwischen "Gehorsam" und "Widerspenstigkeit" in einem transnational erweiterten und vernetzten sozialen Familienraum. [37]
An dieser Stelle möchte ich eine translokale Begegnungsgeschichte aus gebotener Kürze knapp skizzieren, die ich bereits an anderer Stelle ausführlich interpretiert habe (siehe LAUSER 2003, 2004a, S.157ff). In dieser Geschichte erzählte mir meine Gesprächspartnerin Paty in Deutschland erst nach einem mehrmonatigen Begegnungsprozess sowohl in der philippinischen Familie auf den Philippinen als auch in Deutschland – sozusagen zwischen den Kontinenten – von emotionalen Migrationsmotiven, die im philippinischen Kontext in einem familienzentristischen Modell von Person nicht einfach zu artikulieren sind. Letzter Migrationskatalysator war demnach eine komplizierte Liebesgeschichte, ein besitzergreifender Verlobter, der eifersüchtig gekränkt, selbst (heirats)migrierte. Diese Zurücksetzung und Kränkung, gepaart mit der Furcht vor einem unverheirateten Dasein im Haushalt ihrer Eltern – eine Rolle, die der Vater entsprechend dem philippinischen Wertekanon der filialen Dankesschuld (utang na loob) durchaus von ihr als jüngste Tochter erwartete – ließ sie jede Migrations-Ausbruchsmöglichkeit (auch gegen den Wunsch des Vaters) prüfen. [38]
Schließlich, nachdem sie viele Möglichkeiten im Kontext migratorischer Familiennetzwerke durchgespielt hatte, öffnete sich ihr ein Weg über ihres jüngsten Bruders Schwiegerfamilie. Mit der Heirat (die schließlich über die Vermittlung der Schwester der Schwiegermutter ihres Bruders in Deutschland zustande gekommen war) verband Paty die Hoffnung, mehrere sich zunächst ausschließende Ziele zusammenzubringen: ein prestigeträchtiger sozialer Aufstieg in den Westen, die Unterstützung der philippinischen Familie, besonders der alternden Eltern und die Gründung einer eigenen Familie. [39]
In Patys Handeln hallt ein Konzept des widerspenstigen Gehorsams wider, das sich in den vielfältigsten Erzählungen artikulierte (vgl. auch LAUSER 2004a, CANNELL 1999). Bemerkenswert ist, dass Töchter zwar gehorsam zu sein haben, dass es gleichzeitig aber auch ihre Widerspenstigkeit ist, die zählt. Schon immer konnten ungehorsame Töchter, die sich beispielsweise den Verheiratungsarrangements ihrer Eltern widersetzten, um eigene Vorlieben zu verwirklichen, ihren Willen durchsetzen. Im äußersten Fall konnten sie "ausreißen" (magtanan) und mit einer späteren Versöhnung rechnen, in moderaterer Form fanden sie stimmstarke Verbündete aus der multilateralen Verwandtschaftsgruppe, die durch affektionale Bande verzahnt ist. [40]
Ähnlich wie bei Paty lassen sich über intensive Begegnungsgeschichten vielfältige nicht-ökonomische Migrationsmotive herausarbeiten. Viele Heiratsmigrantinnen suchen in einer transnationalen Heiratsmigration soziale Mobilität für sich und ihre Familie, andere wollen den – auf der lokalen Heiratsbühne – wenig geachteten sozialen Positionen einer alten Jungfer (matandang dalaga), einer unverheirateten Mutter oder einer alternden Witwe entkommen. Verlassene Ehefrauen oder "Zweitfrauen" (queridas)11) wiederum suchen auf einer transnationalen Heiratsbühne den (im philippinischen Kontext hoch geschätzten) Status einer verheirateten Ehefrau. Denn auf den Philippinen gilt bis heute der Status der Ehefrau als die Erfüllung einer respektierten Weiblichkeit (CANNELL 1999, MEDINA 2001 [1991], SIAPNO 1995). Gleichzeitig herrscht eine Geschlechterordnung, die gerne als "double standard in male and female sexual practices" (PARRENAS 2001, S.68) umschrieben wird. Eheliche Beziehungen haben, ebenso wie potentielle Trennungen und außereheliche Beziehungen, unterschiedliche Implikationen für Männer und Frauen (LAUSER 2005b). Während zur Erfüllung einer wahren Männlichkeit (pagkakalaki) durchaus die Beziehung zu einer Mätresse (querida oder "second wife") gehört, gilt andererseits die kirchlich und staatlich geschlossene Ehe als unauflösbar. In Anbetracht dieses querida-Systems (YU & LIU 1980, LAUSER 2005b) auf den Philippinen, welches nicht gerade zum Vorteil der Frauen ist, deren Beziehungen, Affären oder Ehen scheitern, erscheint eine transnationale Ehe als Alternative. Diese Alternative mag als Ausweg fantasiert und sogar als Befreiung von unglücklichen Beziehungen erlebt werden, ohne tatsächlich mit konventionellen Geschlechterideologien und -konstruktionen brechen zu müssen. [41]
2.3 Auf den Spuren von Bildern und Imaginationen: Schönheits- und Geschlechterkonstruktionen bei den Tausug (Süd-Philippinen)
Zum Schluss möchte ich eine letzte "Spur" als Beispiel für die Dynamik und Bewegung von Bildern und Imaginationen nur kurz andeuten und auf die ethnographische Arbeit von Marc JOHNSON verweisen, der bei den muslimischen Tausug in den Süd-Philippinen über transvestitische Performanzen und Transgenderidentitäten geforscht hat (JOHNSON 1996, 1997, 1998). Die Studie (die ich im übrigen "im Feld auf den Philippinen" gelesen hatte und die mein Verständnis für mimetische Alltagsinszenierungen maßgeblich erweiterte) zeigt, wie die – über Medienproduktionen und Tourismus gespeisten – Vorstellungen von Amerika, und besonders die Ideen über Amerikas Schönheits- und Geschlechterkonstruktionen einen konzeptionellen Raum und ein Vokabular für die Verhandlung lokaler philippinischer Transgenderidentitäten bieten. Die relativ junge Erfindung einer globalen Kategorie des "Gay" greifen die süd-philippinische bantut auf – das sind effeminierte Männer, die als liminale Figuren und Ritualspezialisten auf eine lange Tradition des Transvestismus und des "Transgendering" zurückblicken –, um sich als Experten von Transformation und Schönheit im lokalen Kontext neu zu positionieren. In mimetischen Inszenierungen von Schönheitskonkurrenzen12) beispielsweise beziehen sie sich auf ein "globales Anderssein", um herrschende Vorstellungen zwischen Traditionalität und Modernität, einschließlich jene um vergeschlechtlichte ethnische Körper, neu zu gestalten und verhandelbar zu machen. [42]
Schönheit, so argumentiert JOHNSON für das Beispiel der Tausug überzeugend, ist ein anderes Idiom für "amerikanische" Kompetenz und Modernität, für das Wissen kolonialer Macht, die als das "globale Andere" konzeptualisiert wird. Die Formen von Schönheit, die in den Schauen zirkulieren, speisen sich aus westlichen, vorrangig amerikanischen Medien-Produktionen, die fast jeder Filipino über Fernsehen, Video und Kino kennt. Schönheit (und Macht) hat aber auch zu tun mit Bildung, mit beruflicher Qualifikation und der Beherrschung der englischen Sprache. Dabei werden die Bilder von Glamour und die Bilder von Bildung nicht als Widerspruch wahrgenommen, im Gegenteil, sie sind wesentliche Bestandteil derselben konzeptionellen Ordnung. [43]
