Volume 9, No. 1, Art. 17 – Januar 2008

Rezension:

Iris Rittenhofer

Christine von Blanckenburg, Birgit Böhm, Hans-Liudger Dienel & Heiner Legewie (2005). Leitfaden für interdisziplinäre Forschergruppen: Projekte initiieren – Zusammenarbeit gestalten (Blickwechsel. Schriftenreihe des Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Band 3). München: Franz Steiner Verlag. 255 Seiten, ISBN 3-515-08789-3. EUR 19,80

Zusammenfassung: Projektbezogenes Arbeiten ist heute wissenschaftlicher Alltag. Doch nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gleich gut gerüstet, um mit dieser Organisationsform der wissenschaftlichen Tätigkeit zurechtzukommen oder diese zu leiten. Hier bietet der "Leitfaden für interdisziplinäre Forschergruppen" einen guten Überblick über die verschiedenen Projektphasen, darin mögliche Konflikte und aufkeimende Machtfragen sowie die Grundlagen und Techniken der Moderation. Das Buch gibt nicht nur einen Einblick in die "Wirklichkeiten" des Unternehmens Wissenschaft, sondern zeigt auch zielorientierte strategische Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit diesem Unternehmen auf. Der Band ist sowohl als Handbuch für Unerfahrene als auch als Nachschlagewerk für erfahrene Projektmacherinnen und -macher geeignet, die ihre Erfahrungen auf den Punkt bringen und damit konstruktiv umgehen wollen. Jedoch werden interkulturelle Aspekte wissenschaftlicher Tätigkeit unberücksichtigt gelassen.

Keywords: Projektphasen, Kommunikation, Konflikte, Macht, Moderation, Kooperation

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Anliegen der Autorinnen/Autoren

3. Die Verlaufsphasen kooperativer Projekte

3.1 Die Vorbereitungsphase

3.2 Die Konstituierungs- und Planungsphase

3.3 Die Durchführungsphase

3.4 Der Abschluss

4. Kommunikationspsychologische Aspekte der Kooperation

5. Moderation

6. Abschließende Bemerkungen

Danksagung

Anmerkung

Literatur

Zur Autorin

Zitation

 

1. Einleitung

Ich verstehe den Band als Beitrag zu einer notwendigen Professionalisierung des Umgangs mit der Projektorganisation als Arbeitsform wissenschaftlicher Tätigkeit innerhalb des Unternehmens Wissenschaft. Er schreibt sich in den Kontext der Fachliteratur zur "Triple Helix" (ERNØ-KJØLHEDE, HUSTED, MØNSTED & WENNEBERG 2001) – der Verknüpfung von Wissenschaft, Wirtschaft und Regierung – ein und widmet sich den daraus abgeleiteten Führungsfragen. Er bietet Anleitungen zum Wissenschaftsmanagement auf der Mikroebene, in denen moderne Managementtheorien mit den Bedingungen und Erfahrungen des wissenschaftlichen Alltags erfolgreich kombiniert werden. Die zwei Autorinnen und zwei Autoren haben eine Vielfalt von Erfahrungen mit der Arbeit in und der Leitung von wissenschaftlichen Projekten zusammengetragen und machen diese den Lesenden "leicht" zugänglich. Sie bringen auf den Punkt, worum es bei den einzelnen Fällen jeweils geht, bieten Techniken und Methoden zur Vorbeugung oder zum Umgang mit dem jeweiligen Problem an und geben Hinweise zu weiterführender Literatur. [1]

Mein Interesse an dem Band war sofort geweckt. Zum einen verfüge ich selbst über Projekterfahrung. Zum anderen ist die Drittmittelfinanzierung und damit die Projektarbeitsform heute eine Alltagsbedingung wissenschaftlichen Arbeitens, das von der Forderung nach effizienter Verteilung und Anwendung von knappen Ressourcen gekennzeichnet ist. Zum dritten habe ich den Aufbau und die Leitung einer Forschungsgruppe innerhalb einer Matrixorganisation übernommen. Aus letzterem ergeben sich Aufgaben und Problemstellungen, die denen der Projektorganisation in wesentlichen Punkten ähnlich sind, sodass ich mir von der Lektüre hilfreiche Erkenntnisse erhoffte. Zu den Erfahrungen mit der Projektarbeit kommt meine Kenntnis der Fachliteratur zur unternehmerischen Projektleitung, und es stellte sich mir die Frage, ob die Leitung wissenschaftlicher Projekte sich hiervon wesentlich unterscheidet. Hat der Band der umfassenden Fachliteratur zur Projektarbeit etwas Wesentliches hinzuzufügen? [2]

2. Das Anliegen der Autorinnen/Autoren

Projektbezogene Forschung nimmt zu. Der vorliegende Leitfaden konzentriert sich vor allem auf Probleme des Ingangsetzens, der Durchführung und der Beendigung von Projekten und damit nach Ansicht der Autor(inn)en auf Aspekte, die die Projektarbeit entscheidend bestimmen und für die es noch zu wenig systematische Hinweise aus der Praxis gibt. Der Band versteht sich als Zusammenstellung technischer Tipps und als soziales Kochbuch kooperativer Projekte. In der Einführung wird eine Typologie kooperativer Forschungsprojekte entworfen. Die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen oder mit Praxispartner(inne)n aus der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung, mit NGOs oder verschiedener Initiativen, erfordere, so die Autor(inn)en, einen "kooperativen Forschungsstil". [3]

