Volume 20, No. 1, Art. 5 – Januar 2019



Gespräche über Nachhaltigkeit – nachhaltige Gespräche? Die kommunikative Konstruktion der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit

Regine Herbrik & Heike Kanter

Zusammenfassung: In diesem Artikel machen wir das Sprechen über Nachhaltigkeit zum Untersuchungsgegenstand, indem wir nachvollziehen, wie Nachhaltigkeit kommunikativ konstruiert und dabei als dynamische, aber relativ stabile soziale Fiktion erkennbar wird. Wir leisten gleichzeitig einen Beitrag zur methodischen und methodologischen Reflexion der handlungspraktischen Relevanz des (sozialen) Imaginären. Dabei stützen wir uns auf eine empirische Studie, innerhalb derer wir sozialwissenschaftlich induzierte Gespräche mit und zwischen Personen, die über die Nachhaltigkeit ihres Alltags sprachen, untersucht haben. Die Teilnehmenden dieser Gespräche sahen sich mit dem bekannten Dilemma konfrontiert, dass vollständig nachhaltiges Handeln aufgrund des universellen Geltungsanspruchs der Nachhaltigkeit unmöglich zu sein scheint. Mithilfe der dokumentarischen Methode arbeiten wir die Art und Weise des kommunikativen Umgangs mit der Unmöglichkeit, allen Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht zu werden, an empirischem Material heraus. Im Fokus stehen dabei insbesondere Rechtfertigungsmuster, normativ-imaginäre Gedankenspiele und die rhetorische Distanzierung von tagtäglichen Handlungszwängen durch grammatikalische Konstruktionen im Konjunktiv, die auf wünschenswerten oder unerwünschten, dys- oder utopischen Alternativszenarien fußen.

Theoretisch beziehen wir uns auf den kommunikativen Konstruktivismus und die Übertragung des literaturanthropologischen Konzepts des Fingierens nach ISER (1991) auf die wissenssoziologische Forschung. Nachhaltigkeit dient uns als Beispiel, anhand dessen die kommunikative Konstruktion sozialer Fiktionen mit universalem Geltungsanspruch herausgearbeitet wird.

Keywords: Nachhaltigkeit; soziale Fiktion; soziales Imaginäres; kommunikativer Konstruktivismus; rekonstruktive Sozialforschung; dokumentarische Methode; Gruppendiskussion; lautes Denken; Leitfadeninterview

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur imaginären Dimension von Nachhaltigkeit aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive

3. Der empirische Zugang zur Rekonstruktion der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit

4. Gespräche über Nachhaltigkeit

4.1 Spiralen des Rechtfertigens im Sprechen über Nachhaltigkeit oder von den Dilemmata eines nachhaltigen Handelns

4.2 Normative Gedankenspiele über Nachhaltigkeit

4.3 Wie ließe sich der "Berg Müll" vermeiden? Zur Aushandlung der Dimensionen der normativen Fiktion Nachhaltigkeit zwischen den Generationen

5. Nachhaltigkeit im Konjunktiv? Die Bedeutung des (sozialen) Imaginären und der Imaginationen für die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit

Anhang: Legende der verwendeten Transkriptionszeichen

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Einleitung

Von Nachhaltigkeit ist derzeit häufig die Rede. PolitikerInnen sprechen über sie, Umwelt- und andere AktivistInnen, ÖkonomInnen und VerbraucherInnen gleichermaßen. Die Nachhaltigkeitswissenschaft dient bereits als akademische Diskursarena, in der Forschung und Reflexion zur Nachhaltigkeit gebündelt werden. Mancherorts ist gar von einer "sustainability revolution" (BURNS 2016, S.892) die Rede, die ähnlich einschlägig sei, wie die industrielle Revolution es war. Die Frage wie über Nachhaltigkeit gesprochen wird und vor allem, wie dabei Nachhaltigkeit überhaupt erst kommunikativ konstruiert wird, wurde bisher jedoch lediglich marginal thematisiert. [1]

Die Frage nach der kommunikativen Konstruktion von Gesellschaft gründet auf einer Fortschreibung und zeitgemäßen Weiterentwicklung des Konzepts der sozialen Konstruktion der Gesellschaft von BERGER und LUCKMANN (2000 [1966]) unter dem Primat der zunehmenden Bedeutung von Kommunikation (KELLER, KNOBLAUCH & REICHERTZ 2013). Wir folgen KELLER et al. hinsichtlich ihrer Beschreibung der Charakteristik des kommunikativen Konstruktivismus: "Kommunikation gilt dabei keineswegs nur als ein besonderes Feld der sozialen Konstruktion. Vielmehr wird Kommunikation als die empirisch beobachtbare Seite des Sozialen betrachtet. Genauer: kommunikatives Handeln steht im Mittelpunkt des Sozialen [...]" (S.11). [2]

Der Beantwortung unserer Forschungsfrage widmen wir uns in diesem Beitrag anhand einer exemplarischen Interpretation einzelner Gespräche über Nachhaltigkeit. Als Grundlage für die Auswahl dieser Gespräche diente im Sinne der ethnografischen Semantik (MAEDER 2002) die Frage danach, wo buchstäblich von "Nachhaltigkeit" beziehungsweise "nachhaltigem" Handeln oder Verhalten die Rede ist. Aufgrund des normativen Charakters von Nachhaltigkeit (HERBRIK & KANTER 2016), die wir als soziale Fiktion begreifen, ist es naheliegend und intendiert, sie als Stimulus in einem Interview oder einer Gruppendiskussion zu nutzen, der legitimierende Bezugnahmen provoziert. Uns interessiert, wie sich diese im Detail gestalten, welche Muster und Typen sich in sprachlicher und thematischer Hinsicht erkennen lassen. Von besonderer Bedeutung sind dabei imaginierte Wirklichkeitsentwürfe. Sie spielen aufgrund des auf die Zukunft gerichteten Charakters von Nachhaltigkeit eine besondere Rolle in der Kommunikation zu Nachhaltigkeit. Ihre Analyse ermöglicht es uns, die Imaginationen Einzelner in ihrer Gebundenheit an das soziale Imaginäre herauszuarbeiten. [3]

Da es uns um die Erforschung der Rolle des sozialen Imaginären in seiner Bedeutung für alltägliche Handlungen geht, beziehen wir uns auf Gespräche, die nicht von NachhaltigkeitsexpertInnen in einem entsprechend professionellen Kontext geführt wurden. Die Analyse solcher Daten hätte vermutlich zu anderen, wesentlich komplexeren Ergebnissen geführt, da der wissenschaftliche Diskurs zur Nachhaltigkeit bereits einen hohen Reflexionsgrad erreicht hat (NECKEL et al. 2018). Vielmehr nutzen wir Daten aus zwar künstlich im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung und im akademischen Kontext evozierten, jedoch sehr alltagsnahen Dialogen über Nachhaltigkeit. Gerade durch die Analyse dieser Daten können wir zeigen, wie die RespondentInnen Nachhaltigkeit als soziale Fiktion in der Kommunikation herstellen, variieren, bewerten und verhandeln. Wir zeigen zudem, wie und inwiefern die soziale Fiktion Nachhaltigkeit ihre Wirkmächtigkeit für die AkteurInnen entfaltet und wie letztere auf sie reagieren und mit ihr umgehen. [4]

Dass wir von einer sozialen Fiktion Nachhaltigkeit ausgehen, deutet bereits Folgendes an: Wir möchten eine Perspektive auf Nachhaltigkeit etablieren, die nicht durch bestehende Begriffe wie Konzept, Ideologie oder Vision vorgedeutet ist, sondern in einer Übertragung der ISERschen Literaturanthropologie (1991) auf die Wissenssoziologie heuristisch das Zusammenspiel von imaginären und realen Qualitäten der Produkte sozialer und kommunikativer Konstruktionen in den Blick nimmt.1) Wir verwenden den Begriff "Fiktion" hier entsprechend nicht pejorativ, sondern im Sinne ISERs als Objektivation, in der sich das Reale und das Imaginäre eines Gegenstands verzahnen, wobei sich seine reale Qualität irrealisiert und seine imaginäre Qualität realisiert.2) Diesem Verständnis liegt jedoch eben gerade keine Ontologisierung des "Realen" und des "Imaginären" zugrunde, wie bereits ISER betont (vgl. auch FAUSER 2007, S.54). Insbesondere die für ihre Bezeichnung verwendeten – zwar substantivierten, aber deutlich erkennbar – adjektivischen Formen weisen darauf hin, dass beide jeweils lediglich die einem Gegenstand zugeschriebenen Qualitäten bezeichnen. Es geht also um den einer sozialen Fiktion zugeschriebenen imaginären Aspekt und um den ihr zugeschriebenen realen Aspekt, die beide in ihr sichtbar werden können. Die soziale Fiktion ist wie die literarische Fiktion gleichzeitig Produkt und Bezugspunkt menschlichen Handelns, wodurch sie Wirkmächtigkeit entfalten kann. Sie hat jedoch nicht wie erstere zwingend einen spezifischen Autor oder eine spezifische Autorin, sondern ist das (mehr oder weniger intendierte) Ergebnis sozialer und kommunikativer Konstruktionen. Individuelle Imaginationen spielen dabei eine Rolle, weil sie in soziale Fiktionen eingespeist werden, sie sind jedoch nicht mit letzteren gleichzusetzen. [5]

Obwohl der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit innerhalb der vergangenen Jahre zunehmend öffentliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet wurde, blieb bislang die Frage unbeantwortet, wie sie in unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären kommunikativ hergestellt und verhandelt wird. Betrachtet man die aktuell überbordende und letztlich nicht mehr zu überblickende Forschung zu Nachhaltigkeit, so zeigt sich, dass solche Arbeiten überwiegen, die im Bereich Nachhaltigkeit forschen, also dazu, wie nachhaltig einzelne Bereiche der Gesellschaft bereits funktionieren, wie sie nachhaltiger gestaltet werden könnten (nachhaltige Entwicklung) und wie sich Nachhaltigkeit besser kommunizieren und lehren lässt (Bildung für eine nachhaltige Entwicklung). Die Nachhaltigkeitswissenschaft gestaltet sich häufig als angewandte Wissenschaft, die sich mit der Lösung konkreter gesellschaftlicher Probleme befasst und dadurch selbst mit der Frage nach ihrer eigenen Normativität konfrontiert ist. [6]

Uns geht es jedoch darum, das alltagsnahe Sprechen über Nachhaltigkeit zu analysieren. Dieser Untersuchungsgegenstand ermöglicht es uns, Aspekte der handlungspraktischen Relevanz des Imaginären und individueller Imaginationen zu beleuchten. Gleichzeitig dient es uns als Ausgangspunkt für die Erschließung der Funktionsweise und Bedeutung auch anderer großer sozialer Fiktionen. Hinsichtlich der Frage danach, wann Kommunikation sich auf Nachhaltigkeit bezieht, orientieren wir uns an der Verwendung des Terminus durch die beforschten AkteurInnen. Gleichzeitig sind wir uns des Dilemmas bewusst, dass der Stimulus Nachhaltigkeit, der von InterviewerInnen und ModeratorInnen gesetzt wurde, den Begriff ins Feld transportiert. Ein Definitionsangebot erfolgte jedoch bei der Datenerhebung explizit nicht, um den Beforschten die Möglichkeit zu geben, ihre je eigenen Begriffsbestimmungen zu verwenden, die dann auch immer wieder im Material aufscheinen. Umso relevanter erscheint uns daher die Unterscheidung zwischen dem Untersuchungsgegenstand "Nachhaltigkeit", der nicht im Fokus unseres Interesses steht, und dem Untersuchungsgegenstand "Sprechen über Nachhaltigkeit", auf den unser Beitrag gerichtet ist und zu dem wir durch die Auswertung unserer Daten einiges beitragen können. [7]

Nach einem kurzen theoretischen Überblick über einige ausgewählte Aspekte des Stands der Forschung zur Nachhaltigkeit in kultur- und sozialwissenschaftlicher Hinsicht mit Blick auf die Dimension des Imaginären (Abschnitt 2) sowie der Erläuterung unseres methodischen Vorgehens (Abschnitt 3), zeigen wir dicht am Material mithilfe der dokumentarischen Methode (BOHNSACK 2010), wie die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit in unserem Datenmaterial bewerkstelligt wird und was für sie spezifisch ist (Abschnitt 4). Dadurch können wir Aspekte der Nachhaltigkeit als soziale Fiktion erarbeiten, die wir zum Schluss resümierend zusammenfassen (Abschnitt 5). Darüber hinaus erlaubt uns die Analyse der handlungspraktischen Relevanz des alltäglichen Imaginierens Einblicke in das gemeinsam geteilte soziale Imaginäre. [8]

2. Zur imaginären Dimension von Nachhaltigkeit aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive

Die Definitionen von Nachhaltigkeit im wissenschaftlichen Diskurs umfassen mittlerweile eine ganze Bandbreite an Schwerpunkten. So beschreiben AutorInnen aktuell häufig nicht nur vier Säulen von Nachhaltigkeit – ökologische, ökonomische, kulturelle und soziale – und diskutieren diese in ihrer Bedeutung (KUHN 2006; STAHMER 2010), sondern befragen sie auch hinsichtlich ihrer möglichst zeitnahen Umsetzung (WELZER, GIESECKE & TREMEL 2014). Der Stand der Forschung zur Nachhaltigkeit soll aus den oben genannten Gründen im Rahmen dieses Artikels nicht dargestellt werden. Wir beschränken uns vielmehr im Folgenden auf Hinweise zu Literatur, die sich dem Bereich der soziologischen und kulturwissenschaftlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit zurechnen lässt und insbesondere eine Dimension des Imaginären oder Transzendenten hinsichtlich der Nachhaltigkeit mitberücksichtigt. [9]

Das nachhaltigkeitsbezogene Denken, Sprechen und Handeln jedweder AkteurInnen ist zwangsläufig auf die Fähigkeit des Menschen zur Überschreitung der Sphäre des derzeitig als "real" Charakterisierten angewiesen. Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit verlangt immer den Umgang mit (Zukunfts-) Vorstellungen, Utopien oder apokalyptischen Bildern, Idealen, Metaphern und Glaubenssätzen und verweist somit auf eine prozesshafte, nur relativ stabile imaginäre Qualität, aus der sich soziale Fiktionen unter anderem speisen.3) [10]

Die Relevanz der Imagination für die Nachhaltigkeit sieht bereits GROBER (2013), wenn er mehrfach auf die Bedeutung der Akte der Vorstellungskraft, die konstitutiv für die Etablierung des Nachhaltigkeitsdiskurses waren, hinweist. Er zeigt dies anhand HERDERs Imagination eines Blicks von außen auf die Erde als "Stern unter Sternen" (zit. nach GROBER 2013, S.135) und der Fotografie der "Blue Marble", der vom Weltraum aus fotografierten Erde. [11]

Stark gemacht wird die imaginäre, in diesem Fall transzendente Dimension der Nachhaltigkeit auch im Sammelband "Religion und Nachhaltigkeit" (LITTIG 2004) und bei GARDNER (2003). Diskutiert wird auch die Frage, ob und inwiefern Nachhaltigkeit als eine Art "Diesseitsreligion" (HONER, KURT & REICHERTZ 1999), als spirituelles Sinnangebot, in einer mehr oder weniger säkularisierten Gesellschaft gesehen werden kann und welche Schnittmengen zwischen Nachhaltigkeit und den Grundsätzen der Weltreligionen bestehen. [12]

Zur Nachhaltigkeit gehört selbstredend auch ein zeitliches Konzept, das nur mithilfe des Imaginären funktioniert, indem die AkteurInnen Hypothesen über die Zukunft zu Ausgangspunkten für ihr Handeln in der Gegenwart machen. Während jedoch beispielsweise in der wissenssoziologischen Handlungssoziologie (SCHÜTZ & LUCKMANN 2003) die Auffassung vertreten wird, dass ein positiver Handlungsentwurf dem Handeln vorausgeht, geht in der Praxis nachhaltigen Handelns häufig der Entwurf von Nicht-Handlung4) oder von diversen Handlungsoptionen den Handlungsempfehlungen voraus. Die Zukunftsvision hat dabei häufig dystopischen Charakter. Dennoch gibt es selbstredend positive Bilder, die sich in das soziale Imaginäre einschreiben und für den Nachhaltigkeitsdiskurs relevant sind, wie eben die "Blue Marble"-Fotografie oder aktuelle Kunst-Projekte wie diejenigen, die von KAGAN (i. Dr.) vorgestellt werden. Einige von ihnen zeigen im Jetzt, was es künftig zu bewahren gelte, ohne konkrete Zukunftsvisionen vorzustellen, die sie letztlich jedoch immer mit aufrufen, worin sich die Wirkmächtigkeit der sozialen Fiktion bereits andeutet. [13]

Bis dato spielen in soziologischen Auseinandersetzungen das Imaginäre, aber auch Imaginationen, also die subjektive Vorstellungskraft, für die Analyse der kommunikativen Konstruktion von Gesellschaft eine geringe Rolle (HERBRIK 2013; TAPPENBECK 1999). Wie wir jedoch an anderer Stelle im Hinblick auf das Spiel und die Religion zeigen konnten (HERBRIK 2013, 2014), eröffnet sich für die Untersuchung kommunikativer Konstruktionen durch die Bezugnahme auf das Imaginäre eine fruchtbare neue Perspektive, die die Bedeutung des Imaginären und der Imaginationen für handlungstheoretische Ansätze verdeutlicht. Bereits Alfred SCHÜTZ (2004 [1971], S.261) unterscheidet zwei Erscheinungsformen der Phantasie im Alltag. Einerseits beschreibt er ein Denken im Potenzialis: Eine vorgestellte Handlung kann in die Tat umgesetzt werden und ist dabei an die Alltagswirklichkeit gebunden. Andererseits betrachtet er ein Denken im Optativ als bloßes Phantasieren, das vom Alltag losgelöst ist.5) [14]

Es lässt sich insofern festhalten, dass die imaginäre Qualität sozialer Gebilde oder Sachverhalte, wie wir sie verstehen, immer sowohl im Hinblick auf einzelne individuelle AkteurInnen als auch auf gesamtgesellschaftliche Gebilde gedacht werden sollte. So speist sich das Handeln, insbesondere auch das kommunikative Handeln, der Subjekte unter anderem aus imaginären Aspekten, variiert und aktualisiert sie jedoch dabei gleichzeitig ständig. Eine wichtige Funktion übernehmen in diesem zirkulären Prozess kommunikative Formen, die von den AkteurInnen für die Vermittlung und Rahmung der imaginären Qualität von Gegenständen genutzt werden, wie Assoziationen, Metaphern, bildhafte Kommunikation (sprachlich oder pictoral) und Symbole. [15]

Aufgrund der Übertragung des ISERschen Konzepts, das seinerseits auf CASTORIADIS Ansätzen beruht, auf unser Anliegen, sind Überschneidungen mit Letzterem unumgänglich. CASTORIADIS geht es um die Frage, wie Gesellschaft sich im und aus dem Imaginären konstituiert. Für ihn sind es die "imaginären Bedeutungen", auf denen die Konstitution bzw. "Institution" von Gesellschaft beruht (1984, S.593). Er begreift das Imaginäre einer Gesellschaft als eine Art "Masse" sozialer Bedeutungen, die bereits vor jeder Sinn- und Wertzuschreibung wirksam ist bzw. in diese einfließt. Das sozial Imaginäre präfiguriert für ihn das, was überhaupt in der Praxis vorstellbar werden kann (vgl. auch KANTER 2016). Somit scheint das Imaginäre während des (subjektiven) Imaginierens immer selbst mit auf und kann darin handlungsleitend für AkteurInnen werden. Darüber hinaus zeigt es im Potenzialis des Praxisbezugs seine stete Wirksamkeit in der kommunikativen Herstellung von Gesellschaft. [16]

ISERs Verdienst ist es, die von CASTORIADIS (und auch bereits in anderer Anordnung von LACAN 1986 [1948]) postulierte Triade vom Realen, Imaginären und Symbolischen für seine literaturanthropologischen Anliegen verwertbar gemacht zu haben. Er fasst das Imaginäre als eine Dimension einer Triade neben dem Realen und Fiktiven. Letztere werden damit nicht (länger) als Antipoden verstanden, sondern in ihrer Relation zueinander untersucht, mit Blick auf ihre Bezüge zum Imaginären. An ISER anschließend haben wir an anderer Stelle die Problematik eines Zugriffs auf das Imaginäre betont, da "es nur in der Performanz zum Vorschein kommt, die sich in einem Medium ereignet" (HERBRIK 2013, S.297) und somit das Imaginäre als "nicht endende Potentialität" (a.a.O.) konzipiert. [17]

3. Der empirische Zugang zur Rekonstruktion der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit

Unser erster Ausgangspunkt für die empirische Erforschung sozialer Fiktionen ist die Annahme, dass letztere sozial hergestellt werden, damit auch auf geteilten Vorstellungen beruhen und selbst wiederum in der Lage sind, Gesellschaft zu prägen. Gerade Nachhaltigkeit erscheint uns in den (westlichen) Gesellschaften zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Common Sense Bedeutung zu erlangen, an dem sich Gesellschaften, ihre Institutionen und AkteurInnen orientieren beziehungsweise orientieren sollen. [18]

Die Erforschung der imaginären Qualität eines Gegenstands stellt – wie oben beschrieben – also eine Herausforderung dar, insofern das Imaginäre als Möglichkeit zu denken ist. Mit unseren empirischen Rekonstruktionen beziehen wir uns entsprechend auf objektivierte, manifeste Formen, die nicht identisch mit dem fluiden immateriellen Imaginären sind, sondern lediglich auf es verweisen. Eben diese manifeste Form bezeichnen wir als soziale Fiktion. [19]

Dabei gehen wir davon aus, dass Wirklichkeit nicht mit "Realität" gleichzusetzen ist, sondern sich aus den realen, fiktiven und imaginären Bezügen von AkteurInnen konstituiert. Im Gegensatz zu den eher theoretischen Ausführungen zum (sozialen) Imaginären (siehe bspw. ANDERSON 1991; CASTORIADIS 1984; MAFFESOLI et al. 1993) verfolgen wir mit diesem Beitrag die Erforschung der Bedeutung des sozialen Imaginären auf empirischem Wege. Ob und wie dessen "konstitutive Kraft" zum Ausdruck kommt und inwiefern das soziale Imaginäre kommunikations- bzw. handlungsleitend ist, soll im Folgenden durch die Analyse der kommunikativen Konstruktion von Nachhaltigkeit in alltagsnahen Gesprächen ausgelotet werden. [20]

Dabei geht es uns allerdings nicht um eine Analyse des Leitbilds Nachhaltigkeit (wie u.a. bei DINGLER 2003; FEINDT & NETHERWOOD 2011; GIESEL 2007; KELLER 2009; KOLLECK 2012; MARHOLD & MEIMETH 2009; ROTH & ZEYER 2009) oder der unterschiedlichen öffentlichen Diskurse und Dispositive zu nachhaltigkeitsbezogenen Thematiken. Letzteres wurde jüngst in einer Dissertation geleistet (SCHWARTZ 2016), die zu Ergebnissen kommt, die für uns teilweise anschlussfähig sind, wie wir im empirischen Teil zeigen werden. Vielmehr stellen wir konkret die Frage nach der kommunikativen Konstruktion von Nachhaltigkeit in der sprachlichen Darstellung von alltäglichen Handlungsweisen und den zugehörigen Imaginationen in den Mittelpunkt der Betrachtung. [21]

Uns interessiert zwar auch, worüber AkteurInnen sprechen, wenn sie Nachhaltigkeit thematisieren. Im Fokus steht jedoch vielmehr, wie sie dies tun. Dabei zeigen sich in der Feinanalyse spezifische Sprechweisen, wie etwa die Verwendung von Metaphern oder grammatikalischen Konjunktiven. Ein Fokus der Analyse liegt auf den Stellen, an denen die Sprechenden sich weit von der Darstellung ihrer alltäglichen Praxis entfernen, um sich alternativen Wirklichkeitskonstruktionen zuzuwenden, die im Imaginären angesiedelt sind. Das kann so weit gehen, dass sie sich in der Veranschaulichung der von ihnen herangezogenen Beispiele soweit von der Lebenswelt des Alltags lösen, dass eine (handlungspraktische) Realisierung keine tatsächliche Option mehr darstellt. Dort entfernt sich im SCHÜTZschen Sinne das Vorstellen vom Potenzialis und geht in den Optativ über. [22]

Grundlage unserer Untersuchung ist die Interpretation zweier Datensorten. Dabei handelt es sich erstens um Leitfaden-Interviews (HELFFERICH 2014) mit Studierenden und MitarbeiterInnen der Leuphana Universität Lüneburg zum Thema CSR-Kommunikation (Corporate Social Responsibility-Communication)6), wobei der Schwerpunkt der Befragung auf der Kommunikation nachhaltiger Unternehmensführung an nicht-professionelle AdressatInnen, wie zum Beispiel KundInnen, lag. Zunächst sollten die Interviewten im Rahmen der Erhebungsmethode des "Lauten Denkens" (SÉGUINOT 1996) über eine ihnen vorgelegte Kurzfassung des Nachhaltigkeitsberichts eines globalen Unternehmens nachdenken und ihre Gedanken gleichzeitig lautsprachlich äußern. Im Anschluss daran beantworteten sie die an einem Leitfaden orientierten Fragen der InterviewerInnen. Da CSR-Kommunikation nicht im Fokus unseres Forschungsinteresses steht, wurden aus diesem Datensatz nur diejenigen Passagen für unsere Feinanalyse extrahiert, in denen Nachhaltigkeit im Alltag thematisiert wurde. In den Interviews wurden die RespondentInnen gebeten, zu sagen, wo Nachhaltigkeit in ihrem Alltag eine Rolle spielt. Damit blieb es ihnen überlassen, ob sie ihr alltägliches nachhaltiges Handeln darstellten oder darüber reflektierten, inwiefern ihnen das Thema selbst wichtig war. Das Laute Denken als spezifische Form der Befragung regt damit vor allem zur Imagination über (die eigenen) Handlungsweisen an. [23]

Die zweite hier untersuchte Datensorte stellen Transkripte zweier Gruppendiskussionen (SCHÄFFER 2010) dar. Diese wurden im Rahmen eines Projektseminars an der Leuphana Universität durchgeführt7) und thematisierten Nachhaltigkeit mit RespondentInnen aus drei Generationen (unter 30 Jahre, zwischen 30-60 Jahre sowie über 60 Jahre), die mittels Schneeballsystem (KRUSE 2018) rekrutiert worden waren. In den Gruppendiskussionen wurden unter anderem Alltagsbeispiele, die für ein "nachhaltiges" Handeln stehen (können), benannt, zu denen sich die Teilnehmenden äußern sollten. Dort wurde im weiteren Verlauf auch explizit nach einem begrifflichen Verständnis von Nachhaltigkeit gefragt. Die eingesetzten Einstiegsfragen ermöglichten damit eine Relevanzsetzung der RespondentInnen mit einem starken Fokus auf die Erzeugung von Argumentationen. [24]

Da wir eine Sekundäranalyse bestehender Daten vorgenommen haben, wurde der Datensatz zwar nicht basierend auf der dokumentarischen Methode erhoben, jedoch nach ihren Grundsätzen (BOHNSACK 2010) interpretiert. Dieses Verfahren zielt insbesondere auf die Rekonstruktion impliziter, erfahrungsgebundener Wissensbestände und habitualisierter Alltagsroutinen jenseits von Begründungszusammenhängen. Für die feingliedrige Erschließung der vorliegenden Daten und die Bearbeitung unserer Frage nach der Rolle von Nachhaltigkeit an der Schnittstelle von kommunikativer Konstruktion und bzw. oder nachhaltigkeitsbezogenen Handlungsweisen erwies sich gerade diese Spannung von sprachlich geäußerter Reflexion über (mögliche) Handlungen und den sich darin dokumentierenden, handlungsleitenden Orientierungen als besonders produktiv. [25]

Für die hier fokussierte Relation zwischen der Beschreibung potenzieller und konkretisierter Handlungsweisen bedarf es eines methodischen Zugangs, der sowohl den Entwurfscharakter von Handlungen als auch deren Potenzial zur Realisierung in den Blick nehmen kann. Analytisch hilfreich sind dafür die beiden zentralen Arbeitsschritte der dokumentarischen Methode: die formulierende und reflektierende Interpretation (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014, S.545). Mit ihnen wird zwischen den Ebenen des Was (wird angesprochen) und Wie (wird etwas thematisiert) unterschieden. Dies ermöglicht eine differenzierte Relationierung der kommunikativen Konstruktion imaginärer Handlungsoptionen bzw. realisierter Handlungspraktiken. [26]

Weiterhin liegt im Rahmen einer qualitativ-rekonstruktiven Sozialforschung, wie der vorliegenden, der analytische Schwerpunkt nicht nur darauf, wie die Befragten kommunizieren, sondern auch auf der Reflexion der Art und Weise wie die InterviewerInnen einen Gegenstand (bzw. Stimulus) in die Gesprächssituation einbringen. Denn sowohl die Erhebungssituation als auch die gewählten Stimuli konstruieren den Forschungsgegenstand mit (a.a.O., Kap.3). Dies ist insbesondere für die Analyse der kommunikativen Konstruktion von Nachhaltigkeit von Bedeutung, da letztere die gesamte Kommunikation einschließt, zu der in unserem Fall Redezüge der ModeratorInnen, InterviewerInnen sowie der DiskussionsteilnehmerInnen und Interviewten gleichermaßen gehören. [27]

Um die Lesbarkeit des Beitrags zu erhöhen, verzichten wir auf eine detaillierte Darstellung aller Interpretationsschritte der dokumentarischen Methode und stellen im folgenden Abschnitt die Ergebnisse der Interpretation thematisch gruppiert vor. [28]

4. Gespräche über Nachhaltigkeit

4.1 Spiralen des Rechtfertigens im Sprechen über Nachhaltigkeit oder von den Dilemmata eines nachhaltigen Handelns

In den untersuchten Interviews reflektieren die RespondentInnen unterschiedlich intensiv darüber, ob Nachhaltigkeit für sie persönlich relevant ist, was auch einen Eindruck von der alltagspraktischen Bedeutung des Themas vermittelt. Denn wie sich die RespondentInnen mit Nachhaltigkeit im Alltag beschäftigen, hängt damit zusammen, ob sie ein nachhaltiges Handeln für realisierbar halten. Ob sie dies tun, wird von den Interviewten selbstevaluativ beantwortet. Dabei rechtfertigen sie sich insbesondere für ihr Konsumverhalten, das sie selbst als nicht vollständig nachhaltig bewerten und verhandeln darin einen normativen Anspruch. [29]

Fallspezifisch für Christine8) ist eine Argumentationsweise, die die Erfüllung der Norm des nachhaltigen Konsums zwar in allen Bereichen anstrebt, diese aber letztlich niemals vollständig realisieren kann. Ihre Äußerungen lassen sich über weite Strecken als unendliche Rechtfertigungsspirale beschreiben, in der ein grundsätzliches Handlungsdilemma zum Ausdruck kommt:

"R: Ähm, für mich persönlich, also ich achte grundsätzlich schon darauf, wenn’s jetzt zum Beispiel um Lebensmittel geht, dass es äh die äh Bioeier vom von freilaufenden Hühnern sind oder äh dass es eben regionale Produkte sind zum Beispiel von der von (?Delvis?9)) aus dem Bremer Land, weil ich da auch herkomme und ich weiß, ich kenn die Hofmolkerei und ich weiß dann, wo mein Joghurt herkommt und meine Milch und weiß dann, dass es äh auch es Wert ist, 50 Cent vielleicht mehr fürn Liter Milch zu bezahlen. Und, in der Hinsicht achte ich da schon drauf, aber es ist einfach leider so, dass es oft zu komplex is und zu schwierig, ähm, das wirklich nachzuvollziehen und ähm ja, also ich wünschte, ich könnte mehr drauf achten, ich wünschte, ich hätte auch die finanziellen Mittel dazu, weil als Student ist es vielleicht noch etwas schwierig im Moment, dass man wirklich äh auch guckt, wo kommt das, wo kommt das Fleisch her, ist es, also für mich geht das jetzt eher in die Lebensmittelrichtung. Also da ist mein Bewusstsein dafür auf jeden Fall noch ausgeprägter als ähm bei Kleidung, wobei ich sagen muss, dass bei Kleidung genauso wichtig ist, auf jeden Fall. Das möchte ich damit nicht sagen, aber, ähm, man hat bei dem äh Schlachter, zum Beispiel vor Ort aus dem Dorf, wo man weiß, die Kuh ist von dem Nachbarn äh noch mehr den Überblick und deswegen achte ich da vielleicht auch mehr drauf, als eben bei H&M, wo ich es nicht überprüfen kann und wo diese Frustration dazu führt, dass man das dann vielleicht eher ignoriert als bei Lebensmitteln" (I1, Z.401-429)10). [30]

Christine äußert, sie achte beim Kauf von Lebensmitteln "grundsätzlich schon" darauf, dass diese aus einer bestimmten Region kommen. Sie bewertet damit ihr Handeln und begründet es anschließend mit ihrer eigenen Herkunft und dem Wissen um bzw. Vertrauen in die Herstellungsbedingungen, aufgrund derer sie einen höheren Produktpreis akzeptiert. Zugleich wird der formulierte Anspruch, regionale Produkte zu kaufen, durch das Adverb "schon" zurückgenommen, worin sich eine erste Einschränkung der Gültigkeit einer Norm für das eigene Handeln andeutet. Christine rechtfertigt sich in einer Argumentationsschleife dafür, dass sie diese konstatierte Norm nicht einhalten kann, wenn ein Wissen über die Produktion fehlt. Sie stellt damit eine Bedingung auf, von der sie abhängig macht, ob ihr nachhaltiges Handeln möglich ist. [31]

Mit dem Adverb "aber" wird angezeigt, dass ein erfahrungsbasierter Nachvollzug nicht immer möglich ist. Als Folge dieses Dilemmas verlagert sich die Argumentation auf die Ebene eines Wunschdenkens, das außerhalb der Sphäre alltagspraktischen Handelns liegt. Mit ihrem Wunsch nach mehr Konsumkraft transferiert Christine ihre Handlungs(un)fähigkeit auf eine imaginäre Ebene, die eine Alternative (Optativ) zu dem bietet, was aktuell möglich erscheint (Potenzialis). Sie begegnet der Unmöglichkeit des steten erfahrungsbasierten Konsums nicht etwa durch die Aneignung von Wissen zur Reduktion von Komplexität. Vielmehr rechtfertigt sie sich dahingehend, aufgrund ihrer mangelnden Finanzkraft nicht dem eigenen normativen Anspruch gemäß einkaufen zu können. Mit ihrem im Konjunktiv geäußerten Wunsch nach mehr Finanzkraft umgeht sie das Problem, auf der Handlungsebene keine nicht-kritisierbare, unproblematische Entscheidung treffen zu können, es also niemals wirklich richtig zu machen. [32]

Christine etabliert in Folge ihres Handlungsdilemmas eine Rechtfertigungsschleife, in der sie sich sprachlich in immer wieder neuen Abwandlungen um das gleiche Thema bewegt und die eigene Argumentation mehrfach relativiert, negiert und dreht ("wobei ich sagen muss" – "das möchte ich damit nicht sagen"). Sie betont ihr ausgeprägtes "Bewusstsein" beim Konsum von Lebensmitteln, das ihr beim Kleidungskauf genauso wichtig sei, allerdings könne sie dort die Herstellungsbedingungen nicht überprüfen. Dies führt zu einer immer stärkeren Beschleunigung der Rechtfertigungsschleife und endet schließlich in einer resignativen Bilanzierung des eigenen Handelns. [33]

Zusammenfassend lässt sich hier Folgendes festhalten: Das eigene Handeln bzw. der Anspruch an das eigene Handeln der Person unterliegt der unmöglichen Bedingung, ohne Ausnahme nachhaltig konsumieren zu können und zu sollen. Es zeigt sich ein Muster der Rechtfertigung (vgl. dazu auch HERBRIK 2018). Aufgrund der Orientierung an einem regionalen Erfahrungswissen, das für globale Produkte nicht existent ist, gerät die Sprecherin zwangsläufig in eine Begründungsspirale. Christine weicht ihrem Handlungsdilemma durch den Wechsel in eine alternative Wirklichkeit, die im Imaginären angesiedelt ist, aus. Hier äußert sich eine handlungsleitende Orientierung an Nachhaltigkeit, die jedoch an die Grenzen ihrer Realisierbarkeit gerät, worin sich bereits eine Funktion der sozialen Fiktion andeutet. [34]

Im Kontrast dazu ist im nächsten Fallbeispiel das Potenzial zur Realisierung nachhaltigen Konsumierens nicht gegeben. Thomas befasst sich mit dem Thema auf der Ebene reinen Vorstellens. Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit geschieht mit sehr wenig Bezug zur alltäglichen Praxis und ist von Anfang an in einer Dimension angesiedelt, die kaum eine handlungspraktische Relevanz eröffnet.

