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Volume 24, No. 2, Art. 11 – Mai 2023

Begegnungen im Digitalen. Qualitative Sozialforschung als intersituative und polymediale Praxis

Stefanie Raible, René Werner & Stefan Laube

Zusammenfassung: Wie beeinflusst der Einsatz elektronischer bzw. digitaler Medien die Produktion von Daten in qualitativen Interviews und Beobachtungen? Während methodologische Reflexionen bislang v.a. auf die qualitative Erforschung digitaler Felder konzentriert sind, erweitern wir die Perspektive auf Felder, die nicht per se digital sind, die aber mittlerweile von qualitativ Forschenden immer häufiger mit digitalen Erhebungsmethoden untersucht werden (z.B. mittels Videotelefonie). Mithilfe von Interview- und Beobachtungsprotokollen aus der eigenen Feldforschungspraxis beleuchten wir dabei die Relevanz von zwei Aspekten: zum einen das Nebeneinander von virtueller Interview- bzw. Beobachtungssituation und den physisch situierten Situationen der Beteiligten und zum anderen die Auswahl bestimmter Medien(-funktionalitäten) angesichts großer Medienvielfalt. Um Praktiken in unserem empirischen Material zu entdecken, die mit diesen Aspekten verknüpft und in methodologischer Hinsicht besonders relevant sind, nutzen wir die theoretischen Konzepte "Polymedien" und "Intersituativität" als analytische Sehhilfen. Mit diesem Vorgehen schlagen wir eine Brücke zwischen der methodologischen Reflexion von digitalen Erhebungsmethoden in der qualitativen Sozialforschung und theoretischen Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Technik- und Medienforschung.

Keywords: Digitalisierung; methodologische Reflexivität; Feldforschung; qualitative Interviews; Ethnografie; elektronische Medien; digitale Medien; digitale Methoden; Covid-19-Pandemie

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vielörtlichkeit und Medienvielfalt in der Feldforschung als Gegenstand methodologischer Reflexivität erschließen

2.1 Theoretische Perspektiven zu Vielörtlichkeit und Medienvielfalt

2.2 Vielörtlichkeit und Medienvielfalt in der (eigenen) Feldforschung reflektieren: empirisches Vorgehen und Material

3. Qualitative Datenproduktion als intersituative und polymediale Praxis

3.1 Mehr als ein gemeinsamer Ort: Intersituativität der Datenproduktion

3.1.1 Ruhe vor der Organisation schaffen

3.1.2 Sich und andere verorten

3.1.3 Sich anderen mit dem eigenen Körper und Wohnort aussetzen 

3.2 Mehr als ein Medium: Polymedialität der Datenproduktion

3.2.1 Miteinander warm werden

3.2.2 Sich für und gegen (un-)angemessene Medien entscheiden

3.2.3 Mediale Separees zur Etablierung von Informalität erstellen

4. Fazit und Schlussfolgerungen

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Zur Autorin und zu den Autoren

Zitation

 

1. Einleitung

In der qualitativen Sozialforschung gelten Formen des Interviewens und der teilnehmenden Beobachtung nicht als Methoden des Auffindens von empirischem Material: Interview- und Beobachtungsdaten sind eben nicht auffindbar wie Steine an einem Strand. Entgegen einem solchen "naiven Positivismus" (BERGMANN 2006, S.25) sind sich qualitativ Forschende heute weitgehend einig, dass die Datenproduktion mithilfe von Interviews und Ethnografie als soziale Interaktion zwischen Forscher:innen und Teilnehmer:innen aufgefasst werden muss (BETHMANN 2019; DEPPERMANN 2013). Vor diesem Hintergrund wird mit der Debatte um eine explizite bzw. starke Reflexivität (KUEHNER, PLODER & LANGER 2016; YANOW 2009) darauf abgezielt zu verdeutlichen, in welcher Weise qualitative Forschung in den Interaktionen und Beziehungen zwischen Forscher:innen und Teilnehmer:innen produziert wird. Dies hat zum einen zu einer großen Anzahl reflexiver Analysen der eigenen Positionierung in der Feldforschung und deren Einfluss auf die Produktion von Interview- und Beobachtungsdaten geführt, z.B. in Bezug auf Ethnizität (GOFFMAN 2014; SHEHATA 2006), Geschlecht (LUGOSI 2017; ORRICO 2015) oder Bildung (PACHIRAT 2009). Zum anderen wurde auch damit begonnen zu untersuchen, wie materielle Praktiken, etwa das Anfertigen von Feldnotizen, dazu beitragen, Daten in Interaktionen in der Feldforschung herzustellen (LAUBE 2021). Vor dem Hintergrund anhaltender gesellschaftlicher Prozesse der Digitalisierung ist für die methodologische Reflexion qualitativer Forschung aber auch von besonderem Interesse, in welcher Weise digitale Kommunikationsmedien an der interaktiven Produktion qualitativer Daten mitwirken. [1]

Grundsätzlich können digitale Medien in der qualitativen Sozialforschung in mindestens zwei Konstellationen eine prominente Rolle einnehmen: Zum einen können sich Sozialforscher:innen für Phänomene interessieren, welche sich (vor allem) in von digitalen Medien vermittelten Feldern abspielen. Die Nutzung von digitalen Medien entspricht hier dem sozialen Kontext und ist eine Voraussetzung, um in den entsprechenden Ausschnitt sozialer Welten einzutauchen (z.B. Online-Communities) – ein Umstand, der in der methodologischen Diskussion zu virtueller bzw. digitaler Ethnografie bereits vielfach verdeutlicht wurde (ECKHARDT & KLAUSNER 2023; HINE 2000, 2015; HJORTH, HORST, GALLOWAY & BELL 2017; MARKHAM 2020). Zum anderen können Medien aber auch in ein Feld oder eine Erhebungssituation gleichsam von außen eingebracht werden, wenn etwa anstelle eines Face-to-Face-Interviews ein Interview per Telefon oder Videotelefonie durchgeführt wird. Vor allem seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 sahen sich qualitative Sozialforscher:innen unweigerlich und verstärkt mit der letztgenannten Konstellation konfrontiert. Neu an dieser Entwicklung ist also, dass qualitative Forscher:innen nicht unbedingt verstärkt digitale Felder untersuchen, sondern dass sie nun häufiger mit digitalen Erhebungsmethoden forschen. [2]

Vor diesem Hintergrund ergibt sich der dringende Bedarf zu reflektieren, wie der vermehrte Einsatz elektronischer bzw. digitaler Kommunikationsmedien in der Produktion qualitativer Daten die methodische Praxis qualitativer Sozialforschung verändert. Aus Anlass der Beschränkungen von physischen Treffen in der Pandemie wurde dazu eine internationale Debatte begonnen, in der sich drei Positionen unterscheiden lassen: einerseits positive Berichte über die Verwendung von Medien in der Forschung (v.a. Videotelefonie oder Telefonie), deren Autor:innen zu dem Schluss kamen, dass die Vorteile (z.B. Kostenersparnis, zeitliche Flexibilität, Überbrückung großer räumlicher Distanzen) die Nachteile (z.B. technische Probleme) überwiegen (ARCHIBALD, AMBAGTSHEER, CASEY & LAWLESS 2019; GRAY, WONG-WYLIE, REMPEL & COOK 2020; LOBE, MORGAN & HOFFMAN 2020; SAARIJÄRVI & BRATT 2021). Dieser Position gegenüber stehen andererseits Autor:innen, die davon ausgehen, dass der Einsatz von elektronischen Medien die qualitative Forschungspraxis selbst in eine Krise stürze (REICHERTZ 2021). Neben zum Teil berechtigten Befürchtungen, dass dauerhafte Beschränkungen von Face-to-Face-Kontakten sich nachteilig auf Datenauswertung (etwa in Interpretationsgruppen) und Karrieren des wissenschaftlichen Nachwuchses (durch Verzögerung von Feldzugängen) auswirken sowie den potenziellen Ausschluss bestimmter Untersuchungsgruppen (z.B. kranke und vulnerable Gruppen) mit sich brächten, wurde hier auch eine defizitäre Qualität der Datenproduktion angenommen (S.322f.). Begründet wurde dies damit, dass "mit digitalen Medien hergestellte Ko-Präsenz zwar Treffen, aber keine Begegnungen sind" (S.314). Es wird also unterstellt, dass digitale Medien den Aufbau von Sozialität in interaktiven Konstellationen der qualitativen Datengewinnung grundsätzlich erschweren – eine Annahme, die wir in dieser pauschalen Form nicht teilen. [3]

Begründen lässt sich unser Einwand mit dem Verweis auf eine dritte Position in der Debatte. Diese unterscheidet sich von den beiden erstgenannten dadurch, dass ihre Vertreter:innen von einer Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen absehen und stattdessen für eine grundsätzliche methodologische Reflexion der Verwendung digitaler Medien in der qualitativen Forschungspraxis plädieren (FINE & ABRAMSON 2020; SCHIEK, SCHINDLER & GRESCHKE 2022). Mit diesem Vorschlag verbunden ist auch der Hinweis auf eine dominante Annahme der erstgenannten beiden Positionen: Technikvermittelte Interaktionen zwischen qualitativ Forschenden und Forschungsteilnehmenden wurden in beiden Positionen zu Unrecht als Zäsur zu einem (vor-pandemischen) Status dargestellt. Qualitative Forschung "mit und über digitale Medien" (SCHIEK et al. 2022, S.23) hat jedoch nicht erst mit der Pandemie begonnen. In ganz unterschiedlichen Arbeits- und Lebenskontexten zählt medial vermittelte Anwesenheit schon länger zum normalen Alltag: vom Niedriglohn-Job Call-Center (LAUBE 2016) über den Trading Room im Hochverdienstsegment Finanzmarkt (LAUBE 2019) genauso wie im transnationalen Familienleben, das aufgrund der arbeitsbedingten Abwesenheit eines Elternteils in räumlicher Distanz geführt wird (z.B. GRESCHKE & MOTOWIDLO 2020).1) Und bezogen hierauf weist qualitative Sozialforschung mittlerweile eine kurze, aber durchaus einschlägige Geschichte des Forschens in bzw. mit elektronischen oder digitalen Medien auf. Neben methodischen Beiträgen in Form von meist unkritischen How-to-Anleitungen (ARCHIBALD et al. 2019; GRAY et al. 2020; LOBE et al. 2020; SAARIJÄRVI & BRATT 2021) finden sich darin durchaus methodologische Auseinandersetzungen, wobei fachdisziplinäre Unterschiede hervorstechen. Während etwa die digitale Ethnografie in der Kulturanthropologie eine methodologisch vielfach reflektierte und etablierte Arbeitsweise der Erforschung digitaler Felder darstellt (ARDÉVOL & GÓMEZ-CRUZ 2012; FLEISCHHACK 2019; PINK et al. 2019; SANJEK 2016), finden sich in anderen Bereichen qualitativer Sozialforschung seit jüngerer Zeit vermehrt methodologische Beiträge zu medial vermittelten Erhebungsmethoden. Auffallend ist dabei, dass meist die Verwendung spezifischer Medien für die Datenproduktion reflektiert wird – etwa Telefon (GRUBER, EBERL, LIND & BOOMGAARDEN 2021; NIEDERBERGER & RUDDAT 2012; OLTMANN 2016; SELF 2021), Messengerdienste (KAUFMANN, PEIL & BORK-HÜFFER 2021), E-Mail (BAMPTON & COWTON 2002; DAHLIN 2021, SCHIEK 2022) – oder die Teilhabemöglichkeiten von bestimmten Forschungsteilnehmenden, z.B. von Angehörigen vulnerabler Gruppen (GÖTZENBRUCKER, GRIESBECK & PREIBISCH 2022). [4]

In diesem Beitrag möchten wir zu einer Stärkung und Erweiterung der letztgenannten Position beitragen. Wir fragen nicht nach den Auswirkungen bestimmter Kommunikationsmedien, sondern danach, welche Besonderheiten und Bedingungen sich für die Datenproduktion ergeben, wenn Erhebungssituationen nicht in physischer, sondern medial vermittelter Ko-Präsenz stattfinden. Anhand von Interview- und Beobachtungsprotokollen aus unseren eigenen Feldforschungen analysieren wir, wie wir als qualitative Forscher:innen zusammen mit den Forschungsteilnehmer:innen und unter Verwendung verschiedener elektronischer Medien Interview- und Beobachtungsdaten erzeugt haben. Es geht uns darum, sowohl den Umgang der Beteiligten miteinander als auch mit den kommunikativen Funktionalitäten der verwendeten Medien in ihren Folgen für die Gewinnung von qualitativen Daten zu reflektieren. Mit der Untersuchung dieser Fragestellung möchten wir die methodologische Reflexion auch von solchen qualitativen Forschungen anregen und bereichern, in deren Rahmen nicht spezifisch zu digitalen Feldern, aber (eben inzwischen immer häufiger) mit digitalen Methoden geforscht wird. [5]

Wir konzentrieren uns auf zwei Aspekte, die zwar in der methodologischen Diskussion zu digitaler Ethnografie thematisiert wurden, die aber fachübergreifend in der qualitativen Sozialforschung in ihren Folgen für die Praxis der Datenerhebung bislang zu wenig Beachtung gefunden haben2): Erstens sind die meisten sozialen Kontexte der Gegenwartsgesellschaft nicht von einem Medium, sondern von einer Vielzahl an Medien bzw. medialen Kommunikationsmöglichkeiten gekennzeichnet. Dieser Vielfalt stehen die Teilnehmenden nicht passiv gegenüber, sondern sie greifen einige Medien bzw. Teilfunktionalitäten von Medien für bestimmte Interaktionen aktiv und gestaltend auf, während sie andere ignorieren. Zweitens bedeutet die Verwendung digitaler Medien dezidiert nicht, dass physisch situierte Situationen und andere Offline-Aspekte für die Aufrechterhaltung medial vermittelter Interaktionen hinfällig werden. Bei Treffen in medial vermittelter Ko-Präsenz spielen gerade die Integration und Passung zwischen der medialen Situation und den physischen Situationen der Teilnehmenden eine konstitutive Rolle. Diese Passung ist keine rein technische Angelegenheit, sondern Ergebnis sozio-technischer Strategien und Aushandlungsprozesse. Die methodologische Reflexion der Produktion von qualitativen Interview- oder Beobachtungsdaten muss daher sowohl sozial bedingte Selektions- und Aneignungsstrategien von Medien in den erforschten Feldern umfassen als auch die medienbedingte Vielörtlichkeit, der die Teilnehmenden mit Strategien der Passung von Online- und Offline-Situationen begegnen. [6]

Um diese beiden Aspekte in ihrer Bedeutung für die qualitative Feldforschung zu reflektieren, stellen wir im Folgenden zunächst zwei theoretische Konzepte vor. Mit diesen lassen sich Begegnungen auf räumliche Distanz als Ergebnis von zwei konstitutiven Prozessen verstehen: zum einen die Integration von medial situierten und physisch situierten Situationen und zum anderen die selektive Aneignung spezifischer Medien(-funktionen) vor dem Hintergrund einer zunehmenden Medienvielfalt (Abschnitt 2.1). Wir verorten diese Konzepte in einer technik- und mediensoziologisch inspirierten Perspektive auf medial vermittelte Interaktionen. Danach gehen wir auf die von uns verwendeten Interview- und Beobachtungsprotokolle ein und legen den Entstehungskontext des empirischen Materials dar. Es handelt sich dabei um Protokolle zu telefonischen Interviews, videotelefonischen Interviews und teilnehmender Beobachtung in Videokonferenzen (Abschnitt 2.2). Anschließend stellen wir einige Ergebnisse unserer reflexiven Analyse vor und zeigen, in welcher Weise die interaktive Datenproduktion vom Umgang der Beteiligten mit medienbedingten Vielörtlichkeiten und medialer Vielfalt geprägt war (Abschnitt 3). Abschließend resümieren wir in Abschnitt 4 unsere Ergebnisse und skizzieren Implikationen für die qualitative Forschung. [7]

2. Vielörtlichkeit und Medienvielfalt in der Feldforschung als Gegenstand methodologischer Reflexivität erschließen

Um die Beteiligung elektronischer und digitaler Medien bei der Datenproduktion in Begegnungen auf Distanz zu analysieren, greifen wir auf techniksoziologische Arbeiten zurück, in denen die Nutzung von Technologie weder technik- noch sozialdeterministisch gefasst wird (MEYER & SCHULZ-SCHAEFFER 2006; ORLIKOWSKI 1992; SCHUBERT & SCHULZ-SCHAEFFER 2019). Dies bedeutet, dass wir weder annehmen, dass bestimmte materielle Funktionen von Medien Handlungen bestimmen – ein und dieselbe Technologie, z B. eine Videotelefonie-Anwendung, kann von verschiedenen Nutzer:innen unterschiedlich verwendet und interpretiert werden. Noch möchten wir die Konstruktionsleistung von Subjekten überbetonen: Materielle Funktionalitäten oder Beschaffenheiten von Technologien sind keinesfalls irrelevant für ihre Nutzungsweise. Ein Hammer kann neben dem Einschlagen eines Nagels auch dazu benutzt werden, an eine Tür zu klopfen oder sich am Kopf zu kratzen – damit zu telefonieren, bleibt einem dennoch verwehrt. [8]

Unsere theoretische Perspektive ist folglich von der Einsicht geprägt, dass die Durchführung eines Interviews oder einer Ethnografie auf Distanz nicht nur mit Bezug auf die Funktionalitäten von Kommunikationsmedien reflektiert werden kann, sondern dass auch ihr aktiver Gebrauch durch die beteiligten Nutzer:innen berücksichtigt werden muss. Um diese grundlegende techniksoziologische Erkenntnis für unsere Frage zum Umgang mit Medienvielfalt und Vielörtlichkeit im Vollzug digitaler Methoden qualitativer Feldforschung zuzuspitzen, erweitern wir sie mit zwei theoretischen Konzepten: Das Konzept der "Intersituativität" hilft uns, die Bedeutung von (Viel-)Örtlichkeiten im Sinne der Passung von Online- und Offline-Situationen zu erfassen. Das Konzept der "Polymedien" ermöglicht uns, die Beschaffenheit eines Feldes besser zu verstehen, in dem viele Medien zur Verfügung stehen, aber nur bestimmte Medien bzw. Teilfunktionen von Medien selektiert werden3). [9]

2.1 Theoretische Perspektiven zu Vielörtlichkeit und Medienvielfalt

"Intersituativität" (HIRSCHAUER 2014; vgl. auch ELLEBRECHT & ZUR NIEDEN 2020) ist ein sozialtheoretisches Konzept, mit dem sich veranschaulichen lässt, dass sich digitale Interaktionen (z.B. in Videokonferenzen) nicht auf mediale Interaktionsräume beschränken, sondern durch eine Gleichzeitigkeit bzw. ein Nebeneinander von medial vermittelten und physisch situierten Situationen gekennzeichnet sind. Das Wechselspiel zwischen On- und Offlineräumen, das auch eine wesentliche Thematik im Kontext digitaler Ethnografie ist (z.B. FLEISCHHACK 2019; HINE 2015), kann mit diesem Konzept auf einen ganz bestimmten Aspekt konzentriert werden: Synchrone Teleinteraktionen, bei denen sich körperlich Abwesende mithilfe von Technologien gleichzeitig und wechselseitig als ko-präsent wahrnehmen können, bedingen die Verflechtung einer medial vermittelten (Online-)Situation mit den physisch-räumlichen (Offline-)Situationen der Beteiligten. Mit dieser Perspektive lässt sich veranschaulichen, dass sich Teleinteraktionen in räumlicher Distanz durch eine translokale Gleichzeitigkeit von mehreren Situationen auszeichnen. Intersituativität zeigt sich etwa bereits beim Telefonieren, bei dem sich zwei Individuen in mindestens drei Situationen wiederfinden: "körperlich hier (wo Ablenkungen drohen), akustisch am Rande dort beim Gesprächspartner (wo man Hintergrundgeräusche hört), interaktiv im ortlosen Raum des Telefonats [...]" (HIRSCHAUER 2014, S.121). [10]

Zentral ist dabei, dass das Neben- und Ineinander von im Medium situierter und physisch situierter Situation nicht einfach nur technisch erzeugt und aufrechterhalten wird, sondern von den Beteiligten aktiv reguliert und gestaltet werden muss. In diesem Sinn ist es nicht egal, an welchem physischen Ort sich (video-)telefonierende Personen befinden und in welcher Weise sie die Medienvermitteltheit der Kommunikation vor Ort materiell situieren. Ob das physisch situierte Geschehen etwa am außerhäuslichen Büroarbeitsplatz oder im Homeoffice in einem medial vermittelten Interview als Stör- und Ablenkungsquelle fungiert oder ob es gar nicht weiter auffällt, ist Ergebnis der Integration dieser Mehrfach-Situation. Dabei stellt sich aus methodologischer Sicht die Frage, wie sich Feldforscher:innen gegenüber die Intersituativität von medial vermittelter Datenproduktion bemerkbar macht und diese beeinflusst. [11]

Für die Untersuchung unserer Frage – wie werden qualitative Daten in Interview- oder Beobachtungssituationen erzeugt, wenn diese medial vermittelt stattfinden – hilft uns dieses Konzept auf folgende Weise: Interviewen und Ethnografieren auf Distanz lässt sich nicht auf die Teilnahme an Online-Situationen beschränken, sondern umfasst Verflechtungen mit den physischen Aufenthalts-, Arbeits- oder Lebensorten der Beteiligten. Daher legt ein intersituativer Blick auf unser Datenmaterial nahe, dieses danach zu analysieren, wie die Beteiligten die Verflechtung von Online- und Offline-Situation regulieren, um ein Gesprächs- bzw. Teilnahmeformat zu erzeugen, bei dem sie nicht nur am Apparat bzw. zugeschaltet, sondern in sozialer Hinsicht anwesend und involviert sind. [12]

Das medientheoretische Konzept "Polymedia" (MADIANOU & MILLER 2012), das ursprünglich im Kontext der digitalen Anthropologie entwickelt (MADIANOU 2015) und inzwischen auch in der qualitativen Soziologie rezipiert wurde (z.B. GRESCHKE 2022), verwenden wir, um zu beleuchten, dass qualitative Sozialforscher:innen und die Teilnehmenden im Feld grundsätzlich auf eine Vielzahl an miteinander verschränkten Medien zurückgreifen können, um qualitative Interviews und ethnografische Beobachtungen hervorzubringen. Aus mediensoziologischer Sicht ist die Verwendung dieses Begriffs sinnvoll, weil er den Blick darauf schärft, dass die Wahl von Medien bzw. einzelner ihrer Teilfunktionen nicht (nur) aufgrund von Ressourcen oder dem Mangel an solchen erfolgt, sondern aufgrund sozialer Kriterien. Jedes Medium ermöglicht spezifische Informationsbedingungen für die Interaktion, da man beispielsweise in E-Mails andere Inhalte und Botschaften bzw. diese in anderer Form vermitteln kann als in einem Telefonat (MADIANOU & MILLER 2012, S.170f.). Wenn etwa eine in England arbeitende Mutter ein Telefonat mit den eigenen Kindern auf den Philippinen einem Videoanruf vorzieht, weil in der Situation emotionale Anzeichen von arbeitsbedingtem Stress oder Traurigkeit für die Kinder nicht (so leicht) erkennbar sein sollen, zeigt das die soziale Dimension der Medienwahl unabhängig von reinen Ressourcenfragen (S.179). [13]

Mit Polymedialität meinen wir also nicht (nur) den Einsatz verschiedener Medien für verschiedene Zwecke – wie zum Beispiel eine E-Mail als Medium für die erste Kontaktaufnahme oder Videokonferenzsoftware als zur gleichzeitigen Aufzeichnung geeignetes Medium für eine Interviewsituation. Vielmehr erfolgt die Entscheidung für ein Medium, weil es sich in seinen Kommunikationsqualitäten von anderen Medien unterscheidet und deshalb für die Situation von mindestens einer der beteiligten Personen als angemessener erachtet wird als ein anderes Medium. Das Konzept ist für unser Forschungsinteresse relevant, da es uns dafür sensibilisiert, dass Mitglieder eines Felds bereits bestimmte Medien bzw. bestimmte Teilfunktionalitäten von Medien aus sozialen Gründen präferieren und erwarten können – unabhängig von den medialen Vorlieben oder Gewohnheiten der Forschenden. [14]

Wir verwenden die beiden hier skizzierten theoretischen Konzepte, um zu zeigen, dass die Durchführung eines Interviews oder einer Ethnografie auf Distanz nicht nur mit Bezug auf die Funktionalitäten von Kommunikationsmedien reflektiert werden kann: Die Effekte, die Medien für die Produktion qualitativer Daten in der Feldforschung zeitigen, werden maßgeblich durch die Beteiligten und deren Verwendung der Medien hervorgebracht. Zwei Aspekte sind dabei für uns besonders relevant: Erstens verdeutlichen wir, dass qualitative Forschung die Polymedialität der erforschten Felder berücksichtigen muss; d.h., dass neben vermeintlichen Leitmedien (z.B. Videokonferenzen) auch andere Kommunikationsmedien ins Spiel kommen können, deren Auswahl anhand von sozialen Kriterien erfolgt. Und zweitens ist zu berücksichtigen, dass die Erzeugung von sozialen Begegnungen im und mit dem Feld im Rahmen medial vermittelter Feldforschung sich nicht nur auf Online-Situationen beschränken lässt, sondern dass gerade die Herstellung dieser Begegnungen von der intersituativen Verknüpfung von Online-Umgebungen mit den physischen Aufenthalts-, Arbeits- und Lebensorten der Beteiligten abhängt. [15]

2.2 Vielörtlichkeit und Medienvielfalt in der (eigenen) Feldforschung reflektieren: empirisches Vorgehen und Material

Um die oben erläuterten theoretischen Perspektiven für eine reflexive Analyse des Umgangs mit Vielörtlichkeit und Medienvielfalt in der Feldforschung auf Distanz in ihren Folgen für die Datengewinnung nutzbar zu machen, verwenden wir Interview- und Beobachtungsprotokolle aus eigenen Feldforschungen. In den (zum Teil noch laufenden) Studien verfolg(t)en wir jeweils verschiedene Fragestellungen mit unterschiedlichen soziologischen Bezügen etwa zur Technik-, Wissenschafts-, Organisations-, Medien- und Interaktionssoziologie. Gemeinsamkeit jenseits dieser Unterschiede war/ist, dass in all diesen Forschungen Varianten des Interviewens oder Beobachtens in elektronischen bzw. medial vermittelten Umgebungen zum Einsatz kamen: erstens telefonische Interviews mit Gründer:innen sowie mit Mitarbeiter:innen von Startups, die von 2019 bis 2020 (also vor Ausbruch der Covid 19-Pandemie) durchgeführt wurden4); zweitens videotelefonisch vermittelte Interviews, die seit dem Frühjahr 2020 als pandemiebedingte Alternative zu Face-to-Face-Interviews geführt wurden (die Interviewpartner:innen waren hier einerseits Anbieter:innen und Nutzer:innen von KI-Entscheidungssystemen5) sowie andererseits Hochschulprofessor:innen im Bereich Data Science6)); und drittens ethnografische Beobachtungen von Videokonferenzen, die 2021 im Rahmen der Untersuchung von Trainings zu Kommunikation und Anwesenheit in beruflichen Videokonferenzen durchgeführt wurden7). [16]

Die in diesem Artikel verwendeten Protokolle zu medienvermittelten Interview- und Beobachtungssituationen fertigten wir ursprünglich zu einem großen Teil als Beiwerk der Feldforschungen an. Erst für den vorliegenden Artikel stellen wir sie in den Mittelpunkt, indem wir sie als empirisches Material für die Analyse unserer eigenen Forschungspraxis im Lichte expliziter bzw. starker Reflexivität (KUEHNER et al. 2016; YANOW 2009) nutzen und aufbereiten. Wir legen dabei die Schwerpunkte auf die medienbezogenen Besonderheiten und Herausforderungen, die bei der interaktiven Datenproduktion aufgetreten sind und wie wir in der Feldforschung mit diesen umgegangen sind. [17]

Für den vorliegenden Beitrag haben wir das Datenmaterial in mehreren gemeinsamen Interpretationssitzungen einer eigenständigen computerunterstützten Analyse durch MAXQDA unterzogen. In einem ersten Schritt wurde im Sinne der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) offen kodiert (STRAUSS & CORBIN 1996 [1990]). Wir verglichen dabei die beschriebenen video-/telefonischen Situationen mit idealtypischen Face-to-Face-Interaktionen, um herauszuarbeiten, wie sich die interaktive Hervorbringung der Erhebungssituation durch den Einsatz der jeweiligen Medien veränderte. Im Sinne der GTM zielten wir darauf ab, neue Theorien zu entwickeln bzw. bestehende theoretische Ideen weiterzuentwickeln (STRÜBING 2014; TRUSCHKAT, KAISER & REINARTZ 2005), weshalb wir in einem zweiten Schritt die Konzepte der Intersituativität und Polymedialität als theoretische "Sehhilfen" (SCHEFFER 2002, S.370ff.) genutzt haben. Dabei ging es uns nicht darum, unsere Beobachtungen an vorgefertigte Begriffe anzugleichen, sondern mit diesen Konzepten unserer "Empirie auf die Sprünge" (S.371) zu helfen. Unsere Kodes sind das Ergebnis einer an diesen theoretischen Konzepten orientierten analytischen Fokussierung, wobei wir aber genügend Spielraum beließen, um Entdeckungen aus dem empirischen Material heraus zu entwickeln, die sich nicht in den theoretischen Konzepten erschöpfen. In der Darstellung unserer Ergebnisse stellen wir nicht einzelne Medien (z.B. Telefon oder Videotelefonie) oder Feldforschungen in den Mittelpunkt, sondern die Kodes, die wir aus dieser Analyse unserer Daten entwickelt haben. [18]

3. Qualitative Datenproduktion als intersituative und polymediale Praxis

Ausgehend von der Prämisse, dass interview- und ethnografiebasierte Datenproduktion soziale Interaktion ist, interessiert uns im Folgenden, wie diese Interaktion in video-/telefonischen Konstellationen von den Beteiligten aufgebaut werden kann. Dabei teilen wir die Überzeugung, dass Sozialität in räumlicher Distanz zwischen den Forscher:innen und den Teilnehmer:innen hergestellt werden muss und dass dies auch scheitern kann. Dasselbe trifft jedoch auch für qualitative Datenproduktion in physischer Ko-Präsenz zu. Entscheidend ist aus unserer Sicht, dass solche medial vermittelten Situationen nicht grundlegend defizitär für die Herstellung sozialer Interaktionen (zwischen Forscher:innen und Teilnehmenden) sind, sondern dass diese unter bestimmten Bedingungen stattfinden, die sich zum Teil erheblich von physischer Ko-Präsenz unterscheiden. [19]

3.1 Mehr als ein gemeinsamer Ort: Intersituativität der Datenproduktion

Wir nutzen das Konzept der Intersituativität zur Sensibilisierung dafür, dass in unseren Feldforschungen nicht nur die gemeinsame medial situierte Situation (in Form einer Videokonferenz oder eines Telefonats) von Bedeutung war, sondern auch die physisch situierten Situationen der Teilnehmer:innen. Die unterschiedlichen Verkettungen des Nebeneinanders dieser Mehrfach-Orte waren konstitutiv für die Qualität der Begegnungen zwischen Forschenden und Forschungsteilnehmenden. [20]

3.1.1 Ruhe vor der Organisation schaffen

Wie Vielörtlichkeit in der Feldforschung auf Distanz dazu beitragen kann, eine vertrauensvolle und ungestörte Interviewsituation zu schaffen, zeigen wir mit unserem ersten Kode Ruhe vor der Organisation. Denn auffällig war, dass die Interviewpartner:innen im Feld der Startup-Unternehmen für die Telefonate meist Termine am Morgen oder Abend vorschlugen, während wir Interviews in räumlicher Ko-Präsenz typischerweise im Laufe des (Arbeits-)Tages führten. Im Rahmen der telefonischen Interviews erwähnten die Interviewten dann auch häufig, dass sie noch oder bereits wieder zuhause seien. Meist verwiesen sie auch darauf, dass es dort einfach ruhiger sei als im lauten Co-Working-Space, in welchem sie sich tagsüber aufhielten. Erst die technikvermittelte Durchführung des Interviews konnte also in diesem Feld eine für dessen Mitglieder ungewohnt ungestörte Atmosphäre generieren, in der sie frei erzählen konnten. [21]

Dass es sich hierbei aber nicht nur um Ruhe im Sinne der Abwesenheit von Lautstärke, der Störung durch Anrufe oder von Geräuschen der arbeitenden Co-Gründer:innen handelte, sondern vielmehr um eine Ruhe vor der Organisation Start-Up, zeigte sich insbesondere vor oder am Beginn der Interviews:

"Vor unserem Interview erzählt der Startup-Gründer J, dass er noch zuhause sei, die Familie gerade am Frühstück. Während des Interviews hört man zwischendurch immer wieder J‘s Baby schreien, von dem er an einer Stelle auch explizit berichtet. J erzählt sehr ausführlich und detailliert, auch über Probleme bei seinem vorherigen Arbeitgeber und über Probleme in der 'Startup-Welt' und bei aktuelle Kundenprojekten" (Interviewprotokoll Gründer J, 3. Dezember 2019, Abschnitt 2). [22]

Das Interview fand, ebenfalls mit der Begründung, dann mehr Zeit und Ruhe zu haben, bereits um 8:15 Uhr statt. Ein schreiendes Baby bzw. eine frühstückende Familie könnte als Kontrast zur postulierten Ungestörtheit gesehen werden, doch der Interviewpartner erzählte sehr offen und entspannt. Im Verlauf des Interviews berichtete er von der auch in Face-to-Face-Interviews von der Forscherin selbst erlebten beengten, räumlichen Situation im Feld, in seinem Fall ein einziger großer Tisch in einem Co-Working-Space mit mehreren Mitarbeitenden. Ruhe vor der Organisation zu erzeugen, so unsere These, kann in diesem Fall nicht bedeuten, keine lärmenden Geräusche vorzufinden, sondern unbeobachtet durch Co-Gründer:innen, Mitarbeiter:innen oder andere – ggf. konkurrierende – Mithörende erzählen zu können. Zuhause, noch vor Beginn der Arbeit, war ihm dies viel besser möglich als an seinem Arbeitsplatz. [23]

Die Intersituativität des Telefonats konnte hier als Ressource genutzt werden, um Ruhe vor der Organisation zu erzeugen, da diese im untersuchten Feld räumlich nicht gegeben und vor Ort nicht befriedigend herzustellen war. Gerade im Feld von Startup-Organisationen mussten wir damit rechnen, dass Interviews mit Unternehmens-Externen nicht in einem Vieraugengespräch, sondern in Ko-Präsenz von Kolleg:innen und Vorgesetzten stattfinden würden. Das konnte dazu führen, dass sich die Interviewpartner:innen beobachtet fühlten und im Interview Themen aussparten, was wiederum zu einer verminderten Qualität von Daten führen würde. Das Interview mit einem Mitarbeiter des oben porträtierten Gründers unterstützte diese These: 

"K ist ein Mitarbeiter von J, dieser hat mir auch K‘s Handynummer gegeben. Über einen Messengerdienst vereinbaren wir einen Interviewtermin: Dienstag, 16:30 Uhr. Auffällig an diesem Interview ist, wie vergleichsweise kurz K angebunden ist. Er antwortet zwar auf meine Fragen, geizt aber mit Details und zeigt sich allgemein weniger bereit, über 'Interna' zu sprechen" (Interviewprotokoll Mitarbeiter K, 3. Dezember 2019, Abschnitte 1-2). [24]

Der Mitarbeiter wurde für das Interview von seinem Vorgesetzten vermittelt, was in Organisationen sicherlich nichts Ungewöhnliches ist. Es ist entlang der Angaben des Interviewpartners zu vermuten, dass er sich während des Interviews im Co-Working-Space befand, das Gespräch also in einer beengten – und beobachtbaren – räumlichen Situation führte. Was er sagte und/oder wie viel Arbeitszeit er hierfür aufwendete, konnte mutmaßlich vom Vorgesetzten gehört beziehungsweise beobachtet werden. Das gewählte intersituative Setting – der Telefoninterviewpartner befand sich physisch in der Büroräumlichkeit des Unternehmens – könnte hier für einen eklatanten Mangel an Ruhe vor der Organisation verantwortlich gewesen sein. Entscheidend ist, dass Ruhe vor der Organisation sich in den Interviews dann einstellte, wenn sich die telefonischen Interviewten nicht an ihrem Büroarbeitsplatz befanden. Interviews, bei denen sich die Interviewpartner:innen zu Hause aufhielten, zeichneten sich nicht nur durch eine deutlich gesteigerte Ausführlichkeit und Offenheit der Gesprächspartner:innen aus und damit auch durch eine bessere Qualität der Daten. Teilweise beschrieben unsere Gegenüber nach den Interviews die gewählte intersituative Konstellation auch als "tolle Möglichkeit [...] vieles einmal zu reflektieren, was sie gerade so beschäftige" (Interviewprotokoll Gründerin H, 27. November 2019) und verwiesen damit gleichzeitig darauf, dass sie im Arbeitsalltag keine Räume für solche Reflexionen vorfanden. [25]

3.1.2 Sich und andere verorten

Mit dem Beispiel der Ruhe vor der Organisation bei telefonischen Interviews verdeutlichen wir, dass sich die beiden Gesprächspartner:innen in der Interviewsituation keinen gemeinsamen physischen Ort teilten, während sie sich interaktiv im Raum des gemeinsamen Telefonats befanden. Wie wir mit dem Kode Sich und andere verorten zeigen, wurden die jeweiligen physischen Aufenthaltsorte in unseren videotelefonischen Interviews aber auch aktiv genutzt, um die Online-Begegnung zu gestalten. Gerade zu Beginn der Interviewsituationen fanden Aktivitäten eines solchen Verortens oft statt. Damit meinen wir Aktivitäten, in welchen Beteiligte auf Ressourcen (z.B. physische oder virtuelle Hintergründe der Videoübertragung) zurückgriffen, um dem Gegenüber Identitätseindrücke zu ermöglichen und andere zu verbergen. Diese (versperrten) Einblicke beschränkten sich nicht nur auf den tatsächlichen physischen Aufenthaltsort, sondern umfassten auch Zugehörigkeiten zu Organisationen oder die Darstellung von (außer-)beruflichen Identitäten. Sowohl die Interviewer:innen als auch die Interviewpartner:innen vollzogen solche Aktivitäten und bezogen sich dabei auf sich selbst und auf die Gegenüber. Denn im Gegensatz zum Face-to-Face-Interview war zu Beginn der Treffen mitunter nicht (immer) klar, wo sich die Personen physisch aufhielten. Mit dem Konzept der Intersituativität betrachtet, ergaben sich Möglichkeiten oder gar Notwendigkeiten der Gewährung und des Erhalts visueller (und manchmal auch akustischer) Einblicke in die physisch situierten Situationen der Beteiligten. [26]

Sich und andere verorten wurde entweder implizit oder explizit vollzogen. Wenn wir zu Beginn des Interviews eine Einschätzung dazu vornahmen, ob die Interviewpartner:innen sich physisch im Büro, im Homeoffice oder an einem ganz anderen Ort befanden und dabei auf Blickwinkel, Kleidung, Hintergrund und räumliche Ausstattung achteten, sprechen wir von impliziten Aktivitäten des Verortens. Beispielhaft sei hier ein Protokollausschnitt wiedergegeben:

"Der Interviewte sitzt – und bewegt sich auf Suche nach besserem Internet – in Altbau-Räumlichkeiten, die sowohl Büro als auch Privatwohnung sein könnten. Er ist leger gekleidet, u.a. mit einer Cap" (Interviewprotokoll Data Science-Professor R, 12. Dezember 2021, Abschnitt 1). [27]

Manchmal hat sich die Frage im Laufe des Interviews auch beiläufig geklärt:

"Mein Interviewpartner erscheint mir in einer schlecht beleuchteten Videoansicht. Er sitzt vor einem Fenster in den Büroräumlichkeiten des Unternehmens, wie ich später erfahren werde. Ich kann ihn nur schlecht erkennen, weil seine Kamera genau in die Sonne hinter ihm am Himmel gerichtet ist, sodass er nur sehr verdunkelt sichtbar ist“ (Interviewprotokoll CEO Startup KI-Lösungen A, 20. Juni 2020, Abschnitt 1). [28]

Solche impliziten Verortungen waren für uns relevant, da sie Erkenntnisse dazu lieferten, wie die Gesprächspartner:innen Videokonferenzen in ihrem Feld gestalteten, zum Beispiel welche visuellen Einblicke sie dabei in Wohn- oder Büroräume zuließen oder nicht. Regelmäßig wurden diese impliziten Einschätzungen im Verlauf der Interviews aber auch explizit von den Beteiligten angesprochen. Derartiges explizites Verorten fand durch die Interviewten statt, indem sie ihren physischen Aufenthaltsort kommunikativ thematisierten, um beispielsweise zu erwartende Störungen oder Unruhen vorwegzunehmen und zu legitimieren. Im folgenden Auszug aus einem Interviewprotokoll verortete sich der Gesprächspartner gleich zu Beginn des Gesprächs:

"Er entgegnet, dass wir das Interview gerne führen können, weil er das Gespräch am Tag zuvor als sehr spannend und anregend empfunden hat. Er entschuldigt sich jedoch dafür, kein Videobild eingeschaltet zu haben. Der Morgen sei nicht einfach und er sitze im Pyjama im Badezimmer, da auch seine Familie das Haus an diesem Tag nicht verlassen werde" (Interviewprotokoll CEO Startup KI-Lösungen B, 3. November 2020, Abschnitt 2).8) [29]

Während der Forscher in diesem Interview keine visuellen oder akustischen Einblicke in die physisch situierte Situation des Gesprächspartners erhielt, lieferte dieser ihm eine sprachliche Beschreibung und damit auch gleichzeitig eine Begründung für das ausgeschaltete Videobild. Vermutlich wollte er nicht unangemessen gekleidet gesehen werden; vor allem nicht im Gegensatz zum videotelefonischen Interviewtermin am Tag davor. Bei diesem erschien er im Anzug vor einem eigens für Videotreffen gestalteten physischen Hintergrund an seinem Büroarbeitsplatz. [30]

Insgesamt spielten die physischen Arbeitsplätze der Beteiligten oder deren mediale Darstellung eine mitkonstituierende Rolle für die Begegnung, v.a. in Form der Selbstdarstellung als einschlägige Expert:in für das Thema des Interviews. Dazu wurden in den Interviews vor allem die Hintergründe in den Videoansichten verwendet. So verdeutlichten Interviewpartner:innen z.B. die für sie geltenden Mindeststandards hinsichtlich der Aufbereitung eines physischen Hintergrunds für berufliche Videokonferenzen, wenn Banner und andere Werbematerialien des eigenen Unternehmens zu sehen waren. Alternativ dienten auch virtuelle Hintergründe zur expliziten Verortung. Das neue Campusgebäude unserer Universität war beispielsweise der Anlass für einen der Interviewten um den Arbeitsort der Forscherin zu thematisieren, wie dieser Auszug aus einem Interviewprotokoll zeigt:

"Zu Beginn des Treffens entsteht entspannter Smalltalk, da der Interviewpartner mich unvermittelt fragt, ob der Hintergrund die JKU abbilde und dass er hoffe, dass in diesem tollen Gebäude auch mein Büro sei. Es folgt ein lockeres Gespräch über die Kepler Hall und die entsprechenden Funktionen des Gebäudes, und dass dort leider keine Wissenschaftler:innen und Studierenden sitzen" (Interviewprotokoll Data Science-Professor L, 2. September 2021, Abschnitt 3). [31]

Darüber hinaus kann durch den virtuellen Hintergrund der fremde Blick in Büros und private Wohnräume natürlich versperrt werden. Ein solcher Hintergrund diente daher sowohl als Ressource für ein Verschleiern von ungewollten Einblicken als auch für eine visuelle Darstellung der eigenen Zugehörigkeit, Identität und Expertise, zum Beispiel als Forscher:in und Angehörige einer Gruppe oder Organisation, wie es im obenstehenden Auszug erkennbar ist. Die (virtuellen) Hintergründe wurden durch explizites oder implizites Verorten Teil der Begegnungen im Digitalen. Das Konzept der Intersituativität haben wir dazu genutzt zu verdeutlichen, wie die verschiedenen physischen Orte der Beteiligten zur Deutung und Gestaltung der virtuellen Begegnungen verwendet wurden und welche Standards in den untersuchten Feldern in Sachen Hintergrundgestaltung erwartet wurden. [32]

3.1.3 Sich anderen mit dem eigenen Körper und Wohnort aussetzen 

Auch bei der teilnehmenden Beobachtung in Videokonferenzen – in unserem Fall Trainings zur Kommunikation in beruflichen Videokonferenzen – wurde die Bedeutung der physisch situierten Situation deutlich. Die Teilnahme an diesen Treffen verlangte, sich den anderen Anwesenden explizit mit dem eigenen Körper und Wohnort auszusetzen. Diese beiden Aspekte erhielten in den videovermittelten Gruppentrainings auch deshalb besondere Aufmerksamkeit, da sowohl der Körper als auch der eigene häusliche Arbeitsplatz darin zum Gegenstand von Kritik und Optimierung hinsichtlich ihrer Inszenierung in Videokonferenzen wurden:

"Wir kommen zum Thema 'Hintergrundgestaltung'. ‚Ist das dort eine Pflanze auf Ihrem Bücherregal?‘, fragt mich die Trainerin. ‚Es sieht so aus, als wachse Ihnen die Pflanze aus dem Kopf. Die würde ich entfernen. Außerdem hängen die beiden Bilder sehr nahe an Ihrem Kopf, das ist auch nicht optimal. Und was sind das für Dinge, da neben der Pflanze auf dem Bücherregal? Das wirkt alles recht vollgeräumt‘. Wir erhalten bis zum nächsten Kurstermin die Aufgabe unsere Hintergründe gemäß den Hinweisen der Trainerin umzugestalten. Also hänge ich die Bilder – zwei Zeichnungen meines Sohnes – ab, schiebe die Zimmerpflanze an den Rand des Bücherregals, so dass sie nicht mehr im Bild ist; für die anderen 'Dinge' suche ich nach neuen Aufbewahrungsorten. Nach der Umgestaltung wirkt diese Ecke meines Arbeitszimmers sehr karg" (Feldnotiz Fortbildung A, 10. März 2021. Abschnitt 9). [33]

Der intersituative Teilnahmemodus verlangte also eine überraschende Exponierung des physischen Aufenthaltsorts und Körpers und sogar eine vergleichsweise intensive Mitwirkung. Auch wenn die extreme Aufmerksamkeit für körperliche und materielle Aspekte in diesem Fall dadurch gesteigert wurde, dass es sich um Trainings zur Erzeugung von kommunikativer Anwesenheit in Videokonferenzen handelte, zeigt sich eine grundlegende Herausforderung videotelefonischer Datenerhebungssituationen: Die Ebene der körperlichen und materiellen Inszenierung der Videoansicht kann Teilnehmende verunsichern oder auch bei der Bewältigung der Situation unterstützen und sich somit direkt auf die Qualität der Daten auswirken. Damit erfährt das Wechselverhältnis von Körperlichkeit und Digitalität, das ein fester Bestandteil der methodologischen Diskussion digitaler Ethnografie ist (vgl. etwa FLEISCHHACK 2019, S.205ff.), hier nicht nur eine besondere Relevanz, sondern eine Zuspitzung: Feldforschende wie auch die anderen Teilnehmenden sind mit verschiedenen neuen Möglichkeiten, aber auch mit unterschiedlichen normativen Vorstellungen in Bezug auf körperliche und materielle Aspekte der Bewältigung des gleichzeitigen "Neben- und Ineinander[s]" (HIRSCHAUER 2014, S.121) von On- und Offline-Situationen konfrontiert. [34]

3.2 Mehr als ein Medium: Polymedialität der Datenproduktion

Mit dem Konzept "Polymedia" (MADIANOU & MILLER 2012) waren wir in der Lage, die polymediale Verfasstheit unserer Felder und somit auch unserer Datenerhebung überhaupt wahrnehmen zu können. Wir wurden dafür sensibilisiert, dass nicht nur das Medium, welches primär zur Datenerhebung genutzt wurde – und in einigen Forschungsarbeiten mitunter der Erhebungsmethode ihren Namen gab (z.B. Telefoninterview) – Bestandteil der Interaktionen in der Feldforschung war, sondern auch andere Kommunikationsmedien. [35]

3.2.1 Miteinander warm werden

Solche anderen Kommunikationsmedien wurden von den Forscher:innen und Forschungsteilnehmer:innen genutzt, um in mehrfacher Hinsicht zueinander zu gelangen. Hierbei ging es nicht nur um banal anmutende Aspekte wie die Vereinbarung von Terminen o.ä., sondern auch um das Miteinander warm werden in der Datenerhebungssituation. Im Rahmen unserer telefonischen Interviews fand vor Beginn des eigentlichen Interviews meist ein kurzes Plaudern statt. Die Feldforscherin griff in diesen Fällen auf, was bereits im Vorabkontakt, z.B. über soziale Medien, Messengerdienste oder E-Mail, besprochen worden und auf welche Weise der Kontakt entstanden war. Der gemeinsame polymediale Weg diente als Gesprächsklammer, um sich vor dem Interview kennenzulernen:

"Ich erhalte J's Handynummer über einen Messengerdienst von der Interviewpartnerin H, nachdem ich ein Telefoninterview mit ihr geführt habe. Ich kontaktiere ihn, wie von H empfohlen, über diesen Messengerdienst und stelle kurz das Projekt und mich vor. H hatte ihm bereits von mir erzählt. Er stimmt dann zu, das Interview zu führen. Wir vereinbaren ein Interview an einem Dienstagmorgen, 8:15 Uhr. Über den Messengerdienst vereinbaren wir aber nicht nur den Termin, er stellt mir auch bereits sehr kurz das Startup vor (v.a. die Mitarbeiter:innenstruktur). Vor unserem Interview sprechen wir darüber, dass ich H nicht persönlich kenne, sondern bislang über Social Media, Messengerdienste und eben das Telefoninterview Kontakt mit ihr hatte. Ich erkläre also noch einmal, wie ich bei ihm gelandet bin" (Interviewprotokoll Gründer J, 3. Dezember 2019, Abschnitt 1). [36]

Anstelle des in Treffen in räumlicher Ko-Präsenz beliebten Smalltalk-Themas der Anreise, ob diese gut oder eher umständlich verlaufen sei usw., wurde hier der Weg zum Interview in einem polymedial verfassten Feld beschrieben: Jemand hatte der Forscherin vom Interviewpartner erzählt, den Kontakt weitergegeben, daraufhin entstand ein erstes Kennenlernen über Messengerdienste. Genauer gesagt, wurde die Forscherin in die spezifische polymediale Verfasstheit des Feldes durch ihren Feldkontakt H eingeführt, indem dieser empfahl, J per Messengerdienst zu kontaktieren. Im Miteinander warm werden konnte diese Kenntnis der polymedialen Verfasstheit des Feldes genutzt werden, um erst einmal im Gespräch auf räumliche Distanz anzukommen. Und hierdurch zeigte sich auch, welche Medien im Feld Verwendung und Anerkennung fanden. [37]

3.2.2 Sich für und gegen (un-)angemessene Medien entscheiden

Mithilfe des Blicks auf Polymedialität in der Datenerhebung sensibilisierten wir uns auch dafür, dass Entscheidungen für und gegen Medien aus ihrer sozialen und moralischen Bewertung hervorgehen und nicht alleine aus ihrer Verfügbarkeit. Solche Bewertungen von Kommunikationsmedien brachten in unserer Forschung fallweise das Zustandekommen der Datenerhebung in Gefahr. Exemplarisch zeigt das ein Interviewprotokoll zu einem videotelefonischen Interview, das kurzfristig aufgrund erneuter Beschränkungen physischer Sozialkontakte während der Covid-19-Pandemie zustande gekommen war:

"Die Kommunikation im Vorfeld erfolgte via E-Mail (Anfrage, Terminvereinbarung) primär mit der Sekretärin des Interviewpartners. Zunächst war ein Interview vor Ort geplant, da der Interviewpartner dies wünschte. Nach [...] Lockdown-Reisebeschränkungen ins Ausland konnte der Interviewpartner nach einigem Zögern seinerseits für ein Video-Interview gewonnen werden. Hier teilte die Sekretärin mit, dass der Interviewpartner aber keine Aufzeichnung wünsche. Ich besprach dies vor Beginn des Interviews noch einmal mit ihm, erklärte, was der Grund für eine Aufzeichnung wäre. [...] Im Anschluss an das Interview, als wir noch einmal über die Verwendung des Interviewmaterials sprechen, berichtet er von einem Youtube-Video, das ihn in einer unangenehmen Situation zeige; er betont dann mehrfach, nicht auf Youtube landen zu wollen, führt u.a. seine legere Bekleidung als Begründung an“ (Interviewprotokoll Data Science-Professor S, 10. Dezember 2021, Abschnitt 1-2). [38]

Das Aufzeichnen eines Videotelefonats wurde von diesem Interviewpartner zunächst nicht mit sozialwissenschaftlicher Forschung, sondern mit (unfreiwilligen) Auftritten auf Videoportalen in Verbindung gebracht. Diese Bewertung – die Furcht unfreiwillig exponiert zu werden – ließ ihn ein videotelefonisches Interview zuerst ablehnen. Er ließ sich schließlich doch darauf ein, wollte aber zunächst nicht aufgezeichnet werden. Nur durch entsprechende Einordnungen der Feldforscherin, etwa dass Aussagen ausschließlich anonymisiert in Textform und keinesfalls als Video zur Veröffentlichung gelangen würden, ließ er sich überzeugen. Videotelefonie für ein wissenschaftliches Interview als zulässig zu bewerten, schien also keinesfalls eine gefestigte Bewertungsweise zu sein, auch wenn die Medienverwendung von anderen Interviewpartner:innen im Feld zuvor als passend wahrgenommen worden war. [39]

Nicht nur bei Entscheidungen, ob ein Kommunikationsmedium genutzt wurde, sondern auch dafür wie waren soziale Bewertungen relevant. Wie bereits erwähnt hatten bei den per Videotelefonie durchgeführten Interviews einige der Interviewpartner:innen dieses Medium als (neue) Ressource der Selbstdarstellung genutzt. Wie wir mit dem Kode alte Hasen zum Ausdruck bringen möchten, erläuterte ein Teil der Interviewten auf Nachfrage die gewählten Hintergründe und deren Bildkompositionen mit Wirkungen und Standards, welche sie diesen zuschrieben: 

"Ich sehe einen Mann im Hemd vor einem speziell für Videotreffen vorbereiteten Hintergrund sitzen. Dieser umfasst mehrere Banner, Ständer und Plakate, auf denen sein Unternehmen beworben wird. Auch die Landkarte zu KI in Österreich, über welche ich mit ihm sprechen möchte, ist zu sehen. Wir begrüßen uns, ich bedanke mich für den Termin und frage ihn, ob ein Videotreffen für ihn etwas Neues sei. Er verneint dies und verweist darauf, dass er auch vor der Pandemie schon einige Videomeetings geschäftlich absolviert hat, damals jedoch mit anderen Anwendungen. Ich spreche ihn auf seinen Hintergrund und die Landkarte an und merke an, dass nach meiner Erfahrung nicht alle Hintergründe so bewusst und gezielt ausgesucht werden. Er lacht darüber und entgegnet, dass er schon denkt, dass der Hintergrund 'etwas hermachen muss'. Ich denke an meinen eigenen einfachen weißen Hintergrund, frage mich, ob dieser Hintergrund 'etwas her macht' und blende diesen Gedanken wieder aus" (Interviewprotokoll CEO Startup KI-Lösungen B, 2. November 2020, Abschnitt 1). [40]

Unsere Interviews per Videokonferenz verdeutlichten die Relevanz unterschiedlicher soziale Bewertungen in Bezug auf die Hintergrundgestaltung von Videoansichten. Dabei zeigte sich, was im Feld der Interviewten als passend und angemessen galt und auch wie (wenig) etabliert die bewusste Gestaltung von Hintergründen im Rahmen von Selbstdarstellungspraktiken war. [41]

3.2.3 Mediale Separees zur Etablierung von Informalität erstellen

Mit dem Konzept der Polymedialität lässt sich nicht nur die Entscheidung für die Nutzung und Gestaltung eines bestimmten Kommunikationsmediums bzw. bestimmter Funktionalitäten eines Mediums besser verstehen, sondern auch, dass Sozialforscher:innen sich in Feldern bewegen, die selbst polymedial verfasst sind. Videokonferenzen wurden im Zuge der Covid-19-Pandemie zu einer zentralen ethnografischen Teilnahmemöglichkeit, da Veranstaltungen vielfach in dieses Medium verlagert wurden. Jedoch beschränkte sich auch die ethnografische Teilnahme in unseren Forschungen nicht auf das Medium Videokonferenz, sondern umfasste auch Messengerdienste. Diese wurden von den Teilnehmenden inmitten von Videokonferenzen verwendet, um mediale Separees zur Etablierung von Informalität zu betreiben: 

"Endlich wieder in der Uni-Mensa. Beim Mittagessen im Team unterhalten wir uns über die aktuelle Schwemme an Fortbildungen und Tagungen, die wir zurzeit alle ausschließlich per Videokonferenz absolvieren können. Wir sind uns rasch einig: Vor allem das Wegfallen von Möglichkeiten zu informellen Gesprächen im kleinen Kreis führt dazu, dass die videovermittelten Veranstaltungen besonders anstrengend und unattraktiv seien. 'Letzthin war bei der Tagung sogar die Chat-Funktion deaktiviert!', empört sich ein Kollege im Scherz. Er werde in Zukunft zusätzlich Messengerdienste zum Chatten nutzen, um sich während der Videokonferenzen auch informell mit anderen Teilnehmenden austauschen zu können" (Feldnotiz Fortbildungen C, 14. März 2021, Abschnitt 2). [42]

Dieser Protokollausschnitt lässt sich als Illustration gegen eine technikdeterministische Deutung von Videokonferenzanwendungen verstehen. Nur weil Nutzer:innen seit Ausbruch der Pandemie verstärkt auf dieses Medium zurückgriffen, um sich zu treffen, folgte daraus nicht, dass sie nur dieses Medium verwendeten und auch nicht, dass sie es (nur) so verwendeten, wie es dessen technischen Funktionalitäten vorsahen oder grundsätzlich ermöglichten. Zwar boten die meisten Videokonferenzanwendungen eine Chat-Funktion, die von den Anwesenden für Nachrichten an alle oder einzelne Teilnehmende genutzt werden konnten. Doch wie in der Feldnotiz deutlich wird, konnte diese Funktion vom Host der Videotreffen deaktiviert werden. Außerdem bestand bei manchen Anwendungen zwischenzeitlich das erhöhte Risiko, eine Textnachricht unabsichtlich an alle teilnehmenden Personen statt an die beabsichtigte Person zu senden, was für peinliche Momente und entsprechende Reparaturversuche im Chat sorgen konnte (z.B. "Sorry! Die Nachricht war nicht für alle bestimmt"). Die Teilnehmer:innen wählten also Medien aus, die sie als passend und angemessen für informelle Kommunikation bewerteten. Daher bestand auch für uns als Forschende kein Anlass, uns bei der Teilnahme im Feld auf vermeintliche Leitmedien zu beschränken; vielmehr galt es, für andere Medien offen zu bleiben, welche die Teilnehmenden für bestimmte kommunikative Zwecke als angemessener erachteten. [43]

4. Fazit und Schlussfolgerungen

In diesem Beitrag sind wir der Frage nachgegangen, auf welche Weise elektronische und digitale Medien dazu beitragen, qualitative Daten in interaktiven Settings der Feldforschung zu produzieren. Wir haben uns deshalb mit Interview- und Beobachtungsprotokollen aus unseren eigenen Feldforschungen als empirischem Material befasst und rekonstruiert, wie die Beteiligten Kommunikationsmedien genutzt haben, um Gesprächs- und Beobachtungssituationen auf räumliche Distanz zu schaffen. Diese Frage ist für die qualitative Sozialforschung deshalb besonders relevant, weil wir damit dem Anspruch auf methodologische Reflexivität (KUEHNER et al. 2016; YANOW 2009) eine wichtige Dimension hinzufügen: die Reflexion von Forschungen in Feldern, die nicht per se digital sind, die aber inzwischen immer häufiger mit digitalen Erhebungsmethoden untersucht werden. Dabei – so unsere Ausgangsüberlegung – kann die Rezeption von theoretischen Konzepten aus der sozialwissenschaftlichen Technik- und Medienforschung hilfreiche Anstöße für die methodologische Reflexion qualitativer Sozialforschung in ihrer Breite und Vielfalt liefern. [44]

In unserer Analyse haben wir uns auf zwei Aspekte konzentriert: Mit der Verwendung des Konzepts der "Intersituativität" (HIRSCHAUER 2014) konnten wir verdeutlichen, dass medial vermittelte Feldforschung nicht bedeutet, dass physisch situierte Situationen keine Rolle mehr spielten. Vielmehr war gerade die translokale Verknüpfung von medial situierten und physisch situierten Situationen besonders relevant für die Datenerhebung. Unsere Interviewpartner:innen gestalteten diese Verknüpfungen unter anderem in einer Weise, die ihnen ermöglichte, sich Ruhe vor der Organisation zu verschaffen, d.h., unbeobachtet von physisch allzu präsenten Vorgesetzten, Kolleg:innen oder Klient:innen mit uns zu kommunizieren. Außerdem konnten wir zeigen, dass die Beteiligten auf Praktiken des sich und andere Verortens zurückgriffen: Forschungsteilnehmer:innen und Forscher:innen bezogen sich immer wieder auf ihren physischen Aufenthaltsort, versuchten den des Gegenübers zu erkennen und stellten damit bestimmte soziale Identitäten zur Schau, während sie andere verschleierten. Zudem implizierten videotelefonisch vermittelte Situationen für die Beteiligten, sich anderen mit dem eigenen Körper und Wohnort auszusetzen. [45]

Darüber hinaus ist Feldforschung auf räumliche Distanz nicht nur von einem Medium, sondern von einer Vielzahl an Medien bzw. medialen Kommunikationsmöglichkeiten geprägt, aus denen Nutzer:innen bestimmte Varianten selektieren. Mit der Weiterentwicklung der Überlegungen von MADIANOU und MILLER (2012) sprechen wir deshalb von der Polymedialität der Datenproduktion. So kamen beim Miteinander warm werden in unseren videotelefonischen Interviews mehrere Medien zum Einsatz und nicht nur jenes, welches das Gespräch medial vermittelte und so als vermeintliches Leitmedium hätte gelten können. Die Nutzung digitaler Methoden des Interviewens hing auch von Praktiken der Bewertung ab: Indem sie sich für und gegen (un-)angemessene Medien entschieden, bestimmten die Beteiligten auch, welche Medien bzw. welche Teilfunktionen dieser Medien sie als angemessen oder nicht angemessen für die Etablierung einer Gesprächssituation auf räumliche Distanz erachteten. Zuletzt konnten wir die Relevanz medialer Separees zur Etablierung von Informalität aufzeigen: Auch wenn die Erhebungssituation durch ein vermeintliches Leitmedium (z.B. Videotelefonie) vermittelt wurde, begegneten sich Teilnehmer:innen und Feldforschenden gleichzeitig auch in anderen Medien. [46]

Wie sich die Praxis qualitativer Sozialforschung durch den Einsatz elektronischer und digitaler Medien verändert, wurde bislang heterogen eingeschätzt. Wir möchten mit diesem Beitrag an jene Position anschließen, deren Vertreter:innen dafür plädierten, die Erweiterung qualitativer Erhebungsmethoden mit digitalen Medien methodologisch zu explorieren und zu reflektieren, anstatt sie vorschnell nach Vor- und Nachteilen in puncto Kosten-, Zeit- und Organisationsaufwand zu bewerten (FINE & ABRAMSON 2020; SCHIEK et al. 2022).9) Vier Folgerungen aus der hier präsentierten Forschung für eine derartige Reflexion skizzieren wir abschließend: [47]

Erstens verdeutlichen unsere Ergebnisse, dass es nicht darum gehen kann, Medien als rein technische Instrumente der Datenerhebung zu verstehen. Die Auswirkungen von Medien auf die qualitative Forschung sollten im Gegensatz dazu durch die Berücksichtigung ihrer Einbettung in die sozialen Zusammenhänge interaktiver Datenproduktion erschlossen werden. Feldforschung auf Distanz ist in der digitalen Gesellschaft fast immer mit einer Vielfalt an Kommunikationsmedien verbunden. Deshalb greift es zu kurz, bestimmte Medien und ihre Verwendung als Erhebungsinstrumente zu kanonisieren: Das Telefoninterview oder gar das Videotelefoninterview kann es ausgehend von der hier vorgestellten Analyse nicht geben. Vielmehr empfiehlt es sich, in der Feldforschung offen zu sein für die polymedialen Kontexte, in denen wir dem Feld und seinen Teilnehmenden begegnen (können): Informelle Separees, die sich Teilnehmer:innen in einem bestimmten Medium schaffen oder Vorgeplänkel in wieder anderen Medien, das dem miteinander warm werden dient, verdeutlichen diesen Punkt. [48]

Zweitens schlagen wir mit diesem Beitrag eine Brücke zwischen der methodologischen Reflexion von digitalen Erhebungsmethoden in der qualitativen Sozialforschung und theoretischen Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Technik- und Medienforschung. Gerade die methodologische Reflexion digital vermittelter qualitativer Forschungsmethoden (GÖTZENBRUCKER et al. 2022; SCHIEK et al. 2022) kann von soziologischen Theoriekonzepten profitieren, die ein relationales, weder technik- noch sozialdeterministisches Verständnis von Technik und Medien beinhalten. Neben den beiden von uns verwendeten Konzepten liegen in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medien und Technik eine Reihe weiterer Theorien vor. Ihre Rezeption und Verwendung für die methodologische Reflexion digitaler Methoden kann dazu beitragen, qualitative Sozialforscher:innen vor dem – ursprünglich an die Soziologie gerichteten – Vorwurf der Technikvergessenheit (RAMMERT 1998) zu bewahren. [49]

Drittens veranschaulichen wir in diesem Beitrag auch einen Vorschlag zur Umsetzung der Forderung nach methodologischer Reflexivität, welcher der qualitativen Sozialforschung in ihrer Breite sowie ihren digitalen und nicht-digitalen Gegenständen bzw. Feldern gerecht wird (FINE & ABRAMSON 2020; SCHIEK et al. 2022). Diese Anregung besteht darin, die eigene Feldforschung reflexiv in den Blick zu nehmen und zu analysieren, wie der Gebrauch verschiedener Medien die Konstitution konkreter Datenerhebungssituationen beeinflusst. Dabei gilt es zu verstehen, wie und warum die Beteiligten (bestimmte) Medien nutzen, unter welchen Bedingungen und mit welchen (unbeabsichtigten) Folgen dies geschieht. Die von uns erarbeiteten Kodes können hierfür auch von anderen Forscher:innen verwendet werden. So lassen sich mit dem Kode sich für und gegen (un-)angemessene Medien entscheiden soziale Formen der Bewertung und Gestaltung von Medien und ihren Funktionalitäten beleuchten. Der Kode Ruhe vor der Organisation wiederum stammt zwar aus einer organisationssoziologisch motivierten Feldforschung, jedoch lässt sich eine Übertragung in andere soziale Felder, etwa als Ruhe vor der Familie, Ruhe vor dem Alltag etc. leicht denken. Ob diese Übertragung sinnvoll ist, muss sich am empirischen Material von Feldforschenden erweisen. Voraussetzung ist, dass diese in ihren Feldnotizen bzw. Interviewprotokollen dokumentieren, wie sich Sozialität in medial vermittelten Datenerhebungssituationen jeweils konkret verwirklicht. [50]

Viertens und unabhängig von den in diesem Artikel vorgestellten Kodes erachten wir Polymedialität und Intersituativität als generelle und instruktive theoretische Sehhilfen für methodologisch-reflektierende Sozialforscher:innen. Zunächst können sich Forscher:innen mit diesen Konzepten eine Sensibilität für die Bedeutung von Medienvielfalt und Vielörtlichkeit in der eigenen Feldforschung sowie für Sozialitätsunterschiede in Face-to-Face- und medial vermittelten Erhebungssituationen erarbeiten. Die Verwendung dieser Konzepte kann darüber hinaus dabei helfen, das beforschte Feld analytisch zu erschließen. So mag es in vielen Organisationen üblich sein, dass man Interviewpartner:innen in Einzelbüros oder Besprechungsräumen begegnet – für die Begegnung mit Mitarbeitenden von Startup-Unternehmen musste ein geeigneter Raum aber erst intersituativ geschaffen werden. Die Nutzung von spezifischen Funktionen eines Kommunikationsmediums, etwa Videokonferenz-Hintergründe mit Repräsentationsfunktion, lassen auch Rückschlüsse über die feldspezifische Bewertung solcher Medien außerhalb von artifiziell erzeugten Interviewsituationen zu. Zuletzt können methodologische Reflexionen, die von einer Rezeption dieser Konzepte angeregt werden, auch für eine (bewusstere) Vorbereitung und Gestaltung von medial vermittelten Situationen der Datenproduktion genutzt werden. [51]

Danksagung

Wir danken Anita WINKLER, Bianca PRIETL, Karin FISCHER und Uli MEYER für ihre hilfreichen Kommentare zu einer früheren Version dieses Aufsatzes. Für die konstruktiven und kritischen Reviews bedanken wