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Volume 22, No. 3, Art. 9 – September 2021

Gerichtsakten als Daten soziologischer Familienforschung: Methodologie und Methode für ein noch wenig erschlossenes Datenmaterial

Viktoria Parisot, Marlies Zuccato-Doutlik & Ulrike Zartler

Zusammenfassung: Gerichtsakten stellen ein methodisch noch wenig bearbeitetes Feld der qualitativen Sozialforschung dar. In diesem Beitrag explorieren wir Methodologie und Methode von Gerichtsakten als Datenmaterial für die soziologische Familienforschung. Ausgehend von der Erhebung von 70 Scheidungs- und Pflegschaftsakten aus den Jahren 1976 bis 2019 diskutieren wir drei zentrale methodologische Bereiche in der Forschung mit Familiengerichtsakten: Wir beleuchten 1. epistemologische Aspekte aus der Perspektive einer praxeologischen Familiensoziologie. 2. analysieren wir forschungspraktische Aspekte wie Gatekeeping-Prozesse bezüglich Feldzugang und Datenerhebung und diskutieren 3. die Analyseeinheit von Gerichtsakten. Darauf aufbauend schlagen wir einen neuen methodischen Zugang für die qualitative Aktenanalyse in der soziologischen Familienforschung vor: die multiple Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive, mittels derer Gerichtsakten als Verschränkung von Recht und Familie untersucht werden können. Analytisch fragen wir, von, mit und für wen Familiengerichtsakten produziert werden. Der vorgeschlagene methodische Zugang ermöglicht es, Familiengerichtsakten gleichsam als durch ein UnDoing Family erzeugt und ein UnDoing Family erzeugend zu betrachten. Abschließend plädieren wir für eine pragmatisch orientierte methodologische Zugangsweise. Die Vielfalt der qualitativen Methodologie kann so zu einer fruchtbaren Grundlage für die weitere Erschließung von Gerichtsakten als Datenquelle werden.

Keywords: nicht-reaktive Daten; qualitative Aktenanalyse; Dokumentenanalyse; Familiensoziologie; Gerichtsakten

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodische und methodologische Zugänge qualitativer Aktenanalyse

3. Methodisches Vorgehen

4. Zentrale methodologische Aspekte der Erhebung von Gerichtsakten als Daten der Familiensoziologie

4.1 Epistemologische Aspekte: die Beschaffenheit der Daten

4.2 Forschungspraktische Aspekte: Die Verfügbarkeit der Daten

4.3 Aspekte der Analyseeinheit: der Fall aus juristischer und soziologischer Perspektive

5. Die Methode der multiplen Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive

6. Conclusio

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Einleitung

In Disziplinen wie Geschichte, Organisationsforschung, Rechtswissenschaft oder Kriminologie werden häufig prozessproduzierte Datenquellen verwendet (LEUSCHNER & HÜNEKE 2016; TAEGER 2002; WERNER 2020). In der soziologischen qualitativen Forschung wurden sie bislang allerdings noch verhältnismäßig wenig genutzt. Besonders die Analyse von Gerichts- bzw. Verwaltungsakten – verstanden als spezielle Dokumente, die sich durch Aktenförmigkeit auszeichnen und in institutionelle und hierarchische Strukturen eingebettet sind (NOETZEL, KRUMM & WESTLE 2018) – bietet ein bisher soziologisch erst begrenzt ausgeschöpftes Potenzial (siehe z.B. DAHLVIK 2018; FRIEDRICH & FRANZHELD 2020; MAZZURANA 2018; OWENS & FORD 2019; POHN-WEIDINGER 2017; SCHEFFER 2007, 2010; SKARPELIS 2020; TOLASCH 2016; WOLFF 2011). [1]

Vor allem aber sind methodische Überlegungen zur Aktenanalyse noch weitgehend rar selbst in Disziplinen wie der Kriminologie, in welcher Akten eine häufig genutzte Datenquelle darstellen (LEUSCHNER & HÜNEKE 2016). In den deutschsprachigen soziologischen bzw. sozialwissenschaftlichen qualitativen Methodenhandbüchern wird die Bearbeitung von Akten unter den Schlagworten Aktenanalyse oder Dokumentenanalyse (LAMNEK & KRELL 2016; MAYRING 2016; NOETZEL et al. 2018) als singuläre Methode mit inhaltsanalytischem Schwerpunkt beschrieben (LEHMANN & KLUG 2019). Eine Empfehlung lautet beispielsweise, dass Dokumentenanalyse vor allem dort gewinnbringend eingesetzt werden könne, wo "Primärerhebungsdaten nicht vorliegen, dem Erkenntnisinteresse entsprechend ergänzt werden sollten oder ein anderweitiger Feldzugang erschwert ist" (SALHEISER 2019, S.1121). An anderer Stelle wurde weniger eine Methode als vielmehr der Zugang zu entsprechenden Daten beschrieben, so etwa bei CLOATRE und COWAN (2019) oder WOLFF (2010) zu Dokumenten und Akten oder ausführlich im Rahmen der Analyse von Artefakten allgemein durch LUEGER und FROSCHAUER (2018). Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass der methodische Ansatz in Abgrenzung zur Bearbeitung von Primärdaten beschrieben wird – ausgehend vom Material und seiner Eigenschaft als prozessproduziert. [2]

In der Tradition der qualitativen Sozialforschung wird eine Dominanz sprachlicher Daten wie Interviews deutlich (WOLFF 2010), die auch die Methoden- bzw. Theoriediskussion prägt. So ist eine methodische Abhandlung unter dem Schlagwort Interviewanalyse kaum vorstellbar. Dementsprechend ergeben sich auch in der Akten- oder Dokumentenanalyse schon durch divergierende theoretische Zugänge Unterschiede in Bezug auf die analytischen Schwerpunkte, deren methodische Konsequenzen wesentlich differenzierter sein können, als dies im Sinne einer allgemeinen Dokumentenanalyse oder Aktenanalyse berücksichtigt werden kann. [3]

Während die Analyse von Gerichtsakten vor allem als Analyse von prozessproduzierten Daten soziologische Aufmerksamkeit erhalten hat, ist besonders die Erhebung solcher Daten ein noch wenig beachteter Teil des methodologischen und methodischen Vorgehens. Der Vorgang, in dem prozessproduzierte Daten hergestellt, ausgewählt und erhoben werden, bedarf spezieller Reflexion, weil er zahlreiche Eingriffe in das Datenmaterial erfordert, wie wir zeigen werden. Auch LUEGER und FROSCHAUER (2018) beschrieben etwa, dass Artefakte allgemein in der soziologischen Theoriebildung bislang kaum berücksichtigt wurden bzw. deren Eigenlogik von Forschenden noch wenig reflektiert wurde (siehe auch LUEGER 2010). [4]

Vom dargestellten Forschungsbedarf ausgehend bieten wir in diesem Beitrag eine Auseinandersetzung mit zentralen Fragen, die in der Erhebung und Analyse von Gerichtsakten in Bezug zu deren Methodologie und Methoden entstehen. In der zugrundeliegenden Studie "Doing Divorce: Scheidungsprozesse vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart"1) beschäftigen wir uns mit der Frage, wie familiale Zusammenhänge vor Gericht hergestellt und verhandelt werden und welche Formen des UnDoing Family (JURCZYK 2020a) in Familienrechtsverfahren vor Gericht erzeugt werden. Daher beziehen wir uns in den methodologischen Ausführungen speziell auf Familiengerichtsakten (Abschnitt 4). Im Folgenden stellen wir zunächst auf Aktenanalysen basierende Studien sowie deren theoretische und methodische Ansätze vor (Abschnitt 2) und gehen auf unser methodisches Vorgehen ein (Abschnitt 3). Anschließend präsentieren wir zentrale Ergebnisse unserer Forschung: Erstens erörtern wir wichtige methodologische Aspekte in Bezug auf die Epistemologie, die Verfügbarkeit und die Analyseeinheit von Scheidungs- und Pflegschaftsakten, um diese für weitere Forschungen fruchtbar zu machen. Zweitens stellen wir einen im Rahmen unserer Studie entwickelten methodischen Ansatz vor (Abschnitt 5): Wir gehen dabei spezifisch auf theoretische Prämissen ein und übersetzen diese methodisch in die multiple Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive. Von, mit und für wen Familiengerichtsakten hergestellt werden, sind dabei die zentralen Fragen für den Analyserahmen. Wir wenden diesen am Beispiel von Scheidungsakten an und schlagen einen Katalog konkreter Fragen an das Datenmaterial vor. Diese sind hier auf die Analyse von familiären und rechtlichen Praktiken und darin eingebettete Diskurse zugeschnitten, lassen sich aber auch auf die Analyse von Akten aus anderen (Rechts-)Kontexten übertragen. In der Conclusio plädieren wir für eine pragmatisch orientierte methodologische Zugangsweise zu Gerichtsakten (Abschnitt 6). [5]

2. Methodische und methodologische Zugänge qualitativer Aktenanalyse

Akten stellen als prozessproduzierte Daten in Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft oder Kriminologie eine solide und selbstverständliche Datenquelle dar (TAEGER 2002). In der soziologischen methodischen Diskussion werden sie aktuell noch weniger als eigenständiger Datentypus mit entsprechender Methodenvariation, sondern eher als mehr oder weniger exotisches Material begriffen. Dieses wurde meist als Ergänzung zu anderen Datenquellen bearbeitet (siehe z.B. methodisch für die Familienforschung HILDENBRAND 2005). [6]

Sozialwissenschaftlich wurde häufig argumentiert, dass eine Reduktion von Akten als Quelle einer Repräsentation von sozialer Wirklichkeit – hier dem Familienleben – nicht sinnvoll sei, weil der verschriftlichte Diskurs primär als eine durch und für das Verfahren instrumentalisierte und durch den juristischen Kontext organisierte Argumentation der Teilnehmer*innen an einem Verfahren zu interpretieren sei. Dahinter stand die wichtige epistemologische Reflexion, inwiefern Ausschnitte sozialer Wirklichkeit in Akten zu finden sind (SKARPELIS 2020; WOLFF 2010). Bevor wir darauf genau eingehen, fragen wir aber vorerst: Was gewinnen wir für die Sozialwissenschaften, wenn wir Akten als Datenquelle in die Forschung einbeziehen? [7]

