Volume 20, No. 3, Art. 34 – September 2019



Prekarität im Lebenszusammenhang – eine um Anerkennung erweiterte Perspektive auf prekäre Erwerbs- und Lebenslagen

Mona Motakef & Christine Wimbauer

Zusammenfassung: In der Prekarisierungsforschung spielt Anerkennung bisher keine systematische Rolle, obwohl Prekarität – eng auf Beschäftigung oder erweitert auf den Lebenszusammenhang bezogen – immer auch Anerkennungsverhältnisse herausfordert. Wir haben daher empirisch fundiert eine um Anerkennung (HONNETH, BUTLER) erweiterte Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang entwickelt. Empirische Grundlage sind teilleitfadengestützte, teilnarrative Einzel- und Paarinterviews mit 24 prekär Beschäftigten, die wir angelehnt an die hermeneutische Wissenssoziologie fallrekonstruktiv und fallvergleichend ausgewertet haben. Die Stärken und Erkenntnismöglichkeiten unserer achtdimensionalen Heuristik illustrieren wir ausschnitthaft am Beispiel einer prekär Beschäftigten und zweier prekär beschäftigter Paare. Sichtbar werden mit unserer um Anerkennung erweiterten Perspektive nicht nur die subjektorientiert-wissenssoziologisch zentralen Deutungen der prekär beschäftigten Individuen-in-Beziehungen sowie die für die Lebenszusammenhangsforschung wesentlichen Kumulationen verschiedener Belastungen. Nachvollziehbar werden auch die Konstitutionszusammenhänge und Relationierungen verschiedener Dimensionen von Prekarität. Unsere Forschungsheuristik kann daher auch weitere Forschungen inspirieren, die sich für die Mehrdimensionalität und Komplexität unsicherer Lebenslagen interessieren.

Keywords: Anerkennung; Prekarität; Prekarisierung; Erwerbsarbeit; Sorge; soziale Ungleichheit; Lebenszusammenhang; Geschlecht; Paarbeziehungen; Honneth; Butler; interpretatives Paradigma; hermeneutische Wissenssoziologie; Paarinterview

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Prekarität im Lebenszusammenhang – Begriffsbestimmungen und Forschungsstand

2.1 Prekarität, prekäre Beschäftigung und prekäre Lebenslage

2.2 Prekarität im Lebenszusammenhang

3. Anerkennungstheoretische Erweiterung von Prekarität im Lebenszusammenhang

3.1 Anerkennungstheoretische Überlegungen als sensitizing concepts (BLUMER 1954)

3.2 Anerkennung in der empirischen (Prekarisierungs-)Forschung

3.3 Eine anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang

4. Method(olog)ische Grundlagen und Forschungsdesign

4.1 Hermeneutische Wissenssoziologie und ein relationaler Ansatz. Method(olog)ische Grundlagen

4.2 Forschungsdesign und Durchführung der Interviews

5. Nicht/Anerkennung im Lebenszusammenhang. Empirische Fallbeispiele

5.1 Ambivalente Liebesanerkennung und ihre destruktiven Dynamiken: Ulrike Urban

5.2 Pepo und Patricia Poturica: Liebesanerkennung und starker Paarzusammenhalt nach innen, fragiles Alleinernährer-Arrangement nach außen

5.3 Caroline Christiansen und Clemens Caspar: Nichtanerkennung in einem Familienernährerinnen-Arrangement

6. Empirisch begründetes und theoretisches Fazit der um Anerkennung erweiterten Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang

6.1 Stärken und Erkenntnismöglichkeiten der anerkennungstheoretischen Perspektive am Beispiel der drei empirischen Fälle

6.2 Eine um Anerkennung erweiterte Forschungsheuristik von Prekarität im Lebenszusammenhang

7. Zusammenfassung und Ausblick

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Einleitung

Spätestens seit der Jahrtausendwende werden Ausmaß und Folgen von Entsicherungsprozessen diskutiert und mit den Begriffen Prekarisierung und Prekarität beschrieben (CASTEL 2000 [1995]; CASTEL & DÖRRE 2009). Durch den Wandel zum aktivierenden Sozialstaat (LESSENICH 2008) wurden unsichere Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet (KELLER & SEIFERT 2013). In der Lohnarbeitsgesellschaft habe sich eine Zone der Prekarität und Verwundbarkeit etabliert, in der weder ein dauerhafter Ausschluss aus Erwerbsarbeit noch eine dauerhafte Integration in sie erfolgt (CASTEL 2000 [1995]); DÖRRE 2006, 2012). Für die französischen Soziologen CASTEL (2000 [1995]) und BOURDIEU (2000 [1977], 2004 [1998]) haben Prekarisierungsprozesse in der Erwerbssphäre weitreichende soziale Folgen: Durch sie werde die Handlungsfähigkeit der Beschäftigten geschwächt; zudem seien sie eine Gefahr für die soziale Kohäsion. [1]

Bei der Bestimmung von Prekarität wird in der geschlechtersoziologischen Auseinandersetzung betont, dass es nicht ausreiche, nur Beschäftigung zu fokussieren. An CASTEL (2000 [1995]) gerichtete Kritik lautet, dass er Arbeit auf Lohnarbeit reduziere und andere, überwiegend von Frauen getätigte Formen von Arbeit, wie Haus- und Sorgearbeiten, ausblende (AULENBACHER 2009).1) Auch gelte Prekarität in der Erwerbssphäre erst als ein Problem, seit vermehrt männliche Beschäftigungsverhältnisse verunsichert werden, während die bereits früher unsicheren Erwerbs- und Lebenslagen von Frauen und Migrant*innen nicht als anstößig erscheinen (AULENBACHER 2009; MOTAKEF 2015). Vor diesem Hintergrund erweitern einige Geschlechtersoziolog*innen Prekarität mit dem Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang (KLENNER, MENKE & PFAHL 2012; siehe auch AMACKER 2014). Hiernach zeigt sich Prekarität nicht nur in den Dimensionen Einkommen und Erwerbslage, sondern auch in Sorge, Wohnen oder Gesundheit und kann sich von dort aus weiter erhärten. KLENNER et al. (2012, S.218) bestimmen Prekarität im Lebenszusammenhang als "Gefährdungs- und Unsicherheitslage, die neben der Fragilität der individuellen auch die familiale Lebensführung erfasst sowie einen Verlust an Zukunft und Handlungsfähigkeit – möglicherweise für mehrere Personen – mit sich bringt". [2]

An dieses Konzept schließen wir in unserem Beitrag an und erweitern es anerkennungstheoretisch. Anerkennung spielt in der Prekarisierungsforschung bisher noch keine systematische Rolle. Die von uns geforderte systematische Berücksichtigung anerkennungstheoretischer Perspektiven in der Prekarisierungsforschung hat zwei Gründe: [3]

Erstens wird in Theorien der Anerkennung akzentuiert, dass Menschen keine monadischen Einzelwesen sind, sondern sie erst in Verhältnissen reziproker Anerkennung konstituiert werden und nach Anerkennung streben. Die sozialtheoretische Prämisse besteht somit in intersubjektiv-relational konstituierten Subjekten, die auch methodologisch als Individuen-in-Beziehungen zu verstehen sind (WIMBAUER 2003, 2012; WIMBAUER & MOTAKEF 2017a, 2017b). HONNETH (1992, 2003, 2011) unterscheidet mit Liebe, Recht und Leistung drei Formen intersubjektiver Anerkennung, wobei in modernen Gesellschaften Anerkennung für Leistung in der Erwerbssphäre eine Zentralstellung erhält. Auch wenn HONNETH keine expliziten Überlegungen zu Prekarisierung anstellt, wird in subjektorientierten Studien darauf verwiesen, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit Anerkennungsdefiziten und Autonomieverlusten einhergehen können (KNABE, BRANDT, FISCHER, BÖHNKE & KLÄRNER 2018; MOTAKEF, BRINGMANN & WIMBAUER 2018; WIMBAUER & MOTAKEF 2018, 2020). Das Verhältnis von Anerkennung und Prekarität stellt BUTLER (2005 [2004], 2010 [2009]) ins Zentrum. Ausgehend von der Verletzbarkeit (dem Prekärsein) aller Menschen interessiert sie sich für die Rahmen der Anerkennbarkeit, durch welche bestimmte Gruppen als schutzwürdig erscheinen und andere nicht. Damit ist für BUTLER Prekarität in der menschlichen Verletzbarkeit und Anerkennungsbedürftigkeit angelegt. Theorien der Anerkennung erscheinen für die Prekarisierungsforschung als fruchtbar, da Menschen nach Anerkennung streben und Prekarisierung immer auch Anerkennungsverhältnisse herausfordert. [4]

Zweitens wird die Bedeutung von Anerkennung oft in empirischen Studien über die Wahrnehmung und Bewältigung von Prekarität als Ergebnis festgestellt, wenngleich Anerkennung in diesen Studien nicht systematisch erfasst wird (siehe Abschnitt 3.2). Auch in Definitionen prekärer Beschäftigung finden sich Bezüge, etwa wenn BRINKMANN, DÖRRE, RÖBENACK, KRAEMER und SPEIDEL (2006, S.17) von "Anerkennungsdefiziten" sprechen, denen prekär Beschäftigte ausgesetzt sind. Anerkennungstheoretische Perspektiven auf Prekarisierung und Prekarität werden jedoch eher eingefordert als systematisch entwickelt. Welche Kriterien der prekären Beschäftigung (k)ein Anerkennungsdefizit bedeuten, auf welchen Ebenen Anerkennung wie relevant wird und wie sich Nicht/Anerkennung im – prekären – Lebenszusammenhang konkret zeigt, wird bisher nicht näher bestimmt. [5]

Im vorliegenden Beitrag legen wir unsere um Anerkennung erweiterte Perspektive auf Prekarität dar und kondensieren diese in einer achtdimensionalen Forschungsheuristik von Prekarität im Lebenszusammenhang (Tabelle 3). Wichtige Stärken und Erkenntnismöglichkeiten dieser Heuristik illustrieren wir anhand dreier ausgewählter empirischer Fälle: eine prekär Beschäftigte und zwei prekär beschäftige Paare. Unsere empirisch fundierte Heuristik kann wiederum als sensitizing concept (BLUMER 1954) helfen, die Mehrdimensionalität von Prekarität weiter zu erforschen und empirische Studien zu orientieren, in denen unsichere Lebenslagen in ihrer Komplexität und Ambivalenz rekonstruiert werden. [6]

Unsere übergreifende anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang (Tabelle 1) und die Forschungsheuristik (Tabelle 3) entwickelten wir in einem rekursiven Forschungsprozess. Wir generierten sie iterativ aus sensitizing concepts (aus dem Forschungsstand und anerkennungstheoretischen Überlegungen), dem empirischen Material und aus auf der Auseinandersetzung mit diesem basierenden weitergehenden theoretischen Überlegungen. [7]

Die Chronologie dieses Beitrags täuscht insofern, als wir nicht – wie hier – Schritt für Schritt Forschungsstand, Theorie, Methode und Auswertung abgegangen sind. Vielmehr griffen in allen Stadien der Forschung die Auseinandersetzung mit Forschungsstand, Theorie und empirischem Material rekursiv ineinander. Bei der Auswertung unserer Daten angelehnt an die hermeneutische Wissenssoziologie war für uns das Prinzip der Offenheit leitend, so dass wir hier versuchten, bei der Interpretation unser Vorverständnis in den Hintergrund treten zu lassen und die Relevanzsetzungen der Akteur*innen aus dem Material heraus zu extrahieren. Erst in einem weiteren Schritt theoretisierten wir die Befunde. Eine Gesamtschau aller theoretischen und empirischen Ergebnisse bieten wir in WIMBAUER und MOTAKEF (2020). [8]

In Abschnitt 2 diskutieren wir Begriffsbestimmungen (2.1) und den Forschungsstand zu Prekarität im Lebenszusammenhang (2.2). Danach wenden wir uns der Anerkennung zu: Wir skizzieren theoretische Überlegungen von HONNETH und BUTLER (3.1), zeigen, wie Anerkennung in der empirischen Prekarisierungsforschung relevant wird (3.2) und legen unsere anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang dar (3.3). In Abschnitt 4 stellen wir die method(olog)ischen Grundlagen sowie das Design unserer Studie vor. In Abschnitt 5 präsentieren wir drei exemplarische empirische Fälle, bei denen wir die Relationierungen der Dimensionen im Lebenszusammenhang rekonstruieren. In Abschnitt 6 ziehen wir ein empirisch begründetes theoretisches Fazit zu unserer um Anerkennung erweiterten Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang: Wir kondensieren ihre Stärken sowie Erkenntnismöglichkeiten (6.1) und präsentieren unsere Heuristik (6.2). Zuletzt fassen wir die Ergebnisse zusammen und bieten einen Ausblick (7). [9]

2. Prekarität im Lebenszusammenhang – Begriffsbestimmungen und Forschungsstand

In den Sozialwissenschaften und insbesondere in der Armuts- und Arbeitslosigkeitsforschung gibt es eine lange Tradition, die Mehrdimensionalität unsicherer Lebenslagen zu erfassen. Schon JAHODA, LAZARSFELD und ZEISEL (1975 [1933]) stellten in ihrer Marienthal-Studie die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Leben von Familien ins Zentrum. In der Armutsforschung werden etwa im Bremer Lebenslagenansatz (u.a. VOGES, JÜRGENS, MAURER & MEYER 2003) die Dimensionen Bildung, Einkommen, Erwerbstätigkeit, Gesundheit und Wohnen in ihren objektiven und subjektiven Ausprägungen berücksichtigt. Der Lebenslagenansatz ist, wie auch der ihm ähnliche Capability-Ansatz von SEN (2000 [1999]), der Armut als Mangel an Verwirklichungschancen versteht, für das Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang (AMACKER 2012, 2014; KLAMMER, NEUKIRCH & WESSLER-POSSBERG 2012; KLENNER et al. 2012) eine wichtige Referenz. [10]

2.1 Prekarität, prekäre Beschäftigung und prekäre Lebenslage

Prekarisierung und Prekarität sind schillernde Konzepte. Wer Prekarität und eine prekäre Lebenslage näher bestimmen möchte, sieht sich herausgefordert, ein für die empirische Forschung möglichst klar umgrenztes analytisches Konzept zu erarbeiten. Um aber zentrale Lebensbereiche nicht vorab auszuschließen, ist zugleich ein erweitertes Konzept nötig, das wiederum nicht beliebig sein sollte. Wir interessieren uns für die Komplexität prekärer Lebenslagen und verwenden für deren Erforschung das erweiterte Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang. In diesem Abschnitt skizzieren wir zum besseren Verständnis verschiedene, d.h. enge, weite und umfassende Konzeptionen und Verwendungsweisen von Prekarisierung und Prekarität. [11]

MARCHART (2013) schlägt drei Verwendungsweisen von Prekarisierung und Prekarität vor: In dem Konzept einer gesellschaftlichen Zone der Prekarität und Verwundbarkeit (CASTEL 2000 [1995]); DÖRRE 2006, 2012) artikuliere sich ein weiter Prekarisierungsbegriff. Einen engen Begriff sieht er in Konzeptionen, die mit Prekarität sogenannte Randgruppen ins Zentrum stellen. Diesen beiden Verwendungsweisen stellt er mit seinem Konzept der "Prekarisierungsgesellschaft" (MARCHART 2013, S.24) einen dritten, umfassenden Begriff gegenüber. Mit diesem betont er, dass Prekarisierung die "Gesamtheit sozialer Verhältnisse" (a.a.O.) herausfordert. [12]

Während MARCHARTs Konzept der Prekarisierungsgesellschaft auf postfordistische Gesellschaftsregime bezogen ist, setzen NEILSON und ROSSITER (2008) historisch bei der Entstehung des Kapitalismus an. Sie betonen, dass Prekarität, global und historisch betrachtet, keine Ausnahme, sondern immer eine Normalität in kapitalistischen Gesellschaften war und es auch weiterhin ist. Auch für BUTLER (2010 [2009]) stellt Prekarität den Normalfall dar. Für sie ist Prekarität aber nicht nur ein Produkt des Wirtschaftsregimes. Vielmehr geht sie, wie in Abschnitt 1 skizziert, von einem fundamentalen Prekärsein aus, welches in der grundlegenden Anerkennungsbedürftigkeit und Angewiesenheit auf andere begründet ist. [13]