Kooperative Projekte überschreiten Grenzen der Zusammenarbeit, beispielsweise zwischen Disziplinen oder zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Der Band gibt eine Orientierungshilfe zu möglichen Interventionen, deren Ziel es ist, unter Rücksichtnahme auf diese Grenzüberschreitungen eine effektive Projektplanung und -durchführung zu erreichen. Positiv ist, dass die Autor(inn)en betonen, dass die erfolgreiche Projektarbeit nicht allein eine Frage der richtigen Technik ist. So bietet der Band keine Erfolgsgarantie, da es in der sozialen Projektplanung auch um Können, Erfahrung, Intuition, Phantasie, soziale Kompetenzen und Werthaltungen gehe. Der Leitfaden bezieht sich vor allem auf mittlere und große Forschungsprojekte, die sich dadurch von kleineren Projekten unterscheiden, dass die Antragsstellung auf der Leitungsebene liegt. Wichtig ist hier, dass die Führung einer wissenschaftlichen Projektgruppe als eine Funktion gesehen und nicht in einer Einzelperson verankert wird. Was mir jedoch fehlt, ist eine Problematisierung der Doppelrolle der Projektleitung, die oft sowohl als Führung als auch als aktiv tätige Wissenschaftler(innen) – auf der gleichen Ebene wie die "Geführten" – am Projekt beteiligt sind. [4]

Der Leitfaden kann für folgende Ziele genutzt werden: erhöhte Transparenz bei Planungsentscheidungen, Anregung für Praktiker(innen), Lernhilfe für Anfänger(innen), Verständigungsgrundlage, Qualitätssicherung, Arbeitsmaterial für die berufliche Aus- und Weiterbildung. [5]

Neben einem Vorwort von DIENEL und SCHÖN als Herausgebende der Schriftenreihe "Blickwechsel", in dem der Band als dritte Veröffentlichung erschienen ist, und einer kurzen Einführung besteht der Leitfaden zu kooperativen Forschungsprojekten aus drei Kapiteln. Kapitel 1 behandelt die Verlaufsphasen kooperativer Projekte, Kapitel 2 kommunikationspsychologische Aspekte der "Kooperationskulturen" und Kapitel 3 die Grundlagen und Techniken der Moderation dieser Projekte. Der Band wird durch eine alphabetisch geordnete Literaturliste vervollständigt. Es wäre wünschenswert gewesen, dass diese durch ein Stichwortregister ergänzt worden wäre, das einen gezielten Zugang zu Details problemspezifischer Fragestellungen, Tipps, Techniken oder Methoden ermöglicht hätte. Zu Recht heben die Autor(inn)en die Schwierigkeiten hervor, die inter- oder transdisziplinäre Projekte für die beteiligten Wissenschaftler(innen) bereithalten, vor allem auch in einem Unternehmen Wissenschaft, dass noch immer Fachgrenzen verwaltet. Das gilt meiner Erfahrung nach auch bei der Bereitstellung von Fördermitteln für fächerübergreifende Projekte. Mein Wunsch wäre gewesen, dass der Anhang des vorliegenden Bandes durch eine Übersicht über relevante Fördermöglichkeiten vor allem inter- und transdisziplinärer Projekte vervollständigt worden wäre. [6]

Der Leitfaden ist aus Bausteinen zusammengesetzt, die es ermöglichen, gezielte Antworten auf Fragen zu finden, die sich aus Problemen in der Praxis ergeben. Diese sind jeweils mit relevanten Literaturhinweisen versehen. Die zahlreichen Beispiele aus der Praxis unterstützen diese Zielsetzung des Bandes. Wie diese Bausteine sinnvoll angewendet werden können, hängt jedoch, wie die Autor(inn)en hervorheben, von den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Projektes ab, deren Typologien in der Einführung definiert werden. Daher ist die Annahme nahe liegend, dass auch die Praxisfragen und damit die sinnvolle Nutzung des Leitfadens von der Typologie des Projektes abhängig sind. Nur ist in den folgenden Kapiteln leider kein systematischer Zugang zu den für den jeweiligen Projekttypus spezifischen Problemstellungen möglich. Auch ist kein systematischer Zugriff auf interkulturelle Problemstellungen möglich, die in der Zusammenarbeit über Landes- oder Sprachgrenzen hinweg entstehen können, beispielsweise wenn die Zusammenarbeit in einer Sprache gestaltet wird, die für einige oder alle Beteiligte eine Fremdsprache ist. Das Faktum, dass Wissenschaftler(innen) (aus der Perspektive des Projekt[haupt]sitzes) auch Ausländer(innen) sein können, ist oft ein blinder Fleck im Wissenschaftsbetrieb, so auch in diesem Band, der interkulturelle Aspekte der wissenschaftlichen Kooperation nicht aufgreift. [7]

3. Die Verlaufsphasen kooperativer Projekte

Die drei Verlaufsphasen kooperativer Projekte füllen etwa die Hälfte des Bandes. Gut finde ich, dass alle Abschnitte in diesem Kapitel über die Verlaufsphasen kooperativer Projekte dieselbe übersichtliche Struktur aufweisen und problemorientiert gegliedert sind. Das sichert die Zugänglichkeit, ermöglicht die Wiedererkennbarkeit und macht die Relevanz der aufgegriffenen Fragestellungen und Vorschläge für die Projektorganisation deutlich. Alle Abschnitte werden mit einer Übersicht über die zentralen Themen und Ziele der jeweiligen Projektphasen eingeleitet, mit einer Vielfalt relevanter Beispiele werden Problemstellungen der jeweiligen Phasen veranschaulicht und in einem getrennten Abschnitt ("Worum geht es?") auf den Punkt gebracht. Es folgen konkrete und detaillierte Handlungsvorschläge, deren strategische Praxisbezogenheit positiv hervorzuheben ist. [8]

3.1 Die Vorbereitungsphase

Die Darstellung der einzelnen Elemente der Vorbereitungsphase ist wirklichkeitsnah. Hier werden Vorschläge dazu gemacht, wie Projektideen mit Hilfe verschiedener Kreativtechniken und Recherchen entwickelt, formuliert und an den gewählten Fördermöglichkeiten ausgerichtet werden können. Sinnvolle Überlegungen, die beim Abwägen einer Kooperationsnotwendigkeit und der Auswahl von potenziellen Kooperationspartner(inne)n angestellt werden sollten, werden vorgestellt. Hierzu gehören Anregungen zur Vorbereitung informeller Vorgespräche: "Zunächst geht es darum, im persönlichen Gespräch mit den Referenten der Förderinstitutionen herauszufinden, ob Ihre Projektideen tatsächlich so gut in das Förderprogramm passen, wie Sie meinen, ob es sich also lohnt, die Projektskizze zu einem Antrag auszuarbeiten" (S.40). In dieser Phase sei es notwendig, die Ziele des Projektes zu formulieren, Teilziele zu sammeln, diese mit Prioritäten zu versehen sowie das Gesamtziel nochmals strategisch zu überdenken. Es werden Hinweise dafür gegeben, wie direkte Kontakte zu zuständigen Personen in den Förderinstitutionen aufgebaut werden können und wie die Unterstützung der eigenen Universität oder Forschungseinrichtung durch den Aufbau und die Pflege von Kontakten gesichert werden kann. [9]

Der Weg von der Verhandlung über ein kooperatives Forschungsprojekt bis zum fertig formulierten Antrag ist beschwerlich. Um ihn zu erleichtern, wird das gemeinsame Schreiben des Antrags empfohlen. Doch bleiben die Autor(inn)en auch hier der Realität verbunden: "Das Ideal kooperativer Zusammenarbeit beim Schreiben des Antrags wird selten erreicht" (S.45). Auch für diesen Teil der Kooperation werden praxisnahe Ratschläge erteilt. Viele Anträge führen zum Ziel, und die Autorinnen und Autoren geben konkrete Empfehlungen für die Entwicklung einer Antragskultur, mit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigene Chancen auf Förderung verbessern können. [10]

Der vorliegende "Leitfaden" unterscheidet sich positiv von anderen Veröffentlichungen zu Projektarbeit dadurch, dass die für die Innovation so wichtige "Pre-jekt"-Phase in die Vorbereitungsphase integriert ist. So ist zu lesen, dass am Anfang eines Forschungsprojektes nicht das Wort, sondern eine erste Idee stünde, die strategisch nach den von den Forschungsförderungseinrichtungen vorgegebenen Bedingungen weiterentwickelt und zu einem passgenauen Antrag ausgeformt werden müsse. Diskutiert wird, wo Inspiration für ein Projekt geholt, wie Ideen entstehen und entwickelt und wie Fördermöglichkeiten systematisch recherchiert werden können. [11]

Gerade die Bedeutung der Ideenentwicklung sollte nicht unterschätzt werden, da in einer Welt voller rasanter Veränderungen auch Aufgaben der Forschung eben nicht mehr von vornherein festgelegt sind. Eigene Erfahrungen mit der Projektentwicklung zeigen mir, dass die Autor(inn)en zu leichtfüßig von der "Pre-jekt"- zur "Pro-jekt"-Phase springen, den Übergang zwischen beiden Phasen zu präskriptiv gestalten und ihn zu eng in ein Verlaufsmodell rationalen Denkens und Handelns einbinden. Denn gerade "Pre-jekt"-Phasen sind von Unsicherheit, Zweifel, undeutlichen Zielen und harter intellektueller Arbeit gekennzeichnet. So wird in dem Buch Sicherheit suggeriert, aber keine Hilfestellung gegeben, die zu den Wirklichkeiten einer unvollkommenen Welt passt. [12]

Nicht genug kann der Wert strategischer Überlegungen betont werden, die neben der Qualität des Antrags und der korrekten Einhaltung formeller Anforderungen entscheidend für den Erfolg eines Projektes sind. Um im Wettbewerb um Fördermittel erfolgreich zu sein, warnen die Autor(inn)en zu Recht: "Sie sollten nicht zu sehr darauf vertrauen, daß sich die eigene Themenauffassung und Projektkonzeption auf Grund ihrer Exzellenz zwangsläufig durchsetzen werden" (S.39). [13]

Viele der genannten Aspekte gelten für alle Projekte und nicht ausschließlich für kooperative Forschungsprojekte. So müssen alle Projektmacher(innen) sich in der Antragsgestaltung gegen existierende Forschung und Konkurrenzprojekte abgrenzen und die Ziele des Projektes sowie den dadurch zu erzielenden (wissenschaftlichen) Fortschritt deutlich machen, der durch das Projekt erarbeitet werden soll. Die Autor(inn)en heben mit Recht hervor, dass vor allem die Ziele des Projektes sorgfältig formuliert werden sollten, auch weil der Erfolg des Projektes später bei externen Evaluierungen daran gemessen werde. [14]

Zur Vorbereitungsphase gehört auch die (strategische) Entscheidung, mit welchen Partner(inne)n kooperiert werden kann und wie die Zusammenarbeit gestalten werden sollte. Die sorgfältige Lösung der Aufgaben der Vorbereitungsphase ist auch für die gezielte Gestaltung erster Kooperationstreffen förderlich. [15]

Die Antragsstellung wird als Subprojekt des Forschungsprojektes verstanden, und als solches durchläuft die Antragsstellung dieselben Phasen wie alle anderen (Forschungs-) Projekte. Die Vorbereitungs- und Konstituierungsphase dieses Subprojektes endet, wenn die Idee entwickelt, Kooperationspartner(innen) gewonnen und Ziele festgelegt worden sind. [16]

