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Volume 24, No. 1, Art. 3 – Januar 2023

"Kleine Geschichten" als Forschungszugang. Reflexionen zum biografischen Erzählen aus einem ethnografischen Projekt mit geflüchteten Schüler*innen

Bettina Dausien & Nadja Thoma

Zusammenfassung: Auf Basis eines Projekts mit geflüchteten Schüler*innen werden drei Formen "kleiner" biografischer Erzählungen vorgestellt, die alternativ zur Methode des biografisch-narrativen Interviews als Forschungsansatz genutzt werden können: Beim angeleiteten Erzählen mithilfe pädagogischer Methoden ermöglichen niederschwellige Erzählanreize die Artikulation biografischer Erfahrungen und vielseitige Beteiligungsmöglichkeiten. Die anderen beiden Formen basieren auf ethnografischen Beobachtungen: Im Kontakt mit den Forscher*innen erzählten die Schüler*innen beiläufig kleine Geschichten, die Einblick in ihre biografische Situation und ihren Alltag gaben, ähnlich wie sie dies in Interaktion mit den Lehrer*innen taten. Diese erzählten den Forschenden ihrerseits Geschichten über Geschichten, die sie von den Jugendlichen gehört hatten. Voraussetzung war eine ausgedehnte ethnografische Feldphase, die einen sukzessiven Aufbau der Forschungsbeziehungen erlaubte. Die Forschenden wurden in die Erzählpraxen des pädagogischen Feldes einbezogen und konnten Erkenntnisse über deren Funktion gewinnen. Ein Ergebnis war, biografisches Erzählen nicht allein als Ausdruck einer individuellen Erfahrungsstruktur zu interpretieren, sondern auch als interaktive Zugehörigkeitsarbeit, die im pädagogischen Feld der Schule besonders relevant ist. Die Forschung mit "kleinen Geschichten" eignet sich besonders, wenn die Vulnerabilität der Forschungssubjekte (z.B. geflüchtete Jugendliche) hoch ist, der institutionelle Rahmen (z.B. Schule) freies Erzählen erschwert oder wenn die Voraussetzungen für die Artikulation der eigenen Perspektive in einem Feld stark differieren (z.B. Mehrsprachigkeit).

Keywords: Biografieforschung; biografisches Erzählen; Ethnografie; kleine Geschichten; Fluchtforschung; Forschungsethik; narrative Identität; interaktive Zugehörigkeitsarbeit; Forschung mit Schüler*innen; pädagogische Praxis

Inhaltsverzeichnis

2. Projektrahmen, Forschungsinteresse und methodisches Vorgehen

2.1 Theoretischer Ansatz und Forschungsinteresse

2.2 Forschungsrahmen und Umgang mit Ansprüchen partizipativer Forschung

2.3 Methodische und methodologische Aspekte in der Verschränkung ethnografischer und biografischer Forschungsansätze

2.4 Zwischen Forschung und pädagogischer Praxis

3. Pädagogisch angeleitetes biografisches Erzählen

4. "Beiläufiges" biografisches Erzählen im Projektkontext

5. Erzählungen über Erzählungen – Biografisches im Kontext von Schule und Unterricht

6. Diskussion und Fazit

6.1 "Kleine Geschichten" als Material und methodische Strategie

6.2 Forschung im Fluchtkontext – Forschung mit Geflüchteten

6.3 Forschen im pädagogischen Feld

6.4 Mehrsprachigkeit im Forschungskontext von Flucht und Asyl

6.5 Zur sozialen Bedeutung biografischen Erzählens

Anhang: Legende zu den Transkriptionszeichen

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Einleitung

Qualitative und auch biografieanalytische Ansätze in der sozial- und erziehungswissenschaftlichen Forschung zu Fluchtmigration gibt es seit Längerem1), dennoch konnten BEHRENSEN und WESTPHAL (2009) noch vor gut zehn Jahren von einem "blinden Fleck" zumindest in der deutschsprachigen Migrations- und Bildungsforschung sprechen. Sie bezogen sich mit dieser Einschätzung auf die Forschung zu "junge[n] Flüchtlinge[n]". Den Forschungsstand zur Situation und zu den Bildungsverläufen dieser Gruppe im (deutschen) Bildungssystem kennzeichneten die Autorinnen als bis dato "äußerst mangelhaft" (S.46). Das betraf sowohl Forschungen zu den Perspektiven der Jugendlichen selbst als auch zu den Erfahrungen und Praxen der "pädagogisch Handelnde[n] im Erziehungs- und Bildungssystem" (S.47). Ein Desiderat für die Bildungsforschung formulierten BEHRENSEN und WESTPHAL damals folgendermaßen:

"Wie Schule und ihre Akteure, Lehrer/Lehrerinnen und Schüler/Schülerinnen sowie Eltern unter diesen Rahmenbedingungen Erziehung und Bildung ermöglichen und gestalten, welche Wege und Optionen zur Verfolgung von formalen Bildungszielen und -abschlüssen sowohl im Aufnahme- als auch im Herkunfts- bzw. Rückkehrkontext überhaupt zur Verfügung stehen und genutzt werden können, liegen [sic] dabei noch völlig im Dunkeln" (a.a.O.). [1]

Ein zweites Desiderat betraf die psychosoziale Lage der Jugendlichen und die Frage, wie sie und ihre Familien ihre prekäre, von anhaltender Unsicherheit und Perspektivlosigkeit geprägte Lebenssituation bearbeiteten. Dabei verwiesen die Autorinnen insbesondere auf Ansätze der Biografieforschung, die nicht nur negative Folgen der Fluchtgeschichte, sondern auch die daraus erwachsenden Kompetenzen und Möglichkeitsräume sichtbar machten (vgl. auch KING & KOLLER 2009; SEUKWA 2006). [2]

Mittlerweile hat sich die Forschungslage deutlich gewandelt. Vor allem im Zusammenhang mit der Situation im Jahr 2015, als eine große Zahl Geflüchteter mit der Hoffnung auf Asyl in europäische Länder eingewandert war und ganz praktisch die Frage anstand, wie Kinder und Jugendliche in das jeweilige Bildungssystem integriert werden könnten, entwickelte sich eine bildungswissenschaftliche Fluchtforschung.2) Die o.g. Desiderate wurden auch in der qualitativen Forschung aufgenommen und vielfach mit Methoden der Biografieforschung untersucht, vor allem mit dem biografisch-narrativen Interview (SCHÜTZE 1983). Dieses erscheint besonders geeignet, die Erfahrungen, Handlungsperspektiven und Bildungsprozesse der Akteur*innen "sichtbar" zu machen bzw. zu rekonstruieren. Inzwischen liegt allerdings nicht nur eine Reihe qualitativ-empirischer Studien zum Zusammenhang von Flucht und Bildung vor (BERG 2018; GARDI, LINGEN-ALI & MECHERIL 2019; KREMSNER, PROYER & BIEWER 2020; MORRICE 2013; NIEDRIG 2015; SEUKWA 2006), es gibt zunehmend auch methodologische Reflexionen zu den angewandten Methoden (etwa AKESSON, HOFFMAN, EL JOUEIDI & BADAWI 2018; BEHRENSEN & WESTPHAL 2019; FICHTNER & TRẦN 2018; THIELEN 2009; UNGER 2018). Für einige Studien wurden explizit biografische Ansätze gewählt (ROSENTHAL, BAHL & WORM 2016; SHERIDAN 2021; STRUCHHOLZ 2021). Interessant sind auch Reflexionen zur Rolle des Erzählens im Kontext von Migrations- und Fluchterforschung (SCHNITZER & MÖRGEN 2020). [3]

Wir schließen mit unserem Beitrag an die zuletzt genannten biografie- und narrationsanalytischen Ansätze an. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in einem Forschungsprojekt mit geflüchteten Jugendlichen (DAUSIEN, THOMA, ALPAGU & DRAXL 2020) sollen Varianten biografischen Erzählens, die im Verlauf des Projekts relevant wurden, vorgestellt und diskutiert werden. Anders als in vielen Forschungen, bei denen mit der Methode des biografisch-narrativen Interviews gearbeitet wird und die auf das Erzählen der "ganzen" Lebensgeschichte, genauer: auf eine längere, selbstläufige lebensgeschichtliche Erzählung ausgerichtet sind, haben wir mit "kleinen Geschichten" und niederschwelligen Anregungen für biografische Thematisierung gearbeitet. Dafür haben wir u.a. auf narrationsgenerierende Methoden und Prinzipien der "biographische[n] Kommunikation" (BEHRENS-COBET & REICHLING 1997) aus der Praxis der Erwachsenenbildung zurückgegriffen. [4]

Eine weitere Besonderheit der hier zugrunde liegenden Studie bestand darin, dass die Forschung in einen pädagogischen Rahmen eingebunden war, d.h., die Kommunikation mit den Jugendlichen war überwiegend im Setting der Schulklasse lokalisiert und an die "Logik" der Schule gebunden (DAUSIEN et al. 2020, S.70-74). Dadurch waren die Forscherinnen gehalten, die Kommunikation und auch die Datenerhebung pädagogisch einzubetten, ohne dabei jedoch die eigene Rolle und die ethnografische Distanz zum Feld zu verlieren. In diesem Rahmen wurden Erzählungen methodisch hervorgerufen, aber auch als Formen "beiläufigen Erzählens" beobachtet, wie sie üblicherweise nicht in der Biografieforschung genutzt werden.3) Ziel unseres Beitrags ist es, die Möglichkeiten und Probleme eines solchen methodischen Vorgehens in der Verschränkung zwischen Forschungsrahmen und pädagogischem Rahmen zu beschreiben und zu reflektieren. Damit sollen zum einen Erfahrungen für die weitere Forschung mit Jugendlichen im Migrations- und Fluchtkontext aufbereitet, zum anderen Möglichkeiten der Erweiterung des Repertoires biografietheoretisch orientierter Bildungsforschung diskutiert werden. [5]

Der folgende Beitrag gliedert sich in fünf Abschnitte: Nach Informationen zum Hintergrund und methodischen Ansatz des Projekts (Abschnitt 2) stellen wir drei Formen biografischen Erzählens vor, die im Projekt eine Rolle gespielt haben und die im Vergleich zur häufig verwendeten Methode des biografisch-narrativen Interviews alternative, z.T. neue methodische Zugänge zu den Erfahrungen und Sichtweisen der Forschungssubjekte eröffneten – und die deshalb besondere Reflexion erforderten: pädagogisch angeleitetes Erzählen, mit dem "kleine Geschichten" angeregt und später als empirisches Material analysiert wurden (Abschnitt 3); "beiläufiges" autobiografisches Erzählen, das sich in der Forschungsinteraktion im Feld ungeplant "ergeben" hat und nur über ethnografische Protokolle und Feldnotizen zugänglich wurde (Abschnitt 4); sowie "Geschichten über Geschichten", die im Schulalltag und vor allem in der pädagogischen Praxis der Lehrpersonen relevant zu sein schienen (Abschnitt 5). Abschließend halten wir Ergebnisse und offene Fragen im Hinblick auf weitere Forschungen fest (Abschnitt 6). Dabei schlagen wir vor, die beobachteten Erzählpraxen nicht allein als Ausdruck einer individuellen biografischen Erfahrungsstruktur zu interpretieren, sondern auch als Möglichkeit einer interaktiven Zugehörigkeitsarbeit. [6]

2. Projektrahmen, Forschungsinteresse und methodisches Vorgehen

Den Hintergrund des vorliegenden Beitrags bildet das abgeschlossene Projekt ZwischenWeltenÜberSetzen4), in dem wir biografische Erfahrungen und Kompetenzen von Jugendlichen rekonstruiert haben, die im Zuge von Fluchtmigration nach Österreich gekommen waren und ein Jahr lang in einer sogenannten "Übergangsklasse"5) gemeinsam beschult worden waren. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand die Frage, welche Erfahrungen die Jugendlichen im Prozess ihres Ankommens im österreichischen Schulsystem machten und insbesondere wie sie mit Mehrsprachigkeit und Translation umgingen (DAUSIEN et al. 2020, S.10-11). Da das Projekt in verschiedenen Hinsichten sehr spezifischen Bedingungen unterlag, werden nachfolgend der konzeptionelle Zuschnitt sowie der besondere, durch die Förderbedingungen vorgegebene Rahmen etwas genauer erläutert. [7]

2.1 Theoretischer Ansatz und Forschungsinteresse

Unser Zugang zum Thema unterschied sich von üblichen schulpädagogischen Perspektiven und Ansätzen der empirischen Bildungsforschung insofern, als wir uns weder für schulische Leistungen noch für Aneignungsprozesse von Deutsch als Zweitsprache noch für curriculares Lernen und dessen pädagogisch-didaktische Begleitung interessierten. Uns ging es primär um die Erfahrungen der Jugendlichen in einem vielschichtigen biografischen Übergang, der sowohl den Wechsel aus einer durch die jeweilige Fluchtgeschichte geprägten, instabilen Situation in eine neue, ebenfalls unsichere, prekäre Lebenssituation in einem (fremden) "Aufnahmeland" bedeutete als auch den Übergang in ein neues Bildungssystem, eine neue Schule und Klassenstufe, der mit vielfältigen Erwartungen und Anforderungen sprachlicher und sozialer Art verbunden war. Eine besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Umgang mit Mehrsprachigkeit und Übersetzungspraktiken, wobei wir "Übersetzen" nicht nur als Translation zwischen verschiedenen Sprachsystemen verstanden haben, sondern in einem weiter gefassten Sinn als komplexe Leistung des "Über-Setzens" zwischen sozialen Welten und biografischen Erfahrungshorizonten (DAUSIEN et al. 2020, S.8, 10). [8]

Theoretisch war unsere Perspektive an biografie- und handlungstheoretischen Ansätzen orientiert, d.h., die Schüler*innen wurden als kompetente, handlungsfähige Subjekte adressiert, die über vielfältige Erfahrungen mit dem Übersetzen zwischen verschiedenen sozialen Welten verfügen und diese Erfahrungen in die neue schulische Situation mitbringen. Schule wurde in dieser Perspektive als institutionalisierter Zugehörigkeits- und Bildungsraum begriffen, der für die Handelnden Möglichkeiten der Artikulation6) vorstrukturiert, eröffnet oder auch verschließt. [9]

Unser Blick auf Sprache bzw. Mehrsprachigkeit war ebenfalls handlungstheoretisch inspiriert, d.h. von einer sprecher*innenorientierten Perspektive, in der Sprache vor dem Hintergrund biografischer Ausgangslagen und Verläufe (THOMA 2018) und zudem wesentlich als interaktives Geschehen begriffen wird. Dabei betrachten wir Mehrsprachigkeit in ihrem Zusammenspiel sprachlicher Ressourcen, Praktiken und Ideologien (ANDROUTSOPOULOS 2018, S.197). Mit dem gewählten Ansatz fokussierten wir Mehrsprachigkeit mit Blick auf die Perspektive der Jugendlichen und orientierten uns dabei an Theorien und Methoden der Biografieforschung (DAUSIEN 2006; DAUSIEN, ROTHE & SCHWENDOWIUS 2016). [10]

2.2 Forschungsrahmen und Umgang mit Ansprüchen partizipativer Forschung

Das Projekt wurde für eine Laufzeit von zwei Jahren über ein Förderprogramm finanziert, dessen zentrale Idee darin bestand, eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Schule zu fördern und Schüler*innen an Forschung heranzuführen. Deren Beteiligung am Forschungsprozess war deshalb zwingend vorgesehen, allerdings gab es keine Vorgaben im Hinblick auf partizipative Ansätze, wie sie inzwischen in den Sozialwissenschaften diskutiert werden. Dennoch bildeten die Prinzipien partizipativer Forschung und die Reflexion ihrer Möglichkeiten und Grenzen besonders in der Forschung mit Schüler*innen und Geflüchteten für die Ausgestaltung des Projekts eine wichtige Orientierung (UNGER 2014, 2018; WÖHRER, ARZTMANN, WINTERSTELLER, HARRASSER & SCHNEIDER 2017; WÖHRER, WINTERSTELLER, SCHNEIDER, HARRASSER & ARZTMANN 2018). [11]

So waren wir in der Planung und Durchführung des Projekts darum bemüht, den Schüler*innen möglichst große Freiräume der Mitarbeit einzuräumen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den angebotenen Aktivitäten nicht zu beteiligen. Die Mitarbeit im Projekt war – wie wir am Beginn und in verschiedenen späteren Phasen des Projekts wiederholt deutlich machten – freiwillig. Dieses Angebot wurde von einzelnen situativ angenommen, d.h., nicht immer nahmen alle an den Projekttreffen und Workshops teil. Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass der Gesamtrahmen des Projekts durch die Kooperation mit der Schule gesetzt war, "Freiwilligkeit" also in gewisser Weise "gegen" die Anwesenheitspflicht der Schule stand. Die Verbindlichkeit des schulischen Rahmens wurde u.a. dadurch verstärkt, dass wir die für unsere Datenerhebung zentralen Workshops (s. Abschnitt 2.3) nicht, wie ursprünglich geplant, zeitlich und räumlich außerhalb der Schule durchführen konnten, sondern diese aus pragmatischen Gründen in Zeitfenstern während der Kernzeit des Unterrichts an der Schule stattfanden. Somit war unsere Forschungsaktivität in den sozialen Rahmen der Schule "eingetaktet" – ein Umstand, der zwiespältige Effekte hatte: Einerseits sorgte die schulische Ordnung für eine kontinuierliche Mitarbeit der Gruppe, da wir uns auf diese Weise mit wenig organisatorischem Aufwand und vor allem ohne die Anforderung zusätzlicher zeitlicher Koordination mit den Schüler*innen treffen konnten. Andererseits mussten wir unsere auf Partizipation und Offenheit angelegte Forschungsweise gegenüber dem schulischen Rahmen von Unterricht und Bewertungsroutinen interaktiv "durchsetzen". Genauer gesagt waren wir immer wieder gefordert, die Differenz zwischen Unterricht und unseren Arbeitsformen deutlich zu machen: Neben dem Prinzip der Freiwilligkeit hinsichtlich Ausmaß und Form der Beteiligung betraf das vor allem das Prinzip der Nicht-Bewertung der Aktivitäten und Äußerungen der Jugendlichen. So betonten wir etwa, dass wir keine Lehrer*innen seien und uns in der Schule weniger auskannten als die Jugendlichen, dass wir sie nicht prüfen und bewerten, sondern unsererseits von ihren Erfahrungen lernen wollten. Auch die Gestaltung des Raumes, unsere Aufgaben und Kommunikationsformen unterschieden sich von den üblichen schulischen Sitzordnungen und Arbeitsformen. Dass die Workshops weitgehend ohne Anwesenheit der Lehrpersonen stattfanden, war eine weitere Bedingung, um den schulischen Rahmen auf Distanz zu bringen. [12]

Gemessen am Stufenmodell partizipativer Forschung von UNGER (2014, S.39-40) muss die Beteiligung der Jugendlichen im mittleren Bereich angesiedelt werden: Sie waren als Co-Forschende und aktiv Handelnde in bestimmten Phasen und Hinsichten in den Forschungsprozess einbezogen (DAUSIEN et al. 2020, S.67-69). Ihre Mitgestaltung betraf insbesondere die Produktion der Daten, wo sie angesichts sehr offener Methoden (s. Abschnitt 2.3) Inhalte und Richtung des Forschungsprozesses wesentlich mitbestimmten, sie betraf jedoch deutlich weniger die Auswertung und weitere Schritte der wissenschaftlichen Verarbeitung.7) [13]

2.3 Methodische und methodologische Aspekte in der Verschränkung ethnografischer und biografischer Forschungsansätze

Der methodologische Zugang des Projekts folgte den Prinzipien der interpretativen und rekonstruktiven Sozialforschung (ROSENTHAL 2015) und wurde im Sinn einer ethnografischen Strategie (BREIDENSTEIN, HIRSCHAUER, KALTHOFF & NIESWAND 2013) an die Bedingungen des Feldes und die spezifische Lebenssituation der Jugendlichen angepasst. Über beides wussten wir zu Beginn des Projekts noch recht wenig. Zwar gab es bereits in den Vorjahren vergleichbare Klassen an der Schule, über die wir uns in Vorgesprächen mit interessierten Lehrpersonen informiert hatten, die konkrete Zusammensetzung der Schüler*innen, ihre Herkunft, sprachlichen Repertoires und schulische Vorerfahrung und alle weiteren sozial-biografischen Hintergründe waren jedoch unbekannt, da die Klasse erst kurz vor Beginn des Schuljahres zusammengesetzt wurde. Somit entschieden wir uns für ein sehr offen angelegtes ethnografisches Vorgehen, bei dem wir zunächst das Feld erkunden, Kontakte zu den Lehrpersonen und den Jugendlichen aufbauen und sprachliche wie soziale Herausforderungen ausloten konnten und zugleich das Projekt selbst, Zeitstrukturen und Arbeitsformen im Feld der Schule etablieren mussten (in Kooperation mit Lehrer*innen, einer Sozialpädagogin und der Schulleitung). Methodisch verfolgten wir die ethnografische Grundstrategie der teilnehmenden Beobachtung, die wir in Form von Beobachtungsprotokollen sowie Feld- und Gesprächsnotizen dokumentierten, ergänzt durch Audiomitschnitte von Gruppengesprächen mit Schüler*innen, Mitschnitte von gemeinsamen Auswertungsworkshops mit Lehrer*innen sowie Interviews mit Lehrer*innen und anderen Funktionsträger*innen (Sozialpädagogin, Schulleiter*in) im Feld. [14]

In der ersten Projektphase, in der Feldkontakte allmählich aufgebaut, unsere Rollen als Forscher*innen im Feld etabliert werden und wir uns behutsam an die Konkretisierung unseres geplanten Vorgehens herantasten mussten, waren ausführliche Notizen im Forschungstagebuch und z.T. mündlich aufgesprochene Gedächtnisprotokolle besonders wichtig. In diesen standen oftmals die subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen der Forschenden im Zentrum und nicht, wie in den Protokollen, die beobachteten Interaktionsverläufe anderer Akteur*innen im Feld. Solche Formen des Schreibens erschienen uns sinnvoll, um die relative Fremdheit in der Annäherung an das Feld als Erkenntnismöglichkeit zu nutzen. Die meisten Mitglieder des Forschungsteams hatten zu Beginn des Projekts wenig Erfahrungen im Kontakt mit geflüchteten Jugendlichen aus Syrien oder Afghanistan und/oder mit den Regeln und Routinen des Schulalltags. Somit schien es uns nützlich, der Idee der Autoethnografie (ELLIS, ADAMS & BOCHNER 2011) ein Stück weit zu folgen und die subjektiven Erfahrungen der Forschenden nicht nur zu notieren, um die eigene Ko-Konstruktion im Forschungsprozess reflektieren, sondern auch gezielt als Zugang zur sozialen und kulturellen Praxis im Feld nutzen zu können. Wir nahmen etwa an, dass Erfahrungen, die wir in den ersten Begegnungen mit den Jugendlichen machten, deren Sprachen wir nur sehr begrenzt oder gar nicht teilen konnten und über deren Geschichte wir so gut wie nichts wussten, denen der Lehrpersonen im Feld nicht unähnlich waren. Zugleich gab es im Forschungsteam auch große Fremdheit gegenüber den Handlungs- und Deutungsroutinen der Lehrkräfte, da einige Forscher*innen weder durch ihre Ausbildung noch durch frühere Forschung oder pädagogische Praxis mit dem gegenwärtigen Schulalltag in Österreich vertraut waren (abgesehen von der eigenen, z.T. weit zurückliegenden Erfahrung als Schüler*in). Die Besprechung und Analyse unserer Notizen hatten somit einen eigenständigen Stellenwert in der Startphase des Projekts, weil wir dadurch auf wesentliche Phänomene aufmerksam wurden8), die wir im weiteren Forschungsprozess fokussieren und analytisch genauer in den Blick nehmen konnten. Eine Autoethnografie im strengeren Sinn haben wir jedoch nicht durchgeführt, weil wir diese Form der Einbeziehung der Forscher*innensubjektivität nicht systematisch aufrechterhielten und erst recht nicht im Sinn einer "strong reflexivity"9) (PLODER & STADLBAUER 2016, 2017) ausgebaut haben. Die Methode der teilnehmenden Beobachtung, ethnografische Feldnotizen und Gespräche waren dagegen über den gesamten Forschungsprozess wichtige Strategien. [15]

Während wir den ethnografischen Zugang vor allem nutzten, um die Schule als Zugehörigkeitsraum (DAUSIEN et al. 2020, S.48-64) erfassen und die Funktionsweisen der schulischen Ordnung möglichst konkret verstehen zu können, lag unser Hauptinteresse jedoch – wie bereits beschrieben – auf der Perspektive der Jugendlichen, ihren Handlungsstrategien und Übersetzungspraktiken sowie ihren biografischen Erfahrungshintergründen. Hier wählten wir Ansätze der Biografieforschung als zentralen Zugang. Die Verknüpfung zwischen Biografieforschung und Ethnografie erscheint durchaus naheliegend, da beide auf gemeinsamen Grundlagen der interpretativen Sozialforschung aufbauen und es in unterschiedlichen Disziplinen Erfahrungen mit der Kombination in der Forschungspraxis (z.B. BECKER & ROSENTHAL 2022) sowie methodologische Überlegungen zum Verhältnis beider Zugänge gibt (z.B. DAUSIEN & KELLE 2005; KÖTTIG 2005, 2018; LÜDERS 2006; PAUL 1998). Ohne diese hier ausführlich diskutieren zu können, seien drei für das Projekt wichtige Argumente zur Verknüpfung der Ansätze kurz skizziert: [16]

Zum einen gehen wir von einem sozialkonstruktivistischen Verständnis der Biografieforschung aus, das mehr meint als eine Methode der Datenerhebung, insbesondere mehr als das biografisch-narrative Interview (SCHÜTZE 1983). Im Anschluss an die Basisannahme, dass "Biografie" ein "sozialweltliches Orientierungsmuster" und ein "soziales Konstrukt" (FISCHER & KOHLI 1987, S.26) darstellt, kann theoretisch begründet angenommen werden, dass "biografisches Wissen" in unterschiedlichen Formaten und Praxen Bestandteil der Sozialwelt ist und deshalb nicht nur autobiografische Narrationen, sondern auch diverse Praxen des Biografisierens empirisch beobachtet und rekonstruiert werden können (DAUSIEN & HANSES 2017; DAUSIEN, ORTNER & THOMA 2015). [17]

Zweitens teilen wir mit BECKER und ROSENTHAL (2022) das Argument der Methodenpluralität und Feldbezogenheit: "Die Forschungsansätze der sozialkonstruktivistischen Biografieforschung und die soziologische Ethnografie haben gemeinsam, dass beide sich an den Erfordernissen des Feldes orientieren und beide methodenplural vorgehen" (S.369). Die Autor*innen wiesen vor dem Hintergrund ihrer Forschungserfahrungen in Kontexten des globalen Südens darauf hin, wie wichtig die Offenheit auch im Hinblick auf die zeitliche Abfolge methodischer Schritte ist, denn je nach der konkreten Entwicklung des Feldzugangs und der Interaktionen im Feld müssen Forschungspläne angepasst, erweitert oder ggf. auch gänzlich umgestoßen und neu aufgesetzt werden (a.a.O.). Ähnlich wie BECKER und ROSENTHAL ließen auch wir uns "mehr oder weniger vom Feld leiten, [um zu] sehen, welche Zugänge 'funktionieren', welche Methoden sich anbieten" (a.a.O.). Das galt insbesondere für Ansätze biografischen Erzählens (s. Abschnitte 3-5). [18]

Drittens gehört es zu den Grundlagen der Biografieforschung, die interaktiven Prozesse sowie die institutionalisierten Rahmungen der Interviewsituation in die Analyse einzubeziehen. Erzählen, auch ein quasi-monologisches, auf die eigene Biografie fokussiertes Erzählen, ist immer ein interaktiver Prozess zwischen Erzähler*in und Adressat*innen bzw. Zuhörenden. Oft läuft diese Dimension – gerade bei der Form des biografisch-narrativen Interviews, bei der sich die interviewende Person (phasenweise) weitgehend zurückhält – mehr oder weniger unbemerkt im Hintergrund mit. Der Prozess der Kommunikation ist jedoch immer durch Kontingenz und die Möglichkeit geprägt, dass die Interaktionsebene zwischen den Beteiligten in den Vordergrund tritt, z.B. wenn eine "Störung" auftaucht, die auf der Ebene des Erzählens, durch Ereignisse der "Außenwelt" oder durch leibliche Phänomene der Beteiligten entstehen kann (s. dazu WUNDRAK 2020). Zudem spielen die jeweiligen situativen und institutionellen Rahmungen für das Wie und Was des Erzählens eine wichtige Rolle (siehe z.B. die Analysen von GUBRIUM & HOLSTEIN 2008, 2017). Das Wissen um diesen Zusammenhang und die ersten Beobachtungen im Feld waren daher für die Gestaltung der narrativen Erhebungsformen im Projekt von zentraler Bedeutung. [19]

Biografisches Erzählen im Interview ist immer eine sehr voraussetzungsvolle Kommunikation, durch die hohe Anforderungen an die Gestaltung der Datenerhebung, insbesondere der Interaktionsbeziehungen und des sozialen Rahmens, gestellt werden. Dabei hat die Methode Voraussetzungen, die für Forschung mit Geflüchteten nicht gegeben sind (u.a. Vertrauen, Sicherheit, ein hinreichend geteilter sprachlicher und lebensweltlicher Verständigungsrahmen) bzw. die erst hergestellt werden müssen. Damit wird in der Regel ein längerer und aufwendigerer Vorbereitungsprozess zum Aufbau eines tragfähigen Rahmens erforderlich. Die Situation wird zusätzlich erschwert, wenn Geflüchtete im Zuge des Asylverfahrens behördlich definierte "Interviews" zur Lebensgeschichte führen müssen, wie dies auch in Österreich der Fall ist. In diesem Rahmen werden sie genötigt, eine möglichst konsistente Lebens- und Fluchtgeschichte zu präsentieren, sie müssen ihre Erzählungen somit besonders kontrollieren (THIELEN 2009). Durch die methodische "Verführung" zum freien Stegreiferzählen der Lebensgeschichte im klassischen biografisch-narrativen Interview wird deshalb u.U. "Unmögliches" verlangt, was für alle Beteiligten unterschiedliche Arten von Problemen und sozial-moralische Dilemmata nach sich zieht. Das schwierige Setting dieser Forschungssituation wird noch einmal verschärft, wenn es um Forschung mit Kindern und Jugendlichen geht. Hier sind besondere forschungsethische Prinzipien und hohe Reflexionsanforderungen zu beachten (UNGER 2018). [20]

In unserem Projekt war zudem, wie bereits angedeutet, der institutionelle Rahmen der Schule von großem Einfluss auf die Forschung.10) Die schulischen Routinen, insbesondere die harten Zeitstrukturen und die Logik der Bewertung jeglicher Schüler*innenäußerung erschwerten den Aufbau eines vertrauensvollen Rahmens und waren einem freien Erzählen zunächst eher hinderlich. Da unser ursprünglicher Plan, mit den Schüler*innen Workshops außerhalb der Schule durchzuführen, aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar war, trafen wir uns vor dem ersten Erzählworkshop mehrfach in- und außerhalb der Schule mit den Jugendlichen11), um ein Kennenlernen aller Beteiligten zu ermöglichen. Dabei machten wir deutlich, dass wir als Forscher*innen nicht zur Schule gehörten, dass unsere Workshops kein Unterricht waren und die Teilnahme freiwillig war, vor allem aber, dass die Geschichten der Schüler*innen nicht benotet oder bewertet und dass wir vertraulich mit diesen umgehen würden (DAUSIEN et al. 2020, S.21-23). Auch die räumliche Situation war uns wichtig. In der Regel konnten wir einen großzügigen und gestaltbaren Raum in der Schule nutzen, und die Schüler*innen verließen für unsere Workshops den eng mit dem Unterrichtssetting assoziierten Klassenraum. Um den schulischen Rahmen zu "brechen" oder mindestens zu öffnen, war insgesamt ein längerer Vertrauensaufbau durch regelmäßige Workshops in der Schule und Treffen außerhalb der Schule notwendig. Auch die Nutzung von kooperativen Arbeitsformen und Settings aus der Erwachsenenbildung, die von den Jugendlichen individuell und in Kleingruppen selbst gestaltet werden konnten, trug wesentlich dazu bei. [21]

