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Volume 22, No. 2, Art. 6 – Mai 2021

"Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen". Methodologische Reflexionen zur Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Familien in qualitativen Studien

Nikola Koschmieder, Sabrina Wyss & Andreas Pfister

Zusammenfassung: Die Rekrutierung schwer erreichbarer Personengruppen in qualitativen Studien stellt eine Herausforderung dar und wird dennoch selten zum Gegenstand methodologischer Ausarbeitungen. In dem vorliegenden Artikel beschreiben wir anhand eines Forschungsprojektes die angewandten Rekrutierungsstrategien und reflektieren diese im Hinblick auf die Erreichung von sozioökonomisch benachteiligten Familien, indem die Hürden und Erfolgsfaktoren der Strategien herausgearbeitet werden. Dabei kann gezeigt werden, dass die Wahl der Rekrutierungsmethode Einfluss auf die Samplezusammensetzung nehmen kann, was die Notwendigkeit regelmäßiger Reflexionsschleifen und die Anwendung verschiedener Strategien deutlich macht. Wichtig beim Zugang zu sozioökonomisch benachteiligten Gruppen ist außerdem die Berücksichtigung des Kontextes sowie der strukturellen Bedingungen der Zielgruppe. Bei der Rekrutierung von Familien ist die Erarbeitung einer kindgerechten Ansprache relevant. Zentral ist es, das Kind über das Interviewsetting aufzuklären und dessen ausdrückliche Zustimmung einzuholen. Weiter kann gezeigt werden, dass der Zugang zu schwer erreichbaren Personengruppen hohe zeitliche und unter Umständen auch finanzielle Ressourcen fordert und aufseiten der Forschenden eine erhöhte Flexibilität notwendig wird.

Keywords: sozial benachteiligte Familien; qualitative Sozialforschung; Zugang; Rekrutierung von Interviewteilnehmenden; Sampling; hard-to-reach; schwer erreichbar

Inhaltsverzeichnis

1. Hintergrund: Forschen mit schwer erreichbaren Personengruppen

2. Das Forschungsprojekt: eine Grounded-Theory-Studie

2.1 Zur Zielgruppe: sozioökonomisch benachteiligte Familien

2.2 Zur Datengrundlage der Reflexionen

3. Vorgehensweise und Erfahrungen bei der Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Familien

3.1 Vorbereitungsphase

3.2 Rekrutierungsstrategien

3.3 Einbindung von Studierenden

3.4 Herausforderung der Rekrutierung von Eltern und Kindern

3.5 Wie erfolgreich waren die Strategien? Ein erstes Fazit

4. "Und dann komm ich im Fernseher?" Aus den Gesprächen mit den Familien rekonstruierte Erfolgsfaktoren

5. Theoretisches Sampling: Einfluss der Rekrutierungsstrategie auf das Sample

6. Diskussion und Schlusswort

7. Lessons Learned

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen und zum Autor

Zitation

 

1. Hintergrund: Forschen mit schwer erreichbaren Personengruppen

Personengruppen, die Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention oder auch Angebote der Sozialen Arbeit seltener oder weniger intensiv wahrnehmen, werden oft als "schwer erreichbar" oder "hard-to-reach" bezeichnet (z.B. BOAG-MUNROE & EVANGELOU 2012; BONEVSKI et al. 2014; MACKENZIE et al. 2012; ROCKLIFFE, CHORLEY, MARLOW & FORSTER 2018). Kritisch betrachtet könnte man sagen, dass nicht die Gruppen schwer zu erreichen sind, sondern die professionellen Angebote für diese Gruppen (WRIGHT 2010). Jene, die für Unterstützungsangebote nicht zugänglich scheinen, sind auch in wissenschaftliche Studien nicht leicht einzubeziehen und stellen Forschende vor eine Reihe von Herausforderungen. Die Ansprache und Rekrutierung dieser Gruppen für Studien ist kein unbekanntes Forschungsfeld, und es lassen sich bereits einige Erkenntnisse und Best-Practice-Beispiele finden (vgl. u.a. ABRAMS 2010; HOPPITT et al. 2012; JURT & PFISTER 2012; PAWELZ 2018; RIEKER, HARTMANN SCHAELLI & JAKOB 2020; ROEHR et al. 2019; UMAMAHESWAR 2018). Hervorzuheben ist die Arbeit von ROCKLIFFE et al. (2018), die in Bezug auf die Rekrutierung von Personengruppen, die keinen Zugang zu präventiven Dienstleistungen hatten, Schlüsselpersonen in der Community als wesentlichen Erfolgsfaktor benannten. Außerdem empfahlen die Autor*innen die Ansprache über Schulen sowie die erneute Kontaktierung von Personen, die bereits an vergleichbaren Studien teilgenommen haben. Doch auch wenn die Begrifflichkeit "schwer erreichbar" suggeriert, es handle sich um eine homogene Zielgruppe, sind diese Personen sehr unterschiedlich und können nicht mit der einen Erfolgsstrategie rekrutiert werden. Denn die strukturellen Bedingungen und Eigenheiten des Kontextes, in dem sich eine Personengruppe jeweils bewegt, bringt spezifische Rekrutierungsstrategien hervor (JURT & PFISTER 2012). Erkenntnisse können demzufolge nicht von einer schwer einzubeziehenden Gruppe direkt auf andere Personen übertragen werden. Auch SHAGHAGHI, BHOPAL und SHEIKH (2011), welche die Rekrutierung schlecht erreichbarer Populationen in den Fokus ihres Reviews stellten, kamen zu dem Schluss, dass der Erfolg weniger an eine bestimmte Methode gebunden, sondern vielmehr das Wissen der Forschenden über die spezifischen Merkmale der jeweiligen Zielgruppe entscheidend ist, da es die Wahl und den Erfolg der Rekrutierungsstrategie wesentlich beeinflusst (S.91f.). [1]

In den Fokus des vorliegenden Artikels stellen wir die Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Familien. Diese Familien sind einerseits für die Praxis wie bspw. für (sucht-)präventive Angebote (vgl. hierzu JANßEN, SAUTER & KOWALSKI 2012; KOWALSKI, STEINHAUSEN, PFAFF & JANßEN 2008) und andererseits auch für Forschungsprojekte schwer zu erreichen (BONEVSKI et al. 2014). ERNST und KUNTSCHE (2012), welche den Stand der familienbezogenen Suchtprävention in der Schweiz in den Fokus nahmen, kamen zu folgendem Fazit: "Bereits existierende Angebote stehen [...] fast immer vor der Herausforderung, dass sie vor allem von gebildeten und gut integrierten Eltern in Anspruch genommen werden. Sozioökonomisch benachteiligte und suchtbelastete Familien werden hingegen zu wenig erreicht" (S.16).1) Die Erkenntnislage zur besseren Erreichbarkeit dieser Zielgruppe ist gering. Aufschlussreich ist die Arbeit von BONEVSKI et al. (2014), die in ihrem systematischen Review aufzeigten, mit welchen Strategien sozial benachteiligte Personengruppen für die Gesundheitsforschung erreicht werden können. Die Autor*innen kamen zum Schluss, dass für die Rekrutierung genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen eingeplant werden müssen. Weiter wurden vor allem die Schneeball-Technik sowie ein multistrategischer Rekrutierungsansatz hervorgehoben. Allerdings fokussierten die Autor*innen weder auf eine sozioökonomische Benachteiligung noch auf Familien. Hervorzuheben ist weiter die Arbeit von STOLZENBERG, BERG und MASCHEWSKY-SCHNEIDER (2013), welche sozial benachteiligte Familien in den Mittelpunkt stellten. Deren Ansprache erfolgte primär über den Peer-Ansatz, d.h. Frauen aus dem gleichen Stadtteil und mit einem vergleichbaren sozialen und kulturellen Hintergrund wurden zur Ansprache von Müttern mit kleinen Kindern und für die anschließende Wissensvermittlung eingesetzt. Neben dem Peer-Ansatz arbeiteten die Autorinnen den Vertrauensaufbau als konstitutives Element heraus. Die Ergebnisse können jedoch nur bedingt auf die Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Personengruppen für eine Studienteilnahme übertragen werden, da im Fokus nicht die Ansprache für ein Forschungsprojekt stand, sondern die praktische Vermittlung von Erziehungskompetenzen. [2]

Die Relevanz des vorliegenden Artikels wird durch den geringen Wissensstand über die Rekrutierung von sozioökonomisch benachteiligten Familien begründet. Zur Wissenserweiterung werden die Erfahrungen, die wir als Team bei der Erreichung dieser Zielgruppe in unserer Studie gesammelt haben, methodologisch reflektiert, und es wird aufgezeigt, welche Schlussfolgerungen sich für zukünftige Untersuchungen sowie für die Praxis ableiten lassen. Wir folgen damit der Forderung von ROCKLIFFE et al. (2018) nach einer transparenten Offenlegung der Rekrutierungsmethoden in qualitativen Arbeiten als Bestandteil eines hochwertigen Berichterstattungskonzepts, von welchem Forschende allgemein profitieren könnten (S.9f). Da wir mit unseren Ergebnissen zeigen, dass die Rekrutierungsstrategie Einfluss auf die Zusammensetzung des Samples und damit auf die Qualität der Daten hat, ist eine detaillierte Aufarbeitung und methodologische Reflexion des Prozesses ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung in der Darstellung von qualitativen Studien. [3]

Der Artikel gliedert sich in fünf Teile: Im 2. Abschnitt wird das den vorliegenden Überlegungen zugrundeliegende Forschungsprojekt vorgestellt. Im 3. Abschnitt werden die bei der Rekrutierung angewandten Strategien, Erfahrungen und die besonderen Herausforderungen der Ansprache von Familien beschrieben und reflektiert. Im 4. Abschnitt werden die Reflexionen von uns als Forschungsteam durch die Perspektive der Zielgruppe angereichert, indem Aussagen der Interviewteilnehmer*innen zur Motivation für die Studienteilnahme aufbereitet werden. Im 5. Abschnitt zeigen wir die forschungspraktischen Überlegungen und Entscheidungen zum theoretischen Sampling auf. Abschließend werden in Abschnitt 6 die Erkenntnisse vor dem Hintergrund bestehender Literatur diskutiert. Im 7. Abschnitt werden Anregungen zur Ansprache von schwer erreichbaren Personengruppen formuliert. [4]

2. Das Forschungsprojekt: eine Grounded-Theory-Studie

Im Folgenden stellen wir die der vorliegenden Ausarbeitung zugrundeliegende Studie vor. Dabei werden einerseits die Fragestellung und das methodische Vorgehen skizziert und andererseits die Zielgruppe beleuchtet. Im Anschluss wird dargelegt, welche Daten für den Artikel herangezogen wurden. [5]

Die methodologischen Reflexionen entstanden im Zuge des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojektes Erschwerte Inanspruchnahme suchtpräventiver Angebote durch sozioökonomisch benachteiligte Eltern und Familien mit (prä-)adoleszenten Kindern (Projektnummer: 169162). Ziel der Studie war es zu rekonstruieren, welche Konstellationen und (Lebens-)Umstände bei diesen Familien zur erschwerten Inanspruchnahme suchtpräventiver Angebote führen. Im Projekt verfolgten wir einen verstehenden und prozessorientierten Zugriff auf die Frage, warum Familien mit einem tieferen sozioökonomischen Status von präventiven Angeboten weniger erreicht werden und fokussierten auf das Erleben und die Lebenswelten der Familien, welche dazu führen, dass sie sich als legitime Kandidat*innen für diese Angebote identifizieren oder eben nicht. Dabei orientierten wir uns am concept of candidacy, das aus einem Review über den Zugang vulnerabler Gruppen zum Gesundheitswesen durch DIXON-WOODS et al. (2005) hervorgegangen ist. Die Autor*innen definierten sieben Stadien, die den Weg zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen prägen. Das erste Stadium besagt, dass sich Individuen oder Gruppen überhaupt erst als legitime Kandidatinnen und Kandidaten für bestimmte Dienstleistungen ("Services") erkennen müssen, damit es zu einer Interaktionssequenz mit Professionellen des Gesundheitswesens kommt (S.97f.). Das concept of candidacy, genutzt als "sensitizing concept" (BLUMER 1954, S.7), lieferte uns als Forschungsteam ideale Anschlusspunkte, um das Phänomen der erschwerten Inanspruchnahme suchtpräventiver Leistungen ausgehend von der Lebenswelt sozioökonomisch benachteiligter Eltern und ihrer (prä-)adoleszenten Kinder zu erforschen. [6]