Gerichtsakten repräsentieren Entscheidungen, die wichtige gesellschaftliche Konsequenzen haben. Betrachten wir das Recht als durch "technologies of culture" (VISMANN 2011, S.309) – wie Akten – generiert, so wird deutlich, dass wir für die soziologische Familienforschung durch die Analyse von Familiengerichtsakten Einsichten in eine durch individuelle, kollektive und institutionelle Akteur*innen intersubjektiv erzeugte Wirklichkeit erhalten, die zentral für die Entstehung, Bewahrung oder Weiterentwicklung der Leitbilder von Familie ist. Als innovatives und bisher in der Familiensoziologie noch wenig beforschtes Datenmaterial können Gerichtsakten und deren detaillierte Analyse also wichtige Einsichten in die Verhandlung normativer Konzepte von Familie sowie deren gesellschaftliche, institutionelle und historische Bedingungen bringen. [8]

Welche Möglichkeiten gibt es nun, in den Akten abgebildete Diskurse und Praktiken vor Gericht zu analysieren, der Besonderheit der Daten Rechnung zu tragen und deren erkenntnistheoretische Potenziale zu nutzen? Auch wenn methodische Beiträge zu qualitativer Aktenanalyse aus den Sozialwissenschaften bislang rar sind, knüpfen wir möglichst weitgehend an bestehende methodische Auseinandersetzungen an: Wir explizieren im Folgenden jene methodischen Ansätze und ihre theoretischen Prämissen, die sich in angewandten sozialwissenschaftlichen Forschungen finden und deren methodische bzw. theoretische Ausprägung hier zur Veranschaulichung vorhandener qualitativer Ansätze explizit gemacht wird. [9]

In Bezug auf die qualitative Analyse von Akten wurde in der Vergangenheit oft auf eine ethnomethodologische Perspektive zurückgegriffen, in deren Tradition eine theoretisch fundierte Dokumentenanalyse gesehen wird (FLICK 2005; WOLFF 2010). Mit dem Zugang der institutionellen Ethnografie (CAMPBELL 2016; SMITH 2005), die zunächst im nordamerikanischen Raum etabliert wurde, entstanden Arbeiten, die meist mit Feldaufenthalten der Forscher*innen verbunden waren und innerhalb derer Aktenanalysen mit teilnehmender Beobachtung bzw. Interviews kombiniert wurden (DAHLVIK 2014, 2016, 2018; POHN-WEIDINGER 2017; SCHEFFER 2001, 2007, 2010). Wichtiger Ausgangspunkt der Analyse blieb dabei immer, wie Texte (aus bürokratischen Kontexten) den Alltag jener Subjekte koordinieren, die durch diese Texte adressiert werden und die daher gleichsam davon betroffen sind (DOLL & WALBY 2019). DAHLVIK (2014) erarbeitete im Zuge ihrer empirischen Forschung als Weiterentwicklung der prozessorientierten Aktenanalyse – in der Elemente der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse vereint werden – die rein qualitative prozessorientierte rekonstruktive Aktenanalyse. In dieser orientierte sie sich methodisch an der Artefaktanalyse (FROSCHAUER 2009). Die Akten selbst begriff sie einerseits als Artefakte sowie andererseits im Sinne von LATOUR (2008) als Aktanten eines Netzwerks (DAHLVIK 2018). Methodisch haben LUEGER und FROSCHAUER (2018) konkrete Analyseebenen für Artefakte vorgegeben. Ihr Zugang ist so auch auf Akten anwendbar – eine textanalytische Ergänzung erweist sich hier als sinnvoll (siehe z.B. DAHLVIK 2014, 2018). Der Zugang zu Akten als Artefakten ermöglicht es, diese in ihrer Materialität als "black box" (CLOATRE & COWAN 2019, S.437) zu begreifen, zu welcher neue Forschungsfragen generiert werden können. TAYLOR und FAIRCHILD (2020) entwickelten im Sinne einer materialitätstheoretischen Perspektive Merkmale einer posthumanistischen institutionellen Ethnografie, mit der Forscher*innen auf eine Dezentrierung von menschlichen Akteur*innen fokussieren können. Damit wurden zwei wichtige methodologische Perspektiven in Hinblick auf Akten als Materialität vereint. Auch WOLFF (2011) verstand seine Forschung als mit ethnografischen Befunden angereichert (siehe z.B. auch BÄR 2000 und KOCH, PIÑEIRO & PASCHE 2019 für Organisationsethnografien), verwies aber für die Textanalyse auf ein konversationsanalytisches Vorgehen (WOLFF & MÜLLER 1995; WOLFF & SALOMON 2019). Als dezidiert methodischer Beitrag stellt die "trans-sequentielle" Analyse von SCHEFFER (2015, 2018) eine fundierte Variante dar, um rechtsförmige Verfahren und ihre "Objekte-im-Werden" (SCHEFFER 2015, S.227) – wie Akten – in einem praxeologischen Rahmen zu begreifen. [10]

Als primäre Datenquelle wurden Gerichtsakten bisher vor allem in diskursanalytischen Untersuchungen genutzt. Hier stützte sich die Analyse auf die wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) (KELLER 2011a), mithilfe derer "typische Gehalte" (MAZZURANA 2018, S.85) der Akten herausgearbeitet werden sollten; der Fokus lag hierbei also auf der inhaltlichen Strukturierung des Diskurses, der sich in den Akten findet. Durch eine auf Deutungshoheit und -gehalt fokussierte Analyse machten Forscher*innen außerdem Machtbeziehungen sichtbar (methodisch siehe auch SHUY 2015). SCHUTTER (2011) und TOLASCH (2016) ergänzten die WDA, in dem sie ihre Analyse wie SCHWAB-TRAPP (2006) um Deutungsangebote und Techniken der Legitimierung im juristischen Diskurs (SCHUTTER 2011) sowie um ein hermeneutisches, sequenzanalytisches Verfahren nach DREYFUß und RABINOW (1994 [1982]) erweiterten (TOLASCH 2016). Im Rahmen der rekonstruktiven Familien- und Paarforschung (FUNCKE 2020) führten FRIEDRICH und FRANZHELD (2020) eine rekonstruktive Aktenanalyse von Jugendamtsakten durch. Ihr Zugang führte über die Analyse von "auffindbaren objektiven Daten zur Familienkonstellation" (S.291) und eine Sequenzanalyse von Protokollen in der jeweiligen Akte. Besonders deutlich wurde durch ihre Forschung auch die Eignung der Falllogik für die (Familien-)Forschung mit Akten. [11]

Den genannten Forschungsarbeiten ist gemeinsam, dass sie in ihrer Methodik überwiegend auf der Logik von Fallstudien beruhten (methodisch siehe hierzu auch NOETZEL et al. [2018] zu dokumentenanalytischen Fallstudien aus politikwissenschaftlicher Perspektive) und theoretisch – je nach analytischem Schwerpunkt – zwischen praxeologischen, diskursanalytischen und hermeneutischen Ansätzen pendelten. Zusammenfassend zeigen sich zwei bestimmende Tendenzen: 1. Mittels ethnografischer bzw. praxeologischer Ansätze stellen Forscher*innen Fragen nach dem Zustandekommen von Akten und den enthaltenen Dokumenten. 2. In den auf Deutungsmuster und stärker auf den Inhalt der Akten fokussierten Untersuchungen arbeiten Forscher*innen überwiegend aus diskursanalytischer Perspektive. An diese beiden theoretischen Tendenzen schließen auch wir in unserer Studie an. [12]

3. Methodisches Vorgehen

Die im Anschluss beschriebenen methodologischen und methodischen Ergebnisse basieren auf der interdisziplinären Studie "Doing Divorce: Scheidungsprozesse vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart", in deren Rahmen wir – ein Team von Soziolog*innen – in Zusammenarbeit mit Historiker*innen und Rechtswissenschaftler*innen erforschen, wie Scheidungen und Scheidungsfolgen vor Gericht verhandelt wurden und werden. Der Fokus liegt dabei auf dem UnDoing Family (JURCZYK 2020a) vor Gericht: Auf Basis von Scheidungs- und Pflegschaftsakten analysieren wir gerichtliche Verhandlungen des ehelichen und familialen Zusammen- und Auseinanderlebens im Rahmen von Scheidungsverfahren sowie daran anschließende Reorganisationsprozesse der Familienbeziehungen. [13]

Anhand der Auswahl, des Feldzugangs, der Erhebung und der Analyse von 45 österreichischen Scheidungs- und 25 Pflegschaftsakten aus den Jahren 1976 bis 2019 berichten und reflektieren wir methodologische Ergebnisse aus der Arbeit mit diesen besonders sensiblen Daten. Die Auswahl der Akten erfolgte über die vorliegenden Bände "Familien- und erbrechtliche Entscheidungen", eine jährliche Sammlung von richtungsweisenden Entscheidungen im österreichischen Familienrecht seit 1945 (z.B. GITSCHTHALER 2020). Der Schwerpunkt des Samplings (ausführlich zur konkreten Vorgehensweise und deren Begründung siehe die Abschnitte 4.2 und 4.3) lag auf den Jahren nach den wesentlichsten Familienrechtsreformen seit Mitte der 1970er Jahre in Österreich (und Deutschland). In unserem Sampling orientieren wir uns am Prinzip der minimalen und maximalen Kontrastierung der Fälle im Rahmen des theoretischen Samplings der Grounded-Theory-Methodologie (GLASER & STRAUSS 1967). Mit dem theoretischen Sampling folgen wir der Strategie, Fälle nicht in der Planung der Forschung vorab, sondern im Laufe des Forschungsprozesses jeweils danach auszuwählen, ob sie die Analyseergebnisse absichern, erweitern, vertiefen oder widersprüchlich erscheinen lassen (siehe auch BREUER, MUCKEL & DIERIS 2019). Die Erhebung der 70 Akten wurde durch Memos und in Forschungstagebüchern dokumentiert. Der in der Studie entwickelte Zugang entstand einerseits theoretisch inspiriert durch bestehende Forschungen, andererseits aus dem Anspruch, einen qualitativ-methodischen Zugang zu Gerichtsakten zu entwickeln, der den Erzeugungskontext und den inhaltlichen Gehalt der Daten gleichermaßen berücksichtigen kann. [14]

Die 70 Gerichtsakten, die wir letztendlich aus 45 österreichischen Gerichtsarchiven erhoben haben, umfassen pro Gerichtsakte zwischen 50 und etwa 2.000 Seiten. Das Datenmaterial ist durch seinen Erzeugungs- und Entstehungskontext unweigerlich mit spezifischen Abläufen im Rechtssystem verbunden (z.B. Instanzenzüge2), Aktenaufbau, gesetzliche Lage). Unsere Forschung findet in Österreich und somit im juristischen Kontext des deutschsprachigen Raums statt. Die Gesetze zu Ehe, Scheidung und Sorgerecht basieren in Österreich und Deutschland aufgrund der geteilten Geschichte des Nationalsozialismus bis heute auf denselben Rechtsgrundlagen, auch wenn seitdem auf nationaler Ebene Reformen in wesentlichen Aspekten durchgeführt wurden, wie beispielsweise die Abschaffung des Verschuldensprinzips bei Scheidungen in Deutschland (FLOßMAN 2008). [15]

Gerade in der Familienforschung gab es sowohl aus rechtswissenschaftlicher (SCHEIWE 2018; SCHWAB 2016) als auch aus soziologischer Perspektive (JURCZYK 2020a; VASKOVICS & HUININK 2016) die beständige Forderung nach stärkerer inter- und transdisziplinärer Forschung. Deutlich wurde – der Literatur und den Erfahrungen aus unserer Studie entsprechend – dass intensive methodische Auseinandersetzung eine zentrale Voraussetzung nicht nur für die Arbeit mit noch wenig beforschten Daten, sondern auch für die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist. [16]

Im Folgenden beleuchten wir daher jene methodologischen Aspekte, die wir im Zuge der Erhebung und Datenaufbereitung von Akten als wichtigste Datenquelle unserer Forschung bearbeitet haben. Daran anschließend leisten wir einen Beitrag dazu, die qualitative Analyse von Akten methodisch weiter auszudifferenzieren: Theoretisch an die im deutschsprachigen Raum existierenden methodischen Ansätze zur qualitativen Aktenanalyse anknüpfend, entwickeln wir einen methodischen Zugang mittels einer multiplen Fallstudie von Familiengerichtsakten auf Basis einer praxeologischen und diskursanalytischen Zugangsweise. [17]

4. Zentrale methodologische Aspekte der Erhebung von Gerichtsakten als Daten der Familiensoziologie

Die Erhebung und Datenaufbereitung von Gerichtsakten ermöglicht eine Auseinandersetzung mit drei zentralen methodologischen Bereichen: Epistemologische Aspekte diskutieren wir in Bezug auf das soziologisch bislang wenig bearbeitete Datenmaterial von Gerichtsakten (Abschnitt 4.1). Weil der Erkenntnisgewinn aus Gerichtsakten in der sozialwissenschaftlichen Literatur häufig im Rahmen eines Vergleichs mit Primärdaten verhandelt wurde, behandeln wir diese Abgrenzung genauer und beleuchten sie aus einer praxeologischen Perspektive auf Familiengerichtsakten. Danach erörtern wir die Verfügbarkeit von Gerichtsakten als sozialwissenschaftliche Daten, die gleichermaßen Erhebung, Sampleauswahl und den Feldzugang einschließt (Abschnitt 4.2). Aufbauend auf diese beiden Überlegungen definieren wir eine epistemologisch angemessene und forschungspraktisch verfügbare Analyseeinheit (Abschnitt 4.3). [18]

4.1 Epistemologische Aspekte: die Beschaffenheit der Daten

Der potenzielle Erkenntnisgewinn aus Gerichtsakten wurde in der sozialwissenschaftlichen Literatur meist mit jenem aus Primärdaten verglichen. Während beispielsweise empirisch arbeitende Jurist*innen zu der Annahme tendierten, dass Akten vollständige Daten im Sinne einer unverkürzten Wiedergabe von relevanten Verfahrensabläufen sind und diese auch besser wiedergeben als beispielsweise Befragungen (LEUSCHNER & HÜNEKE 2016), wurde der inhaltliche Informationsgehalt solcher Dokumente in der sozialwissenschaftlichen Forschung kritischer gesehen (HOFFMANN 2018; SKARPELIS 2020). Zwar wurden mittels Dokumentenanalysen potenziell reichhaltige Erkenntnismöglichkeiten gesehen, diese aber in der Sozialwissenschaft immer als stark an ihren Herstellungskontext gekoppelt verstanden. Häufig lautet daher eine Empfehlung, Dokumentenanalyse mit Interviews zur Dokumentenerstellung (WOLFF 2010) oder anderen Datenquellen zu ergänzen oder zu triangulieren (ACKEL-EISENACH & MÜLLER 2012; BÄR 2000). Dies spiegelt auch wider, dass in der Sozialwissenschaft die Befragung nach wie vor überwiegend als Königsweg der Datengenerierung gesehen wird (SALHEISER 2019). [19]

In Bezug auf den Erkenntnisgewinn aus prozessproduzierten Daten wie Gerichtsakten lassen sich in der sozialwissenschaftlichen Methodenliteratur gegenwärtig zwei Argumentationsstränge eruieren: Einerseits wurden diese meist als ohne Intervention von Forscher*innen entstanden und daher als weitgehend frei von Reaktivität betrachtet, was häufig als Vorteil gedeutet wurde (ACKEL-EISENACH & MÜLLER 2012; SALHEISER 2019). Andererseits wurde argumentiert, dass die Daten im juristischen Kontext erzeugt und daher nicht in Bezug auf die Forschungsfrage, sondern "als Überbleibsel administrativen Handelns" (FLECK 2017, S.331) generiert wurden und somit nur bedingte Aussagekraft hätten. Gemeinsam ist beiden Argumentationssträngen, dass eine deutliche Abgrenzung zwischen prozessproduzierten Daten und Primärdaten vorgenommen wird. [20]

Aus einer praxeologischen Perspektive, in der ein Gerichtsakt das Ergebnis unterschiedlicher Praktiken darstellt, erweist sich diese Abgrenzung nur bedingt als sinnvoll. Weil Praktiken als eine Kombination aus "Sprechakten (sayings) [...], körperlichen Bewegungen (doings) und einer durch Assoziation zwischen sozialisierten Körpern und materiellen Artefakten ermöglichten Handhabe der Dinge gefasst werden" (HILLEBRANDT 2015, S.16), sind sie als Datenmaterial flüchtig. Davon ausgehend, dass vergangene Praktiken nur durch die Spuren erhoben werden können, die sie hinterlassen, sind Familiengerichtsakten wichtige Repräsentanten von "nexuses of doings and sayings" (SCHATZKI 2002, S.88) von familialen und rechtlichen Praktiken. Es werden durch verschiedene Akteur*innen erzeugte Praktiken und somit soziale Wirklichkeiten abgebildet. Die Gerichtsakte stellt damit eine "institutionalisierte Spur" (WOLFF 2010, S.503) eines vergangenen UnDoing Family dar, welches durch diese verschriftlichten Praktiken erhoben werden kann. [21]

Bezieht man nun auch die konkrete Forschungspraxis als performativen Akt ein (SCHÄFER & DANIEL 2015), so wird noch deutlicher, dass die Abgrenzung zwischen Primärdaten, die mit Bezug auf eine Forschungsfrage erst generiert werden, und jenen, die prozessproduziert vorliegen, aus praxeologischer Perspektive wenig sinnvoll erscheint: Teil eines sozialwissenschaftlichen Samples kann eine Gerichtsakte nur durch eine aktive Samplingstrategie von Forscher*innen werden. Prozessproduzierte Daten als Spuren von "doings and sayings" (SCHATZKI 2002, S.88) können damit nicht gänzlich unabhängig von Forscher*innen entstehen, da diese erst aktiv als Daten qualifiziert werden müssen. Ist der Forschungsprozess im Sinne der qualitativen Grundprinzipien offen und an den Forschungsfragen orientiert (HOFFMANN-RIEM 1980), so wird gerade bei prozessproduzierten Dokumenten – welche grundsätzlich in Hülle und Fülle vorhanden wären – deutlich, dass die Sampleerstellung klare Begrenzungen erfordert und diese im Forschungsprozess vielfach einer Anpassung bedarf. Eine Gerichtsakte enthält zahlreiche Dokumente, darunter Instrumente des Rechts, um ein Verfahren anzustoßen, in ein Verfahren einzugreifen oder es abzuschließen (z.B. Klagen, Zeug*innenaussagen, Gutachten, Stellungnahmen der Parteien, Urteile). In der Verschiedenartigkeit der Dokumente in den Gerichtsakten zeigt sich, dass die enthaltenen Sprecher*innenpositionen nur interpretativ zuordenbar sind und daher eine Bewertung im Hinblick auf deren Aussagekraft als Datenmaterial und hinsichtlich der enthaltenen Sprecher*innenpositionen auch nicht unabhängig von Überlegungen der Forscher*innen entstehen kann. Zentral ist dabei, die Eigenlogiken der verschiedenen Felder, in die Gutachter*innen, Richter*innen, Anwält*innen, Streitparteien und Forschende aus verschiedenen Disziplinen eingebettet sind, zu berücksichtigen. Um diese im Sinne der Epistemologie beschreibbar zu machen, wurde das Datenmaterial in unserer Studie in interdisziplinären Analysesitzungen mit Jurist*innen, Historiker*innen und Soziolog*innen diskutiert und bearbeitet. Der Aspekt der Interdisziplinarität ist dabei aus unserer Sicht unabdingbar, weil durch disziplinäre und professionelle Eigenlogiken Irritationen entstehen, anhand derer scheinbare Selbstverständlichkeiten infrage gestellt werden können. [22]

Die letztendliche Beschaffenheit der Daten und des Samples ist damit wesentlich durch die Begrenzungen begründet, die im Zugang zu Daten zwangsläufig festgelegt werden müssen. Sie entstehen nicht unabhängig von Forscher*innen, weil jede Eingrenzung oder Erweiterung des Samples und jedes Einordnen einer Sprecher*innenposition ein aktives Eingreifen in das Sample – also in die Definition, was als Daten qualifiziert wird – erfordert. Welcher Erkenntnisgewinn aus Gerichtsakten als Daten möglich ist, ist zusätzlich wesentlich davon abhängig, in welcher Form diese für Sozialforscher*innen verfügbar sind. Die Sampleerstellung und der Zugang zu den Daten sind im Falle von Gerichtsakten besonders stark verknüpft, weil sie von formalen Genehmigungen zur Einsicht, von der Kooperationsbereitschaft von Mitarbeiter*innen der Justiz sowie von der Skartierung (Vernichtung) von Akten an einzelnen Gerichten abhängig sind. [23]

Die Sampleerstellung der Akten erfolgte im vorliegenden Projekt auf Basis jener Verfahren, die in die Sammlung "Familien- und erbrechtliche Entscheidungen" aufgenommen wurden und die für Richter*innen als Orientierung für weitere Verfahren gelten. Die ausgewählten Entscheidungen sind daher juristisch vorselektiert: Sie wurden von den Herausgeber*innen der Sammlung für richtungsweisend befunden und unterliegen damit einer gewissen sozialen Erwünschtheit im juristischen Kontext. Nachdem unser theoretischer Zugang erlaubt, Familie und Recht als verschränkte Praxis zu betrachten (siehe Abschnitt 5) stellt dieser Zugriff eine Möglichkeit dar, Einblicke in jene Praktiken zu erhalten, die im juristischen Kontext als sinnvoll, erwünscht und richtungsweisend gelten. Das muss in Bezug auf das Sample reflektiert werden3). Auch wurden beispielsweise nur nicht-anonymisierte Daten erhoben, da eine Anonymisierung aufgrund des dafür erforderlichen Arbeitsaufwandes für die Gerichtsbediensteten nicht möglich gewesen wäre. Weil die Dokumente möglichst in ihrer Originalität analysiert werden sollten (WOLFF 2010), ist dieser Umstand ein Zugewinn an Erkenntnis aus den Daten. Deutlich wurde aber, dass die Datenerhebung in einem für Sozialwissenschaftler*innen nicht immer berechenbaren Feld passiert und damit einer anderen Logik folgt als beispielsweise die Erhebung von Interviews. [24]

Sinnvollerweise sollte daher im Vorfeld der Erhebung weitgehend abgeklärt sein, ob und wie ein geplantes Sample verfügbar ist oder nicht und welche epistemologischen Implikationen damit einhergehen. Auf die Frage nach der Verfügbarkeit gehen wir im Folgenden genauer ein: einerseits im Sinne einer Reflexion der Erzeugung der Daten, andererseits im Hinblick auf eine Beschreibung des in der Soziologie noch wenig beschrittenen Pfades der Erhebung von Gerichtsakten. [25]

4.2 Forschungspraktische Aspekte: Die Verfügbarkeit der Daten

Eine der wesentlichsten forschungspraktischen Fragen im juristischen Feld ist jene nach der Verfügbarkeit von Gerichtsakten als Daten. Diese sind zwar für die letzten 30 Jahre4) in großem Umfang vorhanden, unterliegen jedoch strikten Datenschutzbestimmungen, da sie personenbezogene Daten enthalten und damit nicht öffentlich einsehbar sind. In der Planung der Erhebung wurde deutlich, dass Akten "als eine (in der Regel zunächst vor der außerinstitutionellen Welt) verborgene und geheimzuhaltende Wirklichkeit" (MUCKEL 2000, §17) erscheinen. Der Zugang zu ihnen führt daher über zwei Hürden: einerseits über die formelle Genehmigung und andererseits über informelle Formen des Gatekeepings, wie im Folgenden ausgeführt. [26]

Die Datenschutzbestimmungen zu Familienrechtsverfahren nach österreichischem Recht sehen vor, dass nur die jeweiligen Prozessparteien sowie deren Vertreter*innen und das Verwaltungspersonal einschließlich der Richter*innen die Berechtigung zur Einsicht und Ablichtung der jeweiligen Scheidungs- und Pflegschaftsakten ohne gesonderte Genehmigung besitzen (§219, Abs.1 ZPO5)). Dritte können eine solche Einsicht nur mit der Zustimmung beider Parteien erhalten (§219, Abs.2 ZPO). Abgesehen davon besteht die Option, eine Genehmigung zur Akteneinsicht und -ablichtung für wissenschaftliche Zwecke im zuständigen Ministerium zu beantragen. Für Sozialforscher*innen gibt es daher zwei Möglichkeiten, Einsicht in diese personenbezogenen Daten zu erhalten: 1. der Zugang über die Parteien, die sich in einem Verfahren befinden oder ein solches abgeschlossen haben oder 2. eine offizielle Genehmigung, die nach Beantragung auf Einsicht und Ablichtung im zuständigen österreichischen Bundesministerium erteilt werden kann (§219 ZPO, Abs.4 bzw. §22 AußStrG6)). Während die Zustimmung beider Parteien in streitigen Verfahren häufig schwer einzuholen ist, zeigt sich zusätzlich noch ein ethisches Dilemma: Unterstützt nur eine der beiden Prozessparteien die Einsichtnahme, so erhalten Forscher*innen keinen offiziellen Zugang, sondern von nur einer Partei die informierte Zustimmung zur Einsichtnahme in den Akt der beiden Parteien. Bekommen Forscher*innen Zugang über das Ministerium, so ist die informierte Zustimmung der involvierten Akteur*innen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einholbar. Das verdeutlicht auch die besondere Sensibilität der Daten, welcher forschungsethisch im Sinne einer umsichtigen Gewährleistung des Datenschutzes Rechnung getragen werden muss. [27]

In der vorliegenden Studie haben wir den zweitgenannten Weg gewählt. Eine Genehmigung des österreichischen Bundesministeriums für Justiz wurde vorab beantragt und gewährt. Zur Erhebung größerer Samples – vor allem mit historischem Hintergrund – erwies sich diese Vorgehensweise als günstig, wobei das Beantragen für die jeweiligen Akten nur durch unsere Kenntnis der genauen Geschäftszahlen möglich wurde. Deren Erhebung erfolgte über den Zugang der "Ehe- und Familienrechtlichen Entscheidungen". Wir wählten hier aus vier Zeiträumen jeweils nach den wichtigsten Familienrechtsreformen jene Verfahren aus, deren Entscheidung sich auf Paragraphen zu Sorgerecht und Scheidung bezog. Eine Orientierung im Samplingverfahren erfolgte stets orientiert an minimaler und maximaler Kontrastierung der Fälle im Sinne des theoretischen Samplings (GLASER & STRAUSS 1967). Im Forschungsprozess erreichten wir diese Kontrastierung einerseits dadurch, dass Akten aus verschiedenen Perioden des Familienrechts ausgewählt wurden (Erhebungszeitraum: 1976 bis 2019). Dabei wurden Scheidungen aus dem Zeitraum kurz nach der Abschaffung des rechtlich verankerten patriarchalen Familienmodells erhoben sowie solche, die zwei und drei Jahrzehnte später verhandelt wurden. Andererseits wurde das theoretische Sampling im Zuge der Analyse entlang verschiedener Dimensionen durchgeführt. Ein wichtiges Kontrastierungskriterium war der Vergleich von einzelnen Eheverfehlungen im Laufe der Zeit. Während beispielsweise in den 1980er Jahren Gewalt in Form einer Ohrfeige als gerechtfertigte Reaktion auf zu geringen Unterhalt in der Ehe – und damit nicht als Eheverfehlung – gewertet wurde, wurde in den frühen 2000er Jahren jede Form von körperlicher Gewalt als Eheverfehlung betrachtet. Außerdem zeigten sich Anzahl und Alter der sorgebedürftigen Kinder, die Dauer der Ehe oder das Ausmaß der Erwerbstätigkeit als sinnvolle Kontrastierungsdimensionen. [28]

Im Vorfeld wurde uns aus dem zuständigen Ministerium mitgeteilt, dass die Bewilligung des Antrags auf Akteneinsicht und -ablichtung vorwiegend davon abhinge, ob die Belastung durch den entstehenden Arbeitsaufwand für einzelne Gerichte tragbar wäre. Daher verteilten wir das Sample von Beginn an auf mehrere Gerichte. Nachdem alle Dokumente aus den Berufungs- und Revisionsinstanzen eines Zivilprozessverfahrens letztendlich wieder an das Gericht erster Instanz zurückgesendet und dort archiviert werden, war unser Sample auf 45 Gerichte in ganz Österreich verteilt. An einzelnen Bezirksgerichten fragten wir um bis zu maximal fünf Akten an. [29]

Grundsätzlich sollte die Erhebung aber in dem Bewusstsein erfolgen, dass es trotz erfolgter Genehmigung in der Hoheit der Gerichtsvorsteher*innen der einzelnen Gerichte liegt, wissenschaftlich tätigen Personen auch tatsächlich den Zugang zu einer Akte zu ermöglichen oder zu verwehren. Auf verschiedene Formen des Gatekeepings stießen wir daher auch noch nach erfolgter Genehmigung. Diese reichten von unterstützenden Reaktionen bis hin zu Ablehnung. Die Akteneinsicht wurde uns zwar in allen angefragten Fällen ermöglicht, dabei aber an manchen Gerichten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass man sich nicht in der Zuständigkeit sehe, das Projekt zu unterstützen, da die Anfragen eine unwillkommene Zusatzbelastung der Mitarbeiter*innen bedeuteten. Aus den Forschungstagebüchern entsteht der Eindruck einer straffen Hierarchie an den österreichischen Gerichten, deren Organisationstruktur vor allem dann Unsicherheit bei den für die Einsicht zuständigen Fachinspektor*innen erzeugte, wenn für uns als Projektteam die Rahmenbedingungen der örtlichen Erhebung noch unklar waren. [30]

Häufig fragten die zuständigen Personen daher bei den jeweiligen Gerichtsvorsteher*innen oder Richter*innen nach, in manchen Fällen wurden unsere Erfahrungswerte an anderen Gerichten als Anhaltspunkt dafür genommen, ob z.B. kostenfrei kopiert werden durfte oder nicht. Obwohl die Kosten für Kopien in der Genehmigung eindeutig geregelt waren und diese unser Projektbudget um ein Vielfaches überstiegen hätten (0,33€ pro Seite), konnten wir letztendlich an fast allen Gerichten kostenfrei kopieren. Bei Unklarheiten über die Bedingungen der Erhebung berichteten wir an den Bezirks- und Landesgerichten von der Erhebung am Obersten Gerichtshof, die gleich zu Beginn der Studie abgeschlossen worden war. Die Berücksichtigung von Hierarchien im juristischen Feld bzw. zwischen den Gerichten erwies sich als eine Schlüsselstrategie in der Erhebung. Da die Akten im Sample in den Archiven von 45 erstinstanzlichen Gerichten verteilt lagen, war dies jedoch eine wichtige und immer wieder neu zu klärende Frage; in einem Fall variierte die Regelung sogar zwischen verschiedenen Abteilungen am selben Gericht. [31]

Da das Sample im Sinne einer umfassenden österreichweiten Erhebung einen Anteil an Akten aus verschiedenen Bundesländern enthält, waren zahlreiche Akten an geografisch entfernten Gerichten über ganz Österreich verstreut gelegen. Hier wurde uns durch den Gerichtsvorsteher eines besonders kooperativen Gerichts ermöglicht, diese an jenes Gericht übersenden zu lassen, an dem eine Erhebung ohne Reisekosten möglich war. Prinzipiell waren uns alle Akten innerhalb der gesetzlich geregelten Aufbewahrungsfrist (§174, GEO §19, OGHG) zugänglich, nur einmal wurde uns telefonisch peinlich berührt gestanden, dass zwei der drei angefragten Akten wohl gemeinsam mit anderen Zivilprozessakten unabsichtlich vernichtet worden waren. [32]

Zusammenfassend war die Erhebung an den Gerichten insofern überraschend, als rechtlich klar geregelte Abläufe (z.B. Kosten für die Ablichtung) in der praktischen Umsetzung unerwartet viel Ermessensspielraum zuließen. Aus unserer Perspektive wurden solche rechtlich geregelten Abläufe häufig unkompliziert umgangen (z.B. Aufbewahrung und Skartierung) und waren damit informellem Gatekeeping unterworfen. Uns als Forscher*innen in dieser Hierarchie zielführend zu bewegen, erwies sich als Lernprozess. Es wurde dabei deutlich, dass im Laufe der Datenerhebung trotz erfolgter Genehmigung immer verantwortliche Archivar*innen oder andere (häufig unfreiwillig) zuständige Personen zwischen uns und den archivierten Akten standen. Mit FLECK teilen wir also die Erfahrung, dass Archivar*innen in (Gerichts-)Archiven als Gatekeeper funktionierten und oft "so agieren, wie es ihre kollektive Interpretation ihrer Rolle nahelegt" (2017, S.340). [33]

4.3 Aspekte der Analyseeinheit: der Fall aus juristischer und soziologischer Perspektive

Aufbauend auf Überlegungen zum Erkenntnisgewinn, der aus Gerichtsakten generiert werden kann, sowie zur Verfügbarkeit der entsprechenden Daten müssen Entscheidungen zur Analyseeinheit getroffen werden. Auf Basis bisheriger Forschungsarbeiten ergeben sich dafür prinzipiell zwei Möglichkeiten: der Einbezug einer oder mehrerer Dokumentensorten im Querschnitt wie z.B. Scheidungsurteile (MAZZURANA 2018), Polizeiprotokolle (FOLEY 2017), psychiatrische Gerichtsgutachten (WOLFF 2011) oder Zeug*innenbelehrungen (WOLFF & MÜLLER 1995) oder der Einbezug vollständiger Akten (DAHLVIK 2018; FRIEDRICH & FRANZHELD 2020; POHN-WEIDINGER 2017). Diese Entscheidung ist einerseits selbstredend von der Forschungsfrage abhängig: Ob beispielsweise ein gesamter Pflegschaftsakt als Fall oder aber ausschließlich Sorgerechtsanträge als Fälle im Querschnitt über alle Akten im Sample analysiert werden, wird in Abstimmung mit der Forschungsfrage und den zu ihrer Beantwortung hinzugezogenen Sprecher*innenpositionen, die in den Dokumenten erwartet werden, entschieden werden müssen. Andererseits stehen die methodischen Überlegungen zur Analyseeinheit ganz wesentlich in Zusammenhang mit der Verfügbarkeit der einzelnen Dokumente: In Scheidungsakten vor 1990 müssen gesetzlich aufgrund der 30jährigen Aufbewahrungsfrist7) nur mehr die Urteile erhalten sein. Da die tatsächliche Aufbewahrungspraxis an den Gerichten von dieser gesetzlichen Vorgabe abweichen kann, war es uns möglich, auch aus früheren Zeiträumen noch vollständige Akten zu erheben. Prinzipiell wurde deutlich, dass eine Beurteilung des Datenmaterials erst bei der direkten Einsicht möglich ist, da dessen Form, Qualität und Quantität im Vorfeld der Erhebung schwer abschätzbar ist. Jedenfalls hat die Reflexion des Zustandekommens der Analyseeinheit in der Arbeit mit wenig beforschten Daten besonderen Stellenwert. In unserer Studie wurde die besondere Eignung von Fallstudien zur Untersuchung von Akten deutlich. In der Auseinandersetzung damit, was nun ein zu analysierender Fall ist und welchen Platz dieser in einer Fallstudie einnimmt, bedarf es begrifflicher Klärungen, die sich im sozialwissenschaftlichen und juristischen Kontext zwar überschneiden, deren Bedeutung aber nicht deckungsgleich ist, wie sich zeigte. [34]

Im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Fallstudie kann die Begrenzung eines Falles über zwei Dimensionen erfolgen: als Fall, der empirisch vorgefunden wird oder als Fall, der ein theoretisches Konstrukt darstellt und zu dem Daten im Rahmen des Forschungsinteresses gesammelt werden (SCHWANDT & GATES 2018). Im juristischen Sinn wird hingegen von einem Fall bzw. einer Fallakte gesprochen, wenn alle Dokumente zu einem Geschäftsfall (z.B. einem Scheidungsverfahren) in einem Akt gesammelt werden. Abgesehen von Fallakten können Akten auch in Form von Sachakten bestehen (alle Dokumente zu einem bestimmten Vorgang, z.B. Neuorganisation einer Abteilung) (LEUSCHNER & HÜNEKE 2016). [35]

Fallakten sind jeweils verfahrensgleich organisiert, d.h., der Erkenntnisgewinn über die Geschichte der involvierten Akteur*innen beginnt mit der Klage und endet zumeist spätestens mit dem letztinstanzlichen Urteil. In streitigen Scheidungsverfahren ist der Ausgangspunkt einer Fallakte die Ehescheidungsklage8). Zu Beginn des Verfahrens wird aber eine evtl. darauffolgende Gegenklage als eigener Geschäftsfall geführt, der erst im Laufe des Verfahrens mit der ursprünglichen Klage als Fusion aus beiden Geschäftsfällen weitergeführt wird. Abschließend werden dann alle Dokumente zur Ehescheidung in einem Fallakt zusammengefasst. Ebenso verhält es sich mit Pflegschaftsverfahren9). Hier zeigte sich aber in unseren Daten, dass manche Verfahren sich über ganze Kinderleben erstreckten; in einem Fall vergingen von der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Scheidungsvergleichs 1989 bis zum Beschluss zur Höhe der Unterhaltszahlungen 2006 ganze 17 Jahre (Fall 37). Auch durch das Gebot der Vollständigkeit, das in Verbindung mit Kontrollfunktionen von Akten steht (MUCKEL 1997), ist ein Fall im juristischen Sinn dementsprechend umfangreich. Hier müssen zur Abstimmung mit der Analyseeinheit zusätzlich stringente Selektionskriterien in Bezug auf die in die Textanalyse aufgenommenen Dokumente gefunden werden. Die Frage, zu welchem Aktentyp Verfahren im juristischen Kontext anwachsen und dann letztendlich als Datenmaterial vorliegen, muss aber möglichst in die Planung des Samples bzw. der resultierenden Analyseeinheit einbezogen werden und erfordert darüber hinaus Offenheit und Flexibilität im Forschungsverlauf. [36]

Die Logik des juristischen Falles hat also Einfluss darauf, welche Analyseeinheit im sozialwissenschaftlichen Sinn definiert werden kann: Während es soziologisch sinnvoll wäre, für die Untersuchung einer Scheidung alle juristisch verfügbaren Dokumente eines scheidungswilligen Paares als analytische Einheit zu definieren, ist das aufgrund dessen, was juristisch einen Geschäftsfall darstellt, nur unter großem Aufwand möglich: Im Geschäftsfall einer Scheidung finden sich zwar die Urteile aus allen Instanzen zur Scheidung in der Akte, nicht aber die Dokumente aus einem eventuell dazugehörigen Pflegschafts- oder Vermögensaufteilungsverfahren, da diese als eigene Geschäftsfälle geführt und verhandelt werden. Wir erhoben zu den im Sample befindlichen Scheidungs- und Pflegschaftsverfahren alle Dokumente aus den zugehörigen Instanzen (Berufungen I., II. und III. Instanz), wobei sich auch in diesen immer wieder Verweise auf andere Verfahren der beteiligten Akteur*innen fanden und es die Möglichkeit gegeben hätte, weitere Verfahren derselben Akteur*innen genehmigen zu lassen und zu erheben (z.B. einstweilige Verfügungen, Vermögensaufteilungsverfahren, Verfahren wegen Falschaussage etc.). Weil die Datenbasis durch die zugehörigen Berufungsverfahren und Rekurse ohnehin sehr viel umfangreicher war als im Vorhinein angenommen, verzichteten wir darauf, um ausreichend Ressourcen für die Bearbeitung von Akten aus verschiedenen Jahren zu haben. Die Analyseeinheit, auf die wir unsere Forschung begrenzten, ist damit für die einbezogenen Scheidungsverfahren auf die Verhandlungen zur Klärung der Verschuldensfrage und der Auflösung der Ehe fokussiert. Für die Pflegschaftsverfahren des Samples ist sie auf den Pflegschaftsakt zu einem Kind (oder mehreren Geschwisterkindern) beschränkt. Ein einzelner Fall deckt sich daher in unserem Sample mit einer empirischen, vorgefundenen Einheit, nämlich der einzelnen Gerichtsakte. [37]

Nach der Klärung der epistemologischen Fragen zu Gerichtsakten, jener der Verfügbarkeit von Gerichtsakten und den Analyseeinheiten, die sich unter Einbezug der Forschungsfragen ergaben, möchten wir im Weiteren jenen methodischen Ansatz beschreiben, der in unserem Projekt zur Anwendung kam und der als multiple Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive beschrieben werden kann. Damit knüpfen wir an prominente theoretische Ansätze an, arbeiten einen neuen methodischen Zugang heraus und bringen analytische Fragen in die methodische Diskussion ein. [38]

5. Die Methode der multiplen Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive

Die in Abschnitt 2 angeführten Ansätze zur qualitativen Aktenanalyse weisen theoretisch allesamt einen praxeologischen oder diskursanalytischen Zugang auf. Daran knüpfen wir theoretisch an. Da konkrete methodische Auseinandersetzungen vor allem im deutschsprachigen Raum noch rar sind, möchten wir im Weiteren den methodischen Zugang der multiplen Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive auf Familiengerichtsakten vorstellen. Wir bringen analytische Fragen ein, die im Rahmen der multiplen Fallstudie an die Fälle gestellt werden: Familiengerichtsakten werden einerseits als Herstellungsleistung und damit als Repräsentation von darin verschränkten Praktiken – Familie und Recht – befragt. Andererseits legen wir einen inhaltlichen Schwerpunkt durch den Fokus auf relevante Diskurse. [39]

Der methodische Zugang über Fallstudien ist nach YIN (1984) vor allem dann sinnvoll, wenn 1. ein zeitgenössisches Phänomen untersucht werden soll, bei dem 2. die Grenzen zwischen Phänomen und Kontext nicht eindeutig sind. Um Fallstudien sinnvoll abzugrenzen, wird 3. auch die Sammlung von verschiedenen Datenquellen als notwendige Bedingung von Fallstudien gesehen. Nachdem Scheidungs- und Pflegschaftsverfahren zeitgenössische Phänomene darstellen, deren Kontext sich zwischen Praktiken des Rechts und familiären Praktiken befindet, was sich in ganz unterschiedlichen Datenquellen (z.B. Zeug*innenaussagen, Gutachten, Urteile, Klagen) in den Gerichtsakten niederschlägt, erweist sich der methodische Zugang der multiplen Fallstudie als besonders sinnvoll. Dabei grenzen wir einen Fall nicht über Akteur*innen (z.B. Sorgeberechtigte oder ein scheidungswilliges Paar) ab, sondern über jeweils das einzelne Scheidungs- oder Pflegschaftsverfahren und die zugehörigen Berufungsinstanzen. [40]

Die Methodik der multiplen Fallstudie (YIN 2018) hat dabei einen wesentlichen Vorteil: Sie lässt einen Vergleich von empirisch vorgefundenen Fällen zu, die im vorherigen Schritt schon analytisch als ganze Fälle bearbeitet wurden. Dieser Vergleich erfolgt auf einer zweiten analytischen Ebene, die einzelnen Fälle sind damit die evidente Basis für die Ergebnisse. Das bringt auch Flexibilität in Bezug auf die Ergebnisdarstellung mit sich, weil Ergebnisse leichter als Vergleich von Fällen dargestellt werden können. Die narrative Darstellungsform der Ergebnisse, die bei Fallstudien häufig verwendet wird, wird zu einer zusätzlichen Option. Durch das Einplanen dieses zweiten Analyseschritts wird auch vermieden, dass narrative Fallstudien am Ende eines Forschungsprozesses lose nebeneinanderstehen und schwer vergleichbar werden. Bereits in der Analyse der Fälle müssen Vergleichsebenen gefunden werden, die später in der Ergebnisdarstellung hilfreich sind. Ergebnisse können so unabhängig von der narrativen Form der Fälle mittels sporadischer Zitate aus den zugrunde liegenden Fällen veranschaulicht werden oder auch im Sinne einer Frage-Antwort-Ergebnisdarstellung ein Querlesen und Vergleichen der multiplen Fallstudie ermöglichen (a.a.O.). [41]

Grundsätzlich sollte in Bezug auf die Fälle einerseits berücksichtigt werden, dass Scheidungs- und Pflegschaftsakten als einzelner Fall kein Abbild einer als objektiv angenommenen Wirklichkeit darstellen, sondern eine spezifische Perspektive beinhalten, die zum Zweck der Scheidung bei Gericht von unterschiedlichen Akteur*innen erst hergestellt wird. Die Gerichtsakten werden in diesem Sinne als "institutionalisierte Spuren" (WOLFF 2010, S.503) begriffen, aus denen "legitimerweise Schlussfolgerungen über Aktivitäten, Absichten und Erwägungen [...] der von ihnen repräsentierten Organisationen gezogen werden können" (a.a.O.). Als solche sind sie jedoch andererseits auch Teil der familialen Wirklichkeit (ARNI 2004), die wiederum eine Herstellungspraxis erfordert (FINCH 2007; JURCZYK 2014). Diese drückt sich in einem Doing bzw. UnDoing Family aus, "das die Praxen sowohl von Neutralisierung und Auflösung als auch von Herstellung [von Familie] umfasst" (JURCZYK 2020b, S.10). Recht und Familie werden dabei durch den einzelnen Fall in einem praxeologischen Sinn als miteinander verwoben begriffen. Familie wird also im Sinne eines Doing und UnDoing nicht nur von Familienmitgliedern getan und hergestellt, sondern gleichermaßen auch von Institutionen wie Familienrecht, Gericht und zugehörigen Akteur*innen. Scheidungs- und Pflegschaftsverfahren können aber auch als diskursives Feld verstanden werden, da das Gericht und die aktenförmig produzierten Dokumente Orte der Kommunikation sind, an denen verschiedene Parteien argumentieren, um durch eine Veränderung familialer Beziehungen "problematisch gewordene Geltungsansprüche" (HABERMAS 1973, S.214) zu thematisieren. Diese Argumente werden auf ihre Gültigkeit hin verhandelt und beurteilt. [42]

Wir schlagen daher vor, im Rahmen einer praxeologisch "flache[n] Ontologie" (SCHATZKI 2016, S.30) familiengerichtliche Dokumente als Herstellungspraxis eines Doing oder UnDoing Family zu betrachten. Im Rahmen dieser flachen Ontologie ist das Recht jedoch nicht einfach Kontext von familialen Praktiken (siehe auch JURCZYK 2020a), sondern deren Bestandteil: Praktiken erstrecken sich dabei auf "nur einer Ebene" (SCHATZKI 2016, S.33) und werden verstanden als "eine offene, raum-zeitlich verteilte Menge des Tuns und Sprechens, [...] die materielle Arrangements hervorbringen, gebrauchen, verändern, auf sie gerichtet oder untrennbar mit ihnen verbunden sind" (a.a.O.). Materielle Arrangements – wie familiengerichtliche Dokumente bzw. Akten – richten dabei gleichzeitig Praktiken aus und ermöglichen diese. Akten sind in die Praxis des Gerichts eingelassen, in der durch sie Zuordnungen und Entscheidungen zu und über familiale Praxis ermöglicht werden (MUCKEL 1997). Gerichte sind dabei auf die Legitimation ihrer Entscheidungen angewiesen und richten ihr inner- und außerorganisationales Handeln an gesellschaftlichen Erwartungen aus, indem sie diese wahrnehmen und deuten (ALEMANN 2019). Akten kommt dabei eine zentrale Rolle zu, da sie in der institutionellen Logik von Rechtsprechung wichtige Kontrollfunktionen haben: Die Beteiligten werden als "Fall" durch die Institution kontrolliert, die aktenführende Person durch Vorgesetzte und die Institution durch Aufsichtsinstanzen wie das nächsthöhere Rekursgericht im Instanzenzug (MUCKEL 1997). Welche familiale Praxis ermöglicht oder begrenzt wird und inwiefern umgekehrt Recht auf familiale Praxis anwendbar und legitimierbar wird, zeigt sich also als jenes Spannungsfeld, das in Familiengerichtsakten verwirklicht und durch diese zugänglich wird. [43]

Ein Beispiel für die Verschränkung von Recht und familialer Praxis ist der einleitende Absatz von Scheidungsklagen, in dem ausgewählte Rahmenbedingungen der Ehe gleichsam wie in einem Formular in stark standardisierter Form beschrieben werden. Die erste Passage enthält stets denselben Informationsgehalt:

"Die Parteien haben am [Tag.Monat.Jahr] vor dem Standesamt [Ort] zur Familienbuchnummer [Nummer im Familienbuch] die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen die [Anzahl der Kinder] minderjährigen Kinder [Name und Geburtsdatum der Kinder]. Die Ehegatten haben keinen Ehepakt geschlossen. Der letzte gemeinsame Wohnsitz ist in der [Adresse], weshalb das angerufene Gericht zuständig ist. Die Ehegatten sind [Land] Staatsbürger und [beide] sind [Religionszugehörigkeiten]" (Fall Nr.10). [44]

Es zeigt sich hier, welche Informationen der familialen Praxis einer Zuordnung und Einordnung durch das Gericht bedürfen und daher von Anwält*innen vorweg eingebracht werden – aber auch, welche Aspekte keine Berücksichtigung finden. Beispielsweise werden hier nur jene (auch volljährigen) Kinder angeführt, die "der Ehe entstammen" (als eheliche Kinder gelten in Österreich auch durch eine nachträgliche Eheschließung der Eltern legitimierte Kinder), nicht jedoch Stiefkinder, auch wenn diese im gleichen Haushalt leben. Es wird nur der letzte gemeinsame Wohnort genannt – Veränderungen des Wohnorts oder auch, ob ein*e Ehepartner*in den letzten Wohnort bereits verlassen hat, werden nicht thematisiert. Auch die Aufteilung von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit ist eingangs nicht angeführt, wird aber in den meisten Scheidungsakten in unserem Sample in weiterer Folge im Verfahren thematisiert, wenn eine*r der beiden "Streitteile" dies als Eheverfehlung einbringt. Zu Beginn eines Verfahrens wird also eine spezifische familiale Praxis wirksam wie beispielsweise die Dauer der Ehe oder ob ein Heiratsvertrag (Ehepakt) geschlossen wurde. [45]

Im Verlauf des Verfahrens werden zahlreiche zusätzliche Informationen erschlossen und verwaltet. Diese werden von weiteren Akteur*innen eingebracht. Die ethnomethodologisch geprägte Fokussierung auf "'Zulieferbetriebe', die erst aussichtsreiche Beiträge zum laufenden Verfahren erarbeiten" (SCHEFFER 2015, S.225) ermöglicht dabei den Einbezug weiterer Aspekte des familialen Lebens als Teil von Familiengerichtsakten: Stellungnahmen und Einvernahmen der Scheidungswilligen, Zeug*innenaussagen oder Sachverständigengutachten sind Perspektiven, die Teil von Akten werden und so familiales Leben aus verschiedenen Blickwinkeln deuten und gleichsam erzeugen. [46]

Während eine auf die Praktiken fokussierende Analyse stärker auf das Wie der Herstellung der Akten und der darin enthaltenen Objekte ausgerichtet ist (SCHEFFER 2015), bringt die zweite Perspektive – auf Diskurse im Rahmen dieser Praxis – den spezifischen Einbezug einer inhaltlichen Ebene mit sich, auf welcher die Geltungsansprüche thematisiert und verhandelt werden. In einer diskursanalytisch inspirierten Untersuchung kann damit durch den Fokus auf verschiedene Diskurspositionen und -strukturen der Schwerpunkt auf die Multiperspektivität (VOGL, SCHMIDT & ZARTLER 2019) der involvierten Akteur*innen gelegt werden (FRIEDRICH & FRANZHELD 2020; SCHWAB-TRAPP 2006). Die Verknüpfung der diskursanalytischen und praxeologischen Perspektive auf Scheidungs- und Pflegschaftsakten erlaubt es, Daten aus solchen Verfahren als Diskursfelder mit verschiedenen Macht- und Sprecher*innenpositionen sowie Deutungs- und Handlungsmustern abzubilden (JÄGER 2011; KELLER 2011b), deren Erzeugung und Verhandlung ein Zusammenwirken verschiedener Akteur*innen erfordert. [47]

Methodisch können mit diesem Zugang analytische Fragen an die einzelnen Fälle der multiplen Fallstudien gestellt werden. Davon ausgehend, dass das Familienrecht ganz wesentlich auf die soziale Konstruktion von Beziehungen wirkt, dabei aber von bestimmten Vorstellungen über die Subjekte selbst geformt ist (ZARTLER 2012; ZARTLER & HIERZER 2015), fokussieren wir in der Analyse auf beteiligte Familienmitglieder. Die analytischen Fragen beziehen ein, dass Familiengerichtsakten erstens von, zweitens mit und drittens für Familienmitglieder hervorgebracht werden, wie wir im Folgenden anhand von Scheidungsakten als Fälle ausführen. [48]

So wird eine Scheidung formal immer durch zumindest eine*n der beiden Partner*innen initiiert: Das erste Dokument in einer Scheidungsakte ist stets eine Scheidungsklage bzw. ein Scheidungsantrag, dessen Ursprung auf Argumentationen und Darstellungen des*der jeweiligen Ehepartner*in basiert und damit von ihr* oder ihm* erzeugt wird. Im Zuge der Analyse von Scheidungsakten fragen wir also in praxeologischer Manier: Wie wird eine Scheidung von Ehepartner*innen bei Gericht erzeugt? Aus diskursanalytischer Perspektive ergänzen wir: Welche Geltungsansprüche werden durch eine eingebrachte Scheidung von den Ehepartner*innen problematisiert? [49]

Fortan wächst die Akte durch Aufforderungen des Gerichts und Eingaben der Rechtsvertreter*innen in Zusammenarbeit mit den Ehepartner*innen (z.B. zu Protokoll gegebene Befragungen oder anwaltliche Schreiben) an: Sie bedingt daher die Erzeugung mit den Ehepartner*innen, aber auch weiteren Familienmitgliedern, die in einem Wechselspiel mit anderen Akteur*innen die Praxis einer Familie vor Gericht vollziehen. Eine Familiengerichtsakte besteht letztendlich aus unterschiedlichsten Dokumenten (z.B. Klagen, Urteile, Gutachten) von verschiedenen Verfasser*innen, die diverse aufgezeichnete Sprecher*innen- und Erzeuger*innenpositionen abbilden. In Hinblick darauf fragen wir: Wie wird die Praxis Scheidung bei Gericht vollzogen und wie gestaltet sich das Wechselspiel zwischen verschiedenen Akteur*innen? Diskursanalytisch kommen dabei die Fragen auf: Welche Akteur*innen bringen dabei welche (multiplen) Perspektiven ein, und welche Deutungs- und Handlungsmuster werden sichtbar? [50]

Nach dem abgeschlossenen Scheidungsverfahren erhalten die beiden Ehepartner*innen das Urteil des Gerichts. Es ist damit ein Dokument, das für die Akteur*innen einer Familie erstellt wird und den Reorganisationsprozess der Familienbeziehungen im Zuge einer Scheidung rechtlich regeln soll. Hier wird deutlich, dass die gesamte Gerichtsakte zu einem bestimmten Zweck erarbeitet und durch das Urteil abgeschlossen wird. Die praxeologische Frage danach, wie Scheidung für die Akteur*innen einer Familie erzeugt wird, ist darauf fokussiert: Wie werden Familienmitglieder aus der Praxis Familiengericht wieder entlassen? Diskursanalytisch ist hier vor allem die Frage nach den Subjektpositionen interessant: Für welche Subjekte wird die Scheidung bei Gericht erzeugt, d.h., wer wird hier wie adressiert? Welche Machtstrukturen lassen sich dabei erkennen und wie ist der Diskurs vor Gericht darin eingebettet? [51]

Zusammenfassend sind Akten aus Scheidungs- und Pflegschaftsverfahren daher gleichzeitig sowohl Teil als auch Abbild familialer Praktiken und sollten auch mit diesen beiden Schwerpunkten untersucht werden. Die Frage, von, mit und für wen Familiengerichtsakten erzeugt werden gibt dabei – so schlagen wir vor – einen heuristischen Rahmen vor, in den diese Schwerpunkte bei der Untersuchung eines UnDoing Family (JURCZYK 2020a) einbezogen werden können, weil eine Beantwortung nicht nur die Erzeugung des Verfahrens, sondern ebenso vorhandene Diskurse, Sprecher*innenpositionen und Machtstrukturen umfassen kann. [52]

6. Conclusio

Wir haben in diesem Beitrag gezeigt, dass der soziologische Zugang zu Gerichtsakten besondere methodologische und methodische Spezifizierungen erfordert und großes Potenzial für die sozialwissenschaftliche und familiensoziologische Forschung beinhaltet. Auf der Basis von 70 Familiengerichtsakten, die wir aus insgesamt 45 Gerichtsarchiven in Österreich erhoben, analysiert und durch Forschungstagebücher und Memos dokumentiert haben, fokussierten wir in diesem Beitrag auf zwei Bereiche. [53]

Erstens spezifizierten wir drei zentrale methodologische Bereiche, um diese für weitere Forschungen fruchtbar zu machen: auf epistemologische Aspekte, forschungspraktische Fragen des Feldzugangs und der Erhebung sowie, darauf aufbauend, auf Überlegungen zur Analyseeinheit von Gerichtsakten. Wir haben deutlich gemacht, welche Potenziale die weitere Etablierung von bislang in der Sozialwissenschaft noch wenig genutzten Gerichtsakten als Datenbasis hat. Analytische Entwicklungsmöglichkeiten liegen aus unserer Sicht vor allem in der häufig vernachlässigten Auseinandersetzung mit dem Kontext, in welchem qualitative Daten entstehen und die bei prozessproduzierten Daten – hier Familiengerichtsakten – besondere Reflexion anstößt. Gerichtsakten eröffnen darüber hinaus Zugang zu einem sozialwissenschaftlich wenig erforschten sozialen Bereich, der sich in prozessproduzierten Daten abbildet. Diese strukturieren als aktiver Text (SMITH 2005) den Alltag mit. [54]

Zweitens entwickelten wir einen qualitativ-methodischen Zugang, bei dem sowohl der Erzeugungskontext der Daten als auch inhaltliche Diskurse eines UnDoing Family in den Daten berücksichtigt werden. Eine praxeologische Ontologie auf das Geschehen und das Datenmaterial (SCHATZKI 2016) bietet uns dabei eine Perspektive, mit deren Hilfe auch Institutionen wie das Recht, die Rechtsprechung und deren Abläufe und Instrumente in das UnDoing Family einbezogen werden können (JURCZYK 2020a; LANGE 2020). Die Verbindung mit einer diskursanalytischen Perspektive (KELLER 2011a) kann jene Multiperspektivität abbilden, die aus unserer Sicht ein besonderes Potenzial von Gerichtsakten für die Familienforschung darstellt (siehe auch FRIEDRICH & FRANZHELD 2020). [55]