"Ich hab da glaub ich nicht so nen Bezug zu, würde ich mich damit noch mal mehr damit beschäftigen, was in unserer Umwelt wirklich äh los ist, beziehungsweise würde es mir noch mal klarer vor Augen geführt werden, dafür fänd ichs auch gut, wenn eben solche Übersichten auch wirklich prägnant irgendwie im Laden da wären, dass einem bewusst ist: Was richtet man mit so einem T-Shirt überhaupt an. Ähm, dann würd=wär=wäre ich da auch aufmerksamer und dann wäre mir das Thema auch wichtiger" (I2, Z.525-534). [35]

Markant ist, dass Thomas zunächst selbstevaluativ einen mangelnden persönlichen Bezug zum Thema konstatiert. Die Bedingung für die Beschäftigung mit diesem imaginiert er in der grammatikalischen Form des Konjunktivs. Dabei zeigt die Wortdoppelung von "damit" ("damit noch mal mehr damit beschäftigen"), dass er sich zwar eine Auseinandersetzung mit dem Thema vorstellen könnte, zugleich bleibt der Gegenstand des Vorstellens jedoch sehr unspezifisch. Thomas schränkt die als möglich angedachte Auseinandersetzung noch weiter ein, denn er legt sie in die Verantwortung anderer, die die Informationen über tatsächliche Produktionsbedingungen deutlicher in sein Blickfeld rücken sollen. In seiner Argumentation zeigen sich mehrere Hintergrundkonstruktionen (NOHL 2012 [2006]). Im Rahmen der lediglich imaginierten Auseinandersetzung bewertet Thomas eine transparente Aufklärung durch andere als positiv, die letztlich jedoch vage bleibt, und stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach Konsumfolgen. [36]

Die aufgeführten Bedingungen würden es ihm ermöglichen, achtsamer für das Thema Nachhaltigkeit zu sein. In der Wortverschleifung "würd=wär=wäre" verdichtet sich, dass Thomas' Aufmerksamkeit von Bedingungen abhängt, die sich dadurch auszeichnen, nicht realisiert zu werden. Eine solche Form der Auseinandersetzung ist – alltagspraktisch betrachtet – fast paradox: Erst unter der Voraussetzung, dass sich die Person überhaupt mit dem Thema näher beschäftigte, würde es für sie relevant werden. Das würde jedoch bedeuten, dass sie sich trotz noch fehlender Relevanz des Themas mit ihm beschäftigen müsste. Im Vergleich zum ersten Fallbeispiel ist das Dilemma nicht auf der Ebene einer imaginierten Handlungspraxis angesiedelt, sondern allein im Bereich einer antizipierten Beschäftigung mit dem Thema bzw. seinem normativen Anspruch, wobei die Umsetzung der Beschäftigung völlig offen bleibt. So entfaltet sich die Rechtfertigungsspirale allein auf der Ebene reinen Imaginierens. Thomas' Auseinandersetzung ist rein hypothetisch und damit nicht, wie im Fall von Christine, an der eigenen Handlungspraxis orientiert. Damit verweist seine Argumentationsweise auf die unerfüllbaren Bedingungen eines nachhaltigen Konsums, die im Optativ vorgestellt werden. Die Wirksamkeit der Norm ist hier am stärksten einem alternativen Wirklichkeitsentwurf zugeordnet und wird insofern am wenigsten als realisierbar gedacht. [37]

Eine Art Zwischenposition hinsichtlich der bisher beschriebenen Beispiele stellt die Erklärungsweise von Marion dar. Die argumentative Wendung fällt wesentlich moderater aus als im ersten Fall. Zwar liegt auch hier eine Orientierung an der Norm nachhaltigen Konsums vor, diese beschränkt jedoch den eigenen Konsum nicht realiter. Marion imaginiert ein Beispiel, das ein Potenzial zur Realisierung enthält.

"Also ich würde zum Beispiel (4) wenn ich wüsste das Lebensmittel zwei Lebensmittel nebeneinander liegen hab und wüsste das eine ist besser oder nachhaltiger produziert worden als das andere und es würde nicht Unmengen mehr kosten würde ich das bessere Produkt oder das nachhaltige Produkt wählen. Gleichzeitig ist es aber auch so, wenn ich jetzt ähm um diese Problematik bei H&M weiß, oder auch Apple oder was weiß ich nicht alles gibt. Dann bin ich nicht sofort abgeneigt diese Produkte nicht mehr zu kaufen" (I3, Z.352-360). [38]

Marion kann sich vorstellen, nachhaltig einzukaufen, aber zugleich hält sie das Wissen um die problematischen Produktionsbedingungen bei Großkonzernen nicht vom Konsum ihrer Produkte ab. Wie bereits Christine und Thomas rechtfertigt sich auch Marion. Ihre Argumentation gerät dabei allerdings nicht in den kommunikativen Mechanismus der unendlichen Rechtfertigungsspirale wie Christines. Vielmehr findet hier ein imaginierter Abwägungsprozess statt: "ich würde" – "wenn ich wüßte". Auch wenn Marion eine reale Kaufentscheidung lediglich imaginiert, könnte sie dennoch (zukünftig) realisiert werden. Dies kann als hypothetische Bedingung gefasst werden. Im Kontrast zum Fall Thomas ist hier ein geringes Potenzial zur Realisierung (zwischen Potenzialis und Optativ) gegeben. [39]

Die Interviews verweisen auf eine Bandbreite an Möglichkeiten, sich mit der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, die für die AkteurInnen auf unterschiedliche Art und Weise handlungspraktisch relevant wird. Die Diversität der Rechtfertigungsmuster verweist darauf, dass sich die AkteurInnen an den von ihnen für gültig gehaltenen Normen und den für sich selbst als gültig betrachteten Rollenerwartungen und Legitimationen11) unterschiedlich stark orientieren. Ob diese Erwartungen tatsächlich bei den jeweiligen InteraktionspartnerInnen vorhanden sind oder nicht, ist dabei weniger relevant, was sich auch im Begriff der Erwartungserwartung (LUHMANN 1991) niederschlägt. Wichtig ist lediglich die Vorstellung, dass eine entsprechende Erwartung besteht, wie hier: kaufe regional, also nachhaltig und damit handelst du gut. Auf die Rolle der Erwartungserwartung im Sprechen über Nachhaltigkeit werden wir noch zurückkommen. [40]

Dass das Imaginieren potenzieller Handlungsweisen eine wichtige Rolle in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit spielt, wird auch in den Gruppendiskussionen deutlich. Auch dort denken die AkteurInnen – unterschiedlich intensiv – über Bedingungen eines nachhaltigen Lebens nach. Das Potenzial der Realisierung eines nachhaltigen Handelns unterscheidet sich dort zwischen den Generationen. Zudem kommt es durch die Gesprächssituation zu anderen Rechtfertigungsprozessen als in den Interviews. Es sind insbesondere normative Gedankenspiele, die in den Gruppendiskussionen zutage treten. [41]

4.2 Normative Gedankenspiele über Nachhaltigkeit

Die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit zeigt sich in den Gruppendiskussionen besonders eindrücklich an den Stellen, wo die ModeratorInnen (M) aus ihrer Rolle als Fragende aussteigen und ihre eigenen Perspektiven in das Gespräch einfließen lassen.

A

[...] Im Augenblick ist es ja auch wirklich so dass wir um die ZWEIEINHALB Erden verbrauchen also DEUTLICH12) über unserem Standard eigentlich leben. Dass wir zu viele Rohstoffe verbrauchen, die ganzen Erdöle, all so etwas und ja, dass wir einfach VIEL ZU VIEL im Moment verbrauchen. Und wenn man da ein bisschen darauf achten würde, dass jeder eben wirklich nur die eine Erde die wir haben verbraucht. Das wär für mich auch schon Nachhaltigkeit.

M

Also Footprinting ist so das was du damit sofort in Betracht ziehst.