Mit dem qualitativen Projekt folgten wir der Grounded-Theory-Methodologie (GLASER & STRAUSS 2009 [1967]; STRAUSS & CORBIN 1996 [1990]). Die Methodik zeichnet sich durch ein iterativ-zyklisches Prozessmodell aus, in welchem Datengewinnung, -analyse und Theoriebildung zeitlich ineinandergreifen. Der Methode entsprechend verfolgten wir bei der Rekrutierung eine theoretisch orientierte Samplingstrategie (theoretical sampling) (GLASER & STRAUSS 2009 [1967], S.45ff.). Beim theoretischen Sampling werden die einzubeziehenden Fälle – entsprechend des iterativ-zyklischen Vorgehens – nicht vorab definiert, sondern "entlang des sich entwickelnden theoretischen Wissens nach jeweils neu im Forschungsprozess festzulegenden Kriterien definiert [...], d.h. die Suche nach Vergleichsfällen wird durch die Ergebnisse der Auswertung der Daten geleitet" (MEY & MRUCK 2011 [2007], S.28). Zur Datenerhebung wurden problemzentrierte Interviews (WITZEL 1985, 2000; WITZEL & REITER 2012) durchgeführt. Die verbalen Daten wurden mittels Kodier-Verfahrens analysiert (STRAUSS & CORBIN 1996 [1990], S.39ff.). Die genaue Anlage des Projektes sowie die Studienergebnisse können Pfister et al. (2020) entnommen werden. [7]

2.1 Zur Zielgruppe: sozioökonomisch benachteiligte Familien

Ausgehend von der Fragestellung der Studie wurde die Rekrutierung durch folgende Inklusionskriterien angeleitet:

Die sozioökonomische Benachteiligung wurde anhand des sozioökonomischen Status' der Eltern bzw. eines Elternteils (bei Alleinerziehenden) bestimmt und orientierte sich an den Indikatoren Einkommen, Bildung und Berufsstatus der schweizerischen Klassifikationssysteme. Im Fokus unserer Einschätzung, ob Familien für eine Studienteilnahme geeignet waren, stand der Indikator Einkommen. Um die ökonomische Benachteiligung zu bestimmen, wurde mit der Armutsgefährdungsschwelle gearbeitet. So wurden ausschließlich Familien in die Studie inkludiert, deren Familieneinkommen bei 60% oder weniger des Medians des schweizerischen Äquivalenzeinkommens (Armutsgefährdungsschwelle) lag. Das Familieneinkommen erfragten wir jeweils mündlich im Rekrutierungsprozess, dabei haben wir uns auf die Angaben der befragten Personen verlassen (vgl. Abschnitt 3.1). 2018 lebten in der Schweiz 14.5% der Haushalte mit Kind(ern) unter der Armutsgefährdungsgrenze (BUNDESAMT FÜR STATISTIK BFS 2020). Besonders häufig waren Einelternhaushalte mit 27.6% armutsgefährdet, insbesondere, wenn minderjährige Kinder mit im Haushalt lebten (38.4%). Um der Komplexität sozioökonomischer Benachteiligung und den unterschiedlichen Lebenslagen (vgl. dazu auch WITTKE 2012) gerecht zu werden, wurden auch Familien mit Statusinkonsistenzen (bspw. hohe Bildung, niedriger Berufsstatus) einbezogen, sofern die finanzielle Deprivation gegeben war. [9]

Um eine umfassende und auch mehrdimensionale Sicht auf die zugrundeliegenden Konstellationen und Lebensumstände der Zielgruppe zu werfen, sollten Familien, das heißt Eltern(-teile) und deren Kind (10-14 Jahre) interviewt werden. Wie wir diese Gruppe ansprachen und schlussendlich für eine Studienteilnahme gewannen, wird im dritten Abschnitt behandelt und bildet das Kernstück des vorliegenden Artikels. Letztendlich war durch das Forschungsdesign auch festgelegt, dass neben der theoriegeleiteten Auswahl der Teilnehmenden eine Diversität des Samples hinsichtlich Geschlecht, Alter der Eltern, Migrationshintergrund sowie Familienformen und -größen angestrebt war, um der Heterogenität der Zielgruppe gerecht zu werden. [10]

2.2 Zur Datengrundlage der Reflexionen

Die Suche nach Studienteilnehmenden fand zwischen April 2017 und Juni 2019 statt. Die in diesem Zeitraum angefallenen Dokumentationen bilden die Datenbasis für die methodologischen Reflexionen zur Erreichung sozioökonomisch benachteiligter Familien:

3. Vorgehensweise und Erfahrungen bei der Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Familien

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass wir als Forschungsteam mit der Herausforderung konfrontiert waren, Teilnehmende für Interviews zu gewinnen, welche als schwer erreichbar gelten. Darüber hinaus bestand das theoriegeleitete Interesse, der Heterogenität der Lebenswelten dieser Personengruppe möglichst gerecht zu werden. Zur Herausarbeitung von Hürden und Erfolgsfaktoren bei der Ansprache von sozioökonomisch benachteiligten Familien werden im Folgenden die von uns angewandten Rekrutierungswege und -überlegungen vorgestellt und reflektiert. Der besonderen Herausforderung des Einbezugs von Eltern(-teilen) und deren Kind wird dabei ein separater Abschnitt gewidmet. In einem Zwischenfazit werden die angewandten Strategien anschließend bezüglich ihrer Effizienz und Effektivität bewertet. [12]

3.1 Vorbereitungsphase

Zu Beginn des Rekrutierungsprozesses erarbeiteten wir die öffentliche Darstellung der Studie und entwickelten eine Kommunikationsstrategie: Wir entschieden uns, einen Kurztitel einzusetzen, anstatt den langen und wenig einprägsamen Originaltitel des Forschungsprojektes zu verwenden. Wir bewarben unser Vorhaben mit dem Titel "Studie: Erziehung und Gesundheit". Die Entscheidung wurde getroffen, weil der Kurztitel einerseits dem Interviewverlauf Spielraum ließ, um über den Alltag und die von den Familien gesetzten Schwerpunkte zu sprechen. Andererseits wirkt die – im Originaltitel vorkommende – Begrifflichkeit Suchtprävention teilweise stigmatisierend, und wir befürchteten dadurch eine zusätzliche Hürde bei der Gewinnung von Gesprächspartner*innen. Denn der Begriff "Sucht" wird in der Gesellschaft nach wie vor mit einem moralisch verwerflichen Verhalten assoziiert, was zu Verunsicherung und Abwehr aufseiten der Zielgruppen führen kann (BERGER 2012). Um die Befragten trotz Verwendung des Kurztitels ausreichend über den Studienzweck zu informieren, hoben wir jeweils im Verlauf der Interviews hervor, dass die (Nicht-)Nutzung von Angeboten der Suchtprävention von zentralem Interesse für die Untersuchung ist. [13]

Um den Zugang zu den Familien zu erleichtern und deren aufgewandte Zeit zu honorieren, wurde weiter beschlossen, den Teilnehmenden ein Incentive zukommen zu lassen. Im Vorfeld wurden die mit den (finanziellen) Anreizen verbundenen Implikationen für qualitative Studien reflektiert (vgl. dazu auch HEAD 2009). Uns beschäftigte dabei insbesondere die Befürchtung, dass Familien ausschließlich aufgrund des finanziellen Anreizes teilnehmen oder sich aufgrund ihrer finanziell prekären Lage sogar zu einer Teilnahme verpflichtet fühlen könnten.2) Da im Fokus unseres Projektes schwer erreichbare Familien standen, waren die mit den Incentives erhofften Vorteile – der erleichterte Feldzugang und die gesteigerte Motivation zur Studienteilnahme – letztendlich aber ausschlaggebender als mögliche damit verbundene Nachteile. Um die Teilnahme nicht zu stark vom Geldanreiz abhängig zu machen, wurde mit Gutscheinen anstatt mit Bargeld gearbeitet: Die Eltern erhielten einen 80-Franken-Gutschein für einen großen Einzelhändler in der Schweiz, die Kinder einen 20-Franken-Büchergutschein (einlösbar in vielen Schweizer Buchhandlungen). [14]

In der Vorbereitungsphase wurde ein Flyer zur Rekrutierung gestaltet (vgl. Abb. 1). Auf diesem wurden als visueller Anreiz zwei einfache Strichmännchen in einem Dialog dargestellt. Weiter wurde der Kurztitel der Studie als Überschrift eingesetzt, und die Inklusionskriterien wurden über direkte Fragen eingebracht ("Haben Sie ein Kind zwischen 10 und 14 Jahren? Müssen Sie und Ihre Familie mit wenig Geld auskommen? Möchten Sie und Ihr Kind aus Ihrem Alltag erzählen? ... dann kontaktieren Sie uns!"). Die wissenschaftliche Rahmung der Studie wurde durch den Verweis auf die Hochschule kenntlich gemacht. Außerdem wurde auf das Incentive hingewiesen: "Als Dankeschön erhalten Sie eine Aufwandsentschädigung". Dabei wurde bewusst auf den Verweis einer finanziellen Gratifikation verzichtet, um die Motivation der interessierten Personen nicht zu stark monetär leiten zu lassen. Zur Kontaktaufnahme erhielt der Flyer zudem die personenbezogene Mailadresse und Handynummer der rekrutierungsverantwortlichen Projektmitarbeiterin. Indem wir telefonisch, per SMS, E-Mail und auch außerhalb der klassischen Bürozeiten zu erreichen waren, schafften wir ein breites Angebot an Kontaktmöglichkeiten, was die Kontaktaufnahme für die interessierten Personen möglichst komfortabel gestalten sollte (vgl. auch ROEHR et al. 2019, S.486). Um die Ansprache möglichst niedrigschwellig zu halten, wurde der Flyer bewusst ohne die Hilfe von Grafikdesigner*innen gestaltet und es wurde auf das Logo der Hochschule verzichtet. Wir wollten vermeiden, dass sich bildungsferne Personen durch einen perfekt und teuer gestalteten Flyer und eine vermeintlich zu hohe Wissenschaftlichkeit nicht angesprochen fühlen würden oder das Gefühl bekämen, dass ihr Alltagswissen für eine wissenschaftliche Studie nicht gefragt sei.