Diesen sehr weiten Konzeptionen stehen Studien gegenüber, die einen eng gefassten Begriff anlegen, dabei aber nicht sogenannte Randgruppen (MARCHART 2013), sondern prekäre Beschäftigungsverhältnisse fokussieren. Dazwischen stehen Studien, in denen die Bedeutung von Prekarität erweitert gefasst wird und dabei auch Haushaltslagen und Lebenszusammenhänge betrachtet werden (siehe Abschnitt 2.2). Hier verorten wir unsere Forschungsperspektive. Doch zunächst soll geklärt werden, was unter einer prekären Beschäftigung verstanden wird. [14]

In der Bestimmung von prekärer Beschäftigung werden zwei Konzepte unterschieden (VOSKO, McDONALD & CAMPBELL 2009): In einem ersten, verbreiteten Ansatz wird prekäre Beschäftigung mit atypischer Beschäftigung gleichgesetzt. Dies wird aber kritisiert: Weder sind prekäre Beschäftigungen immer atypisch (etwa: Frauen in Teilzeittätigkeit), noch sind atypische Beschäftigungen immer prekär (BREHMER & SEIFERT 2007; KRAEMER 2008). Eine zweite Bestimmung umfasst multiple Unsicherheiten in der Erwerbssphäre. Zwar besteht kein Konsens über die Dimensionen, es gibt aber viele Überschneidungen. Eine viel beachtete Definition stammt von VOSKO (2010, S.2). Sie fasst prekäre Beschäftigung als "work for remuneration characterized by uncertainty, low income, and limited social benefits and statuory entitlements". Prekäre Beschäftigung erscheint hiernach als Kontinuum. [15]

Die deutschsprachige Auseinandersetzung mit prekärer Beschäftigung orientiert sich am männlichen Normalarbeitsverhältnis (NAV) (MÜCKENBERGER 1985), dessen System an Sicherungen über verwandte Konzepte anderer Lohnarbeitsgesellschaften (etwa standard employment) weit hinausgeht (MÜCKENBERGER 1985; VOSKO 2010). Eine prominente Begriffsbestimmung findet sich bei BRINKMANN et al. (2006, S.17): Vor der Folie des NAV bezeichnen sie ein Beschäftigungsverhältnis als prekär, wenn die

"Beschäftigten aufgrund ihrer Tätigkeiten deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales Integrationsniveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert und mehrheitlich anerkannt wird. Und prekär ist Erwerbsarbeit auch, sofern sie subjektiv mit Sinnverlusten, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheit in einem Ausmaß verbunden ist, das gesellschaftliche Standards deutlich zuungunsten der Beschäftigten korrigiert". [16]

Sie berücksichtigen objektive und subjektive Aspekte und unterscheiden drei Dimensionen: eine materiell-reproduktive, eine institutionell-rechtliche und eine sozial-kommunikative. Hierbei benennen sie auch Anerkennung, führen dies aber nicht weiter aus. [17]

Von einer prekären Beschäftigung kann aber nicht auf eine prekäre Lebenslage geschlossen werden. CLEMENT, MATHIEU, PRUS und UCKARDESLER (2009, S.241) plädieren deswegen dafür, "precarious employment" und "precarious lives" systematisch aufeinander zu beziehen (siehe auch PITROU 1978). Neben der prekären Beschäftigung müsse auch der Haushaltskontext berücksichtigt werden (ALLMENDINGER, JAHN, PROMBERGER, SCHELS & STUTH 2018; KRAEMER 2008). Denn einerseits kann ein geringes Einkommen, das aus einer geringfügigen Beschäftigung resultiert, durch ein höheres Einkommen eines Partners abgefedert werden. Andererseits kann aber auch die sichere Beschäftigung eines Partners nicht vor einer prekären Gesamtlage schützen, wie etwa in Familien mit pflegebedürftigen Haushaltsmitgliedern, bei denen das zweite Einkommen nur gering ist oder ganz wegfällt. [18]

ALLMENDINGER et al. (2018) und PROMBERGER, JAHN, SCHELS, ALLMENDINGER und STUTH (2018) beschäftigten sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, ob sich in Deutschland ein verfestigtes Prekariat herausgebildet hat, also eine Gruppe, die dauerhaft in prekären Lebenslagen lebt. In der Messung einer prekären Lebenslage differenzieren sie Beschäftigung und Haushaltslage: Prekäre Beschäftigung bestimmen sie über Einkommen (Niedriglohn, Existenzminimum), mangelnde soziale Absicherung (fehlende Absicherung, kein Anspruch auf Kündigungsschutz) sowie Arbeitsplatzunsicherheit ("einfache" Arbeit, Erwerbslosigkeitsrisiko sowie erhöhte berufsspezifische Gesundheitsrisiken). Bei der Haushaltslage berücksichtigen sie die Wohnsituation (schlechte und beengte Wohnverhältnisse), die finanzielle Situation (Armut, finanzielle Rücklagen, Schulden), besondere Belastungen (Krankheit und Behinderung) sowie fehlende rechtliche Absicherung (keine abgeleiteten Sozialversicherungs-Ansprüche) (PROMBERGER et al. 2018, S.12). Mit ihren Längsschnittdaten können sie zeigen, dass bei 12 Prozent der Erwerbsbevölkerung in Deutschland eine insgesamt verfestigte prekäre Lage vorliegt (ALLMENDINGER et al. 2018). [19]

Was kann aber mit dem Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang erfahrbar gemacht werden, was nicht schon die Indikatoren zur Bestimmung prekärer Lebenslagen verdeutlichen können? [20]

2.2 Prekarität im Lebenszusammenhang

Unser Argument lautet, dass mit dem Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang neben den objektiven Dimensionen auch die subjektive Deutung, Wahrnehmung und Nicht/Bewältigung der prekären Lebenslagen analysiert werden können. Aus einer subjektorientierten und anerkennungstheoretischen Perspektive lassen sich Dynamiken und Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen rekonstruieren, womit wiederum auch erfahrbar wird, wie Prekarität im Lebenszusammenhang abgefedert oder verfestigt werden kann. Wie wir in Abschnitt 3.3 ausführen, sind dazu anerkennungstheoretische Überlegungen grundlegend. Da Anerkennung bisher nicht systematisch berücksichtigt wurde, ist in der aktuellen Bezugnahme auf Prekarität im Lebenszusammenhang dieses Potenzial noch nicht ausgeschöpft worden. [21]

Bislang wurde das Konzept Prekarität im Lebenszusammenhang in der Erforschung von Familienernährerinnen-Haushalten verwendet. Dabei wurden vor allem Mehrfachbelastungen im Lebenszusammenhang der Familienernährerinnen aufgezeigt. Familienernährerinnen sind Frauen, die mehr als 60 Prozent zum Haushaltseinkommen beitragen (KLENNER et al. 2012, S.27). Sie werden oft unfreiwillig zu Familienernährerinnen, besonders wenn das Einkommen des Partners entfällt oder stark sinkt. [22]

KLAMMER et al. (2012) rücken die Ressourcen und Bewältigungsstrategien von Familienernährerinnen in Westdeutschland ins Zentrum. Theoretische Grundlage ihrer Konzeption ist der erwähnte Capability-Ansatz von Amartya SEN, den sie mit der in der Arbeits- und Stresspsychologie beheimateten Theorie der Ressourcenerhaltung nach Stevan HOBFOLL (1988, 1998) kombinieren. Wenn die Familienernährerinnen über geringe Bildung verfügen und lange Erziehungszeiten absolviert haben, schaffen sie häufig nicht den Sprung aus einer atypischen in eine Beschäftigung, die eine Familie ernähren könnte. Trotz größerer Verantwortung in der Erwerbssphäre finden sie in der Hausarbeit kaum Unterstützung von ihren Partnern (KLAMMER et al. 2012, S.179f.) und wenig, wenn auch etwas mehr, in Betreuungsarbeiten (S.189f.). [23]

KLENNER et al. (2012) untersuchen ostdeutsche Familienernährerinnen. Sie greifen auf das Konzept der alltäglichen Lebensführung von JURCZYK und RERRICH (1993) zurück, wonach die Lebensführung von Menschen aktiv gestaltend und eingebettet in gesellschaftliche Strukturen erfolgt. Hierbei sind sie mit den anderen Haushaltsmitgliedern verwoben, was das Konzept der familialen Lebensführung zum Ausdruck bringt (JÜRGENS 2001). Als Lebensbereiche nennen sie Erwerbslage, Vermögenssituation, Geschlechterarrangement, soziale Absicherung, Betreuungsarrangement, Entwicklungschancen der Kinder, Selbstsorge/Gesundheit und soziale Einbindung (KLENNER et al. 2012, S.219). Wie erwähnt, ist Prekarität im Lebenszusammenhang für sie eine "Gefährdungs- und Unsicherheitslage", mit der die familiale Lebensführung eingeschränkt werden kann (S.218). Dabei bestimmen sie vier Charakteristika (von denen 1., 3. und 4. u.E. nicht vollends trennscharf sind):

Die familiale Lebensführung ist weiter durch die geschlechterdifferente Arbeitsteilung geprägt, auch wenn die Frauen Familienernährerinnen sind. Ähnlich wie KLAMMER et al. (2012) zeigen sie in der Dimension "Geschlechterarrangement", dass die Übernahme der Ernährer*innenfunktion durch Frauen nicht mit mehr Gleichheit in der Paarpraxis einhergeht, auch um zu vermeiden, dass der Partner als männlicher Nicht-Ernährer weiter destabilisiert wird. Die Familienernährerinnen tragen häufig weiterhin die Hauptverantwortung in der Haus- und Sorgearbeit. Insgesamt zeigen sich bei den Familienernährerinnen große gesundheitliche und psychische Belastungen. [25]

Im Anschluss an den Lebenslagenansatz (u.a. VOGES et al. 2003) und an KLENNER et al. (2012) untersucht AMACKER (2012, 2014) Prekarität von Familienernährerinnen anhand der Dimensionen Einkommen, Erwerbsarbeit, Bildung, Wohnen, Gesundheit, Care-Arbeit, Soziale Netze und Wohlfahrt (AMACKER 2014, S.4). Sie stellt fest, dass in der subjektiven Wahrnehmung Erwerbsarbeit "nicht überall im Vordergrund" (AMACKER 2012, S.70) stehe. In ihrer Schweizer Studie waren es vor allem Faktoren wie Trennungen, erneute Heirat, die niedrige Bildung des Partners und die Nichtanerkennung des ausländischen Bildungstitels des Partners, die sich als destabilisierend im Lebenszusammenhang erwiesen. Eine Zentralstellung erhält bei ihr Sorgearbeit. AMACKER zeigt hier auf, wie die private und unentgeltliche Pflege von Angehörigen Frauen isolieren und in materielle Armut führen kann. [26]

In den in diesem Abschnitt vorgestellten Studien werden weiterführende Konzeptualisierungen von Prekarität im Lebenszusammenhang geboten. Deutlich wird, wie Belastungen aus verschiedenen Lebensbereichen in der alltäglichen Lebensführung der Familienernährerinnen kumulieren. Gerade für nicht-standardisierte Forschungen ist das Konzept vielversprechend, da es die subjektiven Relevanzsetzungen der Befragten ernst nimmt und damit eine große Offenheit ermöglicht. Wir knüpfen an das Konzept an, entwickeln es aber anerkennungstheoretisch weiter. Doch was meint Anerkennung und was ist über Anerkennung in der empirischen (Prekarisierungs-)Forschung bisher bekannt? [27]

3. Anerkennungstheoretische Erweiterung von Prekarität im Lebenszusammenhang

3.1 Anerkennungstheoretische Überlegungen als sensitizing concepts (BLUMER 1954)

Anerkennung nimmt bei HONNETH und BUTLER eine zentrale Rolle ein, wobei trotz Gemeinsamkeiten auch große Differenzen und Unvereinbarkeiten deutlich werden. Da die theoretischen Konzeptualisierungen beider als "beobachtungsleitende Annahmen" (KALTHOFF 2008, S.12) für Prekarität im Lebenszusammenhang fruchtbar sind, nehmen wir die gemeinsame Bezugnahme trotz der Differenzen vor. Es erfolgt aber kein systematischer Theorievergleich (siehe etwa BALZER 2014; McQUEEN 2015) und auch keine systematische Theorie-Empirie-Synthese. [28]

3.1.1 HONNETHs Sphärenmodell der Anerkennung

HONNETH (1992, 2003, 2011) entfaltet eine explizite Theorie intersubjektiver Anerkennung, die er als Erneuerung einer kritischen Gesellschaftstheorie akzentuiert, und fasst die gesamte Gesellschaft als institutionalisierte Anerkennungsordnung. Für HONNETH sind nur durch intersubjektive Anerkennungsverhältnisse positive Selbstbezüge und ein gutes Leben (Sittlichkeit) möglich. Während die Angewiesenheit auf Anerkennung eine anthropologische Konstante darstelle, bestimmten historisch spezifische Normen, wer und was je als anerkennbar gilt. Ähnlich wie CASTEL (2000 [1995]) fasst er Gesellschaft als Integrationsordnung. Bei HONNETH stellt jedoch nicht Erwerbsarbeit den zentralen Integrationsmodus dar, sondern er unterscheidet drei idealtypische Anerkennungsformen und -sphären: Liebe (in der Sphäre sozialer Nahbeziehungen/Familie), Recht (Rechtssphäre) und soziale Wertschätzung (innerhalb des Systems der gesellschaftlichen Arbeitsteilung). Der Erwerbssphäre, in der soziale Wertschätzung als Anerkennung für Leistung vermittelt wird, komme gegenwärtig eine herausgehobene Bedeutung zu. [29]

Liebe meint die intersubjektive Anerkennung des Anderen in seiner umfassenden und konkreten Bedürfnisnatur. HONNETH (1992) fokussiert zunächst die Eltern-Kind-Liebe, differenziert die Liebessphäre aber später (HONNETH 2011) in Intimbeziehungen, Familie und Freundschaften. Rechtliche Anerkennung umfasst die universelle Achtung aller als moralisch zurechenbare Rechtspersonen, wobei HONNETH liberale Freiheitsrechte, politische Teilhaberechte und soziale Wohlfahrtsrechte unterscheidet. Anders als in der Liebessphäre ist die moralische Verpflichtung nicht partikular, sondern universell. Soziale Wertschätzung sei historisch variabel und werde gegenwärtig vor allem für individuelle Leistung in der Erwerbssphäre gezollt. Sie ziele nicht – wie Liebe – auf die ganze Person, sondern nur auf personale Ausschnitte: insbesondere auf erbrachte Leistung bzw. auf das, was gesellschaftlich als solche gewertet wird. [30]

Erst alle drei Formen reziproker Anerkennung zusammen erlauben es, dass "menschliche Subjekte zu einer positiven Einstellung gegenüber sich selbst gelangen können" (HONNETH 1992, S.271). Erst dann könne eine Person sich "uneingeschränkt als ein sowohl autonomes wie auch individuiertes Wesen (...) begreifen und mit ihren Zielen und Wünschen (...) identifizieren" (a.a.O.). Für HONNETH wäre dies bereits gefährdet, wenn Anerkennung in einer Sphäre fehlt, etwa Leistungsanerkennung aufgrund einer prekären Beschäftigung. [31]

Für HONNETH ist Anerkennung als zentraler Moralbegriff klar positiv konnotiert. Allerdings beschreibt er auch "Anerkennung als Ideologie" (HONNETH 2004), wenn sie nicht auf die Förderung positiver Selbstbezüge gerichtet ist, sondern auf Konformität und Unterwerfung. Eine Ideologie der Anerkennung liege etwa dann vor, wenn der Akt der Anerkennung unvollständig nur auf einer symbolischen Ebene verbleibt, aber auf materiell-institutioneller Ebene nicht umgesetzt werden kann (a.a.O.). HONNETH stellt auch Überlegungen zum Verhältnis der Sphären vor. Er argumentiert etwa, dass das Recht in die Sphäre der Leistung und Liebe übertreten könne. Es bleiben aber bezüglich der Wechselverhältnisse zwischen den Sphären viele Fragen offen (siehe hierzu WIMBAUER 2012). [32]