Angesichts dieser Bedingungen und der prekären Lebenssituation der Jugendlichen – viele von ihnen hatten das Asylverfahren noch vor sich bzw. bereits erste Interviews geführt – haben wir im Projekt keine ausführlichen biografisch-narrativen Interviews durchgeführt.12) Statt dessen nutzten wir für die Datenerhebung verschiedene Formate von "small stories" (GEORGAKOPOULOU 2015) rund um die Themen Schule, Ankommen in Österreich, Sprachen und Übersetzen, die wir z.T. aus pädagogischen Kontexten übernommen und adaptiert, z.T. aber auch speziell für das Projekt entwickelt hatten. In insgesamt zwölf mehrstündigen Workshops, die in der Schule stattfanden, haben wir mit sehr offenen und "zurückhaltenden" erzählgenerierenden Angeboten gearbeitet, d.h., es erfolgte keine direkte Aufforderung, die "ganze" Lebensgeschichte zu erzählen, vielmehr wurden verschiedene Thematisierungsangebote gemacht, die durch autobiografische Erzählungen beantwortet werden konnten, aber auch andere, ebenso "passende", d.h. interaktiv anschlussfähige und die Kommunikation fortsetzende Handlungen ermöglichten. [22]

So haben wir etwa in spielerischer Form Aufgaben gestellt, die zum mündlichen oder schriftlichen Erzählen von Geschichten anregen sollten. Impulse waren beispielsweise eine Auswahl deutungsoffener Bilder (Fotos, Zeichnungen, Gemälde) mit unterschiedlichsten Motiven und Stilrichtungen, zu denen die Jugendlichen nach freier Wahl selbsterlebte, aber auch Fantasiegeschichten schreiben konnten (DAUSIEN et al. 2020, S.30-31). Eine andere Aufgabe bestand darin, einem*einer fiktiven Freund*in einen Brief über den ersten Tag an einer Schule in Österreich zu schreiben. Neben solchen, zunächst individuell zu bearbeitenden Aufgaben gab es Gruppensettings wie moderierte Erzählrunden zu bestimmten Themen (s. Abschnitt 3.1) oder nicht moderierte Kleingruppen, in denen sich die Jugendlichen wechselseitig interviewen konnten. Auch Methoden wie das Malen von Plakaten zu den genutzten Sprachen oder zum bisherigen Bildungsweg wurden verwendet (S.34-37). [23]

In der Entwicklung und Durchführung solcher Methoden zur Evokation "kleiner" autobiografischer Narrationen boten Konzepte der biografischen Kommunikation aus der Bildungsarbeit mit Erwachsenen eine wichtige Orientierung (BEHRENS-COBET & REICHLING 1997; DAUSIEN 2011; DAUSIEN & ROTHE 2023). Darüber hinaus waren wir als Biografieforscherinnen aber auch dafür sensibilisiert, spontane biografische Erzählungen jenseits methodisch etablierter Erzählaufforderungen zu hören und ihnen Raum zu geben (VÖLZKE 2005, S.13). Solche Geschichten wurden oft nachträglich in Form von Feldnotizen oder Gedächtnisprotokollen festgehalten. [24]

Auf diese Weise entstand vielfältiges narratives Material: schriftliche Texte und Plakate der Jugendlichen, Transkripte von Audiomitschnitten (etwa der Erzählrunden) sowie ethnografische Protokolle, Feldnotizen usw. Die Auswertung erfolgte angelehnt an die Grounded-Theory-Methodologie (GLASER & STRAUSS 1967; STRAUSS 1987; s. auch MEY & MRUCK 2011). Leitend waren dabei die bereits bei STRAUSS (1987) ausführlich beschriebenen Prinzipien des permanenten Vergleichens, Kodierens und Entwickelns von Kategorien durch ein "Aufbrechen" der Daten und schrittweises Abstrahieren. Wir haben vor allem das offene Kodieren und kontrastives Vergleichen im Material genutzt, um zentrale Themen zu identifizieren, die dann mittels Feinanalysen ausgewählter Dokumente weiter ausgearbeitet und in Form von Interpretationstexten und Memos schriftlich festgehalten wurden. In den Feinanalysen haben wir das Prinzip der Sequenzialität (ROSENTHAL 2015, S.76-79) und die analytischen Mittel der Narrationsanalyse (DEPPERMANN 2013; SCHÜTZE 1976, 1984) angewendet, um einerseits Erfahrungshaltungen sowie erlebte und erzählte Interaktionsprozesse aus der Sicht der Subjekte zu rekonstruieren, andererseits aber auch die Handlungskontexte und "sozialen Rahmen", die SCHÜTZE (1984, S.98-102) als eigenständige "kognitive Figur" autobiografischen Erzählens herausgearbeitet hat. Insgesamt haben wir – angesichts der unterschiedlichen von uns erhobenen Materialsorten – eher frei und z.T. experimentell mit diesen Prinzipien gearbeitet und beispielsweise Konzepte aus der Narrationsanalyse wie die "kognitive[n] Figuren" (SCHÜTZE 1984) auch in der Interpretation ethnografischer Protokolle und Feldnotizen erprobt. Im Sinne einer "theoretical sensitivity" (GLASER 1978; s. auch STRAUSS 1987, S.11-17) waren neben den genannten narrations- und biografietheoretischen auch zugehörigkeitstheoretische Überlegungen im Anschluss an MECHERIL (2003) leitend. Im vorliegenden Beitrag stehen jedoch nicht die Verfahren und Ergebnisse der Analyse, sondern die Beschreibung und Reflexion des erhobenen Materials im Zentrum, um die Fruchtbarkeit der Forschung mit "small stories" zu zeigen. [25]

2.4 Zwischen Forschung und pädagogischer Praxis

Durch den generationalen Abstand und den schulischen Kontext, in dem das Projekt angesiedelt war, hatte die Beziehung zu den jugendlichen Co-Forscher*innen von vornherein auch eine pädagogische Dimension. Diese war einerseits durch das Setting vorstrukturiert: durch wechselseitige Rollenzuschreibungen und Erwartungen in der Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen, durch die Interaktionsordnung des Anleitens und Informierens, in denen (zunächst) die Erwachsenen die "pädagogische" Rolle einnahmen, und schließlich durch die bereits genannte Ordnung der Schule. Andererseits hatte auch unser Interesse an den Erzählungen der Jugendlichen durchaus eine pädagogische Dimension: Wir wollten mit ihnen eine offene und vertrauensvolle Arbeitsbeziehung für das von vielfältigen Ansprüchen geformte Projekt schaffen; wir fühlten uns verantwortlich für die Gestaltung der Kommunikation und dafür, dass die uns anvertrauten Schüler*innen sich in den Workshops sicher fühlen und ihre Perspektive offen artikulieren konnten; und wir wollten schließlich den Forschungsprozess so gestalten, dass nicht nur wir Informationen und "Daten" gewannen, sondern auch die Jugendlichen im Austausch miteinander und mit uns neue Erkenntnisse gewinnen bzw. etwas "lernen" konnten. Dafür nutzten wir auch explizit pädagogische bzw. andragogische didaktische Methoden wie die angeleiteten Erzählsettings, die beispielhaft in Abschnitt 3 vorgestellt werden. [26]

Darüber hinaus hatten wir natürlich ein forschendes Interesse. Wir wollten verstehen, welche Rolle biografisches Erzählen im Schulalltag spielt, welche Möglichkeiten und Grenzen sich unter den spezifischen Bedingungen einer solchen "Übergangsklasse" für geflüchtete Schüler*innen zeigen und welche biografischen Perspektiven und Erfahrungen diese in die für sie neue schulische Situation mitbringen, insbesondere im Hinblick auf Mehrsprachigkeit. Dafür nutzten wir narrative Formate als Forschungsmethoden. [27]

Im Projektverlauf erwies sich die pädagogische Dimension nicht nur als Voraussetzung für unsere Forschung und somit als zeitlich und sozial vorausgehend relevant, sie spielte auch eine Rolle für die inhaltliche Ausrichtung der Forschung, d.h. die pädagogische Interaktion mit den Schüler*innen gab an verschiedenen Stellen die "Richtung" der Forschung vor. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung schriftlicher Formen des Erzählens (etwa das Schreiben eines "Briefes" über den ersten Tag an einer österreichischen Schule), die ursprünglich so nicht geplant waren, sich aber in der Interaktion mit den Schüler*innen gerade am Beginn des Projekts als sinnvoll erwiesen, da sich diese noch nicht hinreichend gut kannten und die Vertrauensbasis für ein offenes biografisches Erzählen in der Gruppe noch nicht gegeben war. Konnte die pädagogische Rahmung aus Sicht der Forschung zunächst als Einschränkung gelesen werden, so zeigte sich in der Praxis des Projekts, dass diese Verschränkung auch innovative Methoden und neue, interessante inhaltliche Perspektiven für die Forschung ermöglichte. In diesem Zusammenhang machten wir eine Reihe von Beobachtungen und Erfahrungen mit narrativen Methoden, die im Hinblick auf die Zielstellung des Projekts eher ein Nebenprodukt waren, nun aber im Zentrum unseres Beitrags stehen und genauer beschrieben und reflektiert werden sollen. [28]

3. Pädagogisch angeleitetes biografisches Erzählen

In den Workshops arbeiteten wir, wie in Abschnitt 2.3 bereits beschrieben, mit unterschiedlichen Impulsen und Formen angeleiteten Erzählens, unter anderem mit von den Forscher*innen moderierten Erzählrunden13), in denen die Jugendlichen zu bestimmten Themen und Fragen sprechen konnten. In der Erwachsenenbildung wird diese Methode, bei der die Teilnehmenden zu einem bestimmten Thema oder Impuls in der Gruppe erzählen, durchaus häufig genutzt (z.B. DAUSIEN & ROTHE 2023; ROTHE 2016). Das Ziel dieser Methode besteht darin, ein Thema aus den Perspektiven der Lernenden heraus zu erarbeiten und Erfahrungswissen als "Material" gemeinsamer Reflexion verfügbar zu machen. Der biografische Erfahrungshintergrund der Teilnehmenden wird damit systematisch als "Lernfeld" erschlossen (DAUSIEN 2011, S.117-118), d.h., im Erzählen und der anschließenden gemeinsamen Reflexion werden die individuellen Erfahrungen auf ein Thema bezogen, Erfahrungswissen wird mit fachlich-allgemeinem Wissen verknüpft, dieses wird dadurch "angereichert" (S.117), der Lernprozess kann "neue Richtungen nehmen" (a.a.O.). Zudem können Unterschiede und Gemeinsamkeiten biografischen Wissens in der Gruppe "sichtbar" gemacht und gemeinsam reflektiert werden. Zur Verwendung im schulischen Kontext gibt es, von Praxisanleitungen abgesehen, bislang kaum wissenschaftlich reflektierte Überlegungen. Ein wichtiger Unterschied zu Situationen in der Erwachsenenbildung ist, dass die Gruppe (der Klassenverband) im schulischen Setting nicht frei wählbar ist und in der Regel eine längere gemeinsame Geschichte hat, in der sich Hierarchien und Redeordnungen z.T. über Jahre etabliert und verfestigt haben. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Schule primär ein Ort der Leistungsbewertung ist und Schüler*innen erwarten, dass alle ihre Äußerungen bewertet werden. Auch wenn diese Aspekte im Fall unseres Projekts nur bedingt wirksam waren – die Klasse war neu zusammengesetzt und hatte erst eine relativ kurze gemeinsame Geschichte, die Teilnahme an den Workshops war freiwillig, es wurde explizit betont, dass es nicht um Bewertung ging (s. Abschnitt 2.2) –, so war der schulische Rahmen dennoch zu bedenken. (Eine Konsequenz war z.B., dass wir die Erzählrunden nicht im Plenum der gesamten Klasse, sondern in Kleingruppen durchführten und den Jugendlichen noch einmal ausdrücklich freistellten, sich zu beteiligen – ein Freiraum, der durchaus in Anspruch genommen wurde.) [29]

Im Folgenden stellen wir die Arbeit mit methodisch angeleitetem Erzählen an zwei Beispielen vor. Sie stammen aus dem neunten Workshop, also aus einer Phase, in der wir schon seit mehreren Monaten mit den Jugendlichen gearbeitet hatten und eine gewisse Vertrauensbasis aufgebaut war. In diesem Workshop ging es um das Thema "Übersetzen" und die Frage, welche Erfahrungen die Jugendlichen damit schon gemacht hatten. [30]

Die erste Geschichte stammt von Haadiah14). In einer moderierten Erzählrunde mit fünf Jugendlichen erzählte sie als zweite eine längere, szenisch ausgestaltete Geschichte. Unmittelbar vor dem Ausschnitt, den wir gleich vorstellen und interpretieren werden, erzählte Haadiah von einer Situation, in der sie von ihrer Betreuerin vor die Entscheidung zwischen einer Regelschule und einem sogenannten "Jugendcollege"15) gestellt wurde. Haadiah berichtete, zunächst das Jugendcollege gewählt zu haben, aber sowohl "die Situation" als auch "die Schüler*innen" nicht gemocht und sich daher gegen einen Verbleib dort entschieden zu haben. Für die Schule wollte sie sich aus alltagspraktischen Gründen nicht entscheiden, da sie dafür eine längere tägliche Wegzeit hätte auf sich nehmen müssen. Haadiah fuhr fort:

"Dann wusste ich nicht welches soll ich - akzeptieren oder wählen. Äh - dann wollt ich gar nicht. Ich war sehr nervös. Dann hat sie [die Betreuerin] mir gesagt - äh - 'ruf dein Vater und deine Mutter hier - ich will mit denen sprechen'. Dann hab ich die beiden äh geruft. Dann musst ich übersetzen - ich war sehr nervös. ((lacht)) Obwohl ich sehr nervös war hab ich übersetzt. [...] Ja - meine Betreuer hat mir gesagt meine meine Betreuer hat mir gesagt: 'Wieso gehst du nicht? Dort ist schön - wieso willst du nicht? Is egal ob das sehr weit weg ist aber - du lernst einfach - besser als wenn du zuhause sitzt und nix'. Dann hab ich das übersetzt ((lacht)) obwohl mir gehts (da) nicht so gut und ich sehr nervös war. Ja - dann - mein Vater und meine Mutter haben dann gesagt äh: 'Such dir was, entweder Jugendcollege oder - Schule'. Dann hab ich die Schule ausgewählt." 16) [31]