Akteur*innen wie Familienmitglieder sind mit diesen aktiven Texten insofern verbunden, als Gerichtsakten von, mit und für sie produziert werden. Sie sind damit immanenter Bestandteil und gleichzeitig auch Produzent*innen der Akten. Eine methodische Zugangsweise im Rahmen der multiplen Fallstudie aus praxeologisch-diskursanalytischer Perspektive kann zwei sich notwendigerweise überschneidende Analysefoki auf Praxis und Diskurs vereinen und dem analytischen Spannungsfeld zwischen der Gesamtkomposition einer Gerichtsakte und den darin enthaltenen Diskurspositionen Rechnung tragen. [56]

Die von uns vorgeschlagene Methode zur Analyse von Gerichtsakten stellt nur eine mögliche methodisch-theoretische Variante dar. Die Theorieperspektive ist bewusst als Zusatz zur multiplen Fallstudie gedacht. Gerichtsakten enthalten als Datenmaterial auch darüber hinaus großes methodisches Potenzial, das mit der weiteren Variation und Kombination von theoretischen Perspektiven noch weiter ausdifferenziert werden kann und sollte. Wir plädieren hierbei für methodologische Hybridisation (FLICK 2005), die einen pragmatischen Umgang mit methodologischen Prinzipien und Methoden einschließt: Eine zu starke Beschränkung auf einen spezifischen methodologischen Diskurs wird vermieden, und Methoden werden – wie hier in der Verbindung eines praxeologischen und diskursanalytischen Zugangs – soweit wie möglich sinnvoll integriert (FLICK, 2005). Für zukünftige Forschungen könnte außerdem der verstärkte Einbezug einer neo-institutionalistischen Perspektive (WALGENBACH 2002) auf die Rechtspraxis in Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel von Familie zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen, da mittels dieser der Blick auf den Bezug von inner- und außerorganisationalem Handeln von machtvollen Akteur*innen der Rechtsprechung auf außergerichtliche soziale Erwartungen vertieft werden könnte. Außerdem zeigt sich deutliches Potenzial in der rekonstruktiven Organisationsforschung (VOGD 2009), mit welcher der Fokus noch stärker auf die Sinnorientierung verschiedener Professionsgruppen (z.B. psychologische Gutachter*innen) gelegt werden könnte, die auf familienrechtliche Entscheidungen Einfluss nehmen und deren Praktiken sich in Gerichtsakten spiegeln. Hier könnte ein spezifischer Schwerpunkt der Wandel von Verfahren sein, da Gerichtsakten auf Basis der jeweils gültigen Rechtssituation entstehen und somit die in diesem Rahmen produzierten Daten durch institutionelle Varianz gekennzeichnet sind. Als Beispiel kann hier die in Österreich 2014 eingeführte Familiengerichtshilfe (Unterstützung der richterlichen Arbeit durch Erhebungen oder die Vermittlung durch Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Pädagog*innen) genannt werden. Methodologische Flexibilität erhält aus unserer Perspektive gerade dort Relevanz, wo das Potenzial neuer methodologischer Felder wie jenes von Gerichtsakten als Daten noch weiter erschlossen werden soll. [57]

Gerichtsakten geben detaillierte Einblicke in die Konstruktionen familialer Praktiken und Diskurse und in normativ-gesellschaftliche Umgangsweisen mit diesen. Dadurch enthalten sie das enorme Potenzial, historische, normative und soziale Wandlungsprozesse ausgehend von einzelnen Praktiken (und deren Spuren) zu beschreiben. Einzigartig ist dabei der Zugriff auf historische Diskurse und Praktiken: Es können Momentaufnahmen aus verschiedenen Jahrzehnten analysiert werden, die nicht nur das rechtliche, sondern auch das gesellschaftliche Normengefüge abbilden. Aus (familien-)soziologischer Perspektive ermöglichen sie außerdem Einblicke in familiäre Praktiken, die in reaktivem Datenmaterial sozialer Erwünschtheit unterliegen, wie beispielsweise das intendierte Distanzieren oder Verleugnen von Beziehungen. Weiter erlauben Gerichtsakten eine Ausweitung auf Perspektiven einer oft großen Zahl unterschiedlicher Akteur*innen, die mit anderen Erhebungsmethoden kaum oder nur unter großem Aufwand in empirische Erhebungen einbezogen werden können. Um diese adäquat zu erfassen, zeigt sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in Erhebung und Analyse als empfehlenswerte Strategie, die zu einer Reflexion der Eigenlogiken der Felder führt. Eine weitere methodologische und methodische Erschließung dieses Datenmaterials und seiner Analysemöglichkeiten kann daher aus unserer Perspektive nur empfohlen werden. [58]

Anmerkungen

1) Laufzeit: 2019-2023, gefördert durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften. <zurück>

2) Überprüfung der Entscheidung eines Gerichtes durch die gesetzlich festgelegte nächsthöhere Instanz, z.B.: I. Instanz Bezirksgericht, II. Instanz Landesgericht, III. Instanz Oberster Gerichtshof. <zurück>

3) Die Kenntnis der Geschäftszahlen von zu erhebenden Verfahren ist Voraussetzung für die Einreichung einer Genehmigung. Geschäftszahlen (Aktenkennzahlen) erlauben die Identifikation von Akten durch eine jeweils einzigartige Zahlen- und Buchstabenkombination. Diese werden nicht für alle durchgeführten Gerichtsverfahren veröffentlicht. De facto war daher der Zugang über die Sammlung "Familien- und erbrechtliche Entscheidungen" die einzige Möglichkeit, ein historisches, österreichweites Sample genehmigen zu lassen, bei dem Letztentscheidungen aus verschiedenen Instanzen berücksichtigt werden. <zurück>

4) Laut §174 GEO, d.h. der Geschäftsordnung für die Gerichte der I. und II. Instanz (für den ersten und zweiten Verfahrensabschnitt zuständige Stellen), müssen Akten des streitigen Verfahrens aus der I. und II. Instanz 30 Jahre aufbewahrt werden; Akten der Rechtsmittelgerichte für zehn Jahre; laut §19 OGHG, d.h. des Obersten-Gerichtshof-Gesetzes werden die Akten der III. Instanz dauerhaft aufbewahrt. <zurück>

5) ZPO, d.h. Zivilprozessordnung. <zurück>

6) AußStrG, d.h. Außerstreitgesetz, dieses Gesetz regelt u.a. die Einsicht in Verfahrensakten. <zurück>

7) Die Aufbewahrungsfristen für Gerichtsakten sind für Österreich in §174 der GEO Gerichte der I. und II. Instanz geregelt. In Deutschland ist die Aufbewahrungsfrist von Familien-, Kindschafts- und Ehesachen durch die Schriftgutaufbewahrungsverordnung (SchrAV) festgelegt und schwankt zwischen fünf Jahren (z.B. Gewaltschutzsachen) und 120 Jahren (z.B. Gütertrennung). Die Aufbewahrung der verschiedenen Aktentypen ist in der Anlage der SchrAV differenziert beschrieben. <zurück>

8) Das aktuelle österreichische Scheidungsrecht ist im deutschsprachigen Kontext insofern einzigartig, als es die Verschuldensabwägung bei einer Scheidung zulässt, siehe §49, Ehegesetz (EheG) (MARSCHALL 2012). Bei der Verschuldensabwägung wird das Verschulden der beiden Ehepartner*innen an der Ehezerrüttung abgewogen. <zurück>

9) Der Aufbau von Pflegschaftsverfahren ist aufgrund der Ähnlichkeit des Familienrechts z.B. in Deutschland auf andere regionale Kontexte übertragbar. <zurück>

Literatur

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Zu den Autorinnen

Viktoria PARISOT, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrende am Institut für Soziologie der Universität Wien. Derzeit ist sie Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC-team). Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Familiensoziologie, wo sie aktuell qualitativ zu familialen und rechtlichen Praktiken im Kontext von Trennung, Scheidung und Nachscheidungsfamilien forscht.

Kontakt:

Viktoria Parisot

Universität Wien
Institut für Soziologie
Rooseveltplatz 2, 1090 Wien

E-Mail: viktoria.parisot@univie.ac.at
URL: https://www.soz.univie.ac.at/viktoria-parisot

 

Lic. Marlies ZUCCATO-DOUTLIK, MA, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrende am Institut für Soziologie der Universität Wien seit 2017 und Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC-team) seit 2019. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Scheidung, Kindeswohl und Elternschaft im Diskurs von Pflegschaftsverfahren. Ihr methodischer Zugang ist einerseits die partizipative Forschung mit Kindern und andererseits die Forschung mit Dokumenten aus Familiengerichtsverfahren und deren Relevanz für die Familiensoziologie.

Kontakt:

Marlies Zuccato-Doutlik

Universität Wien
Institut für Soziologie
Rooseveltplatz 2, 1090 Wien

E-Mail: marlies.zuccato-doutlik@univie.ac.at
URL: https://www.soz.univie.ac.at/marlies-zuccato

 

Assoz. Prof.in Mag.a Dr.in Ulrike ZARTLER, PD, ist assoziierte Professorin für Familiensoziologie am Institut für Soziologie der Universität Wien. Ihre Schwerpunkte sind Familien-, Kindheits- und Jugendsoziologie, Transitionen im Lebensverlauf, Scheidung und Nachscheidungsfamilien, Medien in Familien, Online-Zivilcourage von Jugendlichen sowie der Familienalltag während der Corona-Pandemie.

Kontakt:

Ulrike Zartler

Universität Wien
Institut für Soziologie
Rooseveltplatz 2, 1090 Wien

E-Mail: ulrike.zartler@univie.ac.at
URL: http://www.soz.univie.ac.at/ulrike-zartler/

Zitation

Parisot, Viktoria; Zuccato-Doutlik, Marlies & Zartler, Ulrike (2021). Gerichtsakten als Daten soziologischer Familienforschung: Methodologie und Methode für ein noch wenig erschlossenes Datenmaterial [58 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 22(3), Art. 9, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-22.3.3649.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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