3.1.2 Rahmen der Anerkennbarkeit, Prekärsein und Prekarität bei BUTLER

BUTLER legt keine explizite Theorie der Anerkennung vor. Dennoch erhält Anerkennung einerseits in ihren subjekttheoretischen Überlegungen eine zentrale Bedeutung, andererseits stellt sie in ihrer theoretischen Deutung politischer Ereignisse in den USA das Verhältnis von Anerkennung und Prekarität ins Zentrum. Auch sie nimmt grundlegend an, dass Subjekte in Anerkennungsverhältnissen konstituiert werden. Ihre anerkennungstheoretische Perspektivierung besteht aber in einer machtkritischen Analyse der Bedingungen von Sichtbarkeit, was sie mit dem Begriff der Anerkennbarkeit formuliert. Sie fragt, "wie diese Normen eigentlich operieren, um bestimmte Subjekte zu 'anerkennbaren' Personen zu machen, während sie zugleich die Anerkennbarkeit anderer Subjekte entschieden erschweren" (BUTLER 2010 [2009], S.14). [33]

An dieser Stelle unterscheidet BUTLER zwischen Prekarität (precarity) und Prekärsein (precariousness).2) Mit precariousness fasst sie die einleitend genannte Verletzbarkeit der Menschen, die als soziale und körperliche Wesen immer auf die Anerkennung anderer angewiesen sind. Für BUTLER sind Anerkennungsverhältnisse somit immer prekär, wobei politische Ordnungen und Regulierungen Prekarität steigern oder abmildern können (S.32). Vor diesem Hintergrund versteht sie Prekarität als ein Machtinstrument.3) [34]

Auf Grundlage von FOUCAULTs (1977 [1975]) Macht- und Subjekttheorie geht BUTLER von einem dezentrierten Subjekt aus. Das Subjekt werde durch Anerkennung nicht positiv in dem bestärkt, was es bereits ist, sondern durch machtvolle Normen der Anerkennbarkeit erst als solches hervorgebracht. Erst durch die Unterwerfung unter diskursiv vermittelte Normen erlange das Subjekt Sichtbarkeit und Handlungsfähigkeit. BUTLER teilt auch nicht HONNETHs Annahme, dass Anerkennung aus den drei Sphären zu einem gelungenen Selbstkonzept führt, sondern argumentiert, dass Anerkennungsverhältnisse ein "fragiles (...) Subjekt" hervorbringen (BUTLER 2003, S.10). Anerkennung ist dabei nicht positiv konnotiert, sondern als produktiv zu sehen, da es dem Subjekt durch die Unterwerfung unter Normen der Anerkennbarkeit möglich werde, als intelligibles Subjekt zu erscheinen. Anerkennung ist im Vergleich zu HONNETH also ambivalenter gefasst. BUTLER (2001 [1997]) geht weiter davon aus, dass sich Normen im Subjekt nicht einfach abbilden. Vielmehr müssen Subjekte sich diese permanent neu aneignen, woraus, so BUTLERs Pointe, auch die Möglichkeit der Normüberschreitung resultieren kann. [35]

3.1.3 Anschlüsse an HONNETH und BUTLER

Einige der skizzierten Überlegungen sind für unsere subjektorientierte, empirische Forschung weiterführend und sozialtheoretisch grundlegend. Auch wir gehen mit HONNETH und BUTLER davon aus, dass Subjekte in intersubjektiven Anerkennungsverhältnissen konstituiert werden. Wir teilen aber weder HONNETHs Annahme, dass Anerkennung in den drei Sphären zwangsläufig zu positiven Selbstkonzepten führt, noch sein grundsätzlich positives Verständnis von Anerkennung. Mit BUTLER gehen wir vielmehr von ambivalenten Anerkennungsverhältnissen aus und knüpfen an ihre Überlegungen zur Verletzbarkeit (Prekärsein) an. Weiter interessieren wir uns mit ihr für die gesellschaftlichen Rahmen der Anerkennbarkeit.4) Von HONNETHs Überlegungen greifen wir sein Sphärenmodell auf, erweitern die drei Sphären jedoch um andere Dimensionen (siehe Tabelle 2). Dabei interessieren uns insbesondere die Wechselverhältnisse dieser Dimensionen, wobei wir BUTLERs Hinweise auf die Ambivalenzen der Anerkennung aufgreifen. [36]

Weder HONNETH noch BUTLER thematisieren prekäre Beschäftigung, jedoch kann mit HONNETH angenommen werden, dass eine prekäre Beschäftigung oft mit Anerkennungsdefiziten einhergeht. Mit CASTEL (2000 [1995]) und BOURDIEU (2004 [1998]) wäre die Frage, ob aus diesen Anerkennungsdefiziten Resignationen und Einschränkungen der Handlungsfähigkeit resultieren. Denkbar wäre aber auch, dass sich aus diesen Anerkennungsdefiziten bei den Befragten ein "Kampf um Anerkennung" (HONNETH 1992) ausbildet. Was bei HONNETH und BUTLER schließlich offenbleibt, sind die konkreten Inhalte der Anerkennung. Mit beiden kann aber theoretisch inspiriert empirisch untersucht werden, wofür prekär Beschäftigte Anerkennung suchen und erhalten (WIMBAUER & MOTAKEF 2020) und welche Wechselverhältnisse auffindbar sind. [37]

3.2 Anerkennung in der empirischen (Prekarisierungs-)Forschung

Während Anerkennung in einigen arbeitssoziologischen Studien beachtet wird (HOLTGREWE, VOSWINKEL & WAGNER 2000; VOSWINKEL 2001), spielt sie in der Prekarisierungsforschung noch kaum eine Rolle. Einige Forscher*innen interessieren sich dafür, wie prekäre Lagen subjektiv erfahren und bewältigt werden (GRIMM 2016; MARQUARDSEN 2012; WEISSMANN 2016), wobei sie eine hohe Bedeutung von Anerkennung auffinden: Nach MARQUARDSEN (2012) versuchen Erwerbslose, in ihren sozialen Netzwerken fehlende Anerkennung aus der Erwerbssphäre zu kompensieren. Nach AMACKER (2012, S.79) werden die Lebenslagen von Frauen, die überwiegend wenig anerkannte Sorgearbeit leisten, prekarisiert, weil sie "außerhalb des Rahmens gesellschaftlich anerkannter Norm- und Wertevorstellungen liegen". [38]

In einer der wenigen Studien der deutschsprachigen Prekarisierungsforschung, in der Anerkennung nicht nur im Ergebnis relevant wird, sondern einen genuinen theoretischen Ausgangspunkt darstellt, zeigen KNABE et al. (2018), wie Anerkennungsdefizite aus der Erwerbssphäre durch fehlende Anerkennung in Nahbeziehungen verstärkt werden. Dabei gehen sie in einer netzwerktheoretischen Perspektive im Anschluss an Harrison C. WHITE davon aus, dass soziale Netzwerke Subgruppen mit eigenen Anerkennungsordnungen ausbilden. Wenn Akteur*innen Anerkennung für eine Identität in einer "Netzwerkdomäne" verweigert wird, bilden sie "alternative Identitäten" in anderen Domänen aus (KNABE et al. 2018, S.190). [39]

Wenn auch nicht mit Bezug auf Prekarität, legt WIMBAUER (2012) eine anerkennungstheoretische Studie über Doppelkarriere-Paare vor. Da sie mit einer an HONNETH anschließenden Perspektive das Verhältnis von Arbeit und Leben fokussiert, bietet sie für uns wichtige Impulse: Sie fragt, welche Anerkennung Doppelkarriere-Paare in der Arbeit und der Liebe suchen und (nicht) finden und welche Ungleichheiten sich hierbei zeigen. Dabei rekonstruiert sie erstens vergeschlechtlichte "Hürden für Anerkennung“, bei denen der Zugang zu einer der beiden Sphären strukturell und intersubjektiv erschwert wird, etwa für Frauen zur Erwerbssphäre nach einer Familiengründung. Zweitens zeigt sie zwei "Fallen" der Anerkennung: qua Liebe und für Leistung. Diese werden u.a. durch Anerkennungsversprechen in der Erwerbssphäre befördert. Als theoretisches Ergebnis bestimmt WIMBAUER (2012) Anerkennung als erstrebtes, aber – unter anderem nach Geschlecht – systematisch ungleich verteiltes Gut. Das Streben nach Anerkennung für Leistung kann aber auch zu einer Determinante sozialer Ungleichheit werden. Anerkennung ist damit, so WIMBAUER (2012) unter Bezug auf das Strukturebenenmodell sozialer Ungleichheit von SOLGA, BERGER und POWELL (2009, S.17f.), eine zentrale Dimension und Determinante sozialer Ungleichheit. Da soziale Ungleichheiten weiterhin stark vergeschlechtlicht sind, betont WIMBAUER (2012), dass das Geschlechterverhältnis ein ungleiches Anerkennungsverhältnis ist. [40]

3.3 Eine anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang

Ausgehend vom Forschungsstand, den theoretischen Überlegungen und empirischen Studien, die Anerkennung behandeln, differenzieren wir unsere anerkennungstheoretische Perspektive als sensibilisierendes Konzept in drei Ebenen (Tabelle 1). Grundsätzlich gehen wir von der relational-intersubjektiven Konstitution des Sozialen und der Subjekte – als Individuen-in-Beziehungen – aus und verorten uns generell in einem anerkennungstheoretischen Rahmen. [41]

Unsere Perspektive fokussiert als erste Ebene die gesellschaftliche Ebene und stellt die Rahmen von Anerkennbarkeit ins Zentrum. Wir unterscheiden zwischen sogenannter Makro- oder gesellschaftlicher Ebene und Mikroebene der Subjekte. Auf der sog. Makroebene (1a) interessieren uns gesellschaftliche Leitbilder und Normen. Beispiele bilden das Leitbild des/der Arbeitsmarktbürger*in, durch das etwa Nichterwerbstätigkeit delegitimiert wird, sowie Geschlechter- und Sexualitätsnormen, wie Heterosexualität und Geschlechterbinarität, durch die nicht heterosexuelle und nicht-geschlechterbinär lebende Menschen Ausschlüsse und Abwertungen erfahren können (1a). Mit Blick auf die hier interessierenden Normen der Anerkennbarkeit (1a) ist zudem relevant, wie sich die gesellschaftlichen Anrufungen zeigen: Wie können die Subjekte (1b) die Normen aufgreifen oder ablehnen – beides aufgrund von welchem (inter-)subjektiven Vermögen und mit welchen (inter-)subjektiven Folgen? [42]

Dieser Aspekt (1b) ist allerdings nicht trennscharf zur zweiten, (inter-)subjektiven Ebene (2), die wir auf Grundlage der gesellschaftlichen Ebene fokussieren und die in unserer Studie im Mittelpunkt steht. Wir untersuchen im Anschluss an HONNETH intersubjektive Anerkennungsverhältnisse und stellen Individuen-in-Beziehungen ins Zentrum. Wir fragen nach der subjektiven Bedeutung der verschiedenen Dimensionen (Tabelle 2) sowie nach der Art und Weise, wie sich intersubjektive Anerkennung in unseren acht Dimensionen zeigt: Suchen die Befragten nach Anerkennung in der jeweiligen Dimension (2a) und falls ja, erhalten sie diese oder wird sie ihnen verwehrt (2b)? Wie erleben sie die Nicht/Anerkennung und welche ambivalenten, destabilisierenden oder auch stärkenden und stabilisierenden Folgen werden im Lebenszusammenhang deutlich? [43]

Die acht Dimensionen sind in Tabelle 2 enthalten, die dazugehörigen analytischen Fragen führen wir in Tabelle 3 (Abschnitt 6.2) auf. Zu betonen ist auch, dass die Unterscheidung der ersten beiden Ebenen nur eine analytische darstellt, da zum einen auf beiden Ebenen Subjekte relevant sind und zum anderen normative Rahmen nicht nur in BUTLERs Überlegungen vorkommen, sondern auch HONNETH diese behandelt. [44]

Während wir erstens Rahmen der Anerkennbarkeit und zweitens intersubjektive Anerkennung ins Zentrum stellten, ziehen wir drittens zentrale Kategorien der Prekarisierungsforschung hinzu (3) (KLENNER et al. 2012, siehe Abschnitt 2.). In Tabelle 1 präsentieren wir unsere um Anerkennung erweiterte Perspektive anhand der drei Blickwinkel. Sie stellt ein zentrales Ergebnis unserer Forschungen dar und ist im rekursiven Prozess empirisch fundierter Theoriegenerierung entstanden. Wir führen sie nur aus dem Grund vor den empirischen Fällen ein, da sie das Verständnis der Empirie erleichtert.

Generelle Perspektive

Unterfragen / ausdifferenzierte Perspektiven der Analyse

1. Gesellschaftliche Ebene:

normativ und diskursiv institutionalisierte / fundierte Rahmen der (ungleichen, prekären) Anerkennbarkeit (BUTLER 2010 [2009]; HONNETH 1992, 2011)

a) "Makroebene" / Gesellschaft:
Normativ-rechtlich und diskursiv-kulturell gespannter Rahmen der Anerkennbarkeit (etwa: Leitbild der Arbeitsmarktbürger*in, Leistungsgesellschaft, heterosexuelle Matrix, Geschlechterordnung)

b) "Mikroebene" / Subjekte:
(inter-)subjektives Vermögen zur und (inter-)subjektive Folgen der Möglichkeit, Normen zu befolgen oder zu überschreiten

2. (Inter-)Subjektive Ebene:

Ermöglichte oder verwehrte (ungleiche, prekäre) intersubjektive Anerkennung in den verschiedenen Anerkennungssphären/Dimensionen (siehe Tabelle 3 und HONNETH 1992; WIMBAUER 2012)

a) Wofür wünschen die Einzelnen Anerkennung (subjektive Relevanz der Anerkennungsformen/-sphären)? Welche subjektive Sinnorientierung weisen die Einzelnen auf?

b) Welche Erfahrungen der Nicht-/Anerkennung (bis zu Missachtung, Entfremdung, Verdinglichung) machen die Einzelnen in den verschiedenen Sphären/Dimensionen?

c) Wie zeigt sich das Wechselverhältnis der Anerkennungssphären/-formen?
Können Anerkennungsdefizite in einer Dimension durch Anerkennung in anderen Dimensionen abgefedert werden? Kumulieren oder verstärken sich Anerkennungsdefizite?
Welche Ambivalenzen von Anerkennung zeigen sich?

d) Welche (geschlechterdifferenzierenden) Ungleichheiten in der Verteilung von Anerkennungschancen und Prekarisierungsrisiken finden sich? Welche strukturellen und intersubjektiven Anerkennungshürden zeigen sich?

3. Ergänzende prekarisierungstheoretische Perspektive (KLENNER et al. 2012; MOTAKEF 2015)

a) Planungs- und Gestaltungsunsicherheiten, Zukunftsperspektiven

b) Einschränkung von Handlungsautonomie, Erfahrungen der Heteronomie und Ohnmacht

Tabelle 1: Generelle anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang [45]

Auf dieser Grundlage und angelehnt an KLENNER et al. (2012) bestimmen wir Prekarität im Lebenszusammenhang als "Gefährdungs- und Unsicherheitslage" (S.218), in der Individuen-in-Beziehungen in vielfältigen Dimensionen ihrer individuellen und familialen Lebensführung Einschränkungen und Anerkennungsdefizite erfahren können, bis dahin, dass sie in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden (WIMBAUER & MOTAKEF 2020). [46]

In der Forschung zu Prekarität im Lebenszusammenhang wurde bisher vor allem aufgezeigt, dass Belastungen kumulieren können (Abschnitt 2.2). Dabei sind insbesondere die Dynamiken, die entstehen können, zu berücksichtigen. Zudem gehen wir davon aus, dass sich Anerkennung in den Dimensionen des Lebenszusammenhangs wechselseitig beeinflusst. So sind Dynamiken denkbar, in denen Prekarität etwa aufgrund von Anerkennungsdefiziten in einer Dimension durch Anerkennung in einer anderen abgefedert oder durch Anerkennungsdefizite in weiteren Dimensionen verstärkt und verhärtet werden kann. [47]

Im Anschluss an den Forschungsstand (AMACKER 2014; KLENNER et al. 2012) sowie an anerkennungstheoretische Überlegungen (Sphärenmodell von HONNETH 1992, 2011) bestimmen wir vorläufig acht Dimensionen von Prekarität im Lebenszusammenhang (siehe Tabelle 2). Anders als in den vorliegenden Konzepten von Prekarität und von Prekarität im Lebenszusammenhang berücksichtigten wir mit HONNETH explizit Anerkennung sowie hierbei die Sphäre des Rechts und der Liebesanerkennung. Die Dimension Wohnen übernehmen wir u.a. von AMACKER (2014) und dem Lebenslagenansatz. Die aus unserer Sicht relevante Dimension des Geschlechterarrangements bei KLENNER et al. (2012) fassen wir als Unterdimension von Liebesanerkennung – und sie ist mit Blick auf geschlechterdifferenzierende Ungleichheiten querliegend in allen Dimensionen relevant.

1. Erwerbsarbeit

2. Einkommens- und Vermögenssituation, finanzielle Absicherung

3. Rechte und (ungleiche) rechtliche Anerkennung

4. Liebesanerkennung (nach HONNETH) in der Sphäre sozialer Nahbeziehung

5. Politische und soziale Teilhabe, soziale Einbindung und Zugehörigkeit

6. Hausarbeit und insbes. Sorge für andere / Care

7. Gesundheit, Selbstsorge und verfügbare Zeit

8. Wohnsituation

Tabelle 2: Dimensionen von Prekarität im Lebenszusammenhang [48]

Diese Dimensionen haben wir in Auseinandersetzung mit dem Material weiter ausgearbeitet (siehe Tabelle 3 in 6.2). Es sind aber nicht immer alle acht Dimensionen und alle Unterdimensionen in der empirischen Rekonstruktion von Prekarität im Lebenszusammenhang bedeutsam. Vielmehr stellt sich im konkreten Fall die empirische Frage, welche Dimensionen im Lebenszusammenhang prekär und damit virulent werden und in welche Dynamiken sie eingebunden sind. Entsprechend deklinieren wir auch in unseren empirischen Beispielen nicht alle Dimensionen aus. [49]

4. Method(olog)ische Grundlagen und Forschungsdesign

Unsere Forschung führten wir im DFG-Projekt "Ungleiche Anerkennung? 'Arbeit' und 'Liebe' im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter" (Wi2142-5-1) durch.5) Was waren unsere method(olo)gischen Grundlagen und das Forschungsdesign? [50]

4.1 Hermeneutische Wissenssoziologie und ein relationaler Ansatz. Method(olog)ische Grundlagen

Nach unseren sozialtheoretischen Grundannahmen werden Subjekte durch intersubjektive Anerkennung konstituiert (siehe Abschnitt 3). Damit sind Individuen nicht als monadische Einzelwesen unser Analysegegenstand, sondern als "Individuen-in-Beziehungen" in ihrer sozialen Eingebundenheit und in ihrer Verflechtung mit weiteren gesellschaftlichen Kontexten (WIMBAUER 2003, 2012; WIMBAUER & MOTAKEF 2017a, 2017b). Methodologisch verorten wir uns im Interpretativen Paradigma und verfolgen einen sozialkonstruktivistischen, subjektorientierten, sinnrekonstruktiv-verstehenden sowie relationalen Ansatz, weswegen wir in unserer Studie ein offenes, qualitatives Erhebungs- und Auswertungsverfahren gewählt haben. [51]

Im Anschluss an die verstehende Soziologie (WEBER 1972 [1921]) interessieren wir uns für das sinnhafte soziale Handeln der Subjekte. Wir folgen der Tradition des symbolischen Interaktionismus im Anschluss an SIMMEL (1992 [1908]), MEAD (1973 [1934]) und BLUMER (1969) und gehen von sinnvermittelt und sinnhaft handelnden Individuen-in-Beziehungen aus. In unserem Material rekonstruieren wir den in Interaktionen geschaffenen subjektiven Sinn – und bei den Paaren: den inter-subjektiven Sinn (WIMBAUER & MOTAKEF 2017a, 2017b). [52]

Wir verorten uns in der hermeneutischen Wissenssoziologie (HITZLER, REICHERTZ & SCHRÖER 1999; SCHRÖER 1994; SOEFFNER 1999). In diesem Sinne ist unser Subjektverständnis zwar von BUTLERs Essentialismus-Kritik sensibilisiert (siehe 3.1.2). Wir gehen aber von mit Wissen ausgestatteten, sinnkonstituierenden und sinnverarbeitenden Handelnden aus, die ihre Wirklichkeiten in Interaktionen herstellen. Wir teilen BERGER und LUCKMANNs (2013 [1969]) Annahme, dass (inter-)subjektiver Sinn in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Normen und institutionalisierten Wissensbeständen entsteht. Gleiches gilt für ihre sozialkonstruktivistische Annahme, dass es keine von den Individuen unabhängige objektive Wirklichkeit gibt und gesellschaftliche Wirklichkeit ein durch sinnhafte menschliche Handlungen erzeugtes Phänomen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass Wirklichkeit individuell und beliebig veränderbar wäre (a.a.O., vgl. auch WIMBAUER 2003, 2012; WIMBAUER & MOTAKEF 2017b). [53]

4.2 Forschungsdesign und Durchführung der Interviews

Wir fokussierten die Anerkennungswünsche und -defizite prekär Beschäftigter und die Wahrnehmung, aber auch Bewältigung von Nichtanerkennung im Lebenszusammenhang: Kann fehlende Anerkennung etwa aus der Erwerbssphäre mit Liebesanerkennung abgefedert oder gar kompensiert werden (WIMBAUER & MOTAKEF 2018, 2020)? Ausgehend von der Anerkennungssphäre der Liebe bei HONNETH (Dimension 4) untersuchten wir prekär beschäftigte Paare und prekär Beschäftigte, die nicht in einer Paarbeziehung leben. [54]

Unsere Samplingkriterien umfassten eine prekäre Beschäftigung wie Teilzeit, eine geringfügige oder zeitlich flexible Beschäftigung (im Anschluss an BRINKMANN et al. 2006) oder Arbeitslosigkeit, ein geringes Einkommen (orientiert an der Armutsrisikogrenze), eine geringe bis mittlere Bildung sowie ein Alter zwischen 25 und 50 Jahren. Bei den Paaren sollten beide Partner*innen prekär beschäftigt sein und sich selbst als Paar verstehen. [55]

Deutschlandweit führten wir zwischen 2014 und 2016 teilleitfadengestützte, teilnarrative Interviews mit 24 prekär Beschäftigten. Wir befragten acht Paare (sieben heterosexuell, eines homosexuell) und acht prekär Beschäftigte (vier Männer, vier Frauen), die keine Paarbeziehung haben. Mit den Paaren führten wir Paarinterviews (WIMBAUER & MOTAKEF 2017a, 2017b) und in einigen Fällen in einem zeitlichen Abstand von einem halben Jahr vertiefende Einzelinterviews.6) [56]

Trotz intensiver Interviewakquise erwies sich diese insgesamt und besonders bei den Paaren als sehr herausfordernd.7) Häufig verweigerten die Partner das Interview, wenn die Partnerinnen den Kontakt zu uns herstellten. Als herausfordernd erwies sich auch das Kriterium einer geringen bis mittleren Bildung, da wir überwiegend von gut Qualifizierten kontaktiert wurden und deswegen in unserem Sample sechs der 24 Befragten über einen Hochschulabschluss verfügen. [57]

In unseren teilleitfadengestützten teilnarrativen Interviews (angelehnt an SCHÜTZE 1983) hatte die Eingangsfrage eine herausgehobene Bedeutung. Dabei setzten wir einen breiten erzählgenerierenden Erzählstimulus ein. Bei den Paaren fragten wir: "Wie sind Sie ein Paar geworden?", die Beschäftigten ohne Paarbeziehung: "Wie ist es dazu gekommen, wie Sie heute leben, lieben, wohnen und arbeiten?". In den folgenden Frageblöcken thematisierten wir einleitend möglichst offen und erzählgenerierend, abschließend spezifischer werdend Lebensbereiche wie Erwerbsarbeit, Finanzen, Paarbeziehungen, Hausarbeit, Familie, Kinder, Für/Sorge, Freundschaften, Nahbeziehungen, Freizeit, Sinnstiftung, Sozialstaat, Wünsche und Zukunftsvorstellungen. Die Interviews dauerten drei bis fünf Stunden. [58]

Das von uns verwendete Paarinterview hat im Vergleich zum Einzelinterview deutlich Vorteile, wenn die Ebene des Paares von Interesse ist (WIMBAUER & MOTAKEF 2017a, 2017b). Insbesondere kann es die konkreten Interaktionen der Partner*innen in situ erfassen (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014 [2008]). In Paarinterviews lassen sich konsensuelle oder nicht konsensuelle Erzählungen über Aushandlungen und Interaktionen nachzeichnen und somit Auskünfte über die geteilten oder nicht geteilten Deutungen und Wirklichkeitskonstruktionen (BERGER & KELLNER 1965) von Paaren gewinnen. Zusätzlich zu den Paarinterviews führten wir in verschiedenen Fällen auch Einzelinterviews mit beiden Partner*innen, in denen wir Nachfragen sowie stärker individuell biografische als im Paar relevante Aspekte thematisiert haben. [59]

Wir zeichneten die Interviews mit einem Aufnahmegerät auf und ließen sie durch ein Transkriptionsbüro wortgenau verschriftlichen. Alle Fälle wurden anonymisiert. Die Interviews werteten wir im Anschluss an die theoretischen und methodologischen Grundlagen der wissenssoziologischen Hermeneutik (HITZLER et al. 1999; SCHRÖER 1994) aus. Wie lief also die Auswertung genau ab? Im Projektteam erfolgte eine Wort-für-Wort Interpretation (Bildung von Lesarten) der Eingangserzählung und ausgewählter Schlüsselstellen mittels der hermeneutischen Sequenzanalyse. Das gesamte Interviewmaterial wurde von uns zudem extensiv paraphrasiert. Bei der Interpretation berücksichtigen wir zudem die soziodemografischen Daten und ausgefüllten Lebenslauftabellen der Befragten. Im mehrstufigen hermeneutisch-fallrekonstruktiven Forschungsprozess erarbeiteten wir Fallstrukturhypothesen und Einzelfallrekonstruktionen, die wir fortlaufend im Fallvergleich anhand aller unserer interessierenden Dimensionen kontrastierten. Erst zuletzt nahmen wir eine theoretische Generalisierung vor (siehe ausführlich WIMBAUER & MOTAKEF 2020). [60]

Wir verstehen unsere nachfolgend dargestellten Fälle als empirisch begründete Schlüsselfälle, anhand derer wir exemplarisch – und nicht vollständig! – wichtige Wechselwirkungen von prekärer Anerkennung, prekärer Liebe und anderen Lebensbereichen bei prekär Beschäftigten aufzeigen und das Potenzial unserer mehrdimensionalen Heuristik illustrieren. Dies kann selbstredend hier weder vollumfänglich noch abschließend erfolgen. [61]

5. Nicht/Anerkennung im Lebenszusammenhang. Empirische Fallbeispiele

Anhand der nachfolgenden empirischen Beispiele veranschaulichen wir die Erkenntnismöglichkeiten unserer anerkennungstheoretischen Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang (Tabelle 1). Grundlage sind die in Tabelle 2 aufgeführten Dimensionen, die wir allerdings nicht in jedem Fall vollständig durchexerzieren.8) [62]

5.1 Ambivalente Liebesanerkennung und ihre destruktiven Dynamiken: Ulrike Urban

Ulrike Urban9) ist Mitte vierzig und lebt alleine. Sie empfindet großes Leiden darüber, keine Familie gegründet und trotz vieler Bemühungen keine qualifizierte Beschäftigung gefunden zu haben. Urban hat eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin absolviert. Einige Zeit nach ihrer Ausbildung muss sie aber feststellen, dass sie sich nur schwer von dieser Tätigkeit distanzieren kann und sich "damit (…) gesundheitlich völlig ruiniert" hat. Sie absolviert daher ein Doppel-Studium, ihre Bewerbungen danach sind jedoch erfolglos und Urban wird nach einer Zeit des Arbeitslosengeld II-Bezuges wieder in der Pflege tätig. In unserer Rekonstruktion arbeiten wir Ambivalenzen in der Dimension der Liebesanerkennung (Dimension 4) heraus und zeigen, wie sich im Wechselspiel der Dimensionen der Erwerbsarbeit (Dimension 1), des Einkommens (Dimension 2), der sozialen Teilhabe (Dimension 5), der Sorge für andere (Care) (Dimension 6), der Selbstsorge (Dimension 7) und des Wohnens (Dimension 8) destruktive Dynamiken in Gang setzen (siehe auch WIMBAUER & MOTAKEF 2020). [63]

Zum Zeitpunkt des Interviews pflegt Urban bereits seit einigen Jahren den schwer pflegebedürftigen Uwe Ullner. Obwohl sie nur zwei Stunden pro Tag bezahlt wird, pflegt sie ihn ganztags und auch am Wochenende. Ihr Vertrag ist befristet und wenn Ullner stirbt, endet auch Urbans Pflegetätigkeit. Die Beschäftigung ist zudem geringfügig und damit kaum sozialrechtlich abgesichert, weshalb sie die Kriterien einer prekären Beschäftigung in einer institutionell-rechtlichen Dimension (Dimension 1 Erwerbsarbeit) erfüllt. Da Ulrike Urban nur ein geringes Einkommen erhält und kaum Ersparnisse hat, ist sie auch in einer materiell-reproduktiven Dimension äußerst prekär (Dimension 2). Ihre prekäre Beschäftigungs-, Einkommens- und Vermögenssituation belasten sie. Sorgenvoll blickt sie in die Zukunft, für die sie fürchtet "arm, alt, krank" zu sein, was für sie "der Horror" ist – doch sie hat nur wenig Hoffnung, dies noch abwenden zu können. [64]

Ulrike Urban sehnt sich mehr als alles andere nach – ihr verschlossener – Liebesanerkennung (Dimension 4). Im Interview kommt sie immer wieder darauf zurück, keinen Partner und keine Familie gegründet zu haben:

"Ich hätte gerne Familie und Kinder gehabt. Das hat sich leider nicht ergeben. (...) Also das ist wirklich schon das ist ahm das ist schon 'ne harte Sache (...) also wo ich mich nach wie vor in so 'm Trauerprozess befinde". [65]

In Freundschaften findet sie für ihre Suche nach Liebesanerkennung durch einen Partner/Ehemann und durch Familie/Kinder kein Äquivalent. Mit dem Ausmaß und der Qualität ihrer sozialen Beziehungen ist sie sehr unzufrieden. Zu ihrem Bedauern fehle ihr die Zeit zur Freundschaftspflege. Die wenigen Freund*innen hätten zudem "wenig Verständnis" für ihre Pflegetätigkeit. Aus diesem Grund halte sie ihre gesamte Pflegesituation aus ihren Freundschaften "da so heraus". Womöglich deshalb – so eine Interpretation – findet ein wechselseitiger Rückzug aus den wenigen noch bestehenden Freundschaften statt. Andere soziale Beziehungen oder soziale und kulturelle Teilhabe (Dimension 4 und 5) werden von Ulrike Urban nicht oder nur abschlägig erwähnt. Auch ihre Wohnsituation (Dimension 8) – sie wohnt nach eigenen Angaben klein und abgelegen – würde sie gerne ändern. Freund*innen (und auch uns) möchte sie dort nicht empfangen. [66]

Weshalb aber hält Ulrike Urban die prekäre Pflegesituation aufrecht? Sie pflegt Ullner, weil sie ihn "so wahnsinnig gern" habe und es "nicht übers Herz bringen könnte", ihn dem Pflegedienst zu überlassen, den sie für äußerst schlecht hält. Die "besondere Beziehung" zu Uwe Ullner ist ihr enorm wichtig: Sie mag ihn und vor allem würde er sie mögen und brauchen, bzw. genauer, sie fühlt sich von ihm gebraucht: "[N]a klar so irgendwie von Uwe werd' ich gebraucht". [67]

Eine Interpretation lautet, dass Ulrike Urban in ihrer Beziehung zu Uwe Ullner die Liebesanerkennung sucht, die sie eigentlich in der nicht existenten eigenen Familie und Paarbeziehung erstreben würde (Dimension 4 Liebesanerkennung). In ihrer Beziehung zum Pflegebedürftigen findet sie Anerkennung in Form der HONNETHschen Liebesanerkennung als ganze Person, würde doch Uwe Ullner sie mögen und brauchen. Man könnte argumentieren, dass Ulrike Urban zwar keine Liebesanerkennung von einem Partner, aber von Uwe Ullner erhält. [68]

Doch die Liebesanerkennung, die sie aktualisieren kann, ist asymmetrisch – sowohl aus ihrer eigenen Sicht (sie sagt etwa, er brauche sie mehr als sie ihn) als auch in der Rekonstruktion (sie sorgt für ihn und anerkennt ihn in seinen Bedürfnissen, er kann dies aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit jedoch nicht). Was also das Argument, sie wäre in der Liebesanerkennung nicht prekär eingebunden, infrage stellt, ist unsere Interpretation, wonach ihre Beziehung eine destruktive Symbiose darstellt: Aufgrund der – nach einer Deutung: verzweifelten – Suche nach Liebesanerkennung, die sie von dem zu Pflegenden zu bekommen wünscht und glaubt, kann Ulrike Urban sich keine andere, sicherere Beschäftigung suchen (Dimension 1, 2), ihre Freundschaften nicht pflegen (Dimension 4, 5), gefährdet ihre Gesundheit und Selbstsorge (Dimension 7) und kann auch ihre Wohnsituation nicht ändern. [69]

Ulrike Urban formuliert selbst einige dieser Deutungen. So spricht auch sie von einer symbiotischen Beziehung zum Pflegebedürftigen: "[J]a das ist schon das ist eben so ne Symbiose na mehr von ihm als von mir". Auch empfindet sie die Pflegesituation selbst als "sehr belastend. Geb ich auch unumwunden zu, dass so ne Belastungsgrenze erreicht ist, die sich jetzt nicht so einfach auflösen lässt". An anderer Stelle sagt sie: "[D]urch die Pflege die ich da leiste – ich schade mir – im Grunde genommen damit selbst". Handlungs- und Veränderungspotenzial sieht sie jedoch keines. [70]

Insgesamt zeigen sich in der Falldeutung Defizite in der Liebesanerkennung, die in den Dimensionen des Lebenszusammenhangs destruktive Dynamiken in Gang setzen: Urban leidet darunter, unsicher beschäftigt zu sein und über wenig Geld zu verfügen und damit auch nicht planen zu können. Doch kann sie an ihrer Situation nichts ändern. Sie verlagert ihre Anerkennungssuche in ihre Pflegebeziehung. Sie wird dort, so ihre eigene Deutung, "gemocht" und "gebraucht" und erhält – so unsere Interpretation – eine Form von intersubjektiver, wenn auch asymmetrischer und damit ambivalenter Liebesanerkennung. Die ambivalente "Liebes-"Anerkennungsbeziehung schränkt die Selbstsorgemöglichkeiten für Ulrike Urban ein, ist gesundheitlich, körperlich und psychisch belastend (Dimension 7 Gesundheit, Selbstsorge und verfügbare Zeit), verhindert die durchaus von ihr gewünschte Suche und Aufnahme einer besser bezahlten Erwerbsarbeit (Dimension 1 Erwerbsarbeit und 2 Einkommen) und trägt zu Ulrike Urbans Rückzug aus den wenigen noch vorhandenen Freundschaftsbeziehungen und dem Verschweigen von ihr wichtigen persönlichen Aspekten in den Beziehungen bei (Dimension 5 politische und soziale Teilhabe, soziale Einbindung und Zugehörigkeit). [71]

Eben zeigten wir, wie Ulrike Urban ihre Suche nach Liebesanerkennung in ihre Pflegebeziehung verlagert und sich die Anerkennung, die sie dort erhält, als ambivalent erweist. Im Folgenden stellen wir Rekonstruktionen dar, die auf Paarinterviews basieren. Anders als im eben präsentierten Fall wird dabei deutlich, wie Nicht/Anerkennung in der Paarbeziehung prozessiert werden kann, d.h. wie Paare sich wechselseitig Anerkennung zollen und vorenthalten und sie auch dabei Prekarität im Lebenszusammenhang verfestigen und abmildern können. Im ersten Fall rekonstruierten wir, wie wechselseitige Liebesanerkennung zu einer Ressource für das Paar werden kann. [72]

5.2 Pepo und Patricia Poturica: Liebesanerkennung und starker Paarzusammenhalt nach innen, fragiles Alleinernährer-Arrangement nach außen

Patricia (25) und Pepo Poturica (28) sind seit zehn Jahren ein Paar und leben mit ihren drei Kindern (2, 4 und 7 Jahre alt) zusammen. Er ist Alleinernährer der Familie, sie kümmert sich als Hausfrau um die Kinder und den Haushalt. Patricia Poturica brach ihre Ausbildung wegen ihrer ersten Schwangerschaft ab und ist seitdem nicht erwerbstätig. Pepo Poturica ist gelernter Asphaltbauer und arbeitete einige Jahre in seinem Beruf, wechselte aber den Betrieb, als sich wegen einer neuen Leitung Einkommenseinbußen ankündigten. In unserer Fallrekonstruktion arbeiten wir heraus, wie das Paar durch seine wechselseitige Liebesanerkennung den Paarzusammenhalt stärkt und dadurch erwerbsseitige und andere Anerkennungsdefizite in den Hintergrund treten können. Indem sie sich an der geschlechterdifferenten Arbeitsteilung orientieren, erleben sie sich als harmonisches Liebespaar und gutes Elternteam. Was ihnen selbst als kohärent und stimmig erscheint, zeigt sich aber von außen betrachtet als ambivalent und fragil. Dies arbeiten wir anhand der Wechselwirkungen in den Dimensionen der Liebesanerkennung (Dimension 4), der Erwerbsarbeit (Dimension 1), des Einkommens (Dimension 2) und der Gesundheit (Dimension 7) heraus. [73]

Nach seinem Wechsel wird Pepo Poturica in seiner neuen Arbeitsstelle nur als Hilfsarbeiter eingesetzt, obwohl ihm bei Einstellung in Aussicht gestellt wurde, dass er als Facharbeiter gebraucht und bezahlt würde. Auf seine Nachfragen, wann er denn wieder als Asphaltbauer tätig werden kann, wird er mit Verweis auf eine andauernd schlechte Auftragslage vertröstet. In unserer Rekonstruktion ist Pepo Poturica darüber frustriert und fühlt sich degradiert (Dimension 1 Erwerbsarbeit). Seine Anstrengungen, die er in seine Ausbildung gesteckt hat und seine Berufserfahrungen in seinem alten Betrieb scheinen ihm nichts mehr wert zu sein: "Ich hab mit mit Absicht früher schon angefangen, irgendwie n Beruf zu zu lernen, damit ich erst gar nicht in diese Situation gerate, und jetzt (...) geh ich grad wieder einen Schritt zurück". [74]

Während sich in der Erwerbssphäre bei Pepo Poturica Anerkennungsdefizite rekonstruieren lassen, zollt sich das Paar in der Paarbeziehung wechselseitige Liebesanerkennung und findet einen starken Zusammenhalt (Dimension 4 Liebesanerkennung). Dieser basiert auch auf ihrer Elternschaft: Patricia Poturica erzählt, wie herausfordernd es für sie anfangs war, Eltern zu sein, da sie sich noch nicht lange kannten und Patricia zum Zeitpunkt der Schwangerschaft noch sehr jung war. Rückblickend habe sie aber die gemeinsame Verantwortung als Paar gestärkt:

"Also wir sind durch die Kinder sind wir enger zusammengekommen, muss ich schon sagen. Das ist Hand in Hand, wenn man das nicht Hand in Hand macht, dann … also entweder man trennt sich dann lieber oder es funktioniert, man hält zusammen und dann passt das". [75]

Wie beide sagen, sind sie aber nicht nur "gute Eltern", vielmehr hält sie auch die "LIEBE an sich" als Paar zusammen, so Patricia Poturica. Sie könne sich "ein Leben ohne IHN gar nicht mehr vorstellen". Auch Pepo Poturica bringt zum Ausdruck, was er an ihr wertschätzt: "[W]as ich halt gut finde an ihr ist wirklich, dass sie immer mit mir mit harmoniert (…) also sie sie geht mit mir durch dick und dünn. Also das find ich gut (…), dass sie hinter mir steht". [76]

In unserer Rekonstruktion hat das Paar einen starken Paarzusammenhalt, der auf ihrer gemeinsamen Elternschaft und auf ihrer wechselseitigen Liebe basiert. Das Paar erlebt sich zudem, so unsere Rekonstruktion, auch maßgeblich deswegen als gut funktionierendes Team, da es sich an der geschlechterdifferenten Arbeitsteilung orientiert und dies für sich als stimmig und kohärent erfährt. Konsensuell erläutert das Paar uns seine qua Geschlecht klar geregelte Arbeitsteilung (Dimension 4 Liebesanerkennung / Geschlechterarrangements):

Pepo Poturica:

Alles, was im Haushalt ansteht und in der Erziehung der Kinder, fällt in ihren Arbeitsbereich

Patricia Poturica:

Ich zu 99 Prozent (lacht). Aber wenn er daheim ist, dann spielt er mit ihnen auch natürlich. Aber alles was so ansteht, Kochen Windeln wechseln, Umziehen, Baden, das tu alles ich, das mache ich. Das ist mein Job, das ist meine Arbeit und ich mache sie auch mit Herz und Seele=

Pepo Poturica:

=ja=

Patricia Poturica:

=und da verlang ich von ihm auch überhaupt gar nix=

Pepo Poturica:

=nee null=

Patricia Poturica:

=Er geht arbeiten=

Pepo Poturica:

=ganz im Gegenteil=

Patricia Poturica:

=das ist sein Part und mein Part sind einfach die Kinder. [77]

Diese Arbeitsteilung erleichtere ihren Alltag, da sie nicht verhandeln müssen, wer was erledigen soll. Da Pepo Poturica aber nur als Hilfsarbeiter vergütet wird, ist es für die Familie finanziell sehr eng (Dimension 2 Einkommen). Vor allem für die Kinder sei "immer wieder mal was zu zahlen", so Patricia Poturica. Sie mache sich häufig große Sorgen und kann nachts deswegen oft nicht schlafen: "Es gibt bei uns echt Monate, wo ich sag, wir kommen echt nur haarscharf durch". [78]

Das Paar zieht aber nicht in Betracht, dass Patricia Poturica dazu verdient: Sie habe keine Ausbildung und keine Erwerbserfahrungen, vor allem aber könne sie sich nicht vorstellen, eine Beschäftigung aufzunehmen, weil sie für ihre Kinder da sein möchte. Patricia Poturica erlebt es in unserer Interpretation auch nicht als Anerkennungsdefizit (Dimension 1 Erwerbsarbeit), nicht erwerbstätig zu sein, da für sie die Kinder oberste Priorität haben (Dimension 6 Sorge für andere). In ihren ersten drei Lebensjahren besuchten die Kinder keine Betreuungseinrichtungen, allein schon wegen der hohen Gebühren: "[D]a zahlst du dich tot und dämlich". Vor allem aber sei dies in ihrer Wahrnehmung für die Kinder ohnehin besser. [79]

Patricia Poturica stellt im Paarinterview mehrfach heraus, dass auch ihre Tätigkeit hart ist und sie für die Kinder und im Haushalt einen großen Einsatz bringt: "Da steht schon viel an. Also ich steh morgens um halb sieben auf und geh abends teilweise um elf halb zwölf ins Bett und bis dahin bin ich nur am Rennen". Darin wird sie auch von Pepo Poturica unterstützt, der ebenfalls ausführt, wie lange seine Frau arbeite. Er würde längst schlafen, wenn sie mit ihrer Arbeit zu Ende sei. Er müsse sie sogar regelmäßig davon abhalten, noch mehr zu arbeiten. [80]

Während das Paar einen starken Zusammenhalt hat und sein gemeinsames Leben mit den Kindern als stimmig erlebt, wird die Familie aber von Nachbarn, im Kindergarten und der Schule "abgestempelt". In Patricia Poturicas Deutung liegt dies daran, dass sie eine junge Mutter ist:

"Ja da gehst'e zum Elternabend, dann guckt ein' die Lehrerin an so auf die Art äh ich wurde auch schon gefragt 'Sind Sie die Schwester?' Sag ich 'Nee ich bin die MAMA'. Ach so ah so'. Ja da wirst du nicht wirklich anerkannt da ach, du bist die junge Dumme, die kriegt sowieso nix auf die Reihe, auf gut Deutsch gesagt". [81]

Patricia Poturica verteidigt sich, so unsere Rekonstruktion, gegen diese von ihr wahrgenommenen Vorbehalte gegen ihre Familie. Dies sei nur der "erste Eindruck", den sie als Familie offenbar abgeben:

"Wenn Leute uns sehen, die denken erstmal UHH. Aber wenn se dann in unser Leben reinschnuppern und gucken, was wir machen, wie wir LEBEN, wie wir uns geben, dann sind doch sehr viele von uns positiv überrascht und sagen 'Wow. Hätte ich gar nicht gedacht, dass ihr das so' oder auch zu mir: 'Hätt ich nicht gedacht, dass du das so gut managst mit drei Kindern oder er regelmäßig arbeiten geht' ja". [82]

Sie seien nicht "asozial", sondern präsentieren sich als eine anständige und respektable Familie, auch wenn sie eine junge Mutter ist. Sie und ihr Mann leisten ihre jeweiligen, geschlechterdifferenten Aufgaben und Arbeiten bestmöglich: Sie kümmert sich umfassend um die Kinder, er verdient das Geld. In der Rekonstruktion resultiert daraus jedoch, dass Pepo Poturica unter keinen Umständen arbeitslos werden darf, da dies die in ihrer Wahrnehmung sehr wichtige Anerkennbarkeit als respektable Familie und damit die soziale Existenz der Familie gefährden würde. Weiter wäre auch die ökonomische Existenz der Familie bedroht. Da es für sie, wie eben gezeigt, auch keine Alternative ist, Familienernährerin zu werden, erhebt sie im Paarinterview die Forderung an ihn, auf keinen Fall seine Beschäftigung zu kündigen. Würde er dies tun, würde er in ihrer Wahrnehmung die Familie und sie im Stich lassen:

"Aber man denkt halt ok ich kneif die Arschbacken noch ne Weile zusammen, weil das ist uns wichtig, das ist, wenn du sagst von heut auf morgen nöö da geh ich nicht mehr hin, pfhh was mache ich dann? Dann können wir hier ausziehen, dann können wir's Auto verkaufen, dann geht gar nichts mehr und dann sitz ich da mit drei Kindern". [83]

Erst gegen Ende des Paarinterviews wird offenbar, warum eine mögliche Aufgabe der Beschäftigung für Patricia Poturica überhaupt ein solch wichtiges Thema ist: Pepo Poturica entwickelte eine starke Stauballergie, weshalb ihm seine behandelnden Ärzte und Ärztinnen dringend rieten, die Beschäftigung auf der Baustelle umgehend aufzugeben, da eine Schädigung seiner Lungenfunktion drohe. Für beide kommt aber eine Beendigung seiner Beschäftigung nicht infrage: Er will erst kündigen, wenn er eine neue Tätigkeit gefunden hat. [84]

Nach unserer Rekonstruktion hat das Paar einen starken Paarzusammenhalt und ihnen erscheint ihr geschlechterdifferentes Arrangement als kohärent, stimmig und funktional. Wir argumentierten, dass das Paararrangement durch die wechselseitige Liebesanerkennung nach innen gestärkt wird, es sich aber von außen betrachtet als ambivalent und brüchig darstellt, da sich das Paar durch Pepo Poturicas drohende Berufs- oder gar Erwerbsunfähigkeit in einem Dilemma befindet: Arbeitet Pepo Poturica weiter auf der Baustelle, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand. Kündigt er, wäre dies für seine Gesundheit förderlich, aber er würde die materielle Existenz, die Respektabilität und Anerkennbarkeit der Familie gefährden. Wie für das Alleinernährer-Modell konstitutiv, ist Patricia Poturica materiell (und anderweitig) von ihrem Partner abhängig und Pepo Poturica kann seine Familie im Krankheitsfall nicht alleine ernähren. [85]

5.3 Caroline Christiansen und Clemens Caspar: Nichtanerkennung in einem Familienernährerinnen-Arrangement

Caroline Christiansen (46) und Clemens Caspar (49) leben mit ihren beiden jugendlichen Kindern in einem Familienernährerinnen-Arrangement. Caroline Christiansen arbeitet auf freier Basis für eine Zeitung, verdient weitgehend alleine das Geld und kümmert sich zum Zeitpunkt des Interviews auch nahezu alleine um Kinder und Haushalt. Clemens Caspar betreibt tagsüber bis zum Abend ein kleines Café, mit dem er allerdings kaum Geld verdient. Beide teilen die Leidenschaft für Naturschutz und haben sich viele Jahre ehrenamtlich in lokalen Projekten engagiert, Caroline findet dafür aber keine Zeit mehr. Wir zeigen, dass das Paar ungleich von Prekarität im Lebenszusammenhang betroffen ist, was wir neben anderen Faktoren auf Clemens Caspars Geringschätzung von Erwerbsarbeit, seine Nichtanerkennung ihrer Bedürfnisse und ihrer Leistungen als Familienernährerin zurückführen. Die Dimensionen, in denen wir Wechselverhältnisse ausleuchten, sind Erwerbsarbeit (1), Einkommen (2), Rechte (3), Liebesanerkennung (4), soziale Teilhabe (5) und Sorge für andere (Care) (6). [86]

Clemens Caspar hat nach seiner Ausbildung nur kurz in seinem Beruf gearbeitet und war seitdem arbeitslos oder prekär beschäftigt (Dimension 1 Einkommen). Wie er betont, war es nie sein Ziel, in einem Normalarbeitsverhältnis zu stehen. Überhaupt sei Erwerbsarbeit für ihn nicht von großer Bedeutung. Er habe nie nachvollziehen können, wenn Menschen sich stark mit ihrer Erwerbsarbeit identifizieren:

"Also dieses so jemand der weiß ich, so diese komischen Partys, wenn man so Anfang zwanzig oder was machst denn du was machst denn du und dann alle erzählt haben, wie toll sie alle Jobs haben und was sie alles und wie wichtig sie sind." [87]

Für ihn habe Erwerbsarbeit "nicht so diesen Stellenwert, ich muss unbedingt eine Einstellung finden um mich gut zu fühlen". Sie sei nur wichtig "aus wirtschaftlichen Gründen natürlich ja". Wenn seine Arbeitsverträge ausliefen, machte er sich nie Sorgen, "oh weia, jetzt verlier ich meine Arbeit". Er füllt seine freie Zeit vielmehr mit Tätigkeiten, die er als sinnvoll erachtet: "Ich könnte durchaus ohne diesen also ohne diese Arbeit leben, weil ich genug andere Dinge zu tun habe. Also ich hab Beschäftigung. Ja natürlich eine sinnvolle Beschäftigung." Dazu zählt er die Zeit, die er früher mit seinen damals noch kleinen Kindern verbracht hat, und sein Engagement in Naturschutzprojekten (Dimension 5 soziale Teilhabe). Zum Zeitpunkt des Interviews betreibt er sein Café. Dies bereitet ihm große Freude, auch da er häufig Besuch von seinen Bekannten aus der Nachbarschaft erhält. [88]

Caroline Christiansen ist Freelancerin bei einer Zeitung. Als sie dort anfing, wurde ihr eine Festanstellung in Aussicht gestellt. Mit großem Eifer arbeitete sie in einem Ressort, in dem sie auch über lokale Naturschutzprojekte berichten konnte. Doch ihre Euphorie verblasste schnell. Das Zeitungsunternehmen wurde umstrukturiert und statt einer Festanstellung kamen Sparmaßnahmen, Stellenabbau und eine hohe Arbeitsverdichtung. In ihrem Ressort wurde sie nicht mehr gebraucht, aber sie erhielt die Gelegenheit, in ein aus ihrer Sicht unattraktives und langweiliges Regionalressort zu wechseln. Am liebsten hätte sie das Angebot abgeschlagen. Da sie aber ihre Chancen für eine neue Beschäftigung als gering erachtet und die Verantwortung für ihre Familie trägt, stimmt sie zu: "Na ja also ich mach das halt um die Familie über die Runden zu bringen. Ich hab keine Alternative so also in meinem Alter brauch ich auch gar nicht groß hier irgendwelche Bewerbungen ausfüllen. Ist völlig sinnlos". [89]

Während wir bei Clemens Caspar keine Anerkennungsdefizite angesichts seiner prekären Erwerbsbiografie fanden, rekonstruierten wir bei Caroline Christiansen große Anerkennungsdefizite, nur als freie Mitarbeiterin und zudem in einem uninteressanten Ressort zu arbeiten. Frustriert und verärgert kommt Caroline Christiansen regelmäßig nachhause und würde ihrem Partner gerne direkt berichten. Clemens Caspar schlägt ihr diesen Wunsch aber ab, da es für ihn, so unsere Rekonstruktion, heuchlerisch ist, wenn sie über ihre Arbeit schimpft. Anders als er brauche sie ihre Arbeit für sich selbst:

Clemens Caspar:

Na bei dir ist ja anders, du brauchst ja 'ne Ar also bei ihr ist wirklich sie braucht einfach ne Arbeit. Also ich denke, sie definiert sich mehr über Arbeit, als ich das mache (…) und ja, ohne würde sie kaputt gehen. Und sie ist natürlich schon auch im Moment äh fühlt sie sich in der Pflicht auch wirtschaftlich hier einfach äh das soweit am Laufen zu halten und geht deswegen auch arbeiten. Also dass du sagst du würdest, wenn’s dir aussuchen könntest, was anderes machen oder das nicht mehr machen. Das ist ja nicht so. Du brauchst das ja wirklich=

Caroline Christiansen:

= Ich würde weniger machen dafür was anderes (…)

Clemens Caspar

Neeeee (…)

Caroline Christiansen:

Doch=

Clemens Caspar:

=Du brauchst das. (…)

Caroline Christiansen:

(…) ich könnt auch da weniger also machen. Wenn’s reichen würde so finanziell.

Clemens Caspar:

Na ja, reicht so auch nicht. Von daher ist das eigentlich egal letztendlich. [90]

In unserer Interpretation unterstellt Clemens Caspar in dieser Interaktion seiner Partnerin, nicht zu arbeiten, weil sie die Familie ernähren müsse, sondern weil sie gar nicht anders könne. Sie benötige ihre Arbeit gewissermaßen für ihr Sein und ihr Sosein (MOTAKEF 2019a, 2019b; WIMBAUER & MOTAKEF 2020). In unserer Rekonstruktion verweigert er seiner Partnerin auf diese Weise Anerkennung für ihre Leistung, die Familie zu ernähren (Dimension 2 Einkommen) und für ihr Sosein (Dimension 4 Liebe). Seinen Hinweis, ihr Einkommen sei ohnehin nicht ausreichend ("eigentlich egal letztendlich"), interpretieren wir als Ab- und Entwertung ihrer Erwerbstätigkeit als unnötig, sinn- und nutzlos. [91]

Caroline Christiansen weist dies von sich und wiederholt mehrmals, dass sie sehr gerne wieder in ihren Naturschutzprojekten aktiv wäre und sie am liebsten über diese Projekte schreiben würde, wenn auch ehrenamtlich (Dimension 5 soziale Teilhabe). Sie hat dafür aber keine Freiräume, u.a. auch, weil er kaum Geld verdient, was wiederum Clemens Caspar kontert mit: Sie solle nicht über ihre Arbeit frustriert sein, sondern einfach damit aufhören und Arbeitslosengeld beantragen (Dimension 3 Rechte). [92]

Für Caroline Christiansen stellt dies aber keine Option dar. Zudem wurde sie vor einigen Jahren in ihrer Wahrnehmung vom Jobcenter hintergangen: Sie unterschrieb fälschlicherweise auf Aufforderung einer Sachbearbeiterin ein Formular, was im Ergebnis dazu führte, dass sie keine Sozialhilfe erhielten und einige Monate auf von Freund*innen geliehenes Geld angewiesen waren. Rückblickend erinnert sie sich: "Es war damals schon erniedrigend. Bösartig. Äh es es es ist was, was runterzieht. Und da kann man sich noch so sehr vornehmen 'ist mir doch scheißegal'. Es geht nicht". Seit dieser demütigenden Erfahrung ist ein Leistungsbezug für sie vollends ausgeschlossen. [93]

Auf ihre Paarbeziehung und ihren Paarzusammenhalt angesprochen (Dimension 4 Liebesanerkennung), erwähnen sie ihre Kinder, auf die sie stolz sind, und ihre früheren gemeinsamen Aktivitäten für den Naturschutz. Als wir fragen, was sie aneinander schätzen, findet Clemens Caspar keine Antwort: Dies seien "ganz schwierige Fragen". Caroline Christiansen benennt ihre gemeinsame und in ihren Augen erfolgreiche Elternschaft, ihre gemeinsame Leidenschaft für Naturschutz – und sie möge "also dieses Unkonventionelle" an ihm. [94]

Zum Zeitpunkt des Interviews kümmert sich Caroline Christiansen nahezu alleine um die Kinder, da ihr Partner meist in seinem Café ist (Dimension 6 Sorge für andere, Care). Dies sei früher anders gewesen: Da Clemens Caspar erwerbslos oder nur geringfügig beschäftigt war, als die Kinder klein waren und auch Caroline Christiansen weniger arbeitete, teilten sie sich damals die Betreuung und Erziehung der Kinder. [95]

Anders als im vorigen Fall rekonstruierten wir im Paar Christiansen/Caspar keinen starken Paarzusammenhalt. Im Gegensatz zu Pepo Poturica wird Caroline Christiansen auch nicht dafür anerkannt, die Familie zu ernähren. Bei Clemens Caspar rekonstruierten wir eine Geringschätzung von Erwerbsarbeit, die er auch in der Nichtanerkennung ihrer Leistungen als Familienernährerin aktualisiert. Während Clemens Caspar in seinem Café Freiräume findet, kumulieren im Lebenszusammenhang von Caroline Christiansen Anerkennungsdefizite und Belastungen. In der Rekonstruktion liegt dies nicht nur an ihrer Erwerbsarbeit, sondern auch ihr Partner trägt dazu bei: Er zollt ihr keine Anerkennung dafür, die Familie zu ernähren, er hindert sie, so die Interpretation, daran, erwerbsseitige Anerkennungsdefizite durch Anerkennung in ihren Naturschutzprojekten abzufedern und zeigt schließlich wenig Aufmerksamkeit für ihre Bedürfnisse – nämlich über ihren erwerbsseitigen Ärger zu sprechen und nicht auf das Jobcenter angewiesen zu sein. [96]

6. Empirisch begründetes und theoretisches Fazit der um Anerkennung erweiterten Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang

6.1 Stärken und Erkenntnismöglichkeiten der anerkennungstheoretischen Perspektive am Beispiel der drei empirischen Fälle

Den Erkenntnisgewinn unserer um Anerkennung erweiterten Forschungsheuristik von Prekarität im Lebenszusammenhang im Vergleich zur arbeitssoziologischen Prekarisierungsforschung veranschaulichten wir zunächst anhand der prekär Beschäftigten Ulrike Urban. Hätten wir erstens nur ihre Bewältigung der prekären Beschäftigung rekonstruiert, erschiene der Fall einer Pflegenden, die über ihre Erwerbssituation frustriert ist, diese aber vermeintlich "irrationaler" Weise nicht verbessern möchte. Sichtbar würden auch die strukturellen Defizite, in die professionelle Pflegetätigkeiten – überwiegend von Frauen geleistet – häufig eingebettet sind. Eine erweiterte Perspektive auf den Lebenszusammenhang hätte zweitens aufzeigen können, dass Urban in mehreren Dimensionen des Lebenszusammenhangs belastet ist: Neben ihrem Einkommen und ihrer Beschäftigung etwa auch in ihrer sozialen Einbindung. Aber erst die um Anerkennung erweiterte Perspektive lässt drittens verständlich werden, dass sie die unterbezahlte Beschäftigung in der Pflege wegen ihrer Suche nach Liebesanerkennung weiterführt und dies stark eingeschränkte Anerkennungschancen und Ungleichheiten in weiteren Dimensionen des Lebenszusammenhangs mit sich bringt. [97]

Die wirkmächtigen Wechselwirkungen bestehen in diesem Fall zentral zwischen den Dimensionen Erwerbsarbeit, Sorge für andere und Liebesanerkennung. Urban versucht ihre angestrebte, aber fehlende Liebesanerkennung durch einen Partner oder eine Familie mit Liebesanerkennung in einer Pflegebeziehung zu kompensieren, wodurch sich eine Spirale der Destruktion in Gang setzt: Alle ihre weiteren Bedürfnisse – Selbstsorge, Gesundheit, Freizeit, Freundschaften, soziale Teilhabe, die eigene Hausarbeit, die Wohnsituation, eine besser bezahlte Erwerbstätigkeit – werden der ambivalenten Liebesbeziehung untergeordnet. [98]

Während Ulrike Urban verzweifelt Liebesanerkennung sucht, arbeiteten wir in unserem zweiten Fall heraus, wie wechselseitige Liebesanerkennung den Zusammenhalt des Paares stärkt. Hätten wir nur die prekäre Beschäftigung fokussiert, könnten wir die Hausfrau und Mutter Patricia Poturica nicht sehen und Pepo Poturica erschiene als Beschäftigter, der, solange er nichts Besseres findet, um jeden Preis an seiner prekären Beschäftigung festhält. Die erweiterte Perspektive auf den Lebenszusammenhang hätte darüber hinaus verdeutlichen können, welche Belastungen hieraus resultieren, etwa im Einkommen und in der Gesundheit. Aber erst die um Anerkennung erweiterte Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang lässt verständlich werden, wie die Orientierung an der geschlechterdifferenten Arbeitsteilung des Paares es für Pepo Poturica unmöglich macht, seine Erwerbsarbeit trotz Gesundheitsbedrohung aufzugeben, da er in der Wahrnehmung seiner Partnerin – so unsere Interpretation – ihre Anerkennbarkeit als respektable Familie sowie deren materielle Grundlage gefährden würde. Was sie nach innen stärkt – dass sie ihm als Ernährer Anerkennung zollt und er sie als Hausfrau und Mutter anerkennt – erweist sich u.a. aufgrund seines Gesundheitszustandes von außen als brüchig und ambivalent. Nicht deutlich würde ebenfalls, dass die wechselseitige Liebesanerkennung für das Paar eine stabilisierende Ressource darstellt, wodurch sie Anerkennungsdefizite in anderen Dimensionen abfedern können. [99]

Bei Paar Caspar/Christiansen fanden wir keinen starken Paarzusammenhalt und zeigten, wie sich beide Partner*innen in ihrer Betroffenheit von Prekarität im Lebenszusammenhang unterscheiden. Hier konnten wir durch die um Anerkennung erweiterte Perspektive deutlich machen, wie seine Geringschätzung beruflicher Anerkennung sowie seine Nichtanerkennung ihrer Leistungen als Familienernährerin dazu führen, dass bei Caroline Christiansen Anerkennungsdefizite kumulieren und sie auch von ihm darin gehindert wird, alternative Anerkennung in den Naturschutzprojekten zu erhalten [100]

An unserer um Anerkennung erweiterten Perspektive ist somit nicht nur erkenntnisfördernd, dass sie deutlich werden lässt, wie Anerkennung/sdefizite im Lebenszusammenhang prozessiert werden. Sie sensibilisiert auch für die Wechselverhältnisse der Dimensionen und kann damit erhellen, wie Anerkennung/sdefizite abgefedert oder verstärkt werden können. Nachdem wir bis hier die Wechselverhältnisse und Relationierungen zwischen den Dimensionen betonten, leuchten wir nachfolgend die einzelnen Dimensionen aus. [101]

6.2 Eine um Anerkennung erweiterte Forschungsheuristik von Prekarität im Lebenszusammenhang

Wir haben in Tabelle 1 eine generelle anerkennungstheoretische Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang dargelegt und in Tabelle 2 vorläufig acht um Anerkennung erweiterte Dimensionen ausgewiesen. Im Folgenden stellen wir unsere empirisch begründete Forschungsheuristik vor (Tabelle 3), die ein Ergebnis des gesamten rekursiven Forschungsprozesses ist. [102]

Als Heuristik erhält sie, ähnlich wie ein sensitizing concept (BLUMER 1954), keinen "erkenntnisdeterminierenden Charakter, (...) sondern eine lediglich tentative (...) und somit sensibilisierende Funktion (...) i.S. der Eröffnung, nicht des überprüfenden Abschließens von Erkenntnisprozessen" (KRUSE 2019, o.P.). Sie soll also weitere Forschungen zu unsicheren Lebenslagen, Geschlecht, Ungleichheit und Anerkennung orientieren und inspirieren. Insofern verstehen wir unsere Heuristik auch als work in progress. Je nach Forschungsinteresse können einzelne Dimensionen fokussiert oder auch ergänzt werden. [103]

Ausgehend von den präsentierten empirischen Beispielen illustrieren wir ausschnitthaft die acht Dimensionen und ausgewählte Unterdimensionen. Da wir die Heuristik anhand des gesamten Materials entwickelt haben, verweisen wir auf ausführliche Erörterungen in WIMBAUER und MOTAKEF (2020). Tabelle 3 stellt die acht Dimensionen und Unterdimensionen (vgl. die Unterfragen in Tabelle 1, Punkt 2a bis d)10) dar, die sich aus einer Anerkennungsperspektive ergeben: Wofür möchten die Individuen-in-Beziehungen in der jeweiligen Dimension anerkannt werden (Tab. 1, 2a), wofür erhalten sie Anerkennung (Tab. 1, 2b)? Zeigen sich mit anderen Dimensionen verstärkende oder schwächende Wechselwirkungen oder Ambivalenzen (Tab. 1, 2c) und (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten (Tab. 1, 2d)? [104]

Zu diesen Dimensionen liegen bereits Erkenntnisse in teils eigenen Bindestrich-Soziologien vor, die bisher nur ausschnitthaft für eine Prekarisierungsperspektive anschlussfähig gemacht und synthetisiert wurden. Während es bis dato nur für die Dimension Erwerbsarbeit Bestimmungen gibt, welche Kriterien eine prekäre Beschäftigung ausmachen, fehlen diese für weitere Dimensionen oder sind uneinheitlich. Auch wir bieten hier keine abschließende Gesamtintegration, sondern einen Vorschlag, wie diese Perspektiven füreinander fruchtbar gemacht werden können. [105]

Anerkennung, so die unserer Heuristik zugrundeliegende Annahme, liegt quer zu allen Dimensionen. In manchen ist Anerkennung selbst die Dimension (v.a. 3, 4), in anderen ist sie zentral als Anerkennung "für" (Leistung, 1, Sorge für andere (Care) 6) oder "durch" (etwa 2) oder wird nur mittelbar bedeutsam (etwa 7, 8).

1. Erwerbsarbeit (HONNETH 1992; BRINKMANN et al. 2006)

a) institutionell-rechtliche Dimension des (in-)formellen Arbeitsverhältnisses, arbeits- und sozialrechtliche Absicherung und Anerkennung

b) materielle Dimension (überschneidet sich z.T. mit 2)

i) materiell-reproduktiv: Existenz- und Teilhabesicherung?

ii) materiell-anerkennungstheoretisch: Wird das Einkommen als angemessen und ein würdiges Leben ermöglichend wahrgenommen?

c) sozial-kommunikative Dimension

i) Sinnstiftung, Subjektivierung, soziale Kontakte in / durch Erwerbsarbeit?

ii) intersubjektive Anerkennung in / durch Erwerbsarbeit?

Übergeordnet:

d) Welche normativen Rahmen der Anerkennbarkeit für Erwerbsarbeit sind gegeben?

Übergreifend:

e) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?

f) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

2. Einkommens- und Vermögenssituation, finanzielle Absicherung (insgesamt)

individuell und im Haushalt / in der Verantwortungsgemeinschaft:

a) materiell-reproduktive Dimension (Einkommen, Transfers, Vermögen, Verschuldung):

Sind Existenz- und Teilhabesicherung individuell und für Haushalt / Versorgungsgemeinschaft möglich?

b) materiell-anerkennungstheoretische Dimension:

Wird die gesamte Einkommenssituation (Einkommen, Transfers) als angemessen und als ein "gutes" Leben ermöglichend wahrgenommen?

Übergreifend:

c) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen (z.B. Teilhabe, Gesundheit, Wohnen, Liebe)?

d) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

3. Rechte und (ungleiche) rechtliche Anerkennung (HONNETH 1992, 2011)

a) Liberale Freiheitsrechte und politische Teilhabenrechte (HONNETH), ergänzt um Gleichheitsrechte und weiter differenziert:
haben alle gleiche formale Freiheits- und Teilhaberechte (objektives Recht) und können sie davon faktisch Gebrauch machen (subjektive Rechte)? (illegalisierte Migrant*innen z.B. nicht)

b) Soziale Wohlfahrtsrechte (HONNETH), weiter differenziert in:

- Anspruchsrechte und -grundlagen: für welche "Leistungen" oder Bedürfnisse werden welche sozial- und familienpolitischen Leistungen gewährt? Was wird sozialstaatlich anerkannt? (v.a. Erwerbsarbeit aufgrund der Erwerbsarbeitszentrierung des Sozialsystems)

- Arbeitsrechte und Arbeitsschutz: wie sind welche Beschäftigungsformen rechtlich (nicht) geschützt und abgesichert (siehe 1a)?

Über HONNETH hinausgehende Dimensionen:

c) Was sind die rechtlich-normativen Rahmen legitimer Anerkennbarkeit (BUTLER)? Welche Subjekte / sozialen Gruppen / Eigenschaften (z.B. "Leistung") werden als (nicht) anerkennenswert konstituiert (z.B. durch sexuelle Rechte und die heterosexuelle Matrix; oder Erwerbs- und Leistungszentrierung des Sozialstaates)?

Übergreifend:

d) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?

e) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?
z.B.: Wo ist Ungleichheit rechtlich institutionalisiert (etwa mit Blick auf sexuelle Orientierung, Migration, Nichtanerkennung von Sorge)?
Welche ungleiche Anerkennungsordnung ist rechtlich und sozialstaatlich institutionalisiert?

Zudem auf inter-/subjektiver Ebene:

f) Welche zwar womöglich formal gegebenen, objektiven Rechte können faktisch von Einzelnen – als subjektive Rechte – nicht eingelöst werden?

4. Intersubjektive Anerkennung als "ganze" und einzigartige Person ("Liebe" in der Sphäre sozialer Nahbeziehungen) (HONNETH 1992, 2011; WIMBAUER 2012)

a) Einbindung und intersubjektive Anerkennung in Paar-, Familien- und Freundschaftsbeziehungen
- Ausmaß und Qualität dieser Beziehungen
- intersubjektive Anerkennung in diesen Beziehungen vs. ambivalente Anerkennung / Nichtanerkennung

b) Geschlechterarrangements in (romantischen) Paar-, Familien- und Freundschaftsbeziehungen?

Übergeordnet:

c) Welche normativen Rahmen der Anerkennbarkeit sind gegeben (etwa gesellschaftliche Heteronormativität, Geschlechterordnung, Paarnormativität, Aufenthaltsrecht)

Übergreifend:

d) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen? Findet Sinnstiftung durch (Anerkennung in) Nahbeziehungen statt? Ambivalenzen der Anerkennung?

e) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

5. Politische und soziale Teilhabe, soziale Einbindung und Zugehörigkeit (BARTELHEIMER 2007)

a) Ressourcen für und Zugänge zu politischer Teilhabe und Zugehörigkeit

b) Ausmaß und Qualität politischer Teilhabe (überschneidet sich mit 3a)

c) Ressourcen für und Zugänge zu sozialer Teilhabe und Zugehörigkeit

d) Ausmaß und Qualität sozialer Teilhabe (überschneidet sich z.T. mit 4a)

Übergreifend:

e) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?
Findet Sinnstiftung durch Zugehörigkeit statt? Ambivalenzen von Zugehörigkeit?

f) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

6. Hausarbeit und Sorge / Care (AMACKER 2014; KLENNER et al. 2012)

a) Wie gestalten sich die Hausarbeit- und Sorgearrangements?

b) Welche intersubjektive und materiell-finanzielle Anerkennung und Unterstützung erhalten die Hausarbeit- und v.a. Sorgeleistenden (nicht)?

c) Welche Entwicklungschancen haben die Kinder?

Übergeordnet:

d) Welche normativen Rahmen der Anerkennbarkeit für (Hausarbeit und) Sorge sind gegeben?

Übergreifend:

e) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?

f) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

7. Gesundheit, Selbstsorge und verfügbare Zeit

a) Ausmaß der körperlichen und seelischen Gesundheit bzw. Einschränkung

b) Zeitliche Möglichkeiten zur und Ausmaß von Selbstsorge, Freizeit und Selbstanerkennung

Übergeordnet:

c) Welche normativen Rahmen zur Realisierung und Anerkennbarkeit von Vorsorge, körperlicher und seelischer Gesundheit, zur Selbstsorge und Freizeit / Muße sind gegeben (z.B. gesellschaftlicher Ableismus, Pathologisierung bestimmter Phänomene, Abwertung von Muße)?

Übergreifend:

d) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?

e) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

8. Wohnsituation

a) "objektiv": ausreichend Raum, Ausstattung, Bausubstanz, Heizung, Strom, räumliche Lage zu Erwerbsarbeit und Familie (bei Pendeln oder Trennung), Herkunftsfamilie (Groß-/Eltern, Geschwister) und Freund*innen für alle Haushaltsmitglieder?

b) "subjektiv-anerkennungstheoretisch": Wird die Wohnsituation als angemessen für ein würdiges Leben wahrgenommen, erlaubt sie soziale Teilhabe?

Übergreifend:

c) Wechselwirkungen mit anderen Dimensionen?

d) (geschlechterdifferenzierende) Ungleichheiten?

Tabelle 3: Um Anerkennung erweiterte analytische Dimensionen von Prekarität im Lebenszusammenhang [106]

6.2.1 Erwerbsarbeit

Erwerbsarbeit ist zweifelsfrei eine in der Prekarisierungsforschung zentrale Dimension; zu ihr gibt es auch die meisten Befunde und Begriffsbestimmungen (siehe 1 und 2.1). Besonders in arbeitssoziologischen Studien wird sichtbar, wie prekäre Beschäftigung (und Arbeitslosigkeit) sich objektiv und subjektiv gestalten können. Indem wir Erwerbsarbeit als erste Dimension fassen, schreiben auch wir ihr eine große Bedeutung zu, ebenso ist sie bei HONNETH eine zentrale Quelle von Anerkennung – bei ihm als Anerkennung für Leistung. Wir dezentrieren Erwerbsarbeit aber insofern, als wir sie als eine von acht Dimension im Lebenszusammenhang fassen. [107]

Wie bei Caroline Christiansen und Ulrike Urban fanden wir oft das Bestreben, an Erwerbsarbeit teilzuhaben. Dies einzulösen war aber vielen Befragten nicht möglich: Wie Christiansen, Urban und Pepo Poturica berichteten fast alle über strukturelle Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen (Arbeitsverdichtung, Stellen- und Gehaltskürzungen, Kündigungen), woraus für sie erhebliche Anerkennungsdefizite folgten (ausführlich WIMBAUER & MOTAKEF 2020). [108]

Mit BRINKMANN et al. (2006) erwies sich die Unterteilung in eine institutionell-rechtliche, materielle und sozial-kommunikative Unterdimension als fruchtbar. In unserem Material wurde deutlich, wie eng diese drei Unterdimensionen mit Anerkennung verbunden sind: Bei Christiansen zeigten sich in der Rekonstruktion Anerkennungsdefizite darüber, dass sich die in Aussicht gestellte Entfristung als leeres Versprechen entpuppte und sie nach all den Jahren weiterhin nur auf freier Basis tätig sein kann (institutionell-rechtliche Unterdimension). Auch bei Pepo Poturica stellten sich Anerkennungsdefizite und große Frustration darüber dar, dass er nur als Hilfsarbeiter eingesetzt und bezahlt wird (materielle Unterdimension). Die Analyse des Falls Ulrike Urban zeigt die hohe Bedeutung der sozial-kommunikativen Unterdimension: Denn auch wenn sie nur geringfügig beschäftigt und entlohnt wird, schöpft sie aus ihrer Pflegebeziehung Sinn, Liebes- und Leistungsanerkennung – die sich aber, so unsere Rekonstruktion, in ihrem Lebenszusammenhang als ambivalent bis destruktiv erweisen. [109]

6.2.2 Einkommens- und Vermögenssituation

Eng verknüpft mit Erwerbsarbeit ist die Dimension des Einkommens grundlegend. Neben der ökonomischen Funktion, die Einkommen hat, kann es nicht zuletzt auch als Ausweis von Anerkennung, geringes Einkommen als Nichtanerkennung betrachtet werden. Ulrike Urban, Pepo Poturica und Caroline Christiansen fühlen sich unterbezahlt und diesbezüglich nicht anerkannt, auch angesichts ihrer erbrachten Bildungsinvestitionen. Bei Patricia Poturica und bei Caroline Christiansen zeigten sich große Sorgen um die materielle Existenz ihrer Familien; auch Ulrike Urban fürchtet Altersarmut. Hier werden zudem die Relationen zu anderen Dimensionen offenkundig, da eingeschränkte finanzielle Ressourcen die (Anerkennungs-)Chancen in fast allen anderen Dimensionen direkt mindern, etwa soziale Teilhabe, wenn gemeinsame Unternehmungen mit Freund*innen nicht möglich sind, Wohnen, wenn die Miete teuer ist und bezahlbarer Wohnraum fehlt, und Gesundheit. Mittelbar beeinflussen finanzielle Ressourcen beispielsweise die Paarbildungschancen u.v.a.m. [110]

6.2.3 Rechte und (ungleiche) rechtliche Anerkennung

Die Dimension der rechtlichen Anerkennung spielt in den bisherigen Konzeptualisierungen von Prekarität im Lebenszusammenhang kaum eine Rolle, aber in HONNETHs Sphärenmodell (1992) und in der SGB II-Forschung11), etwa PROMBERGER et al. 2018). Unsere Befragten berichteten in den Interviews vielfach von ihren Erfahrungen mit dem Hilfebezug (Arbeitslosengeld I und II). Wir zeigten, wie Caroline Christiansen um keinen Preis wieder Sozialleistungen beziehen will, da sie sich vom Jobcenter hintergangen fühlte und diese Erfahrung keinesfalls wiederholen möchte. Auch wenn die Familie leistungsberechtigt wäre, schließt Caroline Christiansen, anders als ihr Partner, einen Leistungsbezug kategorisch aus. [111]

Ebenfalls in dieser Dimension führen wir mit BUTLER rechtlich-normative Rahmen der Anerkennbarkeit an. Wir fanden in unseren Rekonstruktionen häufig die Verknüpfung von Anerkennbarkeit, Respektabilität und Erwerbsarbeit: Patricia Poturica knüpft etwa die Respektabilität und Anerkennbarkeit ihrer Familie an die Erwerbstätigkeit ihres Partners. Wie wir an anderer Stelle ausführen (WIMBAUER & MOTAKEF 2020), begegnete uns auch in anderen Fällen das Deutungsmuster des "faulen Erwerbslosen", von dem sich die Befragten abgrenzen. [112]

6.2.4 Intersubjektive Anerkennung als ganze und einzigartige Person

Liebe bzw. intersubjektive Anerkennung als ganze und einzigartige Person (HONNETH 1992, 2011; WIMBAUER 2012) wurde bisher in keiner Konzeptualisierung betrachtet. Zwar berücksichtigen KLENNER et al. (2012) Geschlechterarrangements als eigene Dimension, was wir hier als Unterdimension sowie Geschlechterungleichheiten als querliegenden Aspekt fassen. Hier blieb aber bisher viel Potenzial ungenutzt, da intersubjektive Liebesanerkennung in Paar-, aber auch Familien- und Freundschaftsbeziehungen sich als eine zentrale Sinnquelle und Ressource erweisen kann, mit der es möglich wird, Anerkennungsdefizite aus anderen Dimensionen in den Hintergrund zu rücken und abzufedern. Dies zeigten wir anhand des Paares Poturica. Der Fall Urban verdeutlicht ebenfalls die herausgehobene Bedeutung dieser Dimension: Erstens kann die Suche nach Liebesanerkennung zu einer zentralen Handlungsorientierung werden und zweitens kann auch erfolgte Liebesanerkennung durch die Pflegeperson für den gesamten Lebenszusammenhang destruktives Potenzial haben. [113]

In dieser Dimension fanden wir auch häufig geschlechterdifferenzierende Ungleichheiten in Paararrangements (MOTAKEF 2019a, 2019b; WIMBAUER & MOTAKEF 2020). Paar Christiansen / Caspar ist dafür ein Beispiel: Caroline Christiansen trägt weitgehend alleine die Verantwortung für die Familie, wofür sie von ihrem Partner nicht anerkannt wird, weiter wird sie in ihrem Arrangement durch ihn darin eingeschränkt, Anerkennung in einem Ehrenamt zu gewinnen. [114]

6.2.5 Politische und soziale Teilhabe

Hier interessierten wir uns für die Ressourcen und Zugänge, das Ausmaß und die Qualität sozialer und politischer Teilhabe sowie Zugehörigkeit der Befragten (BARTELHEIMER 2007; MARQUARDSEN 2012). Vielen fehlten die finanziellen und oft auch die zeitlichen Ressourcen hierzu, da sie Geld verdienen mussten, etwa das Paar Christiansen/Caspar. [115]

Anerkennung spielte hier eine große Rolle: So können etwa bei Paar Christiansen/Caspar ehrenamtliche Tätigkeiten zu einer Quelle alternativer Leistungsankerkennung werden. Da Caroline Christiansen in ihrer Freiberuflichkeit nicht über Naturschutzthemen schreiben kann, würde sie dies gerne ehrenamtlich tun. Aber ihr Partner hindert sie daran. Während für ihn diese Dimension also eine zentrale Sinn- und Anerkennungsquelle darstellt, wird ihr diese verschlossen. Zudem könnte diese Dimension für sie ihre fehlende erwerbsseitige Anerkennung nicht komplett kompensieren. [116]

6.2.6 Hausarbeit und Sorge für andere (Care)

Wie auch KLENNER et al. (2012) und AMACKER (2014) betonen, sind die Arrangements, in denen die wenig anerkannte, überwiegend von Frauen verrichtete Hausarbeit und Sorge für andere (Care) geleistet wird, für Prekarität im Lebenszusammenhang maßgebend. Auch wir stießen auf die in der Geschlechterforschung (etwa AULENBACHER, DAMMAYR & DÉCIEUX 2015) vielfach kritisierte strukturelle Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit Sorge (Care), was insbesondere Alleinerziehende treffen, aber auch für Paare sehr herausfordernd sein kann (WIMBAUER 2012). Am Paar Poturica zeigten wir, dass sich einerseits beide wünschen, dass Patricia Poturica Hausfrau ist und ihre Kinder zuhause betreut. Andererseits gefährdet das Alleinernährer-Arrangement ihre materielle Existenz, da Pepo Poturica aus seiner prekären Beschäftigung kein Familieneinkommen erzielt und seine Gesundheit gefährdet. [117]

Anhand Ulrike Urban arbeiteten wir Ambivalenzen der Anerkennung heraus, die sich in dieser Dimension zeigen können: In ihrer Beziehung zu der Pflegeperson findet Urban Anerkennung und will unbedingt gute Pflege leisten. Da die Sorge für andere aber weiterhin gesellschaftlich wenig anerkannt wird – und ganz offenbar nicht als Leistung gilt, für die es nach HONNETH Anerkennung gibt – und ihre Pflegeeinrichtung nicht für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung sorgt, kompensiert Urban diese Ausfälle, kann aber ihre Existenz nicht sichern und wird dadurch isoliert. [118]

6.2.7 Gesundheit, Selbstsorge und verfügbare Zeit

Wie über prekär Beschäftigte und Erwerbslose insgesamt berichtet wird (u.a. EGGS, TRAPPMANN & UNGER 2014; für psychische Erkrankungen OSCHMIANSKY et al. 2017) fanden auch wir vielfach gesundheitliche Einschränkungen. Diese zeigten sich teils als Folge von Anerkennungsdefiziten der prekären Erwerbs- und Lebenslage, etwa im Fall von Burnouts und Erschöpfungszuständen, teils als Ursache und teils als komplexe Verschränkungen (siehe WIMBAUER & MOTAKEF 2020). Wie wir bei Ulrike Urban veranschaulichten, fehlten unseren Befragten häufig zeitlichen Ressourcen für Selbstsorge und Erholung, besonders, wenn sie Sorgeverantwortung trugen. [119]

Anerkennung ist in der Dimension Gesundheit und Selbstsorge keine genuine und unmittelbare Kategorie, etwa die Allergie von Pepo Poturica. Mittelbar und mit Blick auf Anerkennbarkeit ist sie aber vielfältig und eminent relevant, etwa im Wechselverhältnis mit Liebesanerkennung: So wird Pepo Poturicas Anerkennbarkeit als männlicher Ernährer in seiner Paarbeziehung von seiner gesundheitlich bedingten drohenden Erwerbsunfähigkeit in Frage gestellt. (Chronische) Erkrankungen sind gesellschaftlich oft tabuisiert und Selbstsorge, so die Ergebnisse über alle Befragten, scheint gesellschaftlich und für die Einzelnen – vollkommen anders als zum Beispiel "Leistung" – so gut wie keine legitime Anerkennbarkeit aufzuweisen (siehe MOTAKEF et al. 2018; WIMBAUER & MOTAKEF 2020). [120]

6.2.8 Wohnsituation

Die Dimension Wohnen ist als existenzielles Grundbedürfnis höchst wichtig. Für prekär Beschäftigte ist sie in Zeiten von Wohnungsknappheit und hoher Mieten in vielen Städten oft besonders problematisch, weshalb sich etwa bei den Paaren in unserem Sample große Schwierigkeiten zeigten, wenn sie zusammen oder auseinanderziehen wollten. In unserer Studie betrachteten wir die Wohnsituation allerdings nicht systematisch. Wie auch bei Einkommen liegen hier die Wechselwirkungen zu anderen Dimensionen auf der Hand: Eine schlechte Wohnsituation belastet die Gesundheit und erschwert verschiedenste Teilhabe erheblich. Auch Anerkennung spielt hier eine mittelbare Rolle. Im Fall von Ulrike Urban rekonstruierten wir Anerkennungsdefizite, die sich mit Blick auf ihre Wohnsituation zeigten: Sie schien sich für ihre kleine und vom Stadtzentrum weit entferne Wohnung zu schämen, weswegen sie ihre Freund*innen (und auch uns) nicht in ihrer Wohnung empfangen mochte. [121]

7. Zusammenfassung und Ausblick

Unser Plädoyer lautet, Prekarität nicht nur auf Erwerbsarbeit und Einkommen zu reduzieren und Anerkennung in der Prekarisierungsforschung systematisch zu berücksichtigen. Wir präsentierten daher als Ergebnis eines rekursiven Forschungsprozesses eine um Anerkennung erweiterte Perspektive auf Prekarität im Lebenszusammenhang sowie eine kondensierte Forschungsheuristik und illustrierten ausschnitthaft deren Stärken und Erkenntnismöglichkeiten. Darin gingen wir über bisherige Konzeptionen von Prekarität im Lebenszusammenhang hinaus, da wir erstens dieses Konzept um Anerkennung erweiterten und zweitens mit HONNETH Recht und vor allem Liebesanerkennung als eigene Dimensionen berücksichtigten. Dadurch wird es möglich, Wechselverhältnisse und Ambivalenzen in und zwischen den Dimensionen in den Blick zu nehmen und die komplexen Dynamiken im Lebenszusammenhang besser zu verstehen. [122]

Was den Einsatz der von uns vorgeschlagenen Forschungsheuristik betrifft, möchten wir folgende ausgewählte Aspekte hervorheben: In unserer Studie und bei unseren Befragten spielten Praktiken der Widerständigkeit kaum eine Rolle.12) Es wäre sicher aufschlussreich, würden zukünftige Forschungen in der empirischen Rekonstruktion und Theoriegenese systematisch Fragen der Widerständigkeit und der Normüberschreitung in den Blick nehmen, wobei ein Bezug auf BUTLER naheläge. Hier wäre zu fragen, unter welchen biografischen, sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen Normen in Frage gestellt und womöglich gar transformiert werden können und wie sich dies theoretisch beschreiben ließe. [123]

Sehr erkenntnisfördernd für eine anerkennungstheoretische Rekonstruktion von Prekarität im Lebenszusammenhang wäre zudem eine Verlaufsperspektive im Sinne eines echten Panels. Schließlich stellt sich die Frage, ob Prekarität eine Übergangsphase ist oder sich in der Biographie verdichtet (ALLMENDINGER et al. 2018). Auch können sich Anerkennungsverhältnisse im Zeitverlauf verändern, wenn bestimmte Lebensbereiche, wie Sorge für andere (Care) – etwa, wenn Kinder größer werden – oder Leitbilder, wie die Verknüpfung von Männlichkeit und Erwerbsarbeit, an Bedeutung verlieren oder gewinnen. [124]

In diesem Beitrag nur angedeutet haben wir eine geschlechtertheoretische Perspektive auf Prekarisierung und Anerkennung. Diese erscheint uns unabdingbar und ist in jeder Dimension explizit zu berücksichtigen – zumal das Geschlechterverhältnis moderner Gesellschaften (und nicht nur dieser) ein genuin ungleiches Anerkennungsverhältnis ist (u.a. WIMBAUER 2012). [125]

Der von uns vorgeschlagene anerkennungstheoretische Rahmen von Prekarität im Lebenszusammenhang bedarf zudem einer "Provinzialisierung" (CHAKRABARTY 2007): Auch wenn intersubjektive Anerkennung aus unserer theoretischen Perspektive sozialkonstitutiv ist, ist die von uns vorgeschlagene Heuristik nicht universal gültig, sondern eng mit der modernen Lohnarbeitsgesellschaft und ihrer in Zeit und Raum eingelassenen institutionalisierten Anerkennungsordnung verwoben. Daher ist die Forschungsheuristik zu modifizieren, wenn Erwerbsarbeit eine andere gesellschaftliche Bedeutung erfährt und andere institutionalisierte Anerkennungsordnungen vorliegen als in westlichen Industriestaaten. Last but not least hoffen wir, dass unsere Heuristik zu weiterer empirischer Forschung inspiriert und zu Diskussionen und Weiterentwicklungen anregt. [126]

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Teilnehmer*innen des Lehrbereichskolloquiums Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse an der Humboldt-Universität zu Berlin und besonders Karin LOHR für kritische Nachfragen zu unserem Manuskript und für inspirierende Diskussionen. Wir danken der DFG für die Finanzierung des Projektes und den Befragten für ihre Teilnahmebereitschaft. Ebenfalls danken wir Loui SCHLECHT und Renate ZEISKE für die Unterstützung beim Lektorat und den anonymen Gutachter*innen sowie der Redaktion für konstruktive Hinweise.

Anmerkungen

1) Frauen- und Geschlechterforscher*innen kritisierten bereits früh die arbeitssoziologische Fokussierung männlicher Erwerbsarbeit und bezogen überwiegend von Frauen getätigte Reproduktionsarbeiten explizit mit ein. Mit einem weiten Arbeitsbegriff eröffneten sie Einblicke in das Wechselverhältnis aus Erwerbs- und Sorgearbeit, das seitdem – auch in der geschlechtersoziologischen Prekarisierungsforschung – im Zentrum verschiedener Studien steht (siehe Abschnitt 2.2; VÖLKER 2008). <zurück>

2) Zur Übersetzung von precariousness mit Prekärsein siehe LOREY (2012, S.31). <zurück>

3) LOREY (2012) führt im Anschluss an BUTLER und an FOUCAULTs Spätwerk den Begriff der gouvernementalen Prekarisierung ein, mit dem sie vorschlägt, die "komplexen Wechselwirkungen eines Regierungsinstruments mit ökonomischen Ausbeutungsverhältnissen sowie Subjektivierungsweisen in ihren Ambivalenzen zwischen Unterwerfung und Ermächtigung zu problematisieren" (LOREY 2012, S.27). <zurück>

4) Gegen HONNETHs Überlegungen wird zudem der Einwand erhoben, dass er Macht und Ungleichheit (McQUEEN 2015) sowie das ungleiche Geschlechterverhältnis (WAGNER 2003; WIMBAUER 2012) nicht ausreichend berücksichtige. <zurück>

5) Christine WIMBAUER leitete das Projekt, Mona MOTAKEF arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin darin. Zudem war Ellen RONNSIEK dort Doktorandin. Die Laufzeit des Projekts war vom 1.5.2014 bis 30.9.2017. Siehe auch https://www.projekte.hu-berlin.de/de/ua [Zugriff: 19. September 2019]. <zurück>

6) Vier der acht Paarinterviews wurden in dem von Christine WIMBAUER und später von Sarah SPECK geleiteten, dreisemestrigem Lehrforschungsprojekt "Prekäre Beschäftigung, prekäre Lebenszusammenhänge?" an der Universität Tübingen erhoben und dort teilweise interpretiert (ACULAI et al. 2015). <zurück>

7) Schwierigkeiten und Herausforderungen, die uns bei der Befragung der prekär Beschäftigten begegneten, reflektieren wir in WIMBAUER und MOTAKEF (2017a, 2017b). <zurück>

8) Alle empirischen Fälle präsentieren wir ausführlich und in den verschiedensten Dimensionen in WIMBAUER und MOTAKEF (2020). Kürzere, teils ähnliche Darstellungen finden sich bezüglich Ulrike Urban in WIMBAUER und MOTAKEF (2018) und MOTAKEF et al. (2018), bezüglich Paar Caspar/Christiansen in MOTAKEF (2019a) sowie Paar Caspar/Christiansen und Poturica in (MOTAKEF 2019b). <zurück>

9) Alle Fälle und Interviews wurden anonymisiert. Die Interviews wurden wort- und lautgenau einschließlich Pausen transkribiert. Einschübe sind im Transkript mit Querstrichen markiert, Redeüberlappungen mit eckigen Klammern und direkte Anschlüsse mit einem Gleichheitszeichen. Betonte Aussprache ist in Großbuchstaben festgehalten, Lachen in Klammern. Im vorliegenden Beitrag haben wir Dialekte anonymisiert und einige sprachliche Glättungen vorgenommen. <zurück>

10) Soweit dies je möglich und sinnvoll ist. <zurück>

11) SGB II bezeichnet das Zweite Sozialgesetzbuch, in dem die Grundsicherung für Arbeitssuchende (umgangssprachlich bekannt als Hartz IV) geregelt ist. <zurück>

12) Am ehesten wäre dies bei Clemens Caspar der Fall. Bei ihm wäre aber genauer zu untersuchen, ob er tatsächlich widerständig Erwerbsnormen infrage stellt oder diese bloß reaktiv ablehnt (wie generell genauer zu bestimmen wäre, was unter widerständigem Handeln zu verstehen sei und wie es sich gegen eine bloß verbale Ablehnung abgrenzen ließe). Mit einer Perspektive auf den Lebenszusammenhang und auf Geschlechterungleichheiten wäre bei Clemens Caspar weiter zu diskutieren, ob seine ablehnende Haltung gegenüber Erwerbsarbeit und sein Desinteresse an beruflicher Anerkennung tatsächlich ein widerständiges Handeln gegen das Erwerbsarbeitssystem darstellt oder er es beispielsweise nur im Paar und im Interview präsentiert, um in seiner Paarbeziehung die ungleiche Arbeitsteilung zu legitimieren (ausführlich zu dieser Deutung siehe MOTAKEF 2019a, 2019b). <zurück>

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Zu den Autorinnen

Mona MOTAKEF (Dipl. Soz.-Wiss., Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechtersoziologie, Soziologie der Arbeit (insbesondere Prekarisierung von Erwerbs- und Sorgearbeit), soziale Ungleichheit, Soziologie der Paar- und Nahbeziehungen, Soziologie der Körper und der Technik, soziologische Theorie und qualitative Methoden der Sozialforschung. Veröffentlichungen u.a.: "Prekäre Arbeit, prekäre Liebe. Über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse (Frankfurt/M.: Campus, 2020), mit Christine WIMBAUER; "Das Paarinterview" (Wiesbaden: Springer VS, 2017), mit Christine WIMBAUER; "Prekarisierung" (Bielefeld: transcript, 2015).

Kontakt:

Dr. Mona Motakef

Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse
Institut für Sozialwissenschaften
Humboldt Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Tel.: +49 (0)30/2093 66514

E-mail: mona.motakef[at]hu-berlin.de
URL: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/mona-motakef

 

Christine WIMBAUER (Dipl.-Soz., Dr. phil.) ist Professorin für Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechterforschung, Soziologie der Arbeit (Erwerbs- und Sorgearbeit; u.a. Prekarisierung), Soziologie der Paar- und Nahbeziehungen, Liebe und Familien jenseits der Heteronorm, soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse, Sozial- und Familienpolitik, Anerkennungstheorie, qualitative Methoden (insbes. hermeneutische Verfahren) und Methodologie. Veröffentlichungen u.a.: "Prekäre Arbeit, prekäre Liebe. Über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse (Frankfurt/M.: Campus, 2020), mit Mona MOTAKEF; "Das Paarinterview" (Wiesbaden: Springer VS, 2017), mit Mona MOTAKEF; "Wenn Arbeit Liebe ersetzt" (Frankfurt/M.: Campus, 2012).

Kontakt:

Prof. Dr. Christine Wimbauer

Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse
Institut für Sozialwissenschaften
Humboldt Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Tel.: +49 (0)30/2093 66510

E-Mail: christine.wimbauer[at]hu-berlin.de
URL: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/christine-WIMBAUER

Zitation

Motakef, Mona & Wimbauer, Christine (2019). Prekarität im Lebenszusammenhang – eine um Anerkennung erweiterte Perspektive auf prekäre Erwerbs- und Lebenslagen [126 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 20(3), Art. 34, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-20.3.3222.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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