Solches Wissen – so folge ich den Ausführungen JOHNSONs – transformiert die bantut als anerkannte Experten von Schönheit13) zu einem "potenten" Anderssein und definiert sie als "unwirkliche Frauen". Aus diesen vielschichtig gelebten Widersprüchen (zusammengefasst in der Spannung zwischen "islamischem Wissen" – ilmu islam – und "amerikanischem Wissen" – ilmu' milikan) treten bantut als vermittelnde Figuren in Erscheinung und beziehen sich damit auf eine Tradition jenseits von "islamischen" und "amerikanischen" Machtgefügen. Auf der Bühne der Schönheitswettbewerbe stellen sie – neben tragisch-komischen Komponenten – eine Folie des Anderssein und der kulturellen Transformation bereit, nicht um eine Überlegenheit lokaler kultureller Traditionen herauszustreichen, sondern um herrschende Vorstellungen, einschließlich der um vergeschlechtlichte ethnische Körper, neu zu gestalten (JOHNSON 1997, S.13). Damit werden die Grenzen lokaler Identität explizit und das "globale Anderssein" durch die Verkörperung der liminalen bantut verhandelbar gemacht (JOHNSON 1996, S.103). [44]
Dabei nutzen die bantut ihr imaginiertes und inszeniertes Wissen um "amerikanische Kompetenz" (ilmu' Milikan), um sich selbst als neu inszenierte gays von der lokalen Gemeinschaft zu entfremden, indem sie gleichzeitig sowohl im geographischen als auch sozialen Sinne als Vermittler und Ritual-Experten der Transformation auf ihrem Platz bleiben. [45]
Ethnographie (als Methode) hat sich in den letzten Jahren den Herausforderungen globaler Prozesse stellen müssen. Ethnographen und Ethnographinnen des "Globalen" sind daher aufgefordert, nach wie vor in dichten Beschreibungen lokale Praktiken, lokale Bedeutungssysteme und ökonomisch-politische Kontexte zu erfassen, ohne gleichzeitig makrostrukturelle Zusammenhänge und die Mobilität von Ideen, Menschen und Gütern zu vernachlässigen. Ethnographische Feldforschung an den Schnittstellen, Kreuzungen und Verbindungslinien verschiedener Ströme befördert bisweilen ambivalente und paradoxe Praktiken zutage. Mehr denn je sind wir dazu aufgefordert, die Konzeptionen und Realitäten von "lokal" und "global" zu konkretisieren. GUPTA und FERGUSEN (1997, S.39) argumentieren, dass das "Markenzeichen der Ethnologie" "might be found not in its commitment to the 'local' but in its attentiveness to epistemological and political issues of locations". Und diese neue Aufmerksamkeit hat dann eine neue Qualität verglichen mit dem "classical natural history model of fieldwork as the 'detailed study of a limited area'" (ibid.). [46]
Lassen Sie mich zum Schluss mein Argument als Plädoyer für eine "Lokalisierung" von Ethnographie thesenartig und programmatisch zusammenfassen:
Wir erzielen nach wie vor (und womöglich mehr denn je) einen großen Erkenntnisgewinn, wenn wir "kleine" Fakten und Ereignisse an konkreten Orten einer sorgfältigen Kontextualisierung unterziehen und damit "große Worte" kritisch befragen. Selbst bei scheinbar "banalen Fakten" gilt es zu entdecken, welche spezifischen und möglicherweise originären Probleme mit ihnen verbunden sind.
Ich sehe nach wie vor in dem direkten und anhaltenden Kontakt zu den Menschen als Akteuren eine unverzichtbare Voraussetzung für Erkenntnis (und Beförderung der Theorie). Dies vorausgesetzt wird ethnologische Feldforschung auch weiter für reichhaltige soziale und kulturelle Kontextualisierungen sorgen und den Blick auf Globalisierung und Transnationalismen "erden".
Geopolitische Strukturen der Macht spiegeln sich im Partikularen wider. Wir müssen Wege einer "Ethnographie des Partikularen" finden, ohne es in feste Kategorien einzufrieren.
Standpunkt und Lokalisierung sind dementsprechend zentrale Themen. Sowohl theoretisch als auch empirisch müssen wir den Verortungen des Sprechens, Schreibens und Forschens sorgfältige Aufmerksamkeit widmen. Dies erfordert das Forschen in vielseitigen Forschungsorten ("sites of research") ebenso wie in vielseitigen sozialen Verortungen ("social locations") und Perspektiven.
Nur eine bewegliche (viel-seitige) Ethnographie kann den Überschneidungen und Verflechtungen der verschiedenen Welten gerecht werden.