Abbildung 1: Flyer zur Rekrutierung (Da die Suche nach Interviewpartner*innen nicht mehr aktuell ist, wurden die Kontaktdaten geschwärzt) [15]

Zur Dokumentation der interessierten Personen haben wir ein Übersichtsformular zur Erfassung der wichtigsten Angaben erstellt. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass wir bei einem Kontakt die zentralen soziodemografischen Daten (Anzahl der Personen im Haushalt, Anzahl und Alter der Kinder, höchster Bildungsabschluss, berufliche Tätigkeit, Stellenprozente) sowie die Kontaktdaten aufnahmen. Um die sozioökonomische Benachteiligung mithilfe der Armutsgefährdung abzufragen, haben wir auf dem Formular mit Lohngruppen in Tausenderschritten gearbeitet, so konnten die befragten Personen angeben, ob ihr Haushalt weniger als 1000, zwischen 1001-2000, zwischen 2001-3000, zwischen 3001-4000 Franken usw. pro Monat zur Verfügung hatte. Einerseits erleichtern die Lohngruppen die Angabe, da das genaue Netto-Haushaltseinkommen "aus dem Stehgreif" meist nicht genau benannt werden kann, andererseits wollten wir dadurch die Hemmschwelle senken, die die (genaue) Angabe des Einkommens mit sich bringen kann. Zusätzlich wurde in der Vorbereitungsphase entschieden, dass wir uns bezüglich des Interviewsettings nach den Familien richten und diesen die Wahl über den Interviewort und -zeitpunkt weitgehend überlassen würden. Auf diese Weise hofften wir, Absagen aufgrund von Problemen mit der Kinderbetreuung, Fahrtkosten und Ähnlichem vorzubeugen. [16]

3.2 Rekrutierungsstrategien

Die Rekrutierung wurde als adaptiver Lernprozess verstanden (ROEHR et al. 2019, S.486), d.h. wir haben die verwendeten Methoden im Verlauf beobachtet, dokumentiert, regelmäßige Reflexionsschleifen eingebaut und das Vorgehen bei Bedarf adaptiert. Dabei wurden die im Folgenden vorgestellten Methoden nicht nacheinander, sondern oftmals auch zeitgleich und sich überschneidend angewandt. Nachfolgend werden jeweils die einzelnen, angewandten Strategien theoretisch eingeführt sowie unsere konkreten forschungspraktischen Erfahrungen aufgezeigt und reflektiert. [17]

3.2.1 Direktes Rekrutieren

Einen Schwerpunkt legten wir auf das direkte, ortsgebundene Rekrutieren. Bei diesem Vorgehen werden potenzielle Interviewpartner*innen durch das Forschungsteam im öffentlichen Raum persönlich und direkt angesprochen. Die Form der direkten Kontaktaufnahme gehört zu den am häufigsten beschrittenen Wegen bei der Gewinnung von Interviewpartner*innen und hat den großen Vorteil, dass das Forschungsteam von Beginn an den Kontakt und die Beziehung zu potenziellen Interviewteilnehmer*innen strukturieren kann (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014 [2008], S.60). [18]

Doch wie findet man im öffentlichen Raum Familien mit Kindern zwischen zehn und 14 Jahren, die sozioökonomisch benachteiligt sind? Zur Vorbereitung recherchierten wir, an welchen Orten diese Familien mit erhöhter Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind. Anhand verschiedener Statistiken des Bundes und der Gemeinden wurden beispielsweise Stadtteile und Gemeinden identifiziert, welche sich durch eine hohe Arbeitslosenquote oder ein niedriges steuerbares Einkommen pro Kopf auszeichneten. Folgender Auszug aus dem Rekrutierungstagebuch macht die Recherchetätigkeit deutlich:

"Wo finden wir Leute mit einem tiefen Einkommen? Um unsere Suche nach Personen mit einem tiefen Einkommen wahrscheinlicher zu gestalten, versuche ich herauszufinden, in welchen Gemeinden das Einkommen tief ist. Erst versuche ich es über die Lohnstudie des Bundes, doch diese Daten werden nur bis auf die Ebene der Kantone runtergebrochen. Erfolgreicher bin ich bei den Steuerstatistiken. Sowohl auf Ebene des Bundes als auch der Kantone ist öffentlich zugänglich, wie viel Steuern die Gemeinden pro Kopf einnehmen" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 13. März 2019). [19]

Zudem wurden Orte identifiziert, an denen preisgünstige Artikel für sozioökonomisch benachteiligte Personen offeriert werden. Hierzu gehörten:

An diesen Orten sprachen wir4) Personen direkt an und machten auf die Studie aufmerksam, nach Möglichkeit wurde auch der Flyer ausgehändigt. Dabei achteten wir darauf, möglichst viele und heterogene Personen zu kontaktieren und uns nicht von Vorurteilen leiten zu lassen. So gingen wir zu Beginn vor allem auf Personen zu, welche ausgehend von unserer Schätzung in dem Alter waren, um Kinder zwischen zehn und 14 Jahren zu haben. Bald stellten wir fest, dass die subjektive Einschätzung viele Fehler mit sich brachte, und wir gestalteten die Ansprache allgemeiner.5) Wenn wir vor oder auch in einem Geschäft rekrutierten, suchten wir im Vorfeld das Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort und holten deren Erlaubnis zur Ansprache von Personen ein. Die Rekrutierung vor den Supermärkten, welche finanziell benachteiligten Personen vorbehalten sind, hat sich als besonders erfolgreich herausgestellt, da die Angesprochenen das Inklusionskriterium "sozioökonomische Benachteiligung" mehrheitlich erfüllten. [21]

Wie aufwendig sich das direkte Rekrutieren gestalten kann und wie wichtig die sorgfältige Recherche nach geeigneten Orten und Zeitpunkten ist, verdeutlicht unsere Erfahrung von einem Tag, an welchem wir im ländlichen Raum rekrutiert haben. Vor verschiedenen Supermärkten und Geschäften sprachen wir Personen an, jedoch legten wir keinen Fokus auf Orte, welche spezifische Angebote für unsere Zielgruppe bereitstellten. Nach einem ganzen Tag im Feld konnten wir keinen einzigen verbindlichen Kontakt herstellen. Entsprechend ernüchternd fiel das Fazit aus, festgehalten im Rekrutierungstagebuch:

"Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Man erreicht viele, die Zielgruppe zu finden ist wahnsinnig aufwendig. Die Kriterien 'Kind 10-14, sozioökonomische Benachteiligung, im Idealfall noch ohne Migrationshintergrund' auf der Straße zu 'finden' ist in einem verhältnismäßigen Zeitrahmen nicht zu gewährleisten. D.h., die Rekrutierung sollte wieder vor Orte [...] verlagert werden, welche wenigstens ein Kriterium sicher abdecken" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 17. September 2018).6) [22]

Es lohnte sich folglich, genügend Zeit in die an die Zielgruppe angepassten Rekrutierungsorte zu investieren und möglichst Kontexte zu wählen, welche durch spezifische Eigenheiten die Inklusionskriterien (teilweise) abdeckten. Als weiterer zentraler Erfolgsfaktor des direkten Rekrutierens hat sich die persönliche Ansprache möglicher Studienteilnehmenden herausgestellt, denn dadurch erhalten die Personen einen direkten Eindruck von den Forschenden. Um eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme zu gewährleisten, haben wir darauf geachtet, keine unnötig wissenschaftliche Ausdrucksweise zu wählen und eher leger aufzutreten. Dadurch wollten wir deutlich machen, dass wir den Familien auf Augenhöhe begegnen wollten und an ihrem Alltagserleben und ihren Einschätzungen interessiert waren. Weiter konnten wir im persönlichen Gespräch die Inklusionskriterien direkt abfragen, und Interessentinnen und Interessenten konnten Fragen zur Studie oder zum Interviewablauf und -setting platzieren. Im Gespräch konnte auch erwähnt werden, dass wir uns bezüglich des Interviewortes und ‑zeitpunktes nach den Familien richten würden, und auf mögliche Vorbehalte konnten wir direkt reagieren. [23]

Unsere Flexibilität bezüglich des Interviewsettings hat sich als hilfreiche Strategie erwiesen, und mehrfach haben uns Eltern zurückgemeldet, dass sie den Termin dadurch leichter in ihrem Alltag unterbringen konnten. Auch haben wir uns offen gezeigt, wenn Dritte wie bspw. Geschwisterkinder während der Interviews anwesend waren. Sinnvoll war es außerdem, die Kontaktdaten der angesprochenen Personen direkt aufzunehmen und diese anschließend zu kontaktieren. Gaben wir lediglich unsere Flyer mit, haben sich Interessent*innen im Nachgang selten gemeldet. Hilfreich war zudem die hohe Kooperationsbereitschaft der Verantwortlichen vor Ort, d.h. der Markt- oder Filialleiter*innen, insbesondere im persönlichen Gespräch: Beinahe immer wurde der Auslage von Flyern sowie einer Kontaktaufnahme vor dem Geschäft zugestimmt. Wurde das Anliegen hingegen an die nächsthöhere Verantwortungsebene übertragen und nicht persönlich angebracht, kam es vermehrt zu Absagen. Diese wurden u.a. damit begründet, die Kundinnen und Kunden sowie deren Anonymität schützen zu wollen oder dass ein Mehraufwand für die Mitarbeitenden befürchtet wurde. [24]

3.2.2 Indirektes Rekrutieren: Gatekeeper

Zusätzlich zum direkten Rekrutieren, bei dem wir mögliche Teilnehmer*innen direkt ansprachen, wurden auch verschiedene indirekte Rekrutierungsstrategien angewandt. Die erste, die wir hier vorstellen, ist das Rekrutieren mithilfe von Gatekeepern (HELFFERICH 2011 [2004]; KRUSE 2014). Gatekeeper sind Schlüsselpersonen in Institutionen, die über einen besonders guten Zugang zu potenziell Teilnehmenden verfügen, bspw. Fachpersonen von Beratungsangeboten. Um zu vermeiden, überdurchschnittlich viele Familien zu erreichen, die Unterstützungsangebote eher bereitwillig in Anspruch nehmen, erfolgte der Zugang über Gatekeeper respektive Institutionen jedoch nur eingeschränkt.7) Der immanente Vorteil der Rekrutierungsstrategie ist, dass die Kontaktaufnahme erleichtert wird, weil eine bekannte Person – im besten Fall eine Vertrauensperson – die Studie bewirbt (HELFFERICH 2011 [2004], S.175). Aufgrund von Datenschutzbestimmungen wurden die Gatekeeper dabei nicht um direkte Weitergabe von Kontaktdaten gebeten, sondern darum, evtl. geeignete Interviewpartnerinnen und -partner anzusprechen und auf das Forschungsprojekt aufmerksam zu machen. Die Gatekeeper wurden im Vorfeld über das Forschungsvorhaben sowie die Inklusionskriterien informiert. Grundsätzlich muss bei diesem Vorgehen beachtet werden, dass Gatekeeper den Feldzugang nicht nur öffnen können, sondern das Feld auch selektieren (REINDERS 2016 [2005], S.123). Um diesem Problem zu begegnen und sicherzustellen, dass im Sample nicht Familien dominierten, welche Angebote bereitwillig in Anspruch nahmen, reflektierten wir die Samplezusammensetzung und die Wege, wie die bisherigen Familien erreicht worden waren, laufend. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem, dass Gatekeeper den Kontaktaufbau zwar unterstützt haben, die finale Entscheidung, welche Familien interviewt wurden, aber von uns getroffen wurde. [25]

Um einer Verzerrung vorzubeugen, wurden zudem bewusst sehr heterogene Gatekeeper angesprochen: Mitarbeiter*innen von Schulen bzw. Schulsozialarbeiter*innen (mit Fokus auf Schulen, die sich dem schweizweiten Netzwerk gesundheitsfördernder und nachhaltiger Schulen angeschlossen hatten), Migrationsvereine, Quartiersvereine und Vereine zur informellen Bildung für vulnerable und sozial benachteiligte Menschen, Anbietende von Elternbildung sowie Angebote zur Freizeitgestaltung für Kinder wie bspw. Fußballvereine. Vereinzelt wurden aufgrund des gesundheitsbezogenen Fokus der Studie auch Arztpraxen kontaktiert und wegen des Inklusionskriteriums der sozioökonomischen Benachteiligung Unternehmen aus dem Niedriglohnsektor angeschrieben. Die Auswahl der Gatekeeper orientierte sich am theoretischen Sampling und wurde durch die Recherche von Hintergrundinformationen zu unserer Zielgruppe begleitet, wie der folgende Auszug aus dem Rekrutierungstagebuch verdeutlicht:

"Die Auswahl der Vereine wurde anhand folgender Kriterien vorgenommen: 1. Vereine in Dörfern und Kleinstädten, da sich dort die Rekrutierung vor Ort weniger lohnt [da sehr zeitaufwendig]; 2. Das steuerbare Einkommen pro Kopf der Gemeinde liegt unter 28.000.-/Jahr in 2015; 3. Erstmals wurden nur Fußballvereine ausgewählt, da dies ein Hobby ist, welches bislang viele Kinder (Mädchen und Jungen) in den bereits interviewten Familien verbindet. Die Vereine wurden über die regionalen Vereinsverbände gefunden. Die Vereine wurden anhand der Teilnehmerliste des Regionalen Fußballverbandes angeschrieben. In jedem Verein wurde geprüft, ob sie Junior*innen haben" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 15. März 2019). [26]

Um dem Gebot der minimalen und maximalen Kontrastierung (GLASER & STRAUSS 2009 [1967], S.55) im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie nachzukommen, sollten zur Kontrastierung auch Familien in das Sample aufgenommen werden, die bereits Unterstützung und insbesondere suchtpräventive Angebote in Anspruch genommen hatten. Auf diese Weise konnten auch die Zusammenhänge und Hintergründe rekonstruiert werden, die einige sozioökonomisch benachteiligte Familien zu Kandidat*innen für familienbezogene Suchtprävention werden ließen. Dazu arbeiteten wir mit ausgewählten Gatekeepern in Suchtpräventionsstellen und Einrichtungen der Elternbildung zusammen. [27]

Die Rekrutierung mithilfe von Gatekeepern war teilweise erfolgreich. Mehrere Akteur*innen waren sehr kooperativ und hilfsbereit und nahmen auch den Nutzen der Studie für die Praxis positiv wahr. Insbesondere Fachpersonen aus dem Sozialwesen und Suchtpräventionsstellen unterstützten uns tatkräftig, z.B. konnten wir das Forschungsprojekt an einem Elternabend zum Thema Suchtprävention vorstellen. Dabei haben persönliche Kontakte zu den Verantwortlichen die Zusammenarbeit erleichtert und zu einer höheren Verbindlichkeit geführt. [28]

Dennoch benötigte auch diese Rekrutierungsmethode ein hohes Durchhaltevermögen, da auf Anfragen oftmals keine Reaktion kam oder Vorbehalte geäußert wurden. So war die Ansprache über die Schulen und den Niedriglohnsektor wenig erfolgreich. Absagen basierten unter anderem darauf, dass die Akteur*innen selbst über keinen geeigneten Zugang zur Zielgruppe verfügten oder einen Mehraufwand für den eigenen Betrieb fürchteten. Arztpraxen und vereinzelt auch Schulen und Unternehmen sind außerdem regelmäßig mit Studienanfragen konfrontiert und haben sich generell gegen das Auslegen von Flyern oder eine andere Form der Unterstützung entschieden. Im Niedriglohnsektor wurde die Absage außerdem damit begründet, dass die Arbeitnehmenden des Unternehmens die Inklusionskriterien nicht abdeckten oder nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten. Vereinzelt hatten Arbeitgebende Bedenken, auf die Studie aufmerksam zu machen, da wir auf dem Flyer explizit die finanzielle Prekarität ansprachen ("Müssen Sie und Ihre Familie mit wenig Geld auskommen?"). Begründet wurden die Bedenken damit, dass durch die Auslage der Flyer eingestanden würde, dass der Lohn für einige Angestellte nicht existenzsichernd sein könnte. Diese Befürchtungen legen nahe, Flyer in vergleichbaren Projekten je nach Gatekeeper und Zugang inhaltlich leicht modifiziert zu streuen. [29]

3.2.3 Indirektes Rekrutieren: Selbstmeldende

Eine zweite indirekte Rekrutierungsstrategie basierte auf dem Prinzip der Selbstmeldung, d.h. Personen werden ohne direkten Einfluss der Forschenden, von Gatekeepern oder anderen Multiplikator*innen auf das Projekt aufmerksam, bspw. indem sie Annoncen oder Flyer der Studie sehen. Vorteile dieses Vorgehens sind der vergleichsweise geringe Aufwand, da die Auslage/Streuung von Flyern mit anderen Datenerhebungsschritten verbunden werden kann. Selbstmeldende zeigen in der Regel eine hohe Teilnahmemotivation (HELFFERICH 2011 [2004], S.176). Hier liegt auch ein Problem der Strategie, da der Einbezug vieler Hochmotivierter zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen könnte. Zudem ist die Schwelle sich zu melden vergleichsweise hoch und wird unter Umständen hauptsächlich von Personen überwunden, die eine Nähe zu akademischen Bereichen haben (PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2014 [2008], S.59). Entsprechend muss die Samplezusammensetzung laufend reflektiert werden. [30]

Um Selbstmeldende zu erreichen, haben wir beim direkten Rekrutieren nach Möglichkeit Flyer an den aufgesuchten Orten ausgelegt und Gatekeeper darum gebeten, diese in ihrer Institution zu streuen. Auf diese Weise wurden die Studieninformationen gezielt an Orten platziert, an denen wir uns erhofften, möglichst viele Personen unserer Zielgruppe anzutreffen. Außerdem haben wir die Flyer in verschiedenen (familienbezogenen) Onlineforen und auf Facebook gepostet, begleitet von einer kurzen Beschreibung der Interviewsituation. Die Höhe der Aufwandsentschädigung haben wir dabei offengelegt. [31]

Diese Vorgehensweise war insbesondere im Vergleich zum direkten Rekrutieren zeitsparend. Die digitale Schaltung der Projektinformationen erreichte viele Menschen und benötigte wenig Zeit. Es empfiehlt sich aber auch hier, die Orte für die Postings gründlich auszuwählen, um eine möglichst gezielte Einschränkung auf den intendierten Personenkreis vornehmen zu können. [32]

3.2.4 Indirektes Rekrutieren: Schneeballsystem

Eine dritte von uns angewandte Rekrutierungsmethode war das Schneeballsystem. Dabei werden Personen angesprochen, die wiederum andere ansprechen sollen, die ggf. zu den Sampleüberlegungen passen (KRUSE 2014, S.251). Da mit diesem Verfahren jedoch nur sehr schwer Eingang in unterschiedliche soziale Felder möglich ist (a.a.O.), haben wir darauf geachtet, dass sich nicht mehr als ein Anschlusskontakt ergab. Zur Umsetzung der Strategie haben wir die interviewten Personen darum gebeten, in ihrem Bekanntenkreis auf die Studie aufmerksam zu machen und den Flyer weiterzugeben. Des Weiteren haben wir die beim direkten Rekrutieren angesprochenen Personen, die selbst nicht mitmachen wollten bzw. die Inklusionskriterien nicht erfüllt haben, gebeten, die Flyer zu streuen. [33]

Das Schneeballsystem war – wie die anderen indirekten Rekrutierungsstrategien – ressourcenschonend, da es mit anderen Datenerhebungsschritten verbunden werden konnte. Jedoch haben sich nur wenige geeignete Familien bei uns gemeldet. Mehrfach wurden wir von Interessent*innen kontaktiert, welche die Inklusionskriterien nicht abdeckten oder falsche Erwartungen an eine Studienteilnahme knüpften und sich beispielsweise finanzielle Unterstützung erhofften. Personen, die um die Weitergabe der Informationen gebeten werden, können nur bedingt über das Forschungsprojekt und die Inklusionskriterien aufgeklärt werden. Folglich ist es essenziell, dass Forschende die Abfrage der Inklusionskriterien vornehmen und Teilnehmende, die durch das Schneeballsystem rekrutiert wurden, genau über Studienzwecke und Interviewablauf in Kenntnis gesetzt werden. [34]

3.3 Einbindung von Studierenden

Während des begrenzten Zeitraums von einem Semester (sechs Monate) haben uns außerdem zwei Studierende im Rahmen eines Leistungsnachweises bei der Ansprache von Familien unterstützt. Ihnen wurde ein klar definiertes geografisches Einsatzgebiet zugeteilt (ein Kanton), welches bis dahin noch wenig im Fokus der Rekrutierungsbemühungen gestanden war. Zu Beginn haben wir die Studierenden ausführlich über das Forschungsprojekt und die bereits unternommenen Schritte informiert sowie die theoretischen Grundlagen des Rekrutierens besprochen. Um neuen Denkweisen und Ideen Raum zu geben, haben wir uns bei der Entwicklung von – an das Einsatzgebiet angepassten – Ansprachestrategien zurückgehalten. Um dennoch sicherzustellen, dass das Forschungsprojekt in unserem Sinne repräsentiert wurde, fanden regelmäßige Austauschsitzungen statt. Außerdem wurden die Studierenden angewiesen, bei der Kontaktaufnahme ihre Rolle als studentische Forschungsmitarbeitende deutlich zu machen und mit den von uns erstellten Flyern zu arbeiten. Die Abklärung der Inklusionskriterien und die Entscheidung, ob eine Familie – in Abhängigkeit vom aktuellen Forschungsstand – für die Interviews geeignet war, lag weiterhin bei uns. [35]

Die Studierenden haben die angewandten Rekrutierungsstrategien, die dabei gemachten Erfahrungen und Reflexionen in einem Abschlussbericht und einer Präsentation aufgearbeitet. Es fand mehrheitlich eine Orientierung an den von uns bereits angewandten Strategien statt: Die Studierenden nahmen das direkte Rekrutieren aufgrund der kalten Jahreszeit als beschwerlich wahr und sie mutmaßten, dass deswegen auch weniger Personen an den jeweiligen Orten anzutreffen waren. Im persönlichen Gespräch fühlten sie sich aufgrund ihrer privaten Kleidung oftmals nicht als vertrauenswürdig und professionell wahrgenommen8). Da ein Student bereits Erfahrungen in der telefonischen Marktforschung vorweisen konnte, fand als zusätzliche Methode eine Rekrutierung per Telefon statt. Mithilfe eines online abrufbaren Telefonbuches wurden in Stadtteilen mit vielen Sozialwohnungen und einer hohen Arbeitslosigkeit Personen angerufen und über das Forschungsprojekt informiert. Dabei seien innerhalb kurzer Zeit viele Personen erreicht worden, und Absagen wurden als weniger frustrierend wahrgenommen als beim direkten Rekrutieren. Jedoch wurden viele Personen kontaktiert, die für eine Teilnahme nicht infrage kamen, da anhand der Angaben im Telefonbuch der Familienstand oder das Alter nicht eingeschätzt werden konnten. Zudem erschien das Telefongespräch wenig verbindlich: Von 20 angerufenen Personen war niemand an einer Teilnahme interessiert, oder die Inklusionskriterien wurden nicht erfüllt. Bei der telefonischen Kontaktaufnahme mit Gatekeepern wurde es als problematisch empfunden, die Personen von der Existenz und Professionalität des Forschungsprojektes zu überzeugen. [36]

Der zeitlich begrenzte Einsatz von externen Forschungsmitarbeitenden war mit einem gewissen Zusatzaufwand verbunden, da diese erst in die Materie eingeführt und während des Rekrutierungsprozesses eng begleitet werden mussten. Dennoch erlebten wir das Vorgehen als positiv, da der externe Blick hilfreich war, um eigene "blinde Flecken" aufzuzeigen. So haben uns die Studierenden darauf aufmerksam gemacht, dass wir den Facebook-Auftritt des Forschungsprojektes nicht aktiv pflegten und haben diesen nach Absprache deutlich proaktiver gestaltet, die Studie in verschiedenen Facebook-Gruppen beworben sowie ausgewählte Gruppenadministrator*innen direkt angeschrieben. [37]

3.4 Herausforderung der Rekrutierung von Eltern und Kindern

Ziel der Studie war es, Interviews mit Eltern(-teilen) und Kindern zu führen. Dieses Kriterium stellte uns vor die Herausforderung, die Kinder angemessen in den Rekrutierungsprozess einzubinden. Denn jegliche Forschung mit Kindern sollte den Anspruch haben, deren Wohlergehen durchgehend zu gewährleisten (GERARTS 2015, S.164). Dazu gehört auch, die Kinder vorab über das Setting zu informieren und deren Zustimmung einzuholen. [38]

3.4.1 Zustimmung des Kindes

Für die formale Zustimmung haben die Eltern nach dem Interview jeweils für sich und stellvertretend für ihr minderjähriges Kind eine Einverständniserklärung unterschrieben, doch auch die Zustimmung des Kindes war uns ein wichtiges Anliegen. Deshalb baten wir die Eltern bei der direkten Rekrutierung, vom Kind – falls dieses im persönlichen Gespräch nicht anwesend war – dessen explizites Einverständnis zur Teilnahme einzuholen. In Einzelfällen sagten Eltern ab, da die Heranwachsenden nicht teilnehmen wollten, wie folgender Ausschnitt aus dem Rekrutierungstagebuch deutlich macht:

"Telefonat mit Frau Weber9) [...]. Frau Weber selbst hätte sehr gerne mitgemacht, der Sohn (14-jährig) möchte leider nicht mitmachen. Frau Weber sagt, es ist ihm einfach zu unsicher und er traue sich das nicht zu. Ich habe nochmals versucht klarzumachen, dass der Junge nur ein bisschen zum Erzählen aus seinem Alltag aufgefordert wird und wir bereits mehrere Gespräche mit Jugendlichen hatten und darin sehr geübt sind. Leider hat es nichts bewirkt, der Sohn ist sich wohl sehr sicher, dass er nicht mitmachen möchte. Frau Weber sagt, sie habe auch schon versucht ihn zu überreden, er habe aber eine sehr starke Null-Bock-Phase. Außerdem glaubt sie, dass die 'heutige Jugend' zu verwöhnt ist und 20 CHF nicht genug Anreiz darstellen" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 8. April 2019). [39]

Vor allem bei den etwas älteren Kindern, die schon in der Pubertät waren, war die von Frau Weber so bezeichnete "Null-Bock-Phase" mehrmals hinderlich. Dass das Incentive nicht genug Anreiz darstellte, wie Frau Weber vermutet, wurde nur selten an uns herangetragen. Zudem haben mehrere Eltern trotz unserer expliziten Aufforderung die Kinder nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden. Deutlich zeigt dies folgende Notiz zu einem Telefonat mit einer Mutter: "Sie [die Mutter] hat die Kinder nicht nach ihrer Einwilligung für das Interview gefragt, ist sich aber sicher, dass diese teilnehmen: 'das entscheide ich einfach'" (Postskript, Mutter Rahel, 44 Jahre). Teilweise waren die Kinder selbst unmittelbar vor dem eigentlichen Gespräch noch nicht über die Situation aufgeklärt worden. In solchen Fällen holten wir explizit das Einverständnis des Kindes ein und wiesen darauf hin, dass das Interview jederzeit auch abgebrochen werden könne. So kam bspw. die Familie Merian am vereinbarten Ort, einem Universitätsinstitut, an. Als wir uns auf zwei Räume aufteilen wollten, um getrennte Gespräche zu führen, war der Sohn Farid sichtlich irritiert: Er wusste nicht, um was es in der Situation gehen sollte. Im Postskript wird Farids Irritation deutlich:

"Auf dem Weg zum Seminarraum war er [Farid] sichtlich aufgewühlt (sehr ruhig, traurige Augen). Da ich den Eindruck hatte, dass ich auch sehr verwirrt sein könnte [...] gab ich ihm im Seminarraum den Flyer der Studie und stellte nochmals klar, dass er auch Nein sagen darf. Die Ruhe im Seminarraum und wahrscheinlich auch der Moment, den er für sich hatte mit dem Flyer, lockerten Farid etwas auf. Ungläubig sagte er: 'Meine Eltern haben eingewilligt, über ihren Alltag zu erzählen?' Wir lachten und ich nutze den Moment, um zu fragen, ob er das Interview machen möchte. Er willigte ein, etwas widerwillig, wie es sich für einen Teenager gehört" (Postskript, Sohn Farid, 14 Jahre). [40]

Obwohl Farid bereits 14 Jahre alt war, war er von den Eltern offenbar nicht über die Interviewteilnahme aufgeklärt worden, was bei ihm zu Irritationen und negativen Gefühlen geführt hatte. Das Beispiel stellt in unserer Studie einen Einzelfall dar, für die deutliche Mehrheit der Kinder war eine Teilnahme kein Problem – selbst, wenn sie im Vorfeld nicht darüber informiert worden waren. So hat Mutter Jolanda ihre zehnjährige Tochter Michelle erst bei unserem Eintreffen darüber aufgeklärt, dass das Mädchen nun befragt werden würde: "Auf die Ankündigung von Jolanda, dass ich das Interview mit Michelle führen werde, hat diese etwas erstaunt geschaut und dann über die Bezeichnung 'Interview' gekichert" (Postskript, Tochter Michelle, 10 Jahre). Im Gegensatz zu Farid reagierte Michelle auf die Ankündigung amüsiert und war von Beginn an gesprächsbereit. [41]

Es wurden also nicht alle Kinder in den Entscheidungsprozess eingebunden. Dies macht die Notwendigkeit deutlich, die Eltern bei der Rekrutierung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie ihr Kind über die Situation aufklären und explizit um dessen Einwilligung bitten sollten. Auch sollten sie mit dem Kind besprechen, wo es das Gespräch führen möchte. Forschende sollten die Heranwachsenden in jedem Fall vor dem Interview ausreichend über den Zweck informieren und dessen klares Einverständnis (mündlich) einholen. Je nach Alter des Kindes ist auch die Verwendung einer kindgerechten, schriftlichen Einverständniserklärung empfehlenswert – auch wenn formal die Einwilligung der Sorgeberechtigten ausschlaggebend ist (RAU et al. 2017, S.100). [42]

3.4.2 Rekrutierung von Kindern

Um Kinder stärker in den Entscheidungsprozess zu involvieren, haben wir sie nach Möglichkeit bereits bei der direkten Rekrutierung in das Gespräch und die Entscheidung involviert. Erschwerend war in diesem Fall die Abfrage des Haushaltseinkommens, da einige Eltern vor ihren Kindern nicht die finanziell angespannte Situation der Familie thematisieren wollten. Hierzu ein Beispiel:

"Ich bin auf die Familie zu, habe kurz mein Anliegen vorgebracht. Die Mutter zeigte sich direkt sehr interessiert, hat immer genickt und direkt geantwortet: 'Die Frage ist dann nur, wer von meinen Kindern mitmachen darf'. Sie hat mir erzählt, dass sie 4 Kinder hat, alles Mädchen [...]. Sie hat daraufhin die 11-jährige Tochter – die dabei war – direkt gefragt, ob diese Lust hat, woraufhin das Mädchen nickte. Ich habe erklärt, dass ich noch paar Dinge wissen muss, bevor wir das fest vereinbaren können. [Mutter] Monika hat zwar sehr offen gesagt, dass sie nicht so viel Geld haben, da sie nur einen Verdiener im Haushalt haben, als ich dann aber konkret das Haushaltseinkommen abgefragt habe, hat sie nur schnell auf das entsprechende Lohnband gezeigt. Ich hatte das Gefühl, das will sie vor ihren Kindern nicht so offen sagen" (Postskript, Mutter Monika, 40 Jahre). [43]

Hier war das im Vorfeld vorbereitete Formular zur Abfrage der wichtigsten Angaben nützlich. Mutter Monika konnte das Familieneinkommen rasch einem Lohnband, d.h. einer Lohngruppe zuordnen, und musste dieses nicht laut aussprechen. Neben der gemeinsamen Ansprache von Eltern mit ihren Kindern, haben wir Heranwachsende auch direkt angesprochen. Meist betraf dies Jugendliche, die in kleineren Gruppen mit ihren Peers unterwegs waren. Bei dieser Altersgruppe ergaben sich einige jugendtypische und gruppendynamische Prozesse, die sozialpädagogisch interessant, für die Gewinnung von Interviewpartner*innen aber weniger produktiv waren, wie folgender Ausschnitt aus dem Rekrutierungstagebuch verdeutlicht:

"Ab ca. 18 Uhr war ich dann im Park [...]. Mit ca. 8-10 Jugendlichen habe ich auch gesprochen, die sich im Park zusammengruppierten. Die eine Jugendliche gab sich sichtlich Mühe, mein Vorhaben zu verstehen und zu helfen und meinte, dass ich mit einem bestimmten 13-jährigen Mädchen, das in einer Schweizer Familie lebe, sprechen solle: 'Schweizer interessieren sich mehr für das'. Anschließend wurde mir ein Junge im entsprechenden Alter vorgestellt, auch wieder mit dem Hinweis auf die Nationalität ('Deutsche Familie'). Beide Jugendlichen waren aber nicht interessiert bzw. ich hatte den Eindruck, dass sie sich durch die Gruppe auch etwas übercool gaben, was die Kommunikation nicht gerade erleichterte. Schließlich nutzte ein Junge die drei, vier ausgehändigten Flyer zum Grillen. Ich müsse da jetzt schon durchgreifen, meinte ein anderer Junge. Da würden meine wertvollen Drucksachen verbrannt, das gehe nicht. Und schwups ... schon fühlte ich mich ein wenig wie der Jugendarbeiter vom Dienst ;-)" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 2. April 2019). [44]

Generell verlief die Ansprache von Mädchengruppen positiver als die Ansprache von gemischtgeschlechtlichen oder Jungengruppen:

"Zufällig war gerade in der Nähe Schulschluss und es kamen viele Jugendliche in der richtigen Altersspanne vorbei. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich vor allem die Mädchen sehr leicht auf ein Gespräch einlassen und Interesse zeigen. Es wurden einige Flyer verteilt, die sozioökonomische Benachteiligung wurde im Gespräch mit den Jugendlichen nicht angesprochen. Bisher jedoch keine Kontaktaufnahme. Insbesondere Kinder/Jugendliche haben auf das Wort 'Interview' positiv reagiert. Ggf. fühlen sie sich dadurch wichtig und ernst genommen?" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 17. September 2018). [45]

Heranwachsende, die direkt angesprochen wurden, zeigten vereinzelt Interesse und reagierten positiv auf die Interviewanfrage.10) Dennoch kam es im Nachgang zu keiner Kontaktaufnahme durch die Familien. Kinder, die allein unterwegs waren, haben wir nicht angesprochen, da wir kein Unsicherheitsgefühl auslösen wollten. [46]

3.5 Wie erfolgreich waren die Strategien? Ein erstes Fazit

Bei dem bisherigen Überblick über die von uns angewandten Strategien zur Erreichbarkeit von sozioökonomisch benachteiligten Familien wurde einerseits das Vorgehen erläutert, andererseits reflektierten wir die jeweiligen Hürden und Erfolgsfaktoren. Ein erstes Fazit zu Effizienz und Effektivität der Rekrutierungsstrategien soll an dieser Stelle gezogen werden: Wie wurden die 16 interviewten Familien in unserem Sample letztendlich erreicht? Fünf Familien gewannen wir über die persönliche Ansprache beim direkten Rekrutieren, sechs mithilfe von Gatekeepern, vier über das Prinzip der Selbstmeldung, und eine Familie wurde durch das Schneeballsystem auf die Studie aufmerksam (vgl. Abbildung 2).



Abbildung 2: Wege, wie die Studienteilnehmenden rekrutiert wurden [47]

Am Effizientesten war die Rekrutierung mithilfe von Gatekeepern, da die Strategie verhältnismäßig ressourcenschonend ist und am meisten Interviewteilnehmer*innen gewonnen wurden. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Methode auch ihre Tücken und Fallstricke hat: Gatekeeper verfolgen bei der Ansprache von Personen ggf. eigene Interessen und sprechen selbst natürlich nur jene Familien an, welche sowieso in Kontakt zu ihnen stehen. Multiplikator*innen sollten nach Möglichkeit persönlich angesprochen werden und eine Anpassung der Studienflyer an deren Berufsfeld sollte in Betracht gezogen werden. Wir empfehlen dringend, verschiedene und möglichst heterogene Gatekeeper einzubeziehen, um eine Verzerrung des Samples zu vermeiden. [48]

Über die direkte Ansprache konnten die zweitmeisten Familien rekrutiert werden. Dies war mit Abstand die zeitintensivste, jedoch auch die effektivste Strategie, da dabei keine externen Verzerrungseffekte zum Tragen kamen, welche sich nur bedingt kontrollieren lassen. Beim direkten Rekrutieren ist man nicht auf die Vorauswahl durch Gatekeeper angewiesen, und es lassen sich auch diejenigen Personengruppen einbeziehen, welche Multiplikator*innen wie bspw. Fachpersonen aus dem Sozialwesen nicht erreichen. Auf Vorbehalte gegenüber der Studie kann im direkten Gespräch unmittelbar eingegangen werden, und beide Parteien, die Forschenden und die Beforschten, erhalten einen ersten Eindruck voneinander. Ausgehend von unseren Erfahrungen empfiehlt es sich, die Kontaktdaten nach Möglichkeit direkt aufzunehmen und sich nicht darauf zu verlassen, dass sich die Angesprochenen von sich aus melden. Außerdem sollten die strukturellen Bedingungen und der Kontext berücksichtigt werden, in denen sich die Zielgruppe bewegt. [49]

Ein Viertel der befragten Familien kontaktierte uns aufgrund ausgelegter Flyer oder Inserate selbst – also ohne direkten Hinweis auf die Studie durch uns oder Dritte. Da sich diese Methode sehr gut mit anderen Rekrutierungsschritten verbinden lässt, ist sie in vielen Forschungsdesigns verhältnismäßig ressourcenschonend umzusetzen. Als vorteilhaft hat sich die Angabe der Handynummer und der E-Mail-Adresse auf dem Flyer herausgestellt, da wir so außerhalb der klassischen Bürozeiten und per SMS erreichbar waren und eine niedrigschwellige Kontaktaufnahme gewährleisten konnten. Zwei Selbstmeldende reagierten vermutlich auf Flyer und Annoncen, die die Studierenden platziert hatten, wobei jeweils nicht abschließend nachvollzogen werden konnte, wie die Flyer letztendlich an die Orte gelangten, an denen die Familien diese fanden. Die Zusammenarbeit mit studentischen Forschungsmitarbeitenden hat sich vor allem zur Vermeidung einer "Betriebsblindheit" in einzelnen Rekrutierungsstrategien als gewinnbringend erwiesen. Der externe Blick auf das Rekrutierungsvorgehen bietet eine weitere Form der Reflexion und kann wertvolle Impulse und Anregungen bieten. [50]

Eine Familie konnten wir über das Schneeballprinzip in das Forschungsprojekt inkludieren. Die Person, welche die Studieninformationen weitervermittelt hat, haben wir beim direkten Rekrutierung auf der Straße angesprochen, sie selbst hat nicht an der Studie teilgenommen. Da das Vordringen in verschiedene soziale Felder durch das Schneeballprinzip nur schwer gelingt, sollte die Strategie nur begrenzt eingesetzt werden. [51]

Das zu Beginn breit aufgestellte Angebot an Kontaktmöglichkeiten wurde von den Familien genutzt (vgl. Abbildung 3). Die erste Kontaktaufnahme erfolgte hauptsächlich – durch jeweils fünf Familien – telefonisch oder durch den persönlichen Kontakt beim direkten Rekrutieren. Vier Familien wählten die Kontaktaufnahme per E-Mail. Zweimal wurden wir mittels Fachpersonen angesprochen, welche aufgrund von Sprachproblemen als Vermittlerinnen fungierten. Die Kommunikation per SMS wurde im weiteren Verlauf und zur genauen Abklärung des Interviewsettings genutzt, jedoch nicht zur ersten Kontaktaufnahme.



Abbildung 3: Art der ersten Kontaktaufnahme durch die Familien [52]

Auch unsere Bereitschaft, das Interview an einem Wunschort der Befragten durchzuführen, hat sich als hilfreich erwiesen (vgl. Abbildung 4). Die deutliche Mehrheit der Familien hat sich dafür entschieden, das Interview im eigenen Zuhause durchzuführen. Es wurden jedoch auch Gespräche an öffentlichen Orten geführt. So war bspw. die eher hochpreisige Kaffeehauskette, in welcher ein Interview stattfand, der ausdrückliche Wunsch eines Kindes (Postskript, Mutter Sabine, 43 Jahre).



Abbildung 4: Gewählter Interviewort der Teilnehmenden [53]

4. "Und dann komm ich im Fernseher?" Aus den Gesprächen mit den Familien rekonstruierte Erfolgsfaktoren

Bisher haben wir unsere Erfahrungen als Forschungsteam aufgearbeitet und reflektiert. Im Folgenden werden die von den rekrutierten Personen genannten Motivationsgründe aufgeführt: Oftmals erwähnten die Gesprächspartner*innen während des Interviews selbst, wieso sie sich für eine Partizipation entschieden hatten. Etwa die Hälfte der Familien haben wir im Gespräch außerdem explizit nach den Gründen für ihre Teilnahme gefragt. Die Eltern begründeten ihre Entscheidung mit einem Interesse am Thema, der damit verbundenen Horizonterweiterung oder damit, dass sie viel erlebt und daher auch viel zu erzählen hätten. Die befragten Kinder gaben an, dass sie gerne erzählten, "das noch nie gemacht haben" (Kinderinterview, Tochter Nathalie, 14 Jahre) oder sie verwiesen auf den Nutzen der Studie: "Wenn es etwas nützt, dann mache ich das schon gerne [...]. Ich bin ja nicht die Einzige auf dem Planeten, die so Probleme hat" (Kinderinterview, Tochter Jenny, 14 Jahre). Eine Mutter nannte außerdem das Incentive als Motivation ihrer Tochter sowie deren Vermutung, ins Fernsehen zu kommen:

"Sie [die Tochter] hat mitentschieden, ja ja genau. Ja weil es ist ja [im Onlineforum] gestanden, dass mit Kinderinterview und äh, dann habe ich ihr ein bisschen erklärt [...] um was es so bisschen geht und ob sie Lust hat zum irgendwie da mitmachen. Und dann habe ich auch erklärt, dass es einen Gutschein gibt. Und sie so: 'Gutschein' [Mutter und Interviewerin kichern]. 'Und dann komm ich im Fernseher?' Ich so: 'Nein' [Mutter kichert]" (Elterninterview, Mutter Kaiwen, 34 Jahre). [54]

Der kurze Einblick in die Aussagen der rekrutierten Familien macht deutlich, dass eine wichtige Motivation in einem Interesse und einem gewissen Bedürfnis des Erzählens zu verorten ist. Auch schienen sie unser geduldiges Zuhören sowie unser Interesse am Familienalltag geschätzt zu haben. Es hat sich in einzelnen Gesprächen aber auch gezeigt, dass mit der Partizipation falsche Erwartungen verbunden wurden. So hat sich eine Familie Unterstützung bei der Jobvermittlung erhofft und eine andere Mutter Hilfe beim Umgang mit den finanziell knappen Ressourcen. In beiden Fällen gab es eine gewisse Sprachbarriere, ein Interview wurde mithilfe einer Dolmetscherin geführt. Dies zeigt auch, dass die finanzielle Prekarität den Alltag von Familien sehr stark dominieren und andere Handlungsfelder überlagern kann (vgl. ausführlicher Pfister et al. 2020). Zuletzt darf der Aspekt der sozialen Erwünschtheit nicht vergessen werden, insbesondere, da die Frage von uns gestellt wurde: So würden wohl nur die wenigsten Personen gegenüber Forschenden kommunizieren, dass sie lediglich aufgrund des finanziellen Anreizes an einem Interview teilgenommen haben. [55]

Die Darlegungen verdeutlichen, dass Teilnehmende im Vorfeld klar über den Zweck des Interviews aufgeklärt werden müssen, bei Bedarf in der jeweiligen Muttersprache. Sie verweisen außerdem auf einen Vorteil der von uns gewählten Datenerhebungsmethode: Die offen formulierte Einstiegsfrage in das problemzentrierte Interview, die zwar einen thematischen Rahmen absteckte, aber den interviewten Personen "eine leere Seite" (WITZEL 2000, §13) zum Erzählen anbot, entsprach dem Bedürfnis der befragten Personen, was dazu beigetragen hat, die in qualitativen Interviews gewünschte freundliche Atmosphäre herzustellen (HELFFERICH 2011 [2004], S.177). [56]

5. Theoretisches Sampling: Einfluss der Rekrutierungsstrategie auf das Sample

Im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie erfolgte die Auswahl der Studienteilnehmenden nach dem Prinzip des theoretischen Samplings. Während die Reflexion dieses Vorgehens und die Frage der theoretischen Sättigung nicht Ziel dieses Artikels sind, bieten die Erfahrungen bei der Auswahl der Teilnehmenden wichtige Hinweise auf die Relevanz der gewählten Rekrutierungsstrategien. Das theoretische Sampling zeichnet sich durch einen Prozess des ständigen Vergleichens aus (GLASER 2011 [2007]). Praktisch finden eine Reihe aufeinander aufbauender Auswahlentscheidungen statt, wobei die Inklusionskriterien im Forschungsprozess zunehmend spezifischer werden.

"Nur indem die Forscherin oder der Forscher Kodes entdeckt und versucht, diese durch theoretisches Sampling in Vergleichsgruppen zu sättigen, ergeben sich sukzessive die Voraussetzungen für die weitere Datenerhebung und zwar 1. mit Blick auf die Kategorien und Eigenschaften, auf die hin das Sampling ausgerichtet werden sollte, und 2. auch in Bezug auf die Frage, wo welche Daten erhoben werden sollten" (S.151). [57]

Zu Beginn einer Studie fehlen fundierte Erkenntnisse, welche Untersuchungseinheiten sich zur Analyse eignen könnten:

"Anders als im fortgeschrittenen Stadium eines Forschungsprozesses, wo die Auswahl der (weiteren) Fälle [...] zur Entwicklung der Theorie über den Gegenstand [...] auf der Basis der bereits geleisteten Analyse geschieht [...], haben die Forschenden zu Beginn der Untersuchung nur wenige Anhaltspunkte" (TRUSCHKAT, KAISER-BELZ & VOLKMANN 2011 [2007], S.357). [58]

Die Auswahl der ersten Fälle wird auf Basis einer theoretischen Sensibilität zur Fragestellung getroffen, die sich primär aus Literaturkenntnissen ergibt (S.358). Hierzu haben wir Inklusionskriterien formuliert (vgl. Abschnitt 2.1), welche für die ersten drei Familien, die wir interviewten, die einzigen zu erfüllenden Merkmale waren. Im weiteren Verlauf haben wir die Kriterien auf Grundlage des wachsenden Wissens über die zugrundeliegende Fragestellung laufend neu überdacht. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass die ersten interviewten Familien alle ein schwaches Inanspruchnahmeverhalten aufwiesen. Da wir an der Rekonstruktion von Prozessen und Hintergründen dieses Verhaltens interessiert waren, entschieden wir uns, "im Sinne der maximalen Kontrastierung [...] zeitnah eine Familie [...] [zu rekrutieren], welche bereits ein Angebot der Suchtprävention in Anspruch genommen hat" (Rekrutierungstagebuch, Eintrag vom 31. Oktober 2017). Durch diese fortlaufend entstehenden Erkenntnisse sowie durch die Methode des ständigen Vergleichens haben wir jeweils entschieden, welche Daten wir als Nächstes erheben wollten und welche Fälle sich hierfür eigneten. Fortgeführt wurde das zyklische Vorgehen, bis sich bei der Datenauswertung eine theoretische Sättigung gezeigt hat, d.h. neue Daten haben uns – in Bezug auf unsere Fragestellung – keinen substanziellen Wissenszuwachs mehr gebracht.



Abbildung 5: Ablauf des theoretischen Samplings [59]

Interessierte Personen, die aufgrund des damaligen Forschungsstandes nicht interviewt werden sollten, wurden auf einer projektinternen Liste gesammelt, um diese bei Bedarf später einzubeziehen. Letztendlich haben wir nur eine Familie auf diesem Weg nachträglich in die Studie inkludiert. Trotz anfänglicher Befürchtungen kam es dabei nicht zu einer Absage aufgrund der Wartezeit. Der zentrale Aspekt des ständigen Vergleichens hat jedoch nicht nur die Auswahl der Teilnehmenden geleitet, sondern auch die Wahl der Rekrutierungsmethode. Wir arbeiteten mit der Annahme, dass verschiedene Strategien einzelne Teilgruppen unserer Zielgruppe stärker ansprechen und die Methodenwahl daher Auswirkungen auf die Konstellation des Samples nehmen kann. So wurde auf der Suche nach einer Familie mit einem hohen Inanspruchnahmeverhalten – um das Beispiel von oben aufzunehmen – der Weg über Suchtpräventionsstellen als Gatekeeper gewählt. Denn Familien, die diesen Gatekeepern bekannt sind, hatten wenigstens schon einmal Kontakt zu einem suchtpräventiven Unterstützungsangebot. Den Einfluss der Rekrutierungsstrategie auf das Sample reflektierten wir laufend. Wir fragten uns bspw., ob die angewandten Wege zu einer Verzerrung führten oder ob einzelne Methoden lediglich eine spezifische Teilgruppe erreichten. Um Auswirkungen vorzubeugen, welche sich möglicherweise erst am Ende der Datenauswertung zeigen würden, wurden die Strategien über den gesamten Projektverlauf möglichst heterogen gehalten. Aufgrund der regelmäßigen Reflexionszyklen konnten wir bereits während des Forschungsprozesses erste Hürden und Erfolgsfaktoren der Erreichbarkeit identifizieren und mit anderen Fachpersonen aus der Forschung und Praxis diskutieren. [60]

Wie bedeutend ein multistrategischer Rekrutierungsansatz ist, zeigte sich in der Auseinandersetzung mit den Projektergebnissen und den angewandten Strategien: In der Gesamtanalyse des Forschungsprojekts – in welchem wir die Hintergründe zum erschwerten Inanspruchnahmeverhalten suchtpräventiver Angebote behandelten – ordneten wir die befragten Familien vier verschiedenen Modi (A-D) zu (vgl. Anmerkung 1). Diese unterscheiden sich in der Wahrnehmung der Problemlast sowie der Art der Problembearbeitung und öffnen bzw. schließen die Wege hin zu suchtpräventiven Angeboten (Pfister et al. 2020). Auffallend – in Bezug auf die Rekrutierungsstrategien – ist, dass alle Familien aus dem Modus A über Gatekeeper erreicht wurden. Diese Familien nahmen ihre Situation als existenziell-ausweglos wahr und richteten den Bewältigungsfokus im Alltag auf das als bedrohlich wahrgenommene Thema. Sie wiesen zudem eine niedrige Agency auf, lebten finanziell sehr prekär und erhielten alle Sozialhilfe. Aufgrund ihrer Vulnerabilität waren sie fest in Hilfesysteme eingebunden und wurden dort von den Fachpersonen – offenbar auch in Bezug auf eine Studienteilnahme – "mitgedacht". Dies zeigt eindrücklich, dass die Anwendung von nur einem Rekrutierungsweg eine Verzerrung der Studienergebnisse zur Folge haben kann. Zwar wurden über Gatekeeper auch Familien erreicht, die anderen Modi zuzuordnen waren, aber hätten wir auf die Strategie der Gatekeeper ganz verzichtet, wäre der Modus A in unseren Ergebnissen voraussichtlich nicht auf diese Weise vertreten gewesen. [61]

Auch forschungspraktische Gründe dürfen in einer methodologischen Reflexion nicht außen vorgelassen werden, denn fast jede Forschung – und so auch unsere Studie – unterliegt gewissen Ressourcenbeschränkungen. Wir konnten auf eine finanziell und zeitlich recht großzügige Projektanlage bauen, was uns in der Planung und im Forschungsprozess viel Freiraum gelassen hat. Basierend auf einer fundierten Projektplanung gelang es uns, die anfangs anvisierte Anzahl von 15-18 Familien zu rekrutieren und 32 Interviews zu führen. Neben gründlichen Vorüberlegungen hatten wir letztendlich auch das nötige Quäntchen Glück, die theoretische Sättigung im Rahmen der Projektlaufzeit zu erreichen. [62]

6. Diskussion und Schlusswort

Unser Ziel war es, einen transparenten Einblick in einen wichtigen Abschnitt im Forschungsprozess zu gewähren, der in Publikationen oft zu wenig Aufmerksamkeit erhält (ROCKLIFFE et al. 2018, S.9). Neben den bereits in anderen Studien dargelegten Ergebnissen zur Erreichbarkeit von schwer einzubeziehenden Personengruppen liefern wir Ergänzungen zur Rekrutierung von sozioökonomisch benachteiligten Personen als Interviewteilnehmer*innen. Da es sich bei schlecht erreichbaren oder "hard-to-reach" Personen um keine homogene Gruppe handelt (SHAGHAGHI et al. 2011, S.87) und sozioökonomische benachteiligte Familien bisher nur unzureichend in den Fokus gerückt wurden, hoffen wir, mit dem vorliegenden Artikel zu einem weiteren Erkenntnisgewinn beizutragen. [63]

Zentral erscheint uns die Notwendigkeit, unterschiedliche Rekrutierungsstrategien anzuwenden und diese kritisch zu reflektieren, da diese Einfluss auf die Samplezusammensetzung und damit auch auf die Daten nehmen. Ausgehend von unseren Erfahrungen stimmen wir folgender Aussage von PRZYBORSKI und WOHLRAB-SAHR (2014 [2008]) vorbehaltlos zu:

"Jede der spezifischen Formen, Informanten und Informantinnen zu gewinnen, strukturiert die Auswahl des empirischen Materials mit [...]. [...] der Weg der Gewinnung von Interviewpartnern hat einen Einfluss auf deren Auswahl. Dieser Effekt muss reflektiert werden und systematisch in die Planung der Erhebung einbezogen werden" (S.59). [64]

Wir bestätigen zudem die Erkenntnis von ABRAMS (2010, S.541), welche mit Verweis auf MILES (2008) festhielt, dass die Rekrutierung über Gatekeeper den Zugang zu schwer erreichbaren Personengruppen zwar erleichtert, aber jene Personen ausschließt, die keine Verbindung zu den Gatekeepern haben. Weiter stimmen wir mit ABRAMS (2010, 542f.) überein, dass sehr vulnerable Personengruppen durch die direkte Rekrutierung auf der Straße erfolgreich zu erreichen sind, jedoch hohe zeitliche Ressourcen benötigt werden. Anders als UMAMAHESWAR (2018), derzufolge Einzelpersonen auf der Straße in gewisser Weise leichter zu erreichen waren als über Gatekeeper, schätzen wir die Rekrutierung auf der Straße zwar als die effektivste, nicht jedoch als die effizienteste Strategie ein. Am Effizientesten war in unserer Studie die Zusammenarbeit mit Gatekeepern, wobei wir im Gegensatz zu UMAMAHESWAR nicht auf bestimmte Gatekeeper angewiesen waren bzw. bei wenig erfolgversprechenden Gatekeeper-Zugängen (in unserem Fall die Ansprachen über Arbeitgebende im Niedriglohnsektor und Schulen) alternative Wege wählen konnten. [65]

ROCKLIFFE et al. (2018, S.8) bewerteten die Rekrutierung über Schulen als besonders erfolgreich, in unserem Projekt ergab sich trotz zahlreicher Kontakte (Telefonate und E-Mails) zu Lehrpersonen, Schulsozialarbeiter*innen oder Rektor*innen kein einziger Kontakt zu einer Familie. Dies deckt sich mit Erkenntnissen aus Studien zu Maßnahmen zu gesundheitsfördernden Schulen, wonach Akteur*innen außerhalb der Bildung meist nur sehr schwer die "Systembarriere" von Schulen überwinden können (PAULUS & DADACZYNSKI 2020). Vielversprechender war in unserem Fall die Zusammenarbeit mit Gatekeepern aus dem Sozialwesen und der Suchtprävention. [66]

Um Selbstmeldende zu erreichen, haben wir einerseits auf das Auslegen von Flyern, andererseits auf Postings im Internet gesetzt. Unsere Erfahrung deckt sich mit der Erkenntnis von GUNDUR (2019), dass die internetbasierte Rekrutierung verhältnismäßig zeit- und kostensparend ist. Weiter erwähnte GUNDUR, dass die Gewinnung von Studienteilnehmenden über das Internet zu einer großen Heterogenität geführt habe. Diese Einschätzung können wir nach unserem – eher kleinen – Einblick in die Online-Rekrutierung nicht bestätigen: Beide über das Internet gewonnenen Familien wurden in Bezug auf unsere Fragestellung, d.h. ihr Inanspruchnahmeverhalten, ähnlich eingeordnet. Die von PRZYBORSKI und WOHLRAB-SAHR (2014 [2008], S.59) geäußerte Annahme, für Selbstmelder*innen sei die Schwelle vergleichsweise hoch und werde hauptsächlich von Personen überwunden, die bereits eine bestimmte Nähe zu akademischen Bereichen hätten, können wir bedingt bestätigen. Im Vergleich zu unserem restlichen Sample hatten die Selbstmeldenden einen eher mittleren bis höheren Bildungshintergrund, Berührungspunkte zu akademischen Bereichen zeigten sie jedoch nicht. Möglicherweise ist dies auch ein erwünschter Effekt unseres Bestrebens, nicht zu akademisch aufzutreten (indem u.a. die Flyer, auf die Selbstmeldende reagierten, eher einfach gestaltet wurden). [67]