A

Ja.

B

Aber das ist doch glaub ich deprimierend für Sie jetzt, ich mein für mich (...), aber so für Sie, die Aussichten.

A

Ja, das stimmt. Also.

B

Die müsste man dann nicht also Revolution schreien. Also kann man das noch so mitmachen.

A

Das fehlt find ich irgendwie so ein bisschen, also die Entrüstung.

B

JA.

A

Man steht da immer so ein bisschen sprachlos davor und sieht ja also in 50 Jahren, wahrscheinlich ein bisschen länger aber, dann sind irgendwann so natürlich Ressourcen AUFGEBRAUCHT und dann stehen wir ja mehr oder weniger vor dem Scherbenhaufen. Weil dann gibt’s erst mal nichts und für. Ich weiß nicht ob ich da schon direkt betroffen wäre aber spätestens MEINE KINDER denke ich schon werden dann da in der wirklich prekären Lage also. Ob man da noch schnell genug eine Lösung findet, ich weiß es nicht. Es ist natürlich immer blöd als EINZELNER vor so etwas zu stehen, aber eigentlich müsst man in der Tat Revolution schreien. (lacht) Ja, da haben Sie schon recht.

C

Ja das ist mir auch aufgefallen, weil du meintest ja als EINZELNER davor stehen, wenn, ich mein es betrifft ja so ziemlich unsere oder halt die folgende Generation und (...) was mir jetzt an meinem Freundeskreis oder auch Jahrgang auffällt ist das es eigentlich so wirklich niemanden interessiert. Also ich mein jeder weiß es aber ändern würde trotzdem niemand etwas und als Einzelner oder einige Wenige kann man da ja jetzt auch nicht oder habe ich nicht das Gefühl dass ich jetzt etwas ändern könnte, weil ich mich anders (...) kleide, was anderes kaufe, weniger kaufe, weil es einfach den größten Teil nicht interessiert, so. (...) Leider

B

Aber ist das nicht die EINZIGE Möglichkeit die jeder Einzelne hat. Jeder kann ja nur das, im Grunde genommen nur für sich selbst. (GD1, Z.638-670). [42]

Beispielhaft ist diese Sequenz, weil die vorhergegangenen Aussagen der RespondentInnen von der Moderation mit dem Begriff des Footprinting paraphrasiert werden. Footprinting (WACKERNACKEL & BEYERS 2016 [2010]) ist der englische Begriff für den ökologischen Fußabdruck einer Person. Deren individuelles Handeln wird in Relation zu den weltweit zur Verfügung stehenden Ressourcen gesetzt. Zugleich wird darin die Vorstellung einer ressourcenschonenden Lebensweise deutlich. Im Verlauf der Sequenz arbeiten sich die Sprechenden an der Metapher bzw. der darin aufgerufenen, individualisierten, normativ wirksamen Vorstellung einer nachhaltigen Lebensweise ab. [43]

Sie entwickeln Gedankenspiele, die mit einem düsteren Blick in die Zukunft einsetzen und anschließend eine gewisse Ratlosigkeit zum Ausdruck bringen. Als Folge davon geraten die TeilnehmerInnen – trotz der Gesprächssituation in einer Gruppe und ähnlich wie bei den Interviews – in individuelle Rechtfertigungsschleifen. Im Unterschied zu den Interviews bauen diese jedoch aufeinander auf und begründen, warum das eigene Handeln trotz postulierter Notwendigkeit nicht radikal geändert wird. Eines der sich entwickelnden Argumente ist der Verweis auf das große Desinteresse der anderen: Wenn sich die anderen nicht ändern, bleibt das eigene Handeln folgenlos bzw. man bemüht sich nicht (weiter) um eine Änderung des eigenen Handelns.

"Ja, wenn man da IMMER auf taube Ohren irgendwie stößt, dann verstehe ich schon, dass man dann irgendwie sagt, ja dann bringt es mir auch nichts, dann kaufe ich doch wieder alles, dann kauf ich doch wieder irgendwie Fleisch von Gut und Günstig oder so etwas. Also ist halt schon immer blöd so als Individuum anzufangen, wenn man nicht merkt, dass eben ein Großteil der Gesellschaft dann auch irgendwann mitgehen würde" (GD1, Z.714-720). [44]

Die Unzugänglichkeit der anderen wird als Argument herangezogen, das für Verständnis für das eigene Verharren in Konsumpraktiken wirbt, die eigentlich bereits als nicht-nachhaltig erkannt worden sind. Die dystopischen Zukunftsaussichten werden von allen DiskutantInnen geteilt, obschon sich die älteren TeilnehmerInnen etwas distanzierter zu ihnen positionieren. [45]

Im Verlauf der gesamten Passage werden die antizipierten Folgen von Konsumption also immer weiter metaphorisch-imaginativ differenziert. Die Vorstellung, dass im Falle einer nicht-nachhaltigen Lebensweise in 50 Jahren die Ressourcen aufgebraucht seien, mündet etwa in die dystopische Metapher des "Scherbenhaufens", vor dem "wir" dann stünden. In diesem Sprachbild ist die Welt nur noch bruchstückhaft vorhanden, und nicht nur alle BewohnerInnen der Erde, sondern insbesondere jedes Individuum stehe allein vor einem Problem. [46]

Hierin zeichnet sich ein Orientierungsdilemma ab, das in der Gruppe von allen geteilt wird. Es kann in der Frage zusammengefasst werden, ob das Handeln Einzelner (in Relation zu der Gesamtanzahl der Menschen auf dem Planeten) aktuell und zukünftig Wirkungen evoziert und welche das sein könnten. Dieses Orientierungsproblem verdichtet sich in der folgenden "Fokussierungsmetapher" (BOHNSACK 2010, S.137): Eine Sprecherin in der oben zitierten Passage bewertet angesichts einer angenommenen Zahl an Erdbevölkerung von 6 Milliarden Menschen das eigene Handeln als folgenlos, was wiederum zur Konsequenz habe, dass man rat- und aussichtslos vor "so einem Berg" der (Ressourcen-) Probleme stehe. Im Bild der einzelnen Person, die einem Berg gegenübersteht, wird die Unwirksamkeit des eigenen Handels herausgestellt. Die Berg-Metapher erinnert an das Sisyphos-Motiv: Trotz des steten sich Mühens der Einzelnen bleibt am Ende fraglich, inwiefern das je individuelle Handeln Wirkung erzielen kann. Auch dies lässt sich als Handlungsdilemma fassen, das in der Gruppendiskussion lediglich imaginiert und nicht etwa als bereits durchlebte frustrierende Erfahrung geschildert wird. Die Enttäuschung ist bereits im Entwurf einer als individualisiert gedachten Nachhaltigkeit angelegt. [47]

Zusammengefasst findet hier eine imaginierte Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Ressourcenverbrauch statt sowie mit einer daran geknüpften Erwartungserwartung an die Einzelnen. Weiterhin zeigt sich hier eine Orientierung an Individualität, die insbesondere bei den älteren TeilnehmerInnen der Gruppendiskussion zu finden ist. Zwar müsste, so die AkteurInnen an verschiedenen Stellen, angesichts der aktuellen Lage der Welt die Revolution ausgerufen werden, doch dieser imaginierte gemeinsame Aufstand Vieler dient insbesondere als Kontrastfolie. Die Gruppe sucht nach einem individuellen Richtwert. Was diesen Wertmaßstab ausmacht, bleibt offen. [48]

Besonders relevant scheint uns zu sein, dass ein individuell zu definierendes Maß als Orientierungsgröße verwandt wird. Im Fokus steht das einzelne Individuum, das sich in Relation zur Masse identifiziert. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass in der kommunikativen Konstruktion von Nachhaltigkeit auch mehrere Ideologien aufeinandertreffen. Die Werthaltung des bürgerlich-libertären Individualismus trifft auf die Vorstellung einer nachhaltigen Weltgesellschaft, in der das Überleben der Menschheit nur durch ein kooperatives Handeln gesichert werden kann. [49]

In die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit spielen demnach unterschiedliche Dimensionen hinein:

Analytisch interessant erscheint uns außerdem, dass die AkteurInnen auf die Frage nach einem Begriff von Nachhaltigkeit mit der Verwendung einer Reihe von Metaphern reagieren, die sie in normativen Gedankenspielen entfalten. Sie nähern sich also dem abstrakten Problem des weltweiten Ressourcenverbrauchs mithilfe eines metaphorischen Bezugs zum individuellen Handeln. Dessen Folgen ebenso wie die Frage der Wirksamkeit aktuellen Handelns im Hinblick auf die Zukunft liegen zeitlich und räumlich – sowohl alltagspraktisch als auch kognitiv-reflexiv – vielfach außerhalb der Reichweite einzelner Individuen. Sie betreffen die ganze Erde, die nur von außen wahrnehmbare "Blue Marble" (vgl. Abschnitt 2). Es scheint, als ließe sich Nachhaltigkeit insbesondere in einer abstrahierenden, die handlungspraktischen Grenzen überschreitenden Weise vorstellen, in der sich reale und imaginäre Aspekte des Gegenstands verschränken. Dies unterstreicht unsere Auffassung von Nachhaltigkeit als einer normativen, sozialen Fiktion. Das folgende Beispiel aus der gleichen Gruppendiskussion zeigt die Alltagsferne des Konsumverzichts. [51]

4.3 Wie ließe sich der "Berg Müll" vermeiden? Zur Aushandlung der Dimensionen der normativen Fiktion Nachhaltigkeit zwischen den Generationen

Eine letzte Passage, die wir genauer betrachten wollen, beginnt mit einer von einer jüngeren Teilnehmerin eingebrachten Metapher. Sie berichtet von gemeinsamen Einkäufen mit ihrem Bruder, im Zuge derer immer so ein "Berg Müll" (GD2, Z.476) entstehe. Die Person bezeichnet sich selbst als das "Stinktier" (GD2, Z.503) der Familie, da sie aktiv auf Müllvermeidung achte und diese als Anspruch auch verbalisiere. Ihre Äußerungen verursachen Gestank insofern sie "meckert" (nicht so viel Müll zu produzieren), wofür sie sich zugleich rechtfertigt. Es geht also darum, keinen Müll zu produzieren und zugleich um die Kommunikation, die sich mit diesem Tun beschäftigt, wodurch auch das Sprechen eine normative Funktion erhält. Müll (-Vermeidung) wird von den TeilnehmerInnen auf unterschiedliche Art und Weise thematisiert. Später wird nicht weiter über konkrete Müllvermeidung gesprochen, sondern die Sprechweise geht in den Modus eines hypothetischen Bewertens des Verpackungsproblems über.

T2

Ne, aber der ganze Plastikmüll ist in der Tat ein riesengroßes Problem. Also allein Plastik ja, gibt ja viele Hormone an die Lebensmittel ab. Es gibt ja tolle Untersuchungen im Bereich Wasser, also wie sehr wir unsere Körper eigentlich vergiften mit diesen ganzen schlechten Hormonen. Und dabei gibt es so viele Alternativen. Also Plastik ist ja auch das Problem, es ist einfach biologisch nicht abbaubar, es hält ja ein Leben lang, diese unterschiedlichen Plastikmischungen und es gibt so viele Alternativen, also wirklich von Plastikmischungen, die auf Mais oder anderen Getreidesorten beruhen und die für die Umwelt völlig schonend sind. Leider hat da noch kein Umdenken stattgefunden. Dass man mal aufhört, wirklich so diese Standardverpackungen durch ökologische Packungen zu ersetzen. Dann wäre der Berg vielleicht auch weniger ein Problem.

M

Und die dreifach Verpackung.

T2

Und die dreifach Verpackung. Ja das ist (weniger?) ein Problem. Man muss ja zusehen, dass man die einzelnen Produkte, die Verpackungen, dass man die irgendwie wieder in den ökologischen Kreislauf zurückgeführt bekommt. Jedes Mal, wenn man das nicht bekommt, bleibt dann nur Verbrennen und das ist natürlich nicht gut.

T1

Das macht der alte Mann, der die Flaschen da sammelt.

T2

Richtig, der macht das gut (GD2, Z.522-538). [52]

Die Gruppe fokussiert Weiterentwicklungen von Recyclingprozessen, nicht die Strategien der Müllvermeidung. Dies wird insbesondere von den beiden älteren TeilnehmerInnen (T1, T2) entfaltet. Als ein erster Höhepunkt in der Sequenz wird der Plastikmüll als "ein riesengroßes Problem" (GD2, Z.522) bezeichnet. Hier geht es nun nicht (mehr) um Müllvermeidung, sondern darum, andere Verpackungsarten als Plastik einzusetzen und ein alternatives Verwertungssystem aufzubauen, damit der "Berg" (GD2, Z.530) und die "dreifach Verpackung" (GD2, Z.532) kein Problem mehr darstellten. Das Problem des Plastikmüll-Berges wird in der wortgleichen Wiederholung "dreifach Verpackung" (GD2, Z.533) verdichtet, deren ökologische Wiederaufbereitung als potenzielle Lösung angesehen wird. Sinnvoll erscheinen noch nicht vorhandene, aber angedachte ökologische Verpackungen sowie die modellhaft anekdotisch eingeführte Figur des Pfandflaschensammlers, also die Praktiken eines anderen. Beides übernimmt eine Art Entlastungsfunktion, sodass sich für die TeilnehmerInnen die Frage nach dem eigenen Handeln nicht mehr mit Dringlichkeit stellen muss. [53]

In dieser Passage zeichnet sich beispielhaft das kommunikative Spektrum des Sprechens über Nachhaltigkeit ab. Die jüngeren TeilnehmerInnen entwerfen alltagspraktisch ausgerichtete, imaginierte Handlungen. Dagegen sprechen die älteren TeilnehmerInnen im Modus eines reflexiv-hypothetischen Bewertens. [54]

Über nachhaltiges Handeln zu kommunizieren impliziert immer einen Bezug zur Norm, an der sich SprecherInnen sowohl in der Darstellung ihrer alltagsweltlichen Wirklichkeit als auch in ihren im Imaginären verbleibenden Überlegungen orientieren. Welche kommunikative Position von den RespondentInnen eingenommen wird, ist insbesondere abhängig vom konkreten Gegenstand (ökologischer Fußabdruck, Konsumverzicht, Müll etc.). Aufgrund unserer Analysen kann aber auch vermutet werden, dass die Norm nachhaltigen Handelns je nach generationaler Zugehörigkeit anders ausgedeutet und demnach auf unterschiedliche Weise handlungspraktisch relevant wird. Während nachhaltiges Handeln insbesondere für die Jüngeren eine konkrete Bedeutung im (realen) Alltag zu haben scheint, bleibt es für die Älteren alltagspraktisch abstrakt. Festzuhalten bleibt jedoch, dass sich alle TeilnehmerInnen dann auf der Ebene des Imaginären treffen, wenn sie nicht mit dem normativen Anspruch der Nachhaltigkeit übereinstimmen und sich diesem zu entziehen suchen. [55]

5. Nachhaltigkeit im Konjunktiv? Die Bedeutung des (sozialen) Imaginären und der Imaginationen für die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit

In der empirischen Analyse der kommunikativen Konstruktion von Nachhaltigkeit hat sich gezeigt, dass im Zuge der Kommunikation über Nachhaltigkeit, deren Definition und damit die soziale Fiktion häufig im Konjunktiv und in der Schwebe bleiben. Bei den AkteurInnen steht das eigene nachhaltige Handeln zur Debatte und, als Grundlage dieser Reflexionen, die Normativität von Nachhaltigkeit. Dies äußert sich insbesondere darin, dass sich ihre Argumentationen häufig in Rechtfertigungsschleifen bewegen, innerhalb derer sie unterschiedliche Voraussetzungen formulieren, die erfüllt werden müssten, bevor ihnen nachhaltiges Handeln möglich wäre. Die Abstufungen dieser Voraussetzungen haben wir als Grade des Potenzials zur Realisierung beschrieben, in denen auch die handlungsleitende (Nicht-) Relevanz von Nachhaltigkeit zum Ausdruck kommt. Insbesondere im Rahmen der Interviews werden kontrafaktische, hypothetische oder unerfüllbare Bedingungen genannt. Dass dort vor allem solche Konditionen geäußert werden, könnte mit dem methodisch eingeforderten Nachdenken zusammenhängen, das nicht nur Erzählungen, sondern auch deren Reflexion anregt. Wenn dagegen die Gruppensituation Rechtfertigungsspiralen in Form von (ir-)realen Gedankenspielen, Metaphern und Wünschen hervorruft, so verweisen die rekonstruierten kommunikativen Formen darauf, dass die Normativität einer allumfassenden Nachhaltigkeit nicht nur als widersprüchlich erlebt wird, sondern abhängig von der Situation unterschiedlich ausgehandelt wird. Handlungsdilemmata werden mithilfe von zum Teil im Imaginären verbleibenden kommunikativen Formen bearbeitet und so letztlich ausgehalten und teilweise auch umgangen, letzteres insbesondere im Falle der älteren DiskutantInnen. [56]

In beiden untersuchten Gruppendiskussionen deutet sich ein Unterschied zwischen den Generationen an: Von den jüngeren TeilnehmerInnen wird eher eine Auseinandersetzung mit realisierten und realisierbaren Handlungspraktiken sowohl konkret für die Gegenwart beschrieben als auch für die Zukunft entworfen. Im Hintergrund zeichnet sich jedoch eine resignative Haltung ab, die insbesondere auf der Vorstellung der geringen individuellen Wirkmächtigkeit beruht. Diese Paradoxie führt letztlich zu einem Handlungsdilemma, das charakteristisch für eine individualisierte Vorstellung von Nachhaltigkeit zu sein scheint. [57]

Dagegen tragen die Diskussionsbeiträge der Teilnehmenden aus den älteren Generationen einerseits wesentlich pessimistischere Züge, lassen sich jedoch andererseits als abgeklärt beschreiben. Sie thematisieren weniger die eigenen Praktiken als das Handeln der anderen. Damit weichen sie dem normativen Handlungsanspruch sich selbst gegenüber aus. So dienen die anderen als Vorbild und Vergleichsfolie für nachhaltiges Handeln und fungieren damit als moralische StellvertreterInnen. Ähnlich verläuft die Kommunikation hinsichtlich des Produktverzichts, der in der älteren Generation als erstrebenswertes Ideal imaginär bleibt. Dabei wird im Rahmen einer rein imaginären, insofern fast vollständig irrealen, Gegenwart argumentiert. In den dort aufscheinenden Handlungsoptionen ist das Potenzial zur Realisierung nicht wirkmächtig. [58]

Die kommunikative Konstruktion von Nachhaltigkeit ist davon geprägt, dass sich die AkteurInnen sowohl in ihren auf gegenwärtiges Handeln bezogenen Auseinandersetzungen als auch in den imaginären Zukunftsvisionen an der Norm eines nachhaltigen Handelns orientieren und abarbeiten. Im Sprechen über Nachhaltigkeit kommt zum Ausdruck, dass sie sich mit dem Dilemma konfrontiert sehen, niemals vollständig nachhaltig handeln zu können. Dieser normative Anspruch an das Individuum zeichnet sich durch eine spezifische Unerreichbarkeit aus, die die beschriebenen Rechtfertigungsprozesse und normativ-imaginären Gedankenspiele auslöst, aber auch positive Wünsche und dystopische Szenarien evoziert. Die gesellschaftliche Dimension des Imaginären kann den AkteurInnen dazu dienen , sich moralisch zu entlasten. Sie weichen dorthin vor ihren selbst entworfenen, hoch anspruchsvollen und uneinholbaren Erwartungserwartungen aus. Wir vermuten aufgrund unserer Analysen auch, dass die als allgemeingültig anerkannte und allumfassende normative Fiktion Nachhaltigkeit bei den AkteurInnen ein chronisches Orientierungsdilemma hervorruft, auf das sie mit handlungspraktischer Verweigerung und mit einem Set an Zukunftsängsten reagieren. Dies wird insbesondere in der Situation der Gruppendiskussion markant, was uns auf die Spur setzt, diese Datenerhebungsmethode für zukünftige empirische Erhebungen zur Erforschung sozialer Fiktionen weiterzuverfolgen. [59]

Außerdem zeigen die Ergebnisse unserer kleinen Studie, dass die normative soziale Fiktion Nachhaltigkeit im Alltag von AkteurInnen folgendermaßen bedeutsam wird: So lange sich alle vorstellen und vorstellen können, sie selbst und insbesondere die anderen handelten nachhaltig, so lange wird dieser gemeinsame, normative Referenzpunkt von den Kommunizierenden genährt und weiter geführt. Darin zeigt sich die Wirksamkeit der sozialen Fiktion. Sie ist besonders effektiv, da sich die kommunikativ-konjunktiven Bezugnahmen an einem diffus bleibenden Imaginären orientieren. Stets nachhaltig zu handeln, ist unmöglich und verbleibt als Norm allein in der Sphäre des Vorstellbaren. Darin zeigt sich jedoch auch, wie relevant die Frage danach ist, welcher Grad an Wirkmächtigkeit dem eigenen Handeln zugeschrieben wird; insbesondere vor dem Hintergrund der Vorstellung einer mehrheitlich nicht nachhaltig handelnden Gesamtgesellschaft. [60]

Anhang: Legende der verwendeten Transkriptionszeichen

?[Textstelle]?

unsichere Transkription

=

Wortverschleifung

(4)

Dauer einer Sprechpause in Sekunden

IMMER

Betonung

,

leicht ansteigende Intonation

?

stark ansteigende Intonation

;

leicht absinkende Intonation

.

stark absinkende Intonation

Anmerkungen

1) ISER selbst hatte sich von CASTORIADIS (1984) inspirieren lassen, dessen Konzeption des Imaginären wir jedoch nicht übernehmen möchten, da der von ihm verwendete Terminus des Symbolischen in der Wissenssoziologie (SOEFFNER 1991) derart ausgearbeitet ist, dass er für unsere Überlegungen zu eng erscheint. <zurück>

2) Wir grenzen uns damit auch von der derzeit (ESPOSITO 2007) und auch bereits bei LUHMANN (1991) geläufigen abwertenden Verwendung der Begriffe "Fiktion" und "soziale Fiktion" in der Systemtheorie ab. <zurück>

3) Sie speisen sich außerdem aus dem Realen, wie oben mit Verweis auf ISER bereits erwähnt. <zurück>

4) Im Sinne von: "Wenn wir jetzt nicht handeln, dann …!" <zurück>

5) Vgl. zur Kritik der Beschränkung des Denkens im Optativ auf außeralltägliche Wirklichkeiten HERBRIK (2013, S.302). <zurück>

6) Das vorhandene Datenmaterial wurde von uns sekundäranalytisch ausgewertet. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Sigrid BEKMEIER-FEUERHAHN und Paula BÖGEL für den Zugang zu den von ihnen und ihren Studierenden, denen unser besonderer Dank gilt, im Rahmen des Master-Seminars "Selektive Wahrnehmung in der CSR-Kommunikation" im Wintersemester 2013/2014 an der Leuphana Universität Lüneburg erhobenen Daten. Sowohl bei der Erhebung dieser Daten und der im Folgenden beschriebenen Gruppendiskussion als auch bei der Sekundärinterpretation wurden alle notwendigen Bestimmungen des Datenschutzes eingehalten und die persönlichen Daten der Teilnehmenden anonymisiert. <zurück>

7) Auch hierbei handelt es sich um eine Sekundäranalyse bestehenden Materials. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Studierenden des von Regine HERBRIK im Sommersemester 2014 an der Leuphana Universität Lüneburg durchgeführten Bachelor-Projektseminars "Die kommunikative Konstruktion der Nachhaltigkeitskultur". <zurück>

8) Wir verwenden Pseudonyme, um die Anonymität der Beforschten zu gewährleisten. <zurück>

9) Die Fragezeichen verweisen auf eine unsichere Transkription. Eine Liste aller in diesem Beitrag verwendeten Transkriptionszeichen findet sich im Anhang. <zurück>

10) Die Interviews und Gruppendiskussionen unseres Datenkorpus haben wir nummeriert und mit Zeilennummern versehen. "I" steht dabei für Interview, "GD" für Gruppendiskussion. <zurück>

11) "Legitimation sagt dem Einzelnen nicht nur, warum er eine Handlung ausführen soll und die andere nicht ausführen darf. Sie sagt ihm auch, warum die Dinge sind, was sie sind" (BERGER & LUCKMANN 2000 [1966], S.100) <zurück>

12) Die Großschreibung weist auf Betonungen im Sprachen hin. Die Transkriptionsregeln finden sich im Anhang. <zurück>

13) Wie wir an anderer Stelle gezeigt haben (KANTER 2016), arbeitet Karl MANNHEIM in Bezug auf gesellschaftliche Gruppen aus, dass diese "offenbar um den Besitz der richtigen (sozialen) Sicht oder zumindest um das Prestige des Besitzes der richtigen (sozialen) Sicht" (1929, S.45) konkurrieren. Unter Konkurrenz versteht er das Bemühen dieser Gruppen, ihre Weltauslegung zur "öffentlichen Weltauslegung" (a.a.O.) machen zu wollen. <zurück>

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Zu den Autorinnen

Dr. Regine HERBRIK ist außerplanmäßige Professorin und Lehrbeauftragte an der Leuphana Universität Lüneburg und Leiterin der Volkshochschule Ludwigslust-Parchim. Sie forscht zur kommunikativen Konstruktion des Imaginären in Spiel, Religion und Alltag sowie zur Soziologie der Emotionen. Sie nutzt und entwickelt interpretative Methoden, die auf der hermeneutischen Wissenssoziologie basieren und phänomenologische Aspekte integrieren.

Kontakt:

Regine Herbrik

Kreisvolkshochschule
PF 1263
19362 Parchim

Tel.: +49 (0)3871-722-4300
Fax: +49 (0)3871-722-4300

E-Mail: herbrik@leuphana.de
URL: https://www.leuphana.de/universitaet/personen/regine-herbrik.html

 

Dr. Heike KANTER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie ist Soziologin und hat die Forschungsschwerpunkte rekonstruktive Sozialforschung, insbesondere visuelle Methodologie und Methoden der Bildanalyse; praxeologische Wissenssoziologie; Körpersoziologie; Migrationssoziologie.

Kontakt:

Dr. Heike Kanter

Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften
Hochschule Magdeburg-Stendal
Osterburger Straße 25
39576 Stendal

Tel.: +49 (0)3931-21873833

E-Mail: heike.kanter@hs-magdeburg.de
URL: https://www.hs-magdeburg.de/hochschule/fachbereiche/angewandte-humanwissenschaften/mitarbeiter/dr-heike-kanter.html?sword_list[]=heike&sword_list[]=kanter&no_cache=1

Zitation

Herbrik, Regine & Kanter, Heike (2019). Gespräche über Nachhaltigkeit – nachhaltige Gespräche? Die kommunikative Konstruktion der sozialen Fiktion Nachhaltigkeit [60 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(1), Art. 5, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-20.1.2825.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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