Diese Verflechtung muss Teil einer dichten Beschreibung sein. [47]
1) Diese Zahlen beziehen sich auf die (registrierten) Überseearbeiter (OCW – Overseas Contract Workers) und beinhalten weder die "Nichtregistrierten", noch die über 2 Millionen große Community der Filipino Americans (CIIR 1987, STEINBERG 1994, YUKAWA 1996). JOHNSON (1997, S.81) erwähnt einen Survey, dem zur Folge 39% aller Befragten Verwandte haben, die im Ausland arbeiten und leben. Siehe auch die Commission on Filipino Overseas 2004 (http://www.cfo.gov.ph/statistics.htm). <zurück>
2) Die Schlüsselprozesse der Globalisierung beinhalten:
Die Restrukturierung von Raum-Zeit-Verhältnissen durch Technologie und neue Formen der Kommunikation und Produktion;
zunehmende soziale Ungleichheit zwischen und innerhalb der Nationen;
zunehmende Bedeutung transnationaler Netzwerke und Verbindungen;
ökonomische Internationalisierung und damit einhergehend eine komplexere internationale Arbeitsteilung durch die Zerlegung der Produktion von Waren und Dienstleistungen an verschiedenen Orten;
die kulturelle Transformation der Ökonomie und zunehmende Commodifizierung von Kultur;
Ethnisierung von Zivilgesellschaft und der (ausbruchartige) Anstieg von Identitätspolitiken.
Diese Prozesse unterstützen strukturellen Wandel wie
enormer Zuwachs im Dienstleistungssektor im Gegensatz zum Industriesektor;
Bildung als Ressource;
Massenmigration;
enormer Zuwachs an Kapitalbewegungen;
Feminisierung und Ethnisierung der Arbeitskraft;
Zunahme der Massenmedien und Konsum (vgl. z.B. BAUMANN 2002, GILLE & RIAIN 2002, INDA & ROSALDO 2002). <zurück>
3) Dabei veränderte auch eine Ethnologie des Lokalen im Laufe der Zeit die Perspektive: Lange Zeit erforschten Ethnologen und Ethnologinnen vor allem die Unabhängigkeit der von ihnen untersuchten Gruppe(n). Es folgten Studien, in denen die Kontaktsituation mit anderen Gesellschaften unter dem Paradigma der Abwehr und des Widerstandes analysiert wurden. In neuerer Zeit fällt ein Perspektivenwandel auf, der die Prozesse der Aneignung, der Indigenisierung oder Übersetzung, der kulturellen Interpretation und Umdeutung fokussiert (SPITTLER 2002). <zurück>
4) Vgl. auch COMAROFF und COMAROFF (1992, S.33): "Even macrohistorical processes – the building of states, the making of revolutions, the extension of global capitalism – have their feet on the ground. Being rooted in the meaningful practices of people, great and small, they are in short, suitable cases for anthropological treatment" (Hervorhebung A.L.). <zurück>
5) Diese Figur des "circumstantial activist" sieht MARCUS (1998, S.98) der früheren Rolle des links-liberalen Aktivisten – er nennt es "traditional self-defined activist role claimed by left-liberals scholars" – überlegen. <zurück>
6) In der Migrationsforschung sind die Philippinen als ausgeprägtes Emigrationsland – auch für die Strategie der Heiratsmigration – bekannt. Von den über 190.000 Filipinos, die mit Ausländern verheiratet sind, sind über 90% Filipina-Frauen. Die USA und Japan gelten als die bevorzugten Zielländer für Heiratsmigration. Mit 4% der deutschen Ehepartner rangiert Deutschland eher auf der unteren Skala als Heirats-Migrationsziel (vgl. Commission on Filipino Overseas 2004, http://www.cfo.gov.ph/statistics.htm). <zurück>
7) Sari-sari-store sind kleine Gemischtwarenläden, die in großer Anzahl nachbarschaftliche Einheiten geradezu strukturieren. Je nach Ausstattung kann es sich um nur wenige gängige Artikel handeln, die auf einer Fensterbank ausgestellt werden. Es können aber auch sorgfältig sortierte Läden sein, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Kunden reagieren. Häufig werden sie durch Ausschank und Garküche erweitert (vgl. hierzu auch LAUSER 1997). <zurück>
8) Indem beharrlich philippinisch und mit Vergnügen in Gegenwart der Männer über Themen gesprochen wurde, die diese ausdrücklich nicht verstehen sollten. <zurück>