Das Schneeballsystem, in anderen Studien als geeignete Strategie benannt, um Zugang zu schwer erreichbaren Personengruppen zu bekommen (z.B. BONEVSKI et al. 2014; FAUGIER & SARGEANT 1997), war bei uns wenig erfolgreich, und es wurden überwiegend nicht geeignete Familien über diese Methode angesprochen. Andere Autor*innen resümierten, dass ein zentraler Nachteil in einer Verzerrung des Samples liege, da das Vorgehen nicht in genügend soziale Felder vordringe (z.B. PAWELZ 2018; SADLER, LEE, LIM & FULLERTON 2010). Da wir lediglich eine Familie mithilfe dieser Strategie rekrutierten, können wir hierzu keine Einschätzung abgeben. [68]

Neben den erhöhten zeitlichen Ressourcen kamen BONEVSKI et al. (2014) außerdem zu dem Schluss, dass die Rekrutierung von schwer erreichbaren Personengruppen erhöhte finanzielle Ressourcen benötigt, was wir bestätigen können. Neben dem Arbeitsaufwand für uns als Forschungsteam betrifft dies auch den Einsatz von Incentives. Nach GUYLL, SPOTH und REDMOND (2003, S.25) sind Incentives bei Interessent*innen mit geringerer Bildung und ansonsten geringerer Teilnahmewahrscheinlichkeit besonders wirksam, und auch bei uns erleichterte die Aufwandsentschädigung die Rekrutierung. Vor allem bei der direkten Ansprache haben sich Personen schneller auf das Gespräch eingelassen, wenn wir zu Beginn das Incentive erwähnten. Folglich empfehlen wir, den Einsatz von Incentives von Anfang an in die Überlegungen miteinzubeziehen und bei der Budgetierung einer Studie zu berücksichtigen (ähnlich ROCKLIFFE et al. 2018, S.8). [69]

Weiter hat unsere Forschung gezeigt, dass bei Forschungsprojekten mit Kindern und Jugendlichen Ungleichheits- und Machtverhältnisse zu berücksichtigen sind, die auch die Rekrutierung beeinflussen. Übereinstimmend mit RIEKER et al. (2020) kommen wir zu dem Schluss, dass Jugendliche und Kinder nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, den Zugang zum Feld zu verwehren, wenn andere Erwachsene – wie bspw. die eigenen Eltern – einer Interviewteilnahme zustimmen. Dieser Umstand macht es zwingend notwendig, von Jugendlichen oder Kindern unmittelbar vor der Datenerhebung nochmals eine Einwilligung einzuholen. ABRAMS (2010, S.543) betonte, dass die Rekrutierung von Heranwachsenden durch die notwendige Zustimmung der Eltern eingeschränkt wird und die Ansprache der Eltern sehr zeitintensiv ist. Dieser Aspekt hat sich in unserem Forschungsprojekt nicht als hinderlich gezeigt, da neben den Kindern auch die Eltern in die Studie einbezogen wurden und wir primär über diese rekrutiert haben. In keinem uns bekannten Fall haben Erziehungsberechtigte ihr Interesse zurückgezogen, nachdem sie erfahren haben, dass auch ihr Kind interviewt werden soll. [70]

Eine wichtige Erkenntnis bei der Rekrutierung von sozioökonomisch benachteiligten Familien betrifft die Abfrage der finanziellen Situation. Im Vorfeld haben wir Widerstände bei der Abfrage des Einkommens befürchtet. Denn wenn es um Geld geht, "werden die Menschen so komisch", diagnostizierte die Finanz-Coachin Monika MÜLLER (2017 [2013], S.22). Das Thema ist auch in der Schweiz – trotz lauter werdender Stimmen nach mehr Transparenz (BRUNNER 2017) – nach wie vor tabuisiert. Doch die Abfrage über die Lohngruppen hat sich in unserer Studie als sehr erfolgreich gezeigt. So ist kein Kontakt aufgrund der Abfrage des Haushalteinkommens abgebrochen, und insbesondere in der Interviewsituation selbst haben die Eltern sehr offen über ihre finanziell prekäre Situation gesprochen. Einzig in Bezug auf die Kinder wurden wir von einzelnen Eltern(teilen) darum gebeten, im Kinderinterview die finanziell angespannte Lage der Familie nicht zu thematisieren. Auch beim Rekrutieren wurde in Anwesenheit der Kinder das Familieneinkommen teilweise weniger offen thematisiert. Insgesamt konnten wir jedoch eine große Offenheit feststellen und vermuten, dass armutsbetroffene Familien daran gewöhnt sind, ihre finanziellen Ressourcen gegenüber Dritten offenzulegen, bspw. in der Sozialhilfe. [71]

Limitationen weisen unsere Ergebnisse in Bezug auf jene Aspekte auf, welche wir in der Rekrutierung nicht verfolgt haben: Insbesondere empfiehlt es sich für zukünftige Forschungsprojekte, von Beginn an einen partizipativen Einbezug der Zielgruppe in Erwägung zu ziehen und diese auch in die Entwicklung von Strategien miteinzubinden (z.B. bei der Erstellung von Flyern). Um Kinder stärker zu involvieren, sollten adaptierte Rekrutierungsflyer, welche die Kinder direkt ansprechen, in Betracht gezogen werden. Weiter kann der Grad der Professionalität und Wissenschaftlichkeit im Rekrutierungsprozess variiert werden bspw. durch eine kontrastierende Verwendung von eher einfach gestalteten Flyern und professionell gelayouteten Flyern mit starkem wissenschaftlichem Bezug. Auf diese Weise kann geprüft werden, welche Formen von Ansprache besser funktionieren oder ob es beide Zugänge braucht, um die Zielgruppe für eine Studie zu gewinnen. [72]

7. Lessons Learned

Folgende Impulse zur Ansprache von schwer erreichbaren Personengruppen, insbesondere sozioökonomisch benachteiligten Familien möchten wir Forscherinnen und Forschern sowie Fachpersonen aus der Praxis mit auf den Weg geben:

Anmerkungen

1) Die genauen Hintergründe und Ursachen, wieso sozioökonomisch benachteiligte Familien schwer zu erreichen sind, sind komplex und bisher wenig erforscht. So haben sozial benachteiligte Eltern "wegen der zeitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ihrer Lebenslage und den damit verbundenen Anspannungen eine nur geringe Motivation, freiwillig Elternkurse zu besuchen. Ihnen fehlen hierzu das nötige Problembewusstsein, die entscheidende Motivation und oft der finanzielle Spielraum" (HURRELMANN, HARTUNG, KLUWE & SAHRAI 2013, S.268). In der der vorliegenden Ausarbeitung zugrunde liegenden Studie stellten wir fest, dass sozioökonomisch benachteiligte Familien unterschiedliche Modi aufweisen, wie sie Probleme im Alltag erkennen und bearbeiten (PFISTER, KOSCHMIEDER & WYSS 2020). Diese Modi wiederum – verankert in unterschiedlichen soziodemografischen Ressourcen – nehmen wesentlichen Einfluss auf die Inanspruchnahme von (suchtpräventiven) Angeboten. "Familien mit Modus A empfanden ihre aktuelle Lebenssituation als existenzbedrohend und fokussierten daher die Alltagsbewältigung auf das drängende Hauptproblem. Andere Familien (Modus B) nahmen den mit multiplen Problemen belasteten Alltag (mittlerweile) als normal wahr. Probleme wurden normalisiert, oft nicht als solche erkannt. In Modus-C-Familien wurden Probleme niedrigschwellig pragmatisch erkannt und pragmatisch bearbeitet, meist innerhalb der Familie. In Modus-D-Familien wurden Probleme durch den besorgten und ängstlichen Zugriff der Eltern stetig hervorgebracht und früh bearbeitet. Von Modus D hin zu A erhöhte sich das Risiko, dass die Familien sich nicht als Kandidaten für familienbezogene Suchtprävention identifizierten" (S.2). Vgl. für eine detaillierte Beschreibung der Modi und weiterer Einflussfaktoren PFISTER et al. (2020), LAGING (2012, S.8f.) und SACHER (2012, S.298f.). <zurück>

2) GOODMAN et al. (2004) hoben einerseits die mit einem finanziellen Anreiz verbundenen Vorteile hervor, betonten andererseits aber auch, dass sich insbesondere einkommensschwache Personengruppen aufgrund ihrer finanziellen Lage zu einer Teilnahme gezwungen fühlen könnten, wenn der finanzielle Anreiz entsprechend hoch sei. <zurück>

3) Um dort einkaufen zu können, wird eine spezielle Berechtigungskarte benötigt, welche nur durch Nachweis einer finanziellen Benachteiligung zu erhalten ist. <zurück>

4) Wir, das Forschungsteam, sind zwei Frauen und ein Mann, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung zwischen 29 und 41 Jahren alt waren. <zurück>

5) Die interviewten Eltern waren schlussendlich zwischen 35 und 65 Jahre alt. <zurück>

6) Da zu diesem Zeitpunkt bereits sieben von elf interviewten Familien einen Migrationshintergrund hatten, fokussierten wir die Rekrutierung – um eine Verzerrung des Samples zu vermeiden – auf Familien ohne Migrationshintergrund. <zurück>

7) Wie dargelegt, standen im Fokus der Studie Familien, die suchtpräventive Angebote wenig in Anspruch nehmen. Bei einer intensiven Ansprache über Institutionen befürchteten wir, überdurchschnittlich viele Personen mit einem vergleichsweise hohen Inanspruchnahmeverhalten zu erreichen, da es mindestens einen Kontakt zu einer (Unterstützungs-)Institution bereits gegeben hatte. <zurück>

8) Unserer Erfahrung nach unterstützte das Tragen von Alltagskleidung hingegen die Ansprache potenzieller Studienteilnehmenden und erleichterte damit die Kontaktaufnahme. Über die Wirkung und die Konsequenzen der Kleidungswahl in der Feldforschung vgl. LISIAK (2015). <zurück>

9) Bei allen Namen handelt es sich um Pseudonyme. <zurück>

10) Die positive Reaktion der angesprochenen Mädchengruppe auf das Wort "Interview" sowie die Aussage der Studierenden, sie würden nicht als professionell wahrgenommen (vgl. Abschnitt 3.3), lässt die Überlegung zu, ob eine höhere Professionalität und Wissenschaftlichkeit – z.B. in Form von professionell mit Hochschullogo gestalteten Flyern – im Rekrutierungsprozess positive Auswirkungen gehabt hätte. Da wir die Gestaltung nicht variiert haben, können wir hierzu keine Einschätzung abgeben. <zurück>

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Zu den Autorinnen und zum Autor

Nikola Koschmieder hat ihren Master in Soziologie an der Universität Freiburg im Breisgau abgeschlossen und ist als Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen qualitative Sozialforschung, chancengerechte Prävention und Gesundheitsförderung sowie vulnerable Gruppen.

Kontakt:

Nikola Koschmieder M.A.

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Werftestrasse 1
CH-6002 Luzern

E-Mail: nikola.koschmieder@hslu.ch

 

Sabrina Wyss ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement Soziale Arbeit der Hochschule Luzern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Organisationsforschung, soziale Ungleichheit und Suchtprävention/Suchthilfe.

Kontakt:

Sabrina Wyss M.A.

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Werftestrasse 1
CH-6002 Luzern

E-Mail: sabrina.wyss@hslu.ch

 

Andreas Pfister ist Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen gesundheitsbezogene Soziale Arbeit und chancengerechte Prävention und Gesundheitsförderung.

Kontakt:

Prof. Dr. Andreas Pfister

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Werftestrasse 1
CH-6002 Luzern

E-Mail: andreas.pfister@hslu.ch

Zitation

Koschmieder, Nikola; Wyss, Sabrina & Pfister, Andreas (2021). "Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen". Methodologische Reflexionen zur Rekrutierung sozioökonomisch benachteiligter Familien in qualitativen Studien [73 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(2), Art. 6, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-22.2.3609.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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