Wir können die erzählte Situation an dieser Stelle nicht im Detail interpretieren (THOMA & DRAXL 2022) und möchten uns auf einige wenige Aspekte fokussieren: Haadiahs Erzählung zeigt, dass sie trotz ihrer Nervosität dolmetschen muss und zudem dem Druck ausgesetzt ist, im Gespräch, das sie verdolmetscht, Gründe anzugeben, warum sie nicht eine der beiden für sie suboptimalen Optionen wählen möchte. Haadiah gibt in Form direkter Rede Fragen und Ratschläge der Betreuerin zu ihrem Bildungsweg wieder (dazu auch DRAXL & THOMA 2022), obwohl diese eigentlich mit ihren Eltern sprechen wollte. Diese nehmen allerdings in der Erzählung nur eine sekundäre Rolle ein, und es wird deutlich, dass Haadiah nicht auf deren Unterstützung zählen kann. In der erzählten Situation reagiert Haadiah nicht direkt auf die Fragen und Anweisungen der Betreuerin, sondern verdolmetscht diese zunächst für ihre Eltern. An dieser Stelle erscheinen die Eltern zum ersten Mal als Akteur*innen und fordern ihre Tochter zum Handeln auf. Haadiah berichtet dann, sich für die Schule entschieden zu haben und positioniert sich damit trotz der sehr eingeschränkten Optionen, die ihr zur Verfügung stehen, in der Erzählsituation als Entscheidungsträgerin und aktiv Handelnde, als diejenige, die das letzte Wort im Gespräch hatte. Auf eine Nachfrage der Moderation, ob das Gespräch am Telefon stattgefunden habe oder ob alle Beteiligten zusammengesessen und gesprochen haben, fuhr Haadiah fort:

"[...] wir haben gemeinsam gesessen - ja 'Ich will das nicht'. ((lacht)) Und mein Betreuer hat gesagt: 'Wieso willst du nicht?' Dann meine Mutter hat gefragt: 'Was sagt sie?' ((lacht)) Sie sagt mir: 'Wieso gehst du nicht?' Dann meine Mutter hat wieder gefragt: 'Ja wieso gehst du nicht?' [...] Ja ich wollte das nicht übersetzen ((lacht)) damit meine Mutter es nicht versteht was ich will oder ich will nicht in die Schule - zur Schule gehen. Dann muss ich übersetzen. Es gab niemand (der übersetzt)." [32]

In dieser Passage wird die Szene durch weitere wörtliche Rede noch lebendiger. Es wird deutlich, dass Haadiah verschiedene Rollen einnahm. So war sie "Gegenstand" und zugleich Adressatin des Gesprächs: Die Betreuerin und die Eltern (konkreter: die Mutter; der Vater trat nicht als sprechender Charakter auf) wollten die Gründe für Haadiahs Zögern herausfinden und brachten sie in Begründungszwang. Die Schülerin wurde von allen Seiten mit Fragen adressiert und zu einer Reaktion und Entscheidung aufgefordert. Zudem wird ihre Funktion als language broker17) sichtbar: Neben dem Druck, Fragen beantworten und Entscheidungen treffen zu sollen, muss sie die Situation für ihre Eltern erklären und auf die Anweisungen der Betreuerin reagieren. Ihre Überlegungen zum Dolmetschen verweisen auf große Herausforderungen: Haadiah wollte nicht dolmetschen, sondern Informationen vor ihrer Mutter zurückhalten (möglicherweise über sich selbst und ihre Wünsche oder Unsicherheiten). Auf der anderen Seite zeigt sich ihre mächtige Position als Dolmetscherin, da sie die Einzige war, die Zugang zu allen sprachlichen Repertoires der ins Gespräch involvierten Personen hatte und Informationen zurückhalten oder auch verändern konnte. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass Haadiah dies strategisch und im Eigeninteresse getan hätte, da sie die Situation nicht als vorteilhafte Möglichkeit zur Einflussnahme, sondern als notwendiges Übel darstellte. [33]

An diesem Beispiel zeigen sich Phänomene, die wir auch in der fallvergleichenden Analyse der Geschichten vom Übersetzen und aus weiteren Beobachtungen herausarbeiten konnten. Die Ergebnisse verweisen sowohl auf die schulische Praxis im Umgang mit Mehrsprachigkeit als auch auf die biografische Perspektive der Jugendlichen: Erstens handelt es sich offensichtlich um eine gängige Praxis in Bildungsinstitutionen, Schüler*innen als Dolmetscher*innen einzusetzen, auch, aber keineswegs nur in Situationen, in denen ihre eigenen Bildungswege verhandelt werden wie in Haadiahs Geschichte. In anderen Erzählungen berichteten Jugendliche, wie sie z.B. in konflikthaften Situationen zwischen Lehrperson und Eltern anderer Schüler*innen "übersetzen" mussten. Zweitens konnten wir in der Analyse der Erzählungen vielfältige und widersprüchliche Anforderungen rekonstruieren, die in solchen Situationen an die Schüler*innen herangetragen wurden: Dolmetschen, Informationsmanagement, Ausbalancieren von (eigenen) Interessen und Erwartungen der Beteiligten u.a. Auffällig ist zudem, dass diese Anforderungen in den Erzählungen von den beteiligten Erwachsenen nicht thematisiert oder kommentiert wurden. Auch in unseren Gesprächen und Beobachtungen im Feld hatten wir den Eindruck, dass die beschriebene Praxis in der Schule "selbstverständlich" zu sein schien und von den Pädagog*innen kaum reflektiert wurde. Drittens lässt sich in der narrativen Darstellung die Situation aus der Perspektive der Ich-Erzähler*in rekonstruieren. Dadurch wird es möglich, das Erleben der Schüler*innen, Momente von Überforderung und Verantwortungsübernahme sowie ihre Handlungsstrategien herauszuarbeiten und auch die Einbettung dieser Erfahrungen in den biografischen Kontext, in Haadiahs Geschichte z.B. die prekäre Verknüpfung zwischen der Dolmetschsituation und einer bildungsbiografischen Weichenstellung. [34]

Betrachten wir Haadiahs Geschichte nun im Kontext des vorliegenden Beitrags noch einmal auf der Metaebene der Methodenreflexion, dann lässt sich zunächst zweierlei festhalten: Zum einen hat die Methode der moderierten Erzählrunde "funktioniert", denn neben Haadiah erzählten auch die anderen vier Jugendlichen ähnlich detailliert und lebendig von konkreten Situationen des Übersetzens. Sie hörten einander zu und bezogen sich wechselseitig aufeinander (vor allem in der anschließenden gemeinsamen Reflexion der gehörten Geschichten). Zwei der vier Forscher*innen fungierten als Moderator*innen und waren dabei durchaus präsent, im Vergleich zu einer klassischen Interviewsituation zwischen zwei Personen war ihre Position in der "Runde" jedoch dezentriert. Zum anderen zeigt das Beispiel, dass "kleine Geschichten" über selbsterlebte Situationen ein ergiebiges empirisches Material darstellen. Die narrative Struktur insbesondere szenischer Darstellungen wie der Haadiahs erlaubt es, Interaktionsabläufe mit unterschiedlichen Beteiligten zu rekonstruieren, die zwar "genau so" nicht stattgefunden haben müssen, aber doch – gerade im Vergleich unterschiedlicher Erzählungen – Anhaltspunkte für soziale Praktiken und deren Erleben und Reflexion durch die beteiligten Erzähler*innen liefern. [35]

Aus derselben Erzählrunde stammt auch das zweite Beispiel, das wir im Folgenden vorstellen. Allerdings geht es dabei nicht um eine weitere "Geschichte vom Übersetzen", sondern um eine Thematisierung und Reflexion der Erzählsituation selbst. Diese wurde durch eine Intervention von Ibrahim in Gang gesetzt. In der Erzählrunde hatte er ausführlich und mit spürbarer emotionaler Beteiligung eine Geschichte zu einer für seinen Bruder lebensbedrohlichen Situation erzählt. An der Grenze zu Österreich bekam sein Bruder einen epileptischen Anfall, weil er wichtige Medikamente während der Flucht nicht regelmäßig hatte einnehmen können. Ibrahim und seine Mutter versuchten mit Hilfe des Smartphones, die zentralen Informationen für den behandelnden Arzt zu übersetzen. Die Nachfragephase zu seiner Geschichte wurde etwas abrupt von Haadiah, die ihre oben zitierte Geschichte bereits vor Ibrahim erzählt hatte, mit der knappen Erzählung einer weiteren Geschichte beendet, woraufhin eine der Moderatorinnen das Gespräch noch einmal auf Ibrahims Geschichte zurückführte. Es kam zu einer kurzen Reflexion in der Gruppe, an der sich Haadiah aktiv beteiligte und Ibrahims Erzählung unterstützte. Nachdem der nächste in der Runde seine Geschichte erzählt hatte und diese gemeinsam reflektiert worden war, meldete sich Ibrahim erneut zu Wort. Er wechselte auf die Metaebene und stellte den Moderatorinnen eine Frage, die sich auf den letzten Workshop und allgemein auf den Sinn des Erzählens und des ganzen Projekts bezog. Hierzu nun Auszüge aus dem Transkript zum neunten Workshop:

"Ibrahim: Was wollten Sie wegen Geschichte oder (Bild schreiben?) und sowas - was wollten Sie wissen - von uns?" [36]

Die Moderatorinnen versicherten sich zunächst durch Rückfragen, ob sie seine Frage und den Bezug zum letzten Workshop (bei dem Geschichten zu einem Bildimpuls geschrieben und übersetzt worden waren) richtig verstanden hatten. Anschließend erläuterten sie ausführlich, weshalb sie sich für die Erfahrungen der Jugendlichen mit dem Übersetzen interessierten und weshalb sie ihre Geschichten wichtig fanden. Ibrahim schien zu akzeptieren, stellte danach aber eine zweite Frage, mit der er wieder an seine soeben erzählte Geschichte anknüpfte, aber eine ganz neue Perspektive aufmachte:

"Ibrahim: Darf ich noch eine Frage?

M1: Ja, alle Fragen.

Ibrahim: Zum Beispiel - zum Beispiel Sie müssen eure Land verlassen. Und Sie könnten Englisch nicht - Sie könnten Deutsch nicht - Sie könnten etwas nicht - Sie kennen niemand nicht. Wie läuft das - (von Ihnen)? (5)

M1: Du fragst jetzt, wie es bei mir wäre?

Jamil: Ja." [37]

Mit seiner höflich vorgebrachten Frage brach Ibrahim aus dem Rahmen des vorgegebenen Settings aus: Er drehte gewissermaßen den Spieß um und unterbrach das zu Beginn des Workshops vorgestellte Prozedere der Erzählrunde, in der noch nicht alle erzählt hatten. Er erzählte keine weitere Geschichte, und er formulierte auch keine Fragen oder Kommentare zu den Geschichten der anderen aus der Gruppe. Vielmehr konfrontierte er die Forscherinnen mit der Frage, wie sie in seiner Situation handeln würden. Jamil, ein weiterer Schüler, unterstützte ihn. Es kam zu einer längeren Sequenz, in der beide Moderatorinnen gewissermaßen Rede und Antwort standen, indem sie aus ihren eigenen Biografien erzählten. Ein Auszug:

M1: Ich hab bisher auch schon manchmal mein Land verlassen. Aber in Länder wo es mit der Sprache nicht so schwierig war. Aber wo vieles andere auch sehr schwierig war. Vielleicht nicht - das war sozusagen - ich hatte Arbeit - das war gut. Ja, und ich hatte - Menschen wo Kontakte schon vorher dann da waren. Aber die Frage des Übersetzens und die Frage wie machen die das hier - ganz anders - ja. Also spielen anders ((lacht)) reden anders - die Behörden die - Institutionen und Büros - wie - wie man was tut is anders als ich es kenne. Das kenn ich auch gut. Und das (3) wie macht man das? Wie mache ich das? Ich mache es immer so - gut wies geht. Manchmal klappts manchmal nicht.

Ibrahim: (Nein) zum Beispiel wie uns. Wir haben gar nicht." [38]

In der Passage nutzte die Moderatorin die Möglichkeit biografischer Kommunikation, sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zwischen Erfahrungen sichtbar zu machen. Ibrahim verfolgte die Antwort aufmerksam und griff schließlich die Differenz zu der von der Moderatorin geschilderten Situation auf: "Wir haben gar nicht". Damit setzte er seine Geschichte in Beziehung und zugleich in Kontrast zu der der Moderatorin, womit er sie zu einer weiteren Stellungnahme herausforderte. Sie bestätigte:

"M1: Ja eben. Ihr habt ne viel schwierigere Situation. Ihr seid - ohne Leute die ihr kennt. Ja genau. Und deswegen ist das - was ihr macht - wie ihr das schafft ist ne ganz tolle Leistung. Ja. Das ist sehr - und ich finde es ist sehr interessant eure Geschichten zu hören. - Wir können auch gemeinsam überlegen - was bedeutet das mit dem Übersetzen [...]." [39]

Die Aussage der Moderatorin verlieh Ibrahims Geschichte Anerkennung, indem sie die "viel schwierigere Situation" der Fluchtmigration im Vergleich zur eigenen, zuvor erzählten Migrationsgeschichte hervorhob und deren Bewältigung ("wie ihr das schafft") als "ganz tolle Leistung" bezeichnete. Mit der kollektiven Adressierung ("ihr") wurde allerdings eine Formulierung gewählt, die offen ließ, ob die Sprecherin sich noch auf die konkrete Geschichte bezog und Ibrahim und seine Familie meinte, oder ob sie bereits auf einer allgemeineren Ebene alle Schüler*innen ansprach, die eben "ohne Leute, die ihr kennt" die neue Lebenssituation im Aufnahmeland bewältigen mussten. Im Folgesatz richtete sich die Adressierung eindeutig an die Teilnehmer*innen der Erzählrunde. Nun wird auch das Bemühen deutlich, das Gespräch auf das Workshopthema "Übersetzen" zurückzuführen und auch die anderen aus der Runde wieder einzubeziehen. Die Moderatorin griff zunächst die bereits erzählte Geschichte von Haadiah wieder auf, die zwischen ihren Eltern, einer Lehrerin und einer Betreuerin übersetzen musste, um weitere Vergleiche und Reflexionen anzuregen.

"M1: Was was du erzählt hast - also über sich selbst zu sprechen - zwischen Eltern und - Betreuerin - das sind schwierig_ das sind die die entscheiden über mich und ich soll über mich sprechen. So - das

Ibrahim: Aber wenn jemand mit - ohne Familie in Österreich (bin) - Betreuer hilft. Aber wenn jemand mit Familie (hier) niemand hilft (mir/nicht)." [40]

Erneut meldete Ibrahim sich zu Wort und setzte sich, wie es scheint, auch zu Haadiahs Erzählung in eine Differenzbeziehung: Er machte deutlich, dass er – weil er "mit Familie" in Österreich war – keine Hilfe bekam im Unterschied zu jenen, die wie etliche aus seiner Klasse als sogenannte "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" eine "Betreuerin" hatten. Bei genauerer Betrachtung der Geschichte von Haadiah zeigt sich aber, dass der behauptete Gegensatz inhaltlich nicht zutraf, denn Haadiah hatte ja von einer Situation erzählt, in der sie zwischen ihren Eltern und der betreuenden Sozialpädagogin übersetzen musste. Diese Unstimmigkeit kann so interpretiert werden, dass es Ibrahim in der Kommunikation nicht primär um die inhaltliche Sachebene – hier den Vergleich der Geschichten über das Übersetzen – ging, sondern um eine Artikulation seiner biografischen Erfahrung und der damit verbundenen sozialen und emotionalen Not. Mit seinem Argument lenkte er das Gespräch erneut weg vom Übersetzungsthema und machte auf den Kern seiner aktuellen Lebenssituation aufmerksam: "Niemand hilft mir". Damit sperrte er sich in gewisser Weise gegen die Fortsetzung der aufgabenbezogenen Kommunikation, die darin bestand, die gehörten Geschichten zu vergleichen und gemeinsam die Situation des Dolmetschens zu analysieren und zu evaluieren. Stattdessen beharrte er auf dem Inhalt seiner Erzählung und damit auf der biografischen Dimension der Kommunikation. [41]

Die Reaktionen auf diesen Einwurf und der weitere Verlauf des Gruppengesprächs können hier nicht mehr ausführlich präsentiert werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Ibrahim zwar noch viel Raum für seine Fragen bekam, aber beide Moderator*innen das Gespräch im thematischen Rahmen "Übersetzen" hielten, an dem sich die Jugendlichen lebhaft beteiligten – Ibrahim eingeschlossen. Dessen eigentliches Anliegen, seine als dramatisch erlebte aktuelle Situation zu thematisieren und – möglicherweise auch ganz konkrete – Unterstützung zu ihrer Bewältigung zu bekommen, überforderte jedoch die Gruppe und den Forschungsrahmen. Es wurde – zumindest im Setting des Workshops – unbeantwortet und offen gelassen.18) [42]

Fragen wir auch hier auf einer Metaebene, welche Erkenntnisse wir aus der Szene mit Ibrahim gewonnen haben, so können drei Punkte festgehalten werden: Erstens, angeleitetes biografisches Erzählen kann einen Kommunikationsraum eröffnen, in dem Schüler*innen, anders als im Unterricht, als kompetente Sprecher*innen eigene biografische Erfahrungen artikulieren, Ähnlichkeiten und Differenzen ausloten und sich zueinander und im Hinblick auf ein gemeinsames Thema in Beziehung setzen. [43]

Diese Kommunikation ist, zweitens, voraussetzungsreich und riskant. Eine Bedingung ist, dass die Teilnehmer*innen, wie BEHRENS-COBET (1999, S.62) es ausdrückte, als "Expert[*inn]en ihrer Lebensgeschichte" (hier als erfahrene Übersetzer*innen) angesprochen und anerkannt werden. Eine weitere Bedingung ist die Wechselseitigkeit des Erzählens, bei der stärker und anders gerahmt als im biografisch-narrativen Interview auch die Forschenden zumindest potenziell gefordert sind, eigene biografische Erfahrungen preiszugeben. (Dabei muss jedoch auch die Machtstruktur des Kommunikationsrahmens berücksichtigt werden. So erscheint es uns wichtig, dass der Impuls dafür von den Jugendlichen, hier Ibrahim, ausging und nicht die Forschenden bzw. die Moderator*innen aus ihrer machtvollen Position heraus ihre "eigenen Geschichten" zum Thema machten.) Schließlich hat die hier besprochene Kommunikation im letzten Drittel der Workshops stattgefunden, d.h. eine dritte Bedingung, eine hinreichende Vertrautheit mit dem Projektrahmen und dem Team, war durch gemeinsame Praxis schon hergestellt. [44]

Drittens verweist das Beispiel auf die Tatsache, dass hier ein Schüler im Setting biografischen Erzählens den Forschungsrahmen hinterfragte und zugleich nutzte, um die Forschenden, die als privilegierte Vertreter*innen der Gesellschaft des Aufnahmelandes adressiert wurden, nachhaltig zur Stellungnahme aufzufordern. Was wollten sie von ihm und der Gruppe wissen? Und wie würden sie an seiner Stelle handeln? Mit diesen beiden Fragen positionierte er sich – auch und gerade in der Offenbarung seiner Ohnmacht – als autonomes Subjekt, das einen Anspruch auf Reziprozität der Perspektiven und auch auf soziale Rechte und Ressourcen hatte. Dabei ging es ihm nicht in erster Linie um das Erzählen und die gemeinsame Arbeit mit den Geschichten in einer reflektierenden, forschenden Haltung, vielmehr erzählte er primär in pragmatischer Absicht, seine prekäre Situation darzustellen und dafür eine hilfreiche Lösung zu finden. Das Beispiel verdeutlicht den Doppelcharakter biografischen Erzählens, der für alle Geschichten in dem von uns angeleiteten Setting galt: nämlich einerseits als Erzählung hervorgebracht und zum Gegenstand gemeinsamer Reflexion gemacht zu werden und andererseits als Erzähltes ein Stück der eigenen biografischen Wirklichkeit zu "sein". In der geschilderten Szene mit Ibrahim wird der latente Konflikt zwischen beiden Ebenen explizit. Es wird zugleich deutlich, dass die Erzählung des Jugendlichen nicht in allen Aspekten "gehört" wurde und Resonanz fand. Seine Frage nach Unterstützung wurde im weiteren kommunikativen Geschehen hinter die gemeinsame thematische Arbeit zurückgestellt und – zumindest in der Workshopsituation – auch nicht mehr aufgegriffen. [45]

4. "Beiläufiges" biografisches Erzählen im Projektkontext

Zu Beginn des Projekts hatten wir die Jugendlichen an die Universität eingeladen, um ihnen den Ort zu zeigen, an dem wir arbeiteten. Drei von uns hatten eine Tour mit den Jugendlichen durch das altehrwürdige Universitätsgebäude gemacht, bei der wir die Bibliothek, den sogenannten Arkadenhof und einen leeren Hörsaal angeschaut und kurz in eine Vorlesung "hineingeschnuppert" hatten. Anschließend spazierten wir gemeinsam an unser Institut, um dort in gemütlichem Rahmen alle zusammenzusitzen und uns erstmals außerhalb der Schule miteinander auszutauschen. Von diesem Tag wollen wir anhand von Gedächtnisprotokollen aus den Forschungstagebüchern zwei Szenen herausgreifen:

Szene 1: "Wir sind auf dem Weg von der Hauptuni zu unserem Institut. Ich unterhalte mich mit Sami über den Rundgang an der Uni und wie es ihm dort gefallen hat. Sami erzählt mir, dass er sich Gedanken über seine berufliche Zukunft macht. Sein Vater sei Arzt, und es gebe in der Familie die Erwartung, dass auch er Medizin studiert. Aber eigentlich wolle er Schauspieler werden. Nur sei das kein 'sicherer' Beruf und sein Vater sei dagegen. Er fragt mich, wie denn ich das sehe, welche Optionen ich mir für ihn vorstellen könne, was ich ihm raten kann. Er wirkt sehr gut informiert über Aufnahmebedingungen einzelner Studienrichtungen und hat offenbar schon einen sehr guten Überblick über das österreichische Schulsystem. Ich ertappe mich dabei, wie sehr mich das erstaunt, da ich als Nicht-Österreicherin lange gebraucht habe, um mit den Schulformen in Österreich vertraut zu werden. Ich rate Sami, sich mit der Entscheidung Zeit zu lassen und sage, dass er ja zunächst noch eine Zeit in der Schule vor sich habe und man eine einmal getroffene Entscheidung auch wieder revidieren könne. Er wirkt nicht besonders überzeugt von diesem Rat und hakt weiter nach, welchen Beruf ich mir denn nun am besten für ihn vorstellen kann"
(Gedächtnisprotokoll Forscherin 1).

Szene 2: "Ich war bei dem Ausflug ins Hauptgebäude nicht dabei, sondern begrüße die Jugendlichen anschließend in einem eher informellen Rahmen mit Keksen und Getränken bei uns am Institut. Die Jugendlichen suchen sich einen Platz in der vorbereiteten Sitzrunde. Ich frage, was sie auf ihrem Ausflug gesehen und als besonders beeindruckend erlebt haben und schlage zunächst einen Austausch mit den Sitznachbarn vor. Neben mir sitzt Sami. Er erzählt mir begeistert und wiederholt, wie sehr ihn der Blick in den großen Hörsaal beeindruckt habe, dass da so viele Studenten sitzen und dem Professor zuhören und mitschreiben. Er erzählt, wie er sich vorgestellt habe, selber dort vorne zu stehen, und dass er sich wünsche, eines Tages Professor zu werden, von dem so viele junge Menschen lernen können. Er sucht als Beleg ein Foto vom Hörsaal auf dem Smartphone. Ich erinnere nicht mehr genau, ob er eines gefunden hat, aber das Bild, das er mit seiner Geschichte vom Hörsaal in mir aufgerufen hat, ist mir bis heute präsent. Auch beeindruckt mich, wie aktiv Sami den Kontakt zu mir aufnimmt (hat er sich den Sitzplatz neben mir, der "Professorin", gezielt gesucht?) und wie offen und frei er über seinen Traum spricht, eines Tages Professor zu werden. Später bin ich irritiert, als ich höre, dass er auch erzählt hat, Schauspieler oder Fußballer werden zu wollen"
(Gedächtnisprotokoll Forscherin 2). [46]

Die Beispiele machen deutlich, wie Sami sich aktiv Kommunikationsräume erschloss und mit verschiedenen Projektbeteiligten über seine Pläne, Fragen und Unsicherheiten sprach. Er erzählte nicht nur in pädagogisch angeleiteten Situationen Biografisches, sondern nutzte kommunikative "Zwischenräume". Dabei wählte er je nach Kommunikationspartner*in verschiedene Aspekte und Themen aus, von denen er annehmen konnte, dass sie beim Gegenüber anschlussfähig wären. Man könnte sagen, dass Sami verschiedene Kommunikationsräume ausprobierte und unterschiedliche Aspekte seiner Geschichte fokussierte, um herauszufinden, wie er erzählen könnte, um gehört zu werden. Indem er Aspekte wählte, von denen er annehmen konnte, dass sie bei den jeweiligen Adressat*innen Resonanz finden würden, konstruierte er sich als interessanten Gesprächspartner. An diesem Beispiel zeigt sich eine doppelte Funktion "beiläufigen" biografischen Erzählens: Biografisierung und Identitätsarbeit einerseits, Zugehörigkeitsarbeit andererseits. Diese beiden (miteinander verbundenen) Aspekte werden nachfolgend näher erläutert. [47]

Zunächst dokumentieren die beiden Protokolle eine Praxis der Biografisierung:19) Sami und einige andere Jugendliche nutzten solche "kleinen", wenig formalisierten Kommunikationsmöglichkeiten am Rand gemeinsamer Aktivitäten, um Aspekte ihrer Biografie darzustellen und damit "Identitätsarbeit"20) zu leisten (ENGELHARDT 2011; HAHN 2000). Im Unterschied zu institutionell gerahmten biografischen Präsentationen, die von Geflüchteten vor allem bei behördlichen Befragungen, aber auch im Kontext (sozial-)pädagogischer Hilfemaßnahmen gefordert werden (THIELEN 2009), sind die Kontrollmechanismen und Zugzwänge, eine lineare, konsistente und "wahre" Geschichte zu erzählen, in solchen beiläufigen Kommunikationssituationen schwächer ausgeprägt. Die Spielräume, was und wie erzählt wird, sind für das erzählende Subjekt größer. Wie BAMBERG (2005) in seinen Forschungen zu "small stories" argumentierte, sind solche "kleinen", spontan produzierten Narrationen weniger als "wahre" Darstellungen einer biografischen Vergangenheit zu lesen (und deshalb eben auch weniger darauf "festgelegt") denn als performative Positionierungen in einer je gegenwärtigen Interaktionssituation. Auch wenn seine Kontrastierung von "big" und "small stories" (2006a, 2006b) nicht in jeder Hinsicht überzeugend sein mag, so stützen seine Analysen doch auch unsere Beobachtung, dass kleine biografische Erzählungen alltäglich "passieren" und – möglicherweise gerade in der Kommunikation zwischen Jugendlichen, die auch BAMBERG vielfach untersucht hat – eine wichtige Funktion im Hinblick auf Identitäts- und Zugehörigkeitskonstruktionen erfüllen. Zudem ist diese Art des Erzählens "flüchtig", es wird nicht dokumentiert21), kann unter einem situativen Vorwand abgebrochen werden, und es wird nicht auf seinen Wahrheitsgehalt direkt überprüft. [48]

Im Beispiel zeigt sich eine Praxis, die als "experimentelle" biografische Selbstpräsentation interpretiert werden kann. Sami variierte verschiedene Selbst-Erzählungen, um sich selbst, im Sinne MEADs (1934), in den Augen anderer zu entwerfen und zu erproben. Er konstruierte sich damit zugleich als kompetentes biografisches Subjekt, das eben keine festgelegte Geschichte präsentierte, sondern als souveräner Autor der eigenen Geschichte auftrat und anerkannt werden wollte. Mit dieser biografischen Arbeit war darüber hinaus auch ein Stück Normalisierung verbunden: Sami erzählte über mögliche biografische Entwürfe, wie es viele Jugendliche tun. Er nahm dabei nicht Bezug auf seine Fluchtgeschichte und wurde auch nicht daraufhin befragt. Dennoch wäre es naiv, die beiläufige Erzählsituation als herrschaftsfreien Experimentalraum zu sehen. Samis Geschichten mussten interaktiv anerkannt und gehört werden können, um erzählt zu werden, und sie unterlagen damit sozialen Regeln und Normen, die am Fall und fallvergleichend rekonstruiert werden müssten. (Für eine solche Analyse liegt uns jedoch kein ausreichendes empirisches Material vor.) [49]

Die zweite Funktion solcher beiläufigen biografischen Thematisierungen kann als Zugehörigkeitsarbeit bezeichnet werden. Sami stellte, um ein Konzept MECHERILs aufzugreifen, im Erzählen "biographisierende Verbundenheit" (2003, S.218) her. Im Rückgriff auf Vergangenheit (sein Vater war Arzt, es gab eine Kenntnis akademischer Bildungswege und die Erwartung, einen solchen einzuschlagen) und im Entwurf möglicher biografischer Zukünfte zeigte er, dass er "dazugehörte" – und er machte sich auch für sich selbst zugehörig, indem er sich gewissermaßen in den neuen sozialen Raum der Universität (und in die österreichische Gesellschaft) "hineinerzählte". Dass er dabei aktiv Gesprächspartner*innen suchte, die er als signifikante Akteur*innen im universitären Raum ausmachte, belegt auch im performativen Vollzug seine Handlungskompetenz und sein Vermögen, das Feld zu erkennen.22) [50]

Sami gehörte zu den wenigen Schüler*innen der in die Forschung einbezogenen Klasse, die es bis zum Abschluss des Projekts geschafft haben, im österreichischen Bildungssystem zu bleiben und sich in den dort prozedierten institutionalisierten Lebenslauf (KOHLI 1985) einzufädeln – und denen es gelingt, eine biografische Sinnkonstruktion zu entfalten, die diesen Weg zu "ihrer" Geschichte macht. Mittels einer genaueren Fallanalyse anhand eines biografischen Interviews könnten die sozialkulturellen Hintergrundbedingungen für diesen Biografisierungsprozess rekonstruiert werden (familiale Herkunft und Privilegien, begonnene Bildungswege und Aspirationen), es könnte aber auch untersucht werden, wie Anschlussfähigkeit und soziale Resonanz in einem neuen sozialen Kontext hergestellt werden. Aus unserer Felderfahrung lässt sich festhalten, dass Samis "kleine Geschichten" weitergehende Kommunikationsprozesse in Gang gesetzt haben, die ihn – auch für uns – zu einem "Besonderen" gemacht haben, dessen Geschichte uns nicht nur wissenschaftlich interessiert, sondern "am Herzen" liegt.23) Diese Beobachtung ist keineswegs nur eine selbstbezogene Randnotiz individueller Forscherinnen. Sie verweist auf den grundlegend interaktiven Charakter jener Zugehörigkeitsarbeit und die Effekte, die biografisches Erzählen bei den "Zuhörenden" hervorruft. Die Reaktion der Forscher*innen kann hier – gerade im Kontext "beiläufiger" Kommunikation jenseits explizit hergestellter Forschungssituationen – stellvertretend für eine mögliche Reaktion von Kommunikationspartner*innen im Feld analysiert werden. Natürlich sind diverse Varianten von Reaktionen und Interaktionsverläufen denkbar, das zeigt sich etwa am Beispiel der Interaktion mit Ibrahim. Generell gilt jedoch, dass biografisierende Verbundenheit ein wechselseitiger Prozess ist, der mindestens ebenso von der Resonanz des Feldes bzw. den je konkreten sozialen Anderen abhängt wie von der biografischen Konstruktionsleistung der Individuen. [51]

5. Erzählungen über Erzählungen – Biografisches im Kontext von Schule und Unterricht

Es ist fast überflüssig zu sagen, dass beiläufiges Erzählen und die narrative Konstruktion von Identität und Zugehörigkeit kein Spezifikum des Forschungsprozesses sind, sondern in vielen Spielarten fortlaufend im (schulischen) Alltag stattfinden. In ethnografischen Gesprächen und Interviews mit Lehrer*innen haben wir erfahren, dass ihnen die Jugendlichen in Pausensituationen und "Randzeiten", aber auch im Unterricht sehr viel Biografisches erzählt haben und dass sie selbst damit auch emotional involviert waren. Das folgende Beispiel stammt aus einem Interview mit einer Lehrkraft, die in der Klasse ein Fach unterrichtete.

"Also das war für mich so anstrengend weil ich - wusste nicht - wie ich das im Unterricht jetzt - - wenn jetzt auf einmal so eine Lebensgeschichte kommt die sehr dramatisch is ja? Die auch weh tut auch emotional wo ich auch nicht wegstecken kann und wo ich auch nicht sagen kann 'So das interessiert mich jetzt nicht das is jetzt ein anderes Thema' - wie kann ich das trotzdem jetzt ausm Unterricht rausklammern das warn so immer - die ich ich musste sie trotzdem ernsthaft wahrnehmen und sagen 'Okay - gut dass du's mir erzählst - ich hab's gehört - - aber wir müssen [Schulfach] - wir können' - weil wenn ich das zulasse dann kommen andere Geschichten dann hab ich keinen [Schulfach-]Unterricht. Das war so immer die Gratwanderung [...] - - zu schaun - äh was erzählen sie mir und wo muss ich absolut sofort Stopp machen - weil sonst ufert's hinaus - - ja? Aah sonst bin ich dann eigentlich dann is es eine Therapie[Schulfach]stunde und keine=e - - keine [Schulfach]stunde mehr - - so diese Gratwanderung zwischen - - [...] ich weiß ned wie ichs erzähln und das war für mich sehr sehr anstrengend - ich wollte eigentlich die Gefühle schon zulassen - - aber das sind keine - - Gefühle wo ich sage - - - wenn sie dann über ihre Gefängnis- und wie das war - - wie sie gekommen sind und - wie sie mir das dann so teilweise erzähln konntn - - das war für mich sehr sehr das war sehr schwer verdaulich muss ich ehrlich sagn - ich bin dann nach diesen zwei Stunden rausgangen - und ich glaub bei den anderen Lehrern hams das nicht erzählt" (Interviewtranskript Andrea F, Lehrerin). [52]

Die Lehrperson äußerte in der zitierten Passage eine große emotionale Spannung und Unsicherheit hinsichtlich des Umgangs mit biografischen Erzählungen der Jugendlichen im Unterricht. Als besonders problematisch wurde eine Situation dargestellt, in der unvorbereitet "eine Lebensgeschichte kommt, die sehr dramatisch ist". In der Passage werden unterschiedliche Aspekte des Problems auf emotionaler, kognitiver und auf der Handlungsebene deutlich. Eine biografische Erzählung im Fluchtkontext ist unter Umständen mit heftigen Gefühlen verbunden ("die auch weh tut") und löst auch bei den Zuhörenden Gefühle aus, die nicht einfach "weggesteckt" werden können. Die Lehrkraft fühlte sich selbst emotional belastet. Zugleich formulierte sie eine Ambivalenz, die sich zwischen dem eigenen (?) Wunsch und Anspruch ergab, den Lebensgeschichten der Schüler*innen Raum zu geben, und einer möglichst reibungslosen Durchführung des Unterrichts, welche wiederum bedingte, manche Erzählungen "ausm Unterricht raus[zu]klammern". Biografische Erzählungen werden somit zur "Störung des zielgerichteten institutionellen Handelns" (SCHLUTZ 1984, S.95). Der in der zitierten Passage konstruierte Widerspruch wird besonders in der Gegenüberstellung von "[Schulfach-]Stunde" und "Therapie-[Schulfach-]Stunde" erkennbar. Das pädagogische Handeln war insgesamt von der Frage begleitet, wie viel Raum biografische Erzählungen im Unterricht bekommen konnten. Die Lehrperson formulierte das Dilemma, nicht zu wissen, wie sie mit dem Konflikt umgehen sollte und dennoch handeln zu müssen, als "Gratwanderung". Der Verweis auf die "Therapie"-Stunde verdeutlicht zugleich das Bewusstsein, an die Grenzen der pädagogischen Kompetenz, aber auch des schulischen Handlungsrahmens "Unterricht" zu stoßen. [53]

Wie eindringlich die Schüler*innen selbst Raum und Zeit für ihre Erzählungen einforderten oder ob diesbezüglich unterschiedliche Bedürfnisse geltend gemacht wurden, etwa ob die Thematisierung von Lebensgeschichten durch Klassenkolleg*innen auch abgelehnt wurde, wurde nicht zur Sprache gebracht. Erwähnt wurden darüber hinaus auch keine Handlungsrichtlinien, die als Orientierung, Ermächtigung oder Einschränkung hätten dienen können. Ebenso schien es diesbezüglich keinen Austausch im Kollegium gegeben zu haben – die Lehrperson wusste nicht, ob Erzählungen auch in anderen Unterrichtsfächern stattfanden bzw. vermutete, dass "bei den anderen Lehrern [...] das nicht erzählt" wurde. In der Darstellung konstruierte sich die Lehrperson somit als Einzelkämpferin, die individuell mit der Herausforderung umgehen und sie "verdauen" musste. Zugleich sah sie sich als signifikante Interaktionspartner*in der Jugendlichen, da diese ihr Biografisches anvertrauten, das sie anderen Lehrpersonen (mutmaßlich) nicht mitteilten. Damit gingen eine moralische Verpflichtung und eine professionelle pädagogische Verantwortung einher. Dies war der Sprecherin bewusst, sie hatte aber das Gefühl, mit diesen Anforderungen alleingelassen zu sein. [54]

Auch eine andere Lehrerin erzählte in einem Telefongespräch, dass es ihr schwerfiele, mit persönlichen Informationen, die ihr die Schüler*innen als Klassenleiterin gaben, umzugehen. Im Protokoll zum Telefongespräch steht:

"Susanne erzählt, dass sie oft in dem Dilemma stecke, wie sie mit Informationen umgehe, die sie von den Schüler*innen erhalte. Die Schüler*innen würden ihr oft etwas im Vertrauen erzählen und es sei für sie dann oft schwierig abzuwägen, was sie weitererzählen könne und was nicht. Wenn ihr etwas im Vertrauen erzählt wird, gehe es gar nicht, dass sie diese Informationen dann weitergibt. Wichtig sei, dass ihr die Jugendlichen vertrauen; wenn sie dieses breche, würde das nicht funktionieren. Andererseits wäre es manchmal aber hilfreich. Auf Lehrerkonferenzen wäre es beispielsweise teilweise hilfreich, wenn sie Kolleg*innen bestimmte Situationen erläutern könne. Verhaltensweisen würden nachvollziehbarer, wenn man die Geschichten dazu kennen würde. Susanne fühle sich da immer wieder in einem Zwiespalt. Ich habe auch das Gefühl, dass sie sich diese Fragen auch in Bezug auf das Projekt stellt. Meist erzählt sie uns sehr viel über die Jugendlichen der Klasse und die Situationen, in denen diese sich bewegen. Hier artikuliert sie zum ersten Mal, dass sie Zweifel hat, ob sie dies so offen tun solle. An einer Stelle berichtet sie mir wieder von einer sehr persönlichen Situation und meint zugleich, dass dies niemand wissen dürfe. Dass dies auch niemand in der Klasse wisse und auch die Mutter des/der Betroffenen nicht. Ich verspreche ihr daher, diese Information für mich zu behalten, weshalb ich in diesem Protokoll auch nicht darauf eingehe"
(Feldnotiz Telefongespräch Susanne L.). [55]

In diesem Ausschnitt zeigen sich Dilemmata auf mehreren Ebenen: Das Dilemma, das die Lehrerin schilderte, bestand in der widersprüchlichen Anforderung, dass sie einerseits verantwortungsvoll mit dem Vertrauen der Schüler*innen umgehen wollte, andererseits aber gerade das, was ihr die Schüler*innen im Vertrauen erzählten, dazu beitragen konnte, Kolleg*innen gegenüber manche Verhaltensweisen von Schüler*innen oder Probleme in der Klasse zu erklären bzw. Verständnis für die besondere Situation der geflüchteten Schüler*innen zu wecken. Das zweite Dilemma betraf die Weitergabe von Erzähltem an das Projektteam. Dieses war zwar nur beschränkt in den Schulalltag involviert, aber auch im Hinblick auf den wissenschaftlichen Kontext stellte sich die Frage der Vertraulichkeit, d.h., wie mit Erzähltem umgegangen werden sollte und welche Wege einmal bekannt gewordene Informationen nehmen könnten. Zuletzt sah sich die Projektmitarbeiterin mit einem quasi an sie "weitergereichten" Dilemma konfrontiert; die Lehrerin hatte ihr "im Vertrauen" eine Information über ein*e Jugendliche*n weitergegeben, die sie nicht mit dem Projektteam teilte und auch nicht ins Protokoll aufnahm, sondern für sich behielt. Gerade das, was im Projekt interessant sein konnte, nämlich Wissen über die biografischen Erfahrungen der Schüler*innen, musste aus ethischen Gründen der Forschung entzogen bleiben. [56]

In diesem Beispiel sind pädagogische Dilemmata (vgl. auch HELSPER 2010; SCHÜTZE 2000) und forschungsethische Fragen (UNGER 2014) angesprochen, die unlösbar mit biografischer Kommunikation in institutionellen Kontexten verbunden sind, keineswegs nur im Fluchtkontext. Lebensgeschichtliches Erzählen hat einerseits ein hohes Potenzial, einen intersubjektiven Perspektivwechsel zu ermöglichen, individuelle Besonderheiten eines anderen Menschen kennenzulernen und auch emotional nachvollziehbar zu machen. Andererseits wird dadurch eine erhöhte Verletzbarkeit für die erzählende Person erzeugt, was wiederum Schutzmechanismen notwendig macht. Das Beispiel zeigt jedoch, dass es, ähnlich wie in der zuvor besprochenen Situation, dafür keine institutionell etablierten Umgangsweisen gab und die Lehrer*innen offensichtlich individuelle Strategien entwickelten. Einen professionellen Diskurs zu dem Problem, wie er seit einiger Zeit in der forschungsethischen Debatte in der Biografieforschung geführt wird, scheint es im schulischen Kontext nicht gegeben zu haben. [57]

Aber auch im Forschungskontext bleiben viele Fragen offen, und der strukturelle Grundkonflikt zwischen hohen ethischen Anforderungen einerseits und dem Anspruch, möglichst umfassende Erkenntnisse über die soziale Wirklichkeit bestimmter Felder und Lebenslagen zu generieren andererseits bleibt als permanente Herausforderung bestehen. Eine Patentlösung gibt es nicht. Im Fall des hier beschriebenen Forschungsprojekts haben wir beispielsweise aus forschungsethischen Erwägungen an verschiedenen Stellen darauf verzichtet, genauere biografische Informationen und Narrationen der Schüler*innen zu erheben und zu dokumentieren – und damit auch wichtige Erkenntnismöglichkeiten ausgeschlossen. Dass wir dabei auch solche "Geschichten über Geschichten" nicht oder nur ansatzweise für die Forschung nutzen konnten, die im Feld selbst, also etwa in der Kommunikation zwischen Schüler*innen bzw. Schüler*innen und Lehrer*innen durchaus geteilt wurden, wurde uns erst im Laufe der Arbeit bewusst. Unsere Lösung im Umgang mit dem Problem lag darin, nicht primär die Inhalte der Geschichten zum Gegenstand der Forschung zu machen, sondern Form und Funktion dieser spezifischen "biografisches Wissen" (DAUSIEN & HANSES 2017) produzierenden Kommunikation festzuhalten und als Thema wissenschaftlicher Analyse zu identifizieren. [58]

6. Diskussion und Fazit

Welche Erkenntnisse lassen sich nun aus den dargestellten Beobachtungen und Reflexionen generieren? Was können wir aus den Erfahrungen eines einzelnen, in vieler Hinsicht recht speziellen Projekts, das sich in der Überschneidung zwischen Forschung und pädagogischer Praxis entwickelt hat, für weitere Forschungen lernen? Abschließend sollen einige allgemeine Überlegungen zur Arbeit mit biografisch-narrativen Ansätzen in der Forschung mit (geflüchteten) Jugendlichen festgehalten werden. [59]

6.1 "Kleine Geschichten" als Material und methodische Strategie

Der erste Befund gilt den erprobten methodischen Ansätzen: In unserer Forschung mit Jugendlichen hat sich die Arbeit mit niederschwelligen und offenen Erzählanreizen, die zur Produktion "kleiner Geschichten" anregen, bewährt, um die Artikulation biografischer Erfahrungen zu ermöglichen. Dieser Befund ist u.E. insbesondere für Forschungssettings relevant, in denen die Vulnerabilität der Forschungssubjekte – etwa durch den Fluchtkontext, durch das Machtgefälle der pädagogischen Beziehung oder aus anderen Gründen – besonders hoch ist und/oder in dem durch den institutionellen Rahmen eine freie, selbstläufige Erzählung der eigenen Lebensgeschichte eher verhindert bzw. stark kontrolliert und reglementiert wird. In unserem Projekt war Letzteres durch die doppelte Rahmung – Schule und Asylverfahren – anzunehmen. Die adaptierten narrativen Methoden aus pädagogischen Praxiskontexten, insbesondere aus der Erwachsenenbildung, sind nicht nur niederschwelliger als eine direkte Aufforderung, die eigene Lebensgeschichte zu erzählen, sie bieten auch ein breiteres Spektrum von Beteiligungsmöglichkeiten. Mündliche und schriftliche Erzählformate sowie unterschiedliche Anreize und Medien sprachen die Jugendlichen differenziert an. Sie erleichterten es, sich – je nach Interesse, Handlungsfähigkeit, interaktivem Geschehen und situativen Bedingungen – mehr oder weniger zu beteiligen. Dieser Aspekt ist für partizipative Forschung (nicht nur mit Jugendlichen) relevant, aber auch für Forschungen ohne diesen Anspruch – vor allem dann, wenn die Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Beteiligung und Artikulation der eigenen Perspektive in dem jeweils untersuchten Feld stark differieren. In unserem Projekt waren solche Differenzen besonders hinsichtlich der sprachlichen Repertoires der Schüler*innen und der Forscher*innen und im Hinblick auf das kulturelle Kapital und die bis dahin verfügbaren (schulischen) Bildungserfahrungen relevant. Mit der Nutzung unterschiedlich gestalteter "Erzählaufgaben" konnte der Gefahr, mit den Erhebungsmethoden solche Differenzen zu verstärken, gegengesteuert werden. Die genannten Potenziale "kleiner" und variabel gestalteter Erzählmethoden sind – so unsere These – keineswegs nur für Forschungen mit Geflüchteten von Bedeutung. [60]

Bei allen Vorteilen des Zugangs hat die Fokussierung auf "kleine" Erzählungen natürlich auch Grenzen. Fragestellungen zu biografischen Verläufen und Erfahrungen im engeren Sinn, etwa zu Bildungswegen oder Fluchtgeschichten, die üblicherweise mithilfe biografischer Fallanalysen bearbeitet werden, lassen sich damit nicht angemessen breit und genau erforschen. Der Ansatz ist deshalb eher als ergänzender Forschungsweg zu verstehen, der unter bestimmten Bedingungen im Sinn einer Triangulation mit dem Ansatz der Biografieanalyse kombiniert werden, aber auch – als alternativer Ansatz – für sich stehen kann. [61]

6.2 Forschung im Fluchtkontext – Forschung mit Geflüchteten

Menschen, die eine Flucht hinter sich haben, zu biografischem Erzählen anzuregen, ist auf mehrfache Weise herausfordernd: Neben der Gefahr von Retraumatisierungen gilt es, die Zwänge des Asylverfahrens zu reflektieren und ihren Einfluss auf die Forschungssituation möglichst gering zu halten. Geflüchtete sind in diesem Verfahren gefordert, "ihre Geschichte" immer wieder zu erzählen und sich dabei nicht in (vermeintliche) Widersprüche zu verstricken oder verschiedene Varianten der einen Geschichte zu erzählen. Die Anforderung, eine Lebensgeschichte – wiederholt – zu erzählen, die von Beamt*innen in Migrationsregimen des globalen Nordens als "glaubwürdig" eingestuft und deren Erzähler*in damit unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen als "asylberechtigt" anerkannt wird, bleibt vermutlich nicht ohne Folgen für andere Formen der biografischen Selbstthematisierung (so auch THIELEN 2009). Auch aus diesem Grund haben sich alternative "kleine" Erzählformate und die Offenheit, selbst zu entscheiden, ob und welchen biografischen Bezug eine Geschichte haben soll, bewährt. [62]

Außerdem war es hilfreich, eine längere ethnografisch angelegte Feldphase einzuplanen, also die Möglichkeit für wiederholte Begegnungen und Erhebungen zu schaffen und somit einen langsamen Vertrauensaufbau zu ermöglichen. In der längerfristig aufgebauten Interaktionsbeziehung zu den Forschungssubjekten eröffnen sich – im Vergleich etwa zu Einzelinterviews, die in der Regel auf wenige Begegnungen beschränkt sind – mehr Möglichkeiten, die besonderen Anforderungen in der Fluchtforschung zu handhaben. [63]

So wird es beispielsweise möglich, den "Sinn" der Forschung kommunikativ auszuhandeln, wie am Beispiel der Szene mit Ibrahim gezeigt wurde. Das forschungsethisch und auch rechtlich gebotene Prinzip der informierten Einwilligung (UNGER 2018, S.10-13), das gerade in der Forschung mit vulnerablen Gruppen besonders wichtig, zugleich aber oft besonders schwer umsetzbar ist, kann auf diese Weise prozesshaft gemeinsam erarbeitet werden. Interessant an Ibrahims Beispiel ist, dass er seine Frage nach dem Ziel unseres Projekts im Kontext einer biografisch-narrativ angelegten Gesprächssituation formuliert hatte und nicht etwa in der Situation, als wir zu Beginn der Feldphase das Projekt vorgestellt und auch die Einverständniserklärung mit den Jugendlichen besprochen hatten. [64]

Schließlich erlaubte die ausgedehnte Feldphase, den Forschungsprozess selbst in Form von ethnografischen Notizen und Tagebuchaufzeichnungen zu beobachten und die Interaktionen im Feld sowie die Erfahrungen mit den erprobten Methoden fortlaufend zu reflektieren (DAUSIEN et al. 2020). So konnten wir beispielsweise auf unvorhersehbare Bedingungen im Feld und in der Lebenssituation der Jugendlichen sowie auf ihre Resonanz auf unsere Angebote reagieren und unser Vorgehen im Forschungsprozess kontinuierlich anpassen. [65]

In diesem Prozess zeigte sich u.a., dass nicht nur das Erzählen, sondern auch das Zuhören mit besonderen Herausforderungen verbunden ist: Forscher*innen – wie im Übrigen auch andere Professionelle, die mit Geflüchteten arbeiten – stehen zu geflüchteten Schüler*innen in der Regel ja nicht nur aufgrund ihrer professionellen Rolle und institutionellen Funktion, sondern auch aufgrund ihrer natio-ethno-kulturellen Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft in einem hierarchischen Verhältnis. Wenn es zwischen den Forschenden und den Schüler*innen keine gemeinsame Sprache gibt und/oder wenn die im Aufnahmeland dominante Sprache für die Kommunikation verwendet wird, kann dieses Verhältnis noch verstärkt werden.24) Der Einbezug von Dolmetscher*innen stellt nicht einfach eine "neutrale" Übertragung von Inhalten von einem linguistischen System in ein anderes dar (KENT 2004; PÖLLABAUER 2004). Dolmetscher*innen sind ebenfalls biografisch und interaktional verstrickt, und Verdolmetschung kann Interaktionsprozesse, das Erzählen und das Zuhören, damit noch komplexer gestalten. Die Thematisierung der eigenen Involviertheit in Machtverhältnisse (MESSERSCHMIDT 2016) ist daher für Forschende (wie auch für Pädagog*innen) mit besonderen Professionalisierungsansprüchen verbunden. Darauf machen auch die oben präsentierten Interviewauszüge mit Lehrpersonen aufmerksam. [66]

6.3 Forschen im pädagogischen Feld

Unser Projekt war auf doppelte Weise in einen pädagogischen Rahmen eingebettet: Zum einen haben wir in den Workshops durch Praktiken des Anleitens, Moderierens, Beratens usw. mit den Jugendlichen einen pädagogischen Interaktionsmodus etabliert, zum anderen war das Projekt in den institutionellen Rahmen der Schule eingebunden. Dies war einerseits pragmatisch nützlich: Auf diese Weise konnten wir die Jugendlichen verlässlich über den gesamten Zeitraum eines Schuljahres erreichen, also einen kontinuierlichen Gesprächs- und Arbeitsrahmen aufrechterhalten. Es erzeugte aber andererseits auch eigene Probleme wie etwa die erzwungene Anpassung an die institutionellen Regeln und Interaktionsordnung der Schule. Ohne diese widersprüchlichen Bedingungen hier zu diskutieren (siehe dazu DAUSIEN et al. 2020, S.70-74), lässt sich ein erkenntnisstrategischer Aspekt festhalten: Durch unsere "Doppelrolle" als Forschende und Pädagog*innen machten wir Erfahrungen, die Einblick in die Strukturen der pädagogischen Praxis gaben. In diesem Zusammenhang konnten wir auch Phänomene biografischen Erzählens beobachten, die jenseits expliziter Erzählaufforderungen (sei es im Forschungskontext, sei es in pädagogischer Absicht) stattfanden. Wie an den präsentierten Beispielen aus unseren ethnografischen Notizen verdeutlicht, ergaben sich somit neue Erkenntnismöglichkeiten und Fragestellungen etwa zur Bedeutung "beiläufigen" Erzählens im Schulalltag. [67]

Erzählsituationen in pädagogischen Kontexten werden nicht immer didaktisch hergestellt, sondern entstehen mitunter beiläufig, "am Rand" oder "auf der Hinterbühne" – und sie können pädagogische Handlungsroutinen stören. Das grundsätzliche Interesse von Pädagog*innen an und deren Aufmerksamkeit für biografische Geschichten von Schüler*innen kann von den curricularen und schulkulturellen Anforderungen und von (zeit-)ökonomischen Zwängen der Institution (vgl. auch VÖLZKE 2005) durchkreuzt werden, was zum Abbrechen von Erzählungen führen kann. [68]

Aber auch wenn Schüler*innen ein Raum des Zuhörens gegeben wird und sie von sich erzählen, stellt sich die Frage, wie mit dem Erzählten umgegangen wird. Zum einen besteht – gerade im Fluchtkontext – potenziell die Gefahr, dass persönliche Geschichten in der Schule oder in staatlichen Administrationen zu Ungunsten derjenigen, die sie erzählt haben oder der Gruppe, der die Erzähler*innen zugerechnet werden, verwendet werden. Zum anderen birgt der Umgang mit biografischen Erzählungen von Schüler*innen für die Pädagog*innen eine Reihe von Herausforderungen, mit denen sie sich u.U. alleingelassen fühlen und für die sie in der Regel auch nicht ausgebildet sind (s. dazu auch SCHÜTZE 2009). Aus den Erzählungen der Lehrer*innen haben wir erfahren, dass Schüler*innen manchmal auch im Unterricht Biografisches erzählten. In solchen Situationen hörten somit nicht nur die Lehrer*innen, sondern auch die Mitschüler*innen die jeweiligen Geschichten und waren auf unterschiedliche Weise an der Interaktion beteiligt, was die Komplexität der Kommunikationsanforderungen erhöhte und von den Pädagog*innen ein zusätzliches Maß an Moderationsgeschick erforderte. [69]

Solche Situationen biografischer Kommunikation im Unterrichtssetting genauer zu analysieren, wäre ein interessantes Forschungsthema für eine Biografieforschung, die nicht auf autobiografische Interviews beschränkt wird, sondern in der die Praxis des Biografisierens und der interaktive Umgang mit biografischem Wissen (DAUSIEN & HANSES 2017) in sozialen Situationen und institutionellen Kontexten untersucht wird. Zudem lassen sich aus solchen empirischen Beobachtungen und Analysen auch Überlegungen zur Professionalisierung ableiten: Lehramtsstudierende werden bisher kaum auf angeleitete oder "beiläufige" biografisch-narrative Kommunikation mit Schüler*innen vorbereitet. Mittels einer Professionalisierungsstrategie, die die Arbeit mit rekonstruktiven Methoden beinhaltet und die in verschiedenen Feldern der pädagogischen Professionalisierung schon angewandt oder für diese eingefordert wird (z.B. DAUSIEN, HANSES, INOWLOCKI & RIEMANN 2008; HUMMRICH, HEBENSTREIT, HINRICHSEN & MEIER 2016; SCHÜTZE 2021; SCHWENDOWIUS & THOMA 2016; WIESER & KLINGER 2020), sollte verstärkt auch auf Thematisierungsweisen des Biografischen vorbereitet werden. [70]

6.4 Mehrsprachigkeit im Forschungskontext von Flucht und Asyl

Mehrsprachigkeit betrachteten wird nicht nur als zentrales Thema des Projekts, sondern auch als geteilte soziale Praxis im Projekt: Wir wollten einen Raum etablieren, in dem die sprachlichen Repertoires der Schüler*innen sicht- und hörbar werden und planten zudem Dolmetscher*innen ein, die die Kommunikation zwischen uns und den Schüler*innen ermöglichen sollten. Diese wurden allerdings nicht gebraucht, da die Schüler*innen zum Teil schon sehr gute Deutschkenntnisse hatten und darüber hinaus von Beginn an großen Wert darauflegten, auf Deutsch zu kommunizieren (ALPAGU, DAUSIEN, DRAXL & THOMA 2019b). Die "kleinen Geschichten" der Schüler*innen verweisen zum einen darauf, dass sie ihren Deutscherwerb explizit mit dem Wunsch verbanden, in Österreich bleiben zu dürfen. Der Deutscherwerb trat aber auch als Pflicht und Notwendigkeit auf und verweist damit auf den gesellschaftlichen Kontext, in dem Deutschkenntnisse diskursiv und rechtlich eng mit Konzeptionen von "Integration" und "Teilhabe" verbunden sind und eine notwendige Voraussetzung für den Zugang zu (Bildungs-)Institutionen und staatlichen Leistungen darstellen (a.a.O.). Deutsch(sprechen) haben wir als Strategie der Schüler*innen rekonstruiert, um in Österreich Erfolg zu haben bzw. zumindest einen Anspruch auf Zugehörigkeit und Teilhabe artikulieren zu können. Allerdings verweisen die "kleinen Geschichten" auch darauf, dass Deutschkompetenzen neben einem Mehr an Selbstständigkeit ein hohes Maß an neuen Abhängigkeiten mit sich bringen können, etwa wenn Schüler*innen regelmäßig für andere dolmetschen (müssen) und dies von Schulen als selbstverständliche Leistung angesehen wird, die außerhalb der institutionellen Verantwortung liegt (s. dazu auch THOMA & DRAXL 2022). [71]

Jenseits dieser inhaltlichen Erkenntnisse über die sprachlichen Repertoires der Schüler*innen und die Bedeutung von Mehrsprachigkeit an Bildungsinstitutionen wurde auf einer methodologischen Ebene deutlich, dass Erzählen auch ohne "perfekte" Deutschkenntnisse "funktioniert", und dass sich "kleine Geschichten" nicht nur als Form der Datenproduktion über Mehrsprachigkeit in Migrationsgesellschaften eignen, sondern auch als Form der (von Notendruck befreiten) sprachlichen und inhaltlichen Beteiligung von Schüler*innen, um sich über ihre Erfahrungen und die ihrer Peers auszutauschen und ihre Positionen zu Mehrsprachigkeit und in "mehrsprachigen Situationen" zu Gehör zu bringen. [72]

6.5 Zur sozialen Bedeutung biografischen Erzählens

Häufig werden biografische Erzählungen als Ausdruck einer individuellen biografischen Erfahrungsstruktur und/oder als soziale Darstellung und Herstellung individueller Identität analysiert. Diese Perspektive war auch in unserem Projekt relevant. Die beschriebenen Formen "kleiner Erzählungen" konnten als Varianten narrativer Identitätsarbeit interpretiert werden. Aus biografietheoretischer Perspektive verstehen wir jedoch Identität nicht als eine dem Individuum innewohnende Eigenschaft oder Struktur, sondern – im Anschluss an die Theorietradition MEADs – als einen sozialen Prozess, der sich im wechselseitigen Austausch zwischen sozialen Subjekten entfaltet. Identitätskonstruktion kann deshalb – gewissermaßen als zweite Seite desselben Prozesses – immer auch als Konstruktion sozialer Zugehörigkeit begriffen werden. Dieses zunächst theoretisch formulierte Postulat lässt sich – so unsere These – mit dem hier vorgeschlagenen ethnografischen Zugang zu Erzählungen auch empirisch gehaltvoll untersuchen. [73]

Mit der ethnografischen Forschungsperspektive und der damit verbundenen Aufmerksamkeit für soziale Interaktionsverläufe erweitert sich der analytische Blick. Im Fokus stehen nicht mehr nur oder primär die Inhalte biografischer Erzählungen, sondern auch die interaktiven Prozesse, in denen sie hervorgebracht und (mit)geteilt werden. Und diese lassen sich als interaktive Identitäts- und zugleich als Zugehörigkeitsarbeit interpretieren. Biografisches Erzählen ermöglicht wechselseitige Perspektivübernahmen über Differenzen hinweg, Gemeinsamkeiten im Unterschiedlichen werden konstruiert, vermeintlich Gemeinsames wird differenziert. Dieser Prozess des Ausbalancierens von Individuellem und Gemeinsamen in der Konstruktion von Identität und Zugehörigkeit hat unter bestimmten Bedingungen "experimentellen" Charakter (s. das Beispiel von Sami, Abschnitt 6.2). Im Erzählen werden Zugehörigkeiten sozial ausprobiert und ausgelotet, es ist ein wesentliches Mittel, um im Sinne MECHERILs "biographisierende Verbundenheit" (2003, S.218) herzustellen. [74]

Mit dem hier vorgestellten Forschungszugang können unterschiedliche Varianten und Bedingungen von Zugehörigkeitskonstruktionen an empirischem Material (Feldnotizen, Interaktionsbeobachtungen und/oder -transkripte) untersucht werden. Die oben interpretierten Beispiele deuten an, dass Zugehörigkeit und Verbundenheit im Erzählen auf unterschiedliche Weise hergestellt werden können: Während Sami in unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichen Interaktionspartner*innen Varianten von Selbst- und Zukunftsentwürfen "ausprobierte" und sich damit zu einem interessanten Gesprächspartner machte, waren es bei Ibrahim gerade das Unterbrechen pädagogisch vorbereiteter Routinen und das Thematisieren der sehr differenten Positionen in der Migrationsgesellschaft und im Bildungssystem sowie seine Perspektive auf das Forschungsprojekt, die eine Verbindung herstellten – und zwar weniger in der unmittelbaren Situation als in den Gesprächen und Interpretationseinheiten, in denen das wissenschaftliche Team sich danach mit der "Intervention" Ibrahims auseinandersetzte. Auch die Geschichten der Lehrer*innen über ihre Erfahrungen mit Schüler*innen und über deren Erzählungen könnten unter einer zugehörigkeitstheoretischen Perspektive interpretiert und z.B. daraufhin befragt werden, welche Geschichten wie "gehört" werden und bei ihnen "ankommen", welche mit eigenen Erfahrungs- und Handlungsperspektiven verknüpft und "zugelassen" werden können, welche aber auch als schwer oder gar nicht "verdaulich" (s. Beispiel in Abschnitt 5) abgewiesen und eingeklammert werden. [75]

Um solche theoretisch, methodisch, aber auch für pädagogische und soziale Praxis relevanten Fragestellungen systematisch weiterzuverfolgen, reicht das im Projekt erhobene Forschungsmaterial nicht aus. Unser Ziel war es, angemessene und anregende narrative Zugänge zu entwickeln, um etwas über die Alltags- und Bildungssituation geflüchteter Jugendlicher zu lernen und diese dabei möglichst weitgehend in den Forschungsprozess einzubeziehen. Dabei haben wir neue Wege erprobt und vielseitiges Material produziert, mit dem wir nicht nur Forschungsfragen beantworten, sondern mindestens ebenso viele neue Fragen und Forschungsthemen herausarbeiten konnten. Einige davon haben wir in diesem Beitrag zur Diskussion gestellt. [76]

Anhang: Legende zu den Transkriptionszeichen

Die wichtigsten Sonderzeichen nach DAUSIEN (1996, S.613-14) sind:

-

prosodische Zäsur

- -

sehr kurze Pause

- - -

kurze Pause, max. 1 Sekunde

(3)

Pause von mehreren Sekunden (Sekundenzahl in Klammern)

Wortab_

Wortabbruch

((lacht))

parasprachliche Äußerung

/((gießt Wasser ein))/

Kommentierung eines die Rede begleitenden Geschehens mit Anfangs- und Endmarkierung

(übersetzt)

akustisch nicht genau verstehbar, aber semantisch dekodierbares Wort

Anmerkungen

1) So bearbeitete etwa ROSENTHAL seit ihren Forschungen zu Biografien von Überlebenden des Holocaust (1997) das Thema Flucht und Exil in unterschiedlichen historisch-politischen und regionalen Kontexten und stellte dabei insbesondere Prozesse der Traumatisierung und der intergenerationalen "Vererbung" von Erfahrungen und Haltungen in den Mittelpunkt. <zurück>

2) Wir beziehen uns hier vorrangig auf den deutschsprachigen Forschungsstand. Beispiele für strukturierte Forschungskontexte zur Situation junger Geflüchteter sind hier die Nachwuchsforschungsgruppe Bildungskontexte und (Aus-)Bildungswege von jungen Geflüchteten im Spannungsfeld von Ein- und Ausgrenzung und das Promotionskolleg Psychosoziale Folgen von Migration und Flucht – generationale Dynamiken und adoleszente Verläufe, beide gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung. <zurück>

3) Vgl. hierzu den aufschlussreichen Beitrag von SCHNITZER (2020), die von ähnlichen methodischen Strategien in Kombination zwischen Biografieforschung und Ethnografie berichtete. <zurück>

4) Das Projekt wurde von 2017 bis 2019 unter unserer Leitung an der Universität Wien durchgeführt und vom Österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science (Nr. SPA06-229) gefördert. <zurück>

5) Ab dem Schuljahr 2015/16 wurden an ausgewählten berufsbildenden (später auch an allgemeinbildenden höheren) Schulen sogenannte "Übergangsstufen" (auch Übergangslehrgänge oder -klassen) für nicht mehr schulpflichtige geflüchtete Jugendliche eingerichtet, die den Anschluss an das nationale Bildungssystem erleichtern sollten (ALPAGU, DRAXL, DAUSIEN & THOMA 2019a). <zurück>

6) Den Begriff der Artikulation entlehnen wir – relativ frei – den Arbeiten Stuart HALLs (2000 [1996], 2004 [1996]) und der inspirierenden Aufarbeitung seines Ansatzes im Hinblick auf die Biografieforschung durch Tina SPIES (2009). Anders als SPIES, die Artikulation als Verknüpfung zwischen biografischem Subjekt und Diskurs fasste, akzentuieren wir mit dem Begriff die narrative Praxis, mit der das Subjekt sich immer wieder neu in die jeweilige soziale Welt "hineinerzählt" und sich mit ihr "verbindet" – nicht nur mit den je relevanten Diskursen, sondern auch mit den Handlungen und materiellen Bedingungen, die diese Welt ausmachen. Damit rücken wir den Begriff in die Nähe des Konzepts der "Biografizität" (ALHEIT 1995, 2018; ALHEIT & DAUSIEN 2000); in beiden Konzepten geht es um die Verknüpfung zwischen individuellen Subjekten und gesellschaftlichen Diskursen und Wissensformationen. <zurück>

7) Dies hatte wesentlich auch mit der Zeitstruktur des Projekts zu tun: Die Klasse, mit der wir zusammenarbeiteten, war auf ein knappes Schuljahr begrenzt. In der Phase der Auswertung und Reflexion im zweiten Projektjahr hatten wir nur noch zu wenigen Jugendlichen Kontakt, um mit ihnen weitere Gespräche führen und sie in Reflexionsprozesse einbeziehen zu können. <zurück>

8) Ein Beispiel dafür ist die Aufmerksamkeit für die Rolle und Funktion des Hausmeister- und Reinigungspersonals als "Gatekeeper", die den Zutritt der Schule und die Legitimität von Anwesenheits- und "Bewegungsformen" nicht nur der Schüler*innen, sondern partiell auch der Forscher*innen und Lehrpersonen im Schulgebäude regulieren. <zurück>

9) Mit dieser Positionierung nehmen wir die Unterscheidung zwischen "schwacher" und "starker" Reflexivität (PLODER & STADLBAUER 2017, S.422-424) auf, auch wenn die Polarisierung sehr zugespitzt erscheint. Wir verstehen die Subjektivität der Forschenden nicht als notwendiges, zu kontrollierendes "Problem", sondern, im Sinne BREUERs (2003), als eigenständigen und notwendigen Erkenntniszugang (s. auch BREUER, MUCKEL & DIERIS 2019). <zurück>

10) Zur Relevanz institutioneller Kontexte für die Hervorbringung von Erzählungen s. GUBRIUM und HOLSTEIN (2017). <zurück>

11) So besuchten wir sie an der Schule und luden sie zu uns an die Universität ein oder besuchten mit ihnen gemeinsam eine Ausstellung. <zurück>

12) Diese Entscheidung hatten wir bereits bei der Projektplanung getroffen, da wir davon ausgehen mussten, dass zumindest einige der Jugendlichen traumatische Erfahrungen gemacht hatten und wir diese nicht aktualisieren wollten. In der ersten Projektphase der Felderkundung und des Beziehungsaufbaus bestätigte sich unsere Entscheidung, wobei auch weitere gewichtige Gründe, wie oben beschrieben, hinzukamen. <zurück>

13) Die Aufgabe der Moderation bestand u.a. darin, darauf zu achten, dass alle Teilnehmer*innen der Runde prinzipiell die gleiche Zeit und Aufmerksamkeit für ihre Erzählung bekamen und dass die vereinbarten Kommunikationsregeln gewahrt wurden (keine Unterbrechung der Erzähler*innen, keine Bewertung der Geschichten usw.). <zurück>

14) Alle im zitierten Material verwendeten Namen sind anonymisiert. <zurück>

15) Jugendcolleges sind ein Bildungsangebot, das vor allem an geflüchtete Jugendliche gerichtet ist, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind. <zurück>

16) Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir in diesem Artikel darauf, das zitierte Material genauer zu kennzeichnen. Bei der Transkription haben wir uns an DAUSIEN (1996, S.613-614) orientiert. Eine Legende zu den Transkriptionszeichen findet sich im Anhang. <zurück>

17) Mit dem Begriff language brokering (ORELLANA 2017) werden in den Sozialwissenschaften Praktiken der Sprachmittlungsarbeit bezeichnet, die sich von professioneller Translation vor allem dadurch unterscheiden, dass überwiegend Kinder und Jugendliche ohne formale Qualifikation und Bezahlung dolmetschen und übersetzen (für einen aktuellen Überblick vgl. ABREU & O'DELL 2017; ORELLANA 2017). Mit der sprachlichen Übertragung werden Kinder und Jugendliche auch zu cultural brokers (MARTINEZ-COSIO & IANNACONE 2007, S.349). Wurden language-brokering-Phänomene lange Zeit unter einer defizitorientierten Perspektive beschrieben, gilt das Interesse in neueren (rekonstruktiven) Arbeiten der Frage, wie Autoritäts- und Machtverhältnisse in language-brokering-Prozessen verhandelt werden, wie Kinder und Jugendliche Translation einsetzen, um "erwünschte" Ergebnisse zu erhalten, oder wie Jugendliche mit ihren Translationsleistungen active citizenship betreiben (vgl. u.a BAUER 2010; EKSNER & ORELLANA 2012; THOMA & DRAXL 2022). <zurück>

18) Ibrahim war ein Schüler, der auch außerhalb der definierten gemeinsamen Projektzeiten und nach Ende des Schuljahres noch Kontakt zum Forschungsteam gesucht hat und unsere offenen Angebote z.B. zu gemeinsamem Essen oder anderen Unternehmungen wahrnahm. <zurück>

19) FISCHER und KOHLI (1987, S.42) sprachen von "Biographisierung" im Zusammenhang mit der sog. Individualisierungsthese, um deutlich zu machen, dass die Individuen jene "Leerstellen" oder "Optionen", die im Zuge moderner Lebensläufe entstehen, durch die Konstruktion biografischen Sinns gewissermaßen "füllen". Der Begriff wurde in der Biografieforschung aufgenommen und verschiedentlich weiterentwickelt. Auch wir schließen an diese Idee an, haben allerdings weniger den historischen Prozess der Übernahme biografischer Formen der Selbstkonstruktion (HAHN 2000) im Blick als vielmehr die alltäglichen, sozial situierten Praktiken der Biografisierung, wie sie z.B. im spontanen autobiografischen Erzählen, aber auch in institutionell gerahmten und u.U. pädagogisch vermittelten Formen der Selbstdarstellung (DAUSIEN & KLUCHERT 2016) stattfinden, so in der Darstellung eines formalen Lebenslaufs oder in angeleiteter Selbstreflexion im Kontext schulischen Unterrichts oder universitärer Lehre. <zurück>

20) Der in unterschiedlichen disziplinären Bezügen verwendete Begriff der "Identitätsarbeit" (z.B. KEUPP 2020; KEUPP & HÖFER 1997) soll an dieser Stelle nicht näher diskutiert werden. Ein Hinweis erscheint jedoch angebracht, der sich auf HAHNs (2000) Unterscheidung zwischen situationaler, an statische Zuschreibungen geknüpfter und verzeitlichter Identitätsdarstellung bezieht. Um Biografie als modernes Schema der Identitätsdarstellung zu erläutern, das wesentlich durch Temporalität, konkret durch die narrative Struktur der (eigenen) Lebensgeschichte gekennzeichnet ist, hob HAHN es von situativen Präsentationsformen ab, die im Alltagshandeln oft mit dem Verweis auf Eigenschaften oder statische Zugehörigkeiten, d.h. ohne biografische Erzählung auskommen. In der Biografieforschung liegt der Fokus nun zumeist auf der autobiografischen Erzählung, die in Interviews gewonnen wird. Vor diesem Hintergrund wird Identitätsarbeit als komplexe Leistung beschrieben, trotz aller Brüche und Ungereimtheiten im Erzählen bzw. in der Interviewinteraktion einen sinnhaften, kohärenten Zusammenhang zu konstruieren (vgl. z.B. FELDEN 2020; LUCIUS-HOENE & DEPPERMANN 2004). So plausibel und gut belegt diese Interpretation auch ist, so stellt sie doch eine Engführung dar. Nicht in den Blick geraten alltägliche, situative Formen der Identitätsarbeit, die ebenfalls "verzeitlicht" sind, also – wie Samis Geschichten – eine biografisch-narrative Struktur aufweisen. Durch die systematische Analyse solcher "kleinen" Alltagserzählungen könnte die Biografieforschung u.U. neue Beiträge zur Identitätsforschung liefern. <zurück>

21) Die Tatsache, dass wir hier Samis Erzählung nachträglich in einem Erinnerungsprotokoll doch darstellen, könnte als Widerspruch zu dieser Aussage gelesen werden. Allerdings standen im Fokus unserer ethnografischen Notizen unsere eigenen Erfahrungen in der Begegnung mit den Jugendlichen in der Phase des Vertrauensaufbaus, nicht die beiläufig erzählten Geschichten der Schüler*innen. Diese sind in den zitierten Protokollauszügen eher zufällig in den Blick geraten. <zurück>

22) Hier ließe sich mit Bezug auf BOURDIEU (2010 [1980]) eine Interpretation im Hinblick auf die Passung von Feld und Habitus anschließen (vgl. auch BREMER 2016). Unsere Beobachtungen deuten zumindest darauf hin, dass das durch den familiären Hintergrund "mitgebrachte" kulturelle Kapital in der Klasse ein zentrales Differenzkriterium darstellt. Da wir jedoch aus den genannten Gründen keine ausführlichen biografischen Interviews durchgeführt haben, lässt sich dieser Aspekt nicht systematisch verfolgen. Gleiches gilt für die bislang noch kaum untersuchte Frage, wie sich ererbtes kulturelles Kapital, biografisch erworbene Erfahrungen im Bildungssystem und Fluchtkontexte überlagern. <zurück>

23) An dieser Stelle wäre auch im Anschluss an RUOKONEN-ENGLER und SIOUTI (2016) genauer zu diskutieren, wie durch biografisches Erzählen wechselseitige Perspektivübernahme, emotionale Involviertheit und Engagement erzeugt werden und daraus soziale Verbundenheit, "Solidarität" und "Interesse" entstehen. <zurück>

24) Wir hatten die günstige Situation, dass die Schüler*innen bereits zu Beginn des Projekts ausreichende, z.T. sehr gute Deutschkenntnisse mitbrachten und wir auf die zunächst geplante Arbeit mit Dolmetscher*innen verzichten konnten. Zudem war Mehrsprachigkeit nicht nur ein zentrales Thema des Projekts, sondern auch eine legitime, wenngleich nur begrenzt gelebte Praxis in der gemeinsamen Arbeit (ALPAGU et al. 2019a; DAUSIEN et al. 2020). <zurück>

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Zu den Autorinnen

Bettina DAUSIEN ist Bildungs- und Sozialwissenschaftlerin. Nach Studien der Psychologie, Sozialwissenschaft und Erwachsenenbildung, Promotion (Universität Bremen) und Habilitation (Universität Bielefeld) war sie als Professorin in München, Flensburg und von 2009 bis 2022 an der Universität Wien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Theorien und Methodologien der Biografieforschung, interpretative Sozialforschung, Geschlecht und Sozialisation, Bildung im Lebenslauf, Reflexion pädagogischer Praxis und reflexive Biografiearbeit. Sie ist Redaktionsmitglied bei BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen. Aktuell arbeitet sie zum Thema Studierendenbiografien und an einem Buchprojekt zu Biografieforschung und Ethnografie.

Kontakt:

Dr. Bettina Dausien

Institut für Bildungswissenschaft
Universität Wien
Sensengasse 3a
1090 Wien
E-Mail: bettina.dausien@univie.ac.at
ORCID: 0000-0002-5058-3887

 

Nadja THOMA ist Universitätsassistentin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien und Senior Researcher bei EURAC Research. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeit im Kontext von Migration/Flucht und sozialer Ungleichheit, Sprache und Biografie, Sprachbildungspolitik vor dem Hintergrund von Globalisierung und Neoliberalisierung, pädagogische Professionalisierung für mehrsprachige Bildungsinstitutionen sowie rekonstruktive Sozialforschung, insbesondere Ethnografie und Biografieforschung. Derzeit leitet sie ein Projekt zu Mehrsprachigkeit und sprachlicher Bildung in der frühen Kindheit und eines zu Bildungswegen montenegrinischer Student*innen.

Kontakt:

Dr. Nadja Thoma

Institut für Bildungswissenschaft
Universität Wien
Sensengasse 3a
1090 Wien
E-Mail: nadja.thoma@univie.ac.at
ORCID: 0000-0001-9084-9638

Zitation

Dausien, Bettina & Thoma, Nadja (2023). "Kleine Geschichten" als Forschungszugang. Reflexionen zum biografischen Erzählen aus einem ethnografischen Projekt mit geflüchteten Schüler*innen [76 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 24(1), Art. 3, http://dx.doi.org/10.17169/fqs-24.1.3784.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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