9) Umso mehr als die interkulturelle Ehe – wie im Falle der philippinischen Frauen in Deutschland – ein öffentlich umstrittener und widersprüchlich verhandelter Bereich ist, der mit einer Reihe von exotisch-erotischen Stereotypen und viktimisierenden Assoziationen besetzt ist. <zurück>
10) In der philippinischen Sprache werden mehrere Ebenen und Formen der sozialen Interaktion konzeptionalisiert: Für die "Outsider"-Kategorie (Ibang-tao) werden genannt die Ebenen der Höflichkeit (pakikitungo), des Zusammenkommens, des Sich-Vermischens (pakikisalamuha), des Teilhabens (pakikilahok), des Sich-Anpassens und Übereinstimmens (pakikibagay), noch einmal gesteigert und vertieft in der Ebene des pakikisama. Für die "One-of-us"-Kategorie (hindi ibang tao) gelten die Ebenen pakikipagpalagayang-loob (level of mutual trust/rapport), pakikisagkot (level of getting involved) und pakikiisa (level of fusion, oneness and full trust) (vgl. ENRIQUEZ 1989, S.35, 45). <zurück>
11) Querida oder Kerida ist ein spanisches Lehnwort und heißt Geliebte. Es hat die Konnotation einer "ausgehaltenen Frau" und "Mätresse". <zurück>
12) Transvestitische Schönheitsschauen mit Titeln wie "Miss Gay Super Modell of the World", inspiriert durch die globalisierten Vorbilder amerikanischen Schönheitskonkurrenzen, sind auf den Philippinen fast überall verbreitet (CANNELL 1999) – und zwar nicht als subkulturelle Ereignisse einer marginalisierten Minderheit, sondern als öffentliche Volksfeste (vgl. auch LAUSER 2004c). <zurück>
13) Südphilippinische bantut blicken auf eine lange Tradition des Transvestismus und des "Transgendering" zurück. Als liminale Figuren und Ritual-Spezialisten, als Heiler, Musiker, Sänger und Tänzer galten Transvestiten in ganz Südostasien als Vermittler zwischen der Welt der Ahnen und der Welt der Menschen (ERRINGTON 1989).In den letzten 20 bis 30 Jahren treten eine zunehmende Anzahl von bantut als allseits geschätzte Experten in Sachen "Schönheit" und "Stil" (im Vernakular mit istyle umschrieben) auf. Als Friseure, Kosmetikberater und Schneider dominieren sie im Schönheitsgewerbe und als Zeremonienmeister organisieren, choreographieren und moderieren sie alle möglichen Festlichkeiten – von Hochzeiten bis zu den beliebten Schönheitsschauen. <zurück>
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PD Dr. Andrea LAUSER ist Privatdozentin an der Universität Marburg, am Institut für Vergleichende Kulturforschung Fachgebiet Völkerkunde/Ethnologie und forscht derzeit zu Migration und Religion in transnationalen Kontexten. Die Habilitationsschrift "Ein guter Ehemann ist harte Arbeit" – Eine ethnographische Studie zu philippinischen Heiratsmigrantinnen ist 2004 erschienen (Bielefeld: trankript Verlag). In dieser ethnographischen Migrationsstudie wird anhand dichter Fallbeschreibungen die Vernetzung zwischen Herkunfts- und Zielland nachgezeichnet. Auf der Spurensuche nach kulturellen Bedeutungszusammenhängen ebenso wie nach alltäglichen Lebensstrategien wird eine kreative Verschränkung von kleinen und großen Erzählungen und ethnologischen Interpretationen und Analysen hergestellt.
Nach Jahren "vielseitiger" ethnologischer Feldforschung auf den Philippinen und in Deutschland verbinden sich die Themen Geschlechterverhältnisse und interkulturelle Geschlechterdynamiken; Migrationen und multikulturelle Praxen; Performativität von kulturellen Identitäten; Kultur, Religion und transnationale Ethnologie und Methoden in der Ethnologie zu ihren Forschungsschwerpunkten.
Kontakt:
PD Dr. Andrea Lauser
c/o IvK-Institut für vergleichende Kulturforschung
Kugelgasse 10 (Kugelhaus)
D-35032 Marburg
E-Mail: lauser@staff.uni-marburg.de
Lauser, Andrea (2005). Translokale Ethnographie [47 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(3), Art. 7,http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs050374.