Der Antrag selbst wird in der Durchführungsphase geschrieben. Es werden Empfehlungen dazu gegeben, welche Kontakte mit welchen Zielen schon während der Antragsstellung gesucht und aufgebaut werden sollten. Wie die Verfasser(innen) richtig bemerken, ist es eine Arbeitsbedingung im "Unternehmen Wissenschaft", dass es für diese Aufgabe in der Regel keine zeitlichen oder finanziellen Ressourcen gibt; daher erweist sich diese Phase auch oft als Test für die Qualität der Zusammenarbeit. Hier wäre es nützlich gewesen, hätten die Autor(inn)en auf die Möglichkeit von Wissenschaftler(inne)n hingewiesen, die Entwicklung von Projekten und die geschriebenen Anträge als wissenschaftliche Produktion sichtbar zu machen, indem sie diese ihren Publikationslisten hinzufügen. Praxisbewusst beziehen die Autor(inn)en als Elemente der Endphase der Antragsstellung auch das Recycling abgelehnter Anträge mit ein. So kann die bereits (unbezahlt) durchgeführte Arbeit weiter genutzt werden. Auch andere Alternativen werden aufgezeigt, so können beispielsweise Kernkompetenzen in Antragsvarianten strategisch an unterschiedlichen Forschungsförderern ausgerichtet werden. [17]

Noch ausführlicher hätten die Autor(inn)en hier betonen können, dass die Wertschöpfung nicht erst mit dem neu geschaffenen Wissen am Ende des Projektes, sondern bereits mit der Umsetzung von Ideen und Zielen in der Kontaktpflege und der strategischen Planung während der Vorbereitungsphase beginnt. Natürlich liegt die Verantwortung dafür in den Händen der beteiligten Wissenschaftler(innen). Doch hier wären konkrete Tipps dazu von größtem Interesse gewesen, wie potenzielle Fördereinrichtungen etwa aus dem Bereich der Privatwirtschaft (also aus Bereichen, denen die Wissenschaft und ihre Arbeitsbedingungen oft fremd sind) für das eigene Vorhaben gewonnen werden können. [18]

3.2 Die Konstituierungs- und Planungsphase

Als Ziele der Konstituierungs- und Planungsphase werden die Teamentwicklung sowie die konkrete Planung der Projektorganisation und des Forschungsdesigns genannt. In übersichtlicher Form wird dargestellt, welche internen Voraussetzungen für die Realisierung einer Projektidee gegeben sein sollten und was abgeklärt werden muss, um die Realisierung der Idee zu sichern. "Unter internen Voraussetzungen fassen wir die strukturellen, personellen und finanziellen Möglichkeiten zusammen, die einer Organisation oder einem Arbeitsteam für die Durchführung eines Projekts zur Verfügung stehen. Diese Voraussetzungen bestimmen auch die Möglichkeiten der Beteiligung an einer Kooperation" (S.72). Auch werden relevante Querverweise zu den anderen Teilen des Buches angegeben. [19]

Konstituieren heißt, eine gemeinsame Form bzw. einen Orientierungsrahmen für das Projekt zu bilden und einzurichten. Die Konstituierung kann nicht ohne inhaltliche Planung erfolgen, Problemdefinition und Strategie werden gemeinsam erarbeitet. Die Autor(inn)en gehen im einzelnen auf die Maßnahmen ein, die dabei mitwirken, dass zunächst ein gemeinsamer Konsens gefunden werden kann, der individuelle Interessen und Ziele mit einer gemeinsamen Sicht der Ziele des Projektes vereint. Um dies zu erreichen, sollten die Mitarbeiter(innen) einander zunächst ihre Schwerpunkte, Positionen und Interessen vorstellen, um miteinander bekannt zu werden. Die Autoren und Autorinnen empfehlen eine äußerst detaillierte Vorbereitung solcher Sitzungen, die die Bildung einer Vorbereitungsgruppe, Tipps zum Verschicken von Einladungen, die Organisation der Rahmenbedingungen, die Klärung von Umgangsweisen, die Motivation von Akteur(inn)en sowie die Planung von Diskussionen und den Abschluss der Sitzung umfasst. Hier können die Projektteilnehmer(innen) auch ihre jeweilige Sicht der Problemstellung sowie die eigenen und die im Antrag formulierten Ziele präsentieren und diskutieren. Aufgezeigt wird, wie auch Motive für die Mitarbeit am Projekt und mit der Projektteilnahme verknüpfte Befürchtungen der einzelnen Teilnehmer(innen) geklärt, eine gemeinsame Problemsicht erarbeitet sowie die im Antrag formulierten Ziele handhabbar gemacht werden können. Da in dieser Phase auch die Praxispartner(innen) in das Projekt eingebunden werden, stellen die Autor(inn)en verschiedene Formen der Beteiligung und der Zusammenarbeit mit diesen Partner(inne)n vor und geben Tipps zur Vorbereitung und Durchführung von Kooperationsverhandlungen. Dazu gehört auch der Umgang mit möglichen Konflikten. [20]

Um den erfolgreichen Projektverlauf zu sichern, müssen sich in der Konstituierungs- und Planungsphase alle Mitarbeitende die Ziele des Forschungsantrags zu eigen machen und sich verbindlich auf eine gemeinsame Strategie einigen. Qualitätsstandards und eine für das Projekt passende Organisationsstruktur müssen entworfen werden. Hier stellen die Autor(inn)en mögliche Organisationsstrukturen vor und veranschaulichen dies mit dem Beispiel eines Organisationsdiagramms. Ausführlich werden die Fragen behandelt, die vor der Entscheidung für eine Projektstruktur berücksichtigt werden sollten. In dieser Phase erhalten die einzelnen Projektteilnehmer(innen) Funktionsrollen. In Tabellenform stellen die Autor(inn)en die verschiedenen Funktionsrollen den jeweils damit verbundenen "Fallstricken" dieser Rollen übersichtlich gegenüber und diskutieren die möglichen negativen Konsequenzen der Rollen für das kooperative Projekt. Die Empfehlungen der Autor(inn)en, eine gemeinsame Projektidentität zu fördern, verstehe ich in Anlehnung an die einschlägige Literatur zur Unternehmensorganisation dahingehend, dass in der Konstituierungs- und Planungsphase eine Art "corporate identity" entwickelt werden sollte, also eine gemeinsame, jedoch zeitlich auf die Dauer des Projektes begrenzte Organisationsidentität. Die weitere Projektarbeit orientiert sich an den in dieser Phase getroffenen Vereinbarungen. [21]

Positiv ist, dass die Autor(inn)en auch schwierige Voraussetzungen wie etwa räumliche, institutionelle und disziplinäre Abhängigkeiten in ihre Darstellung der Konstituierung und Planung kooperativer Projekte mit einbeziehen. Hierzu gehört auch das fortwährende Problem, dass die Ergebnisse interdisziplinärer Forschung in den einzelnen Disziplinen oft nicht zur Kenntnis genommen werden. Erwähnt wird die verbreitete Lösung dieses Problems, nach der Projekte in Teilprojekte unterteilt und diese dann unterschiedlichen Einrichtungen zugewiesen werden. Damit werde jedoch eine Distanz in das Projekt mit eingebaut, da Mitarbeiter(innen) verschiedenen Methoden, Traditionen und Denkansätzen verpflichtet seien. Ein weiteres Problem ist meines Erachtens, dass diese pragmatische Lösung echtes interdisziplinäres Arbeiten verhindert; die Resultate disziplinärer Teilarbeiten werden am Ende zu einem gemeinsamen Ergebnis zusammengefügt, dem dann das Label Interdisziplinarität nur zugeschrieben wird. [22]

Diese Phase steht im Zeichen der Qualitätssicherung. "Bei der Qualitätssicherung geht es grundsätzlich darum, die Beschaffenheit einer Dienstleistung, eines Produkts oder Prozesses kontinuierlich zu verbessern" (S.85). Die Qualitätssicherung stammt aus der industriellen Industrieproduktion – dieser Umstand wird von den Autor(inn)en jedoch nicht unreflektiert übernommen: Kriterien wie Kosten und Gewinn aus der Wirtschaft sollten nicht einfach auf andere Bereiche übertragen, sondern es sollten gegenstandsbezogene Kriterien sowohl für die Struktur- als auch für die Prozessqualität des jeweiligen Projektes entwickelt werden. Hier sehe ich jedoch nicht notwendigerweise einen Gegensatz: Auch in der Wirtschaft wird nicht mehr nur mit "traditionellen" Kriterien gearbeitet, wie beispielsweise das Konzept der "Triple Bottom Line"1) zeigt (z.B. BOWDEN, LANE & MARTIN 2001). Nützlich sei, so die Autor(inn)en, ein Fragenkatalog, der der Entwicklung projekteigener Bewertungskriterien und eines Konzeptes für die Durchführung einer laufenden Qualitätssicherung dient. [23]

Meine bisherige Projekterfahrung hat mich gelehrt, dass Anschlussprojekte bereits während der Arbeit am bestehenden Projekt entwickelt, geplant und evtl. auch beantragt werden müssen. Lehrreich war hier der Hinweis im "Leitfaden", über "Spinn-offs" und inhaltliche oder methodische Anschlussprojekte bereits am Ende der Planungs- und Koordinierungsphase nachzudenken. Die vorgebrachten Argumente der Autor(inn)en hierfür sind überzeugend: Die Begutachtung eines Projekts liege zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne, sodass genügend zeitlicher Spielraum für diese Arbeit bleibe, wobei die stattfindenden Diskussionen über Positionen, Ziele und Problemverständnis einen guten Anknüpfungspunkt böten. Zudem könnten sich bei der Suche nach Praxispartner(inne)n außerhalb der Wissenschaft möglicherweise gute Kontakte ergeben, die sich durch ein Spinn-off festigen ließen. [24]

3.3 Die Durchführungsphase

Die Durchführungsphase ist zeitlich gesehen die umfangreichste Projektphase. Erst in dieser Phase wird das Projekt im Detail geplant – und zwar so, dass Vielfalt möglich ist und Flexibilität erhalten bleibt. Als veranschaulichendes Praxisbeispiel haben die Autor(inn)en hierfür ein Pilotprojekt zur Einführung von Ganztagsschulen im Grundschulbereich gewählt, das von einem Ministerium finanziert wird. Generell gilt hier und für den ganzen Band, dass die zahlreichen Praxisbeispiele, deren Analyse und die daraus abgeleiteten systematischen Handlungsoptionen einleuchten und nachvollziehbar sind.

"Die wissenschaftliche Begleitforschung ist an vier regional operierende Projektnehmer vergeben. Bei einer ersten Gesamtkonferenz von Wissenschaftlern und Schulleitern stellt sich heraus, dass sehr unterschiedliche Vorstellungen sowohl über Organisation und Zielsetzung von Ganztagsschulung als auch über die Aufgabe der Evaluation existieren. In einem Projektstrukturplan werden daraufhin die Detailplanungen von Akteuren systematisch erfasst. Um die bereits geleistete Arbeit nicht verwerfen zu müssen, belässt man es bei unterschiedlichen Evaluationskonzepten, plant aber gleichzeitig einen späteren Abstimmungsprozess und gegenseitigen Kommentar der Ergebnisse mit ein. Außerdem führt der Plan die Abhängigkeit der Evaluation vom Projektkonzept und Projektverlauf in den Ganztagsschulen vor Augen. So muss einer der Evaluatoren die Recherche und Anpassung von Instrumenten zur Leistungsstanderhebung vorziehen und vor allem mit den entsprechenden Fachlehrern abstimmen. Dieser revidierte Detailplan wird von allen verabschiedet und alle sind gewillt sich daran zu halten. Trotzdem ergeben sich im Verlauf des Projektes noch manche Änderungen … In einem anderen Fall hat sich die Durchführung von Fragebogenaktionen für Lehrer, Eltern und Schüler als wenig ergiebig, aber vor allem zeit- und kostenintensiv erwiesen. Die Evaluatorin wechselt daraufhin zu Forschungsgruppengesprächen" (S.104-105). [25]

Wie dieses Zitat veranschaulicht, wählen die Autor(inn)en oft eine technisch-bürokratische Sachsprache. Diese erschwert zwar teilweise die Zugänglichkeit der Praxisbeispiele. Andererseits hat die Sprachwahl den Vorteil, dass die Leser(innen) sich hier mit einer (Sach-) Sprache (beispielsweise "Projektnehmer" oder "Begleitforschung") vertraut machen können, die, angewandt als Fach- oder Metasprache, bei der Gewinnung von Praxispartner(inne)n oder von Drittmittelförderung für ein Projekt möglicherweise einen Vorteil darstellt oder Ausschreibungen verständlicher macht. Denn die eigene Themenauffassung und Projektkonzeption überzeugen nicht, wenn das Projekt nicht in einer für Praxispartner(innen) oder Förderinstitutionen zugänglichen Sachsprache vermittelt wird. Zugleich bieten die Praxisbeispiele Anregungen für die Vielfalt der Kooperationsmöglichkeiten, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern offenstehen. [26]

Die Autor(inn)en geben weiter zahlreiche Empfehlungen dafür, wie die Durchführung des kooperativen Projektes im Einzelnen koordiniert werden kann. Dabei wird auch in Einzelheiten behandelt, wie eine Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses sichergestellt oder ein Dialog mit der Öffentlichkeit hergestellt und gepflegt werden kann. Wissensmanagement, ein weiterer Aspekt aus der Unternehmensführung, wird von den Autor(inn)en auf die Projektarbeit übertragen. Es wird als ein nützliches Werkzeug vorgestellt, das von der Projektleitung angewendet werden kann, um beispielsweise Teilergebnisse zu sichern. [27]

Eventuelle Krisen werden oft in dieser Phase auftreten. Die Autor(inn)en stellen Krisenzeichen übersichtlich zusammen und bieten Ansätze für ein effektives Krisenmanagement an. Es wird auch über die Notwendigkeit und Ziele strategischer Forschungskommunikation informiert und darüber, wie Evaluierungen strategisch vorbereitet und genützt werden können. [28]

Beim Lesen der Einleitung entstand bei mir den Eindruck, dass die Autor(inn)en von einem präskriptiven Projektmodell ausgehen; die Durchführungsphase wäre dann auf reaktive Kontrolle und Steuerung reduziert. Eine gründliche Lektüre des Bandes zeigt jedoch, dass von einer losen Koppelung der Phasen ausgegangen wird, womit sowohl Flexibilität als auch die Möglichkeit einer pro-aktiven Projektleitung gegeben sind. Hierin liegt die Chance, Möglichkeiten neu zu erforschen und neu entdeckte Präferenzen zu verfolgen, die sich aus erworbenen Erfahrungen und veränderten Bedingungen ergeben. Die Arbeit am kooperativen Projekt wird von den Autor(inn)en demnach also auch als Lernprozess verstanden. Damit sind Kontrolle und Steuerung nicht mehr die alleinigen Aufgaben der Projektleitung. [29]

Gilt dies jedoch ausschließlich für "wissenschaftliche" Projekte? Projektorganisationen können als "lernende Organisationen" verstanden werden. Lernende Organisationen sind (unter-) suchende Systeme, in denen "Wissen" Antworten auf die für die unternehmerischen Tätigkeiten jeweils entscheidenden Fragen meint. Welche Fragen das sind, darüber entscheiden die Führungskräfte, die auch verhindern, dass das Rad von Neuem erfunden wird. Als die wichtigsten Fragesteller stehen sie dem laufenden Prozess der Nachforschungen vor, ohne jedoch selbst aktiv daran beteiligt zu sein, und leiten daraus für das Unternehmen (über-) lebensnotwendiges Wissen ab (z.B. TROMPENAARS & HAMPDEN-TURNER 2004). Neues Wissen erarbeiten, Fragen stellen, die Leitung in einer lernenden Organisation haben – auch dies ist nicht der Forschung vorbehalten. Die Frage bleibt: Unterscheiden sich wissenschaftliche von anderen kooperativen Organisationsformen? Und wenn ja: Wo liegt der Unterschied? [30]

3.4 Der Abschluss

Am Ende der Durchführungsphase steht der Projektabschluss. Die Autor(inn)en empfehlen hier, ein teameigenes Evaluationskonzept zu entwickeln und schon im Vorfeld Kontakt zu Gutachter(inne)n aufzunehmen. Auch wird den Leserinnen und Lesern geraten, die Evaluation intern auszuwerten und diese sowohl für die Öffentlichkeitsarbeit als auch für die Vermarktung der Lösungen zu nutzen, die im Projekt erarbeitet wurden. Die Phasen der Öffentlichkeitsarbeit vom Entwurf über die Vermittlung bis zur Überprüfung eines Projektimages sind übersichtlich in einem Schema veranschaulicht, ebenso der Überblick über verschieden Medien und Aktionen in der Öffentlichkeitsarbeit. [31]

Zu einem guten Abschluss eines Projektes gehören die Sicherung der Ergebnisse und ihre wirkungsvolle Verbreitung. Auch die Sicherung eines Folgeprojektes, das bereits in der Vorbereitungsphase konzipiert wurde, gehört zu den Bedingungen der Schlussphase kooperativer (wie auch anderer) Projekte. Und nicht unwesentlich gehört dazu auch, sicher zu stellen, dass Qualifizierungsarbeiten im Rahmen des Projektes auch abgeschlossen werden, um wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Last but not least: Wichtig, so die Autor(inn)en, ist es auch, das Ende eines Projektes festlich ausklingen zu lassen und den erfolgreichen Abschluss zu feiern, wobei auch Pressevertreter(innen) eingeladen werden können. [32]

4. Kommunikationspsychologische Aspekte der Kooperation

Die Beschäftigung mit der Kooperation aus einer Kulturperspektive heraus dient dem Ziel, die Qualität der Zusammenarbeit kooperativer Projekte zu verbessern. Hierzu gehört, sich in Gesprächen konstruktiv aufeinander zu beziehen, Rückmeldungen zu geben, die auf Anerkennung und Feedback aufbauen, schwierige Themen aufzugreifen und evtl. Änderungen vorzunehmen, Bilanzen als Technik selbstreferenziellen Lernens zu begreifen und Motivation auch über längere Projektverläufe zu bewahren. Denn in "keinem Gespräch geht es ausschließlich um Sachfragen, immer geht es auch um die Beziehung der Personen … [M]ancher scheinbare Sachkonflikt hat seine Wurzeln in vorausgegangenen Kränkungen" (S.147). Zu den Merkmalen eines guten Kooperationsklimas werden Vertrauen, die Bereitschaft von anderen Akteur(inn)en zu lernen und Konfliktfähigkeit gerechnet. Nützlich ist hier die von den Autor(inn)en erstellte detaillierte, übersichtlich gestaltete und systematisierte tabellarische Übersicht über sowohl dysfunktionales wie auch funktionales Gesprächsverhalten. [33]

Kooperative Projekte werden von Menschen durchgeführt. Positiv ist daher, dass die Autor(inn)en den offenen Umgang mit Machtphänomenen nicht nur empfehlen, sondern auch selbst die Frage von Konkurrenz, Macht und Führung ausführlich thematisieren.

"Führung ist allgegenwärtig in jeder menschlichen Interaktion. … Es ist nicht möglich, sich dem Führen und geführt werden zu entziehen. Die Bewertung eines Führungsverhaltens hängt von den sozioökonomischen Bedingungen ab, die in einem bestimmten Kontext gelten und von den darin handelnden Personen" (GRÜNWALD 1998, zit. nach S.165). [34]

Der offene Umgang mit diesen Phänomenen zwischenmenschlicher Relationen stellt im Unternehmen Wissenschaft eher eine Seltenheit dar. Probleme, die hieraus erwachsen können, werden oft als Sachfragen verkleidet und diskutiert. [35]

Die Autor(inn)en betonen, die Bewertung von Führungsverhalten hänge zum einen von dem konkreten Kontext, zum anderen von den Wertvorstellungen der in diesem Kontext handelnden Personen ab. Unter Kontext verstehen sie das kooperative Projekt, in dem alle Beteiligten voneinander abhängig seien und sich gegenseitig kontrollierten: profitieren einzelne Akteur(inn)e(n) im Verhältnis zu ihrer Bedeutung oder ihrem Engagement zu stark von den gemeinsamen Ergebnissen? Die Ziele des Projektes könnten nicht von einem Akteur/einer Akteurin alleine, sondern nur gemeinsam realisiert werden. Die Autor(inn)en geben Vorschläge dazu, wie Machtfragen enttabuisiert, Mikropolitik kontrolliert, Kooperation und Konkurrenz ausbalanciert, zwischen Funktionsrollen und gruppendynamischen Rollen unterschieden, interne Leitungsfunktionen vergeben und die Projektsteuerung den Kooperationsbedingungen angepasst werden können. Die hervorragenden Klärungs- und Reflexionsempfehlungen zu diesen Bausteinen können bei Bedarf, also beim Auftreten von Schwierigkeiten, herangezogen werden. [36]

Beim Thema Konflikte geht es den Autor(inn)en darum, dass diese durch Interessenklärung zu lösen seien. Entsprechend geben sie Anregungen für die Erkennung, Vorbeugung und Lösung verschiedener Konflikte. "Unreflektierte Konfliktangst und Streitlust können sich … gegenseitig verstärken … und die Kooperation wird immer anstrengender" (S.191). Konflikte sollten frühzeitig erkannt und gezielt über die richtige Art der Intervention entschieden werden, um eine Win-Win-Lösung zu erreichen. Zu den Bausteinen dieser kommunikationspsychologischen Aspekte der Kooperation gehöre es, die eigene Grundhaltung zu Konflikten zu klären, Konfliktpotenziale zu erkennen und ernst zu nehmen, den Umgang mit verschiedenen Konfliktformen zu lernen, das Eskalieren von Konflikten zu verhindern, Sach- und Beziehungsaspekte auseinanderzuhalten, Konflikte macht- oder interessenorientiert anzugehen und gegebenenfalls externe Konfliktberatung in Anspruch zu nehmen. Besonders dieser Abschnitt greift Themen auf und bietet Lösungsansätze an, die weit über die Projektorganisation hinaus angewandt werden können. [37]

5. Moderation

Unter Moderation wird ein besonderer Stil der Leitung von Diskussionsrunden und Gruppengesprächen verstanden:

"Eine moderierte Gruppe unterscheidet sich von einer Gruppe ohne Moderation durch Arbeitsteilung. Während die Gruppenmitglieder sich auf die Arbeit konzentrieren, hat der Moderator die Aufgabe, die Gruppe zu unterstützen, ihr jeweiliges Arbeitsziel in möglichst anregender Atmosphäre und in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erreichen" (S.223). [38]

"Die" Moderationsmethode gibt es nicht. Die von den Autor(inn)en vorgestellten Methoden der Moderation wurden unter dem Markenzeichen "Metaplan" vor allem in Industrie und Wirtschaft bekannt. Mit den Bausteinen zu diesem Thema, die auch in zahlreichen Kästen und Grafiken veranschaulicht werden, wollen die Autor(inn)en ein einfaches und leicht erlernbares Werkzeug vorstellen, das für jede Art von Gruppenarbeit nützlich ist, beispielsweise im Umgang mit dem Team oder in Sitzungen, an denen auch externe Akteur(inn)e(n) teilnehmen. Dadurch sollen Sitzungen effizienter gestaltet, die Mitwirkung von Teilnehmenden gesichert, Zeit für wichtige Probleme gewonnen und Motivation, Kreativität und Arbeitszufriedenheit der Beteiligten erhöht werden. Die vorgestellten Bausteine stellen lediglich eine Kurzübersicht dar, die schnell realisierbare erste Schritte für Arbeitsgruppen in kooperativen Projekten anregen und praktische Tipps bei der Einführung von Moderationsmethoden in der Projektarbeit geben. Denn eine "Arbeitsgruppe ist und leistet mehr als die Summe ihrer Teilnehmer" (S.222). Dazu gehören die Verantwortung der Teilnehmenden für die produktive Gestaltung von Projektarbeit, die Rollen und Aufgaben der Moderation, der Einsatz von Visualisierungstechniken, von Standardtechniken für die Routinearbeit in Gruppen und ergänzende Techniken (wie etwa die "Kartenabfrage" oder das "Affinitätsdiagramm" zur Problemanalyse) zur Problembearbeitung. Auch dieses Kapitel bietet interessante und nützliche Anregungen, die überall in das Unternehmen Wissenschaft eingebracht werden können. [39]

6. Abschließende Bemerkungen

In Kürze beginne ich eine einjährige Zusatzausbildung zum "Research Manager". Ich selbst werde das Buch als Vorbereitung und ergänzendes Nachschlagewerk benutzen, da es Anregungen zur Lösung konkreter Probleme geben kann, die mit dem Aufbau einer institutionellen Forschungsgruppe verbunden sind. Da das Buch auf Deutsch erschienen ist, kann ich es leider nicht in die Projektarbeit (in Dänemark) einbringen. Ich hätte mir gewünscht, dass das Buch in einer breiter zugänglichen Sprache verfasst worden wäre. Des Weiteren hätte der Band zusätzlich gewonnen, hätten die Autor(inn)en sowohl eine interkulturelle als auch eine europäische Perspektive mit einbezogen. Denn die aufgegriffenen Arbeitsbedingungen von Wissenschaft begrenzen sich nicht auf ein einzelnes Land und sind auch nicht kennzeichnend für nur eine Nationalkultur; Wissenschaftler(innen) kooperieren zunehmend unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit, es gibt nicht nur nationale Fördermittel. Auch aus diesen Gründen wäre eine europäische Perspektive auf kooperative Forschungsvorhaben wünschenswert gewesen. [40]

Mit diesem Band überschreiten die Autor(inn)en die Grenzen zwischen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, indem sie Begriffe und Werkzeuge aus dem kulturellen und Unternehmensbereich auf Ziel- und Problemstellungen übertragen, die sich aus der vorübergehenden Organisation wissenschaftlicher Arbeit im Projekt ergeben können. Die kooperative Gestaltung dieser Grenzüberschreitungen ist ein überaus gelungener Ansatz, der Inspiration auch für die wissenschaftliche und andere Formen der Zusammenarbeit außerhalb von Projekten bietet. Wie die Autor(inn)en zu Recht in ihrem "Ausblick" am Ende des Bandes bemerken: "Der Umfang und die Bedeutung des Arbeitens und damit des Lebens in zeitlich befristeten Projekten haben in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen dramatisch zugenommen" (S.245), sowohl in der Arbeitswelt, in Vereinen oder Parteien, und, so möchte ich hinzufügen, auch im Privatleben, in dem "Lebensabschnittsgemeinschaften" lebenslange Projekte wie die Ehe zunehmend ersetzen. Ganz im Sinne des Bandes ist die abschließende Aufforderung zur Kooperation an die Lesenden. Die Autor(inn)en bitten darum, ihnen Anregungen und Kooperationsangebote für weitere Differenzierungen und Typologisierungen der Projektarbeit zukommen zu lassen. [41]

Danksagung

Ich danke an dieser Stelle meiner Kollegin Dr. PLATZ, IHO Aarhus Universität, für ihre Vorschläge zur sprachlichen Gestaltung dieses Beitrags.

Anmerkung

1) Das Konzept der "Triple Bottom Line" und die Idee des "People, Planet, Profit" wird auf John ELKINGTON (1999) zurückgeführt: Der Erfolg eines Unternehmens im Jahresabschlussbericht wird hiernach nicht ausschließlich an den wirtschaftlichen Endresultaten gemessen, sondern den gesellschaftlichen und umweltmäßigen Endeffekten der unternehmerischen Handlungen gleichberechtigt zur Seite gestellt und auch gegen diese aufgewogen. <zurück>

Literatur

Bowden, Adrian A.; Lane, Malcolm R. & Martin, Julia H (2001). Triple bottom line risk management: Enhancing profit, environmental performance and community benefit. USA: John Wiley & Sons.

Ernø-Kjølhede, Erik; Husted, Kenneth; Mønsted, Mette & Wenneberg, Søren Barlebo (2001). Managing university research in the triple helix. Science and Public Policy, 28(1), 49-55.

Elkington, John (1999). Cannibals with forks. Oxford: Capstone Publishing Limited.

Trompenaars, Fons & Hampden-Turner, Charles (2004). Marketing across cultures. Chichester: Capstone.

Zur Autorin

Iris RITTENHOFER, PhD, ist Associate Professor an der Wirtschaftsuniversität Aarhus, Aarhus Universität, Dänemark.

Kontakt:

Dr. Iris Rittenhofer

Aarhus School of Business
Institut: ISEK
Adresse: Fuglesangs Allé 4
Dk-8210 Århus V

E-Mail: iri@asb.dk
URL: http://www.asb.dk/

Zitation

Rittenhofer, Iris (2007). Rezension zu: Christine von Blanckenburg, Birgit Böhm, Hans-Liudger Dienel & Heiner Legewie (2005). Leitfaden für interdisziplinäre Forschergruppen: Projekte initiieren – Zusammenarbeit gestalten [41 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 9(1), Art. 17, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0801179.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

Creative Common License

Creative Commons Attribution 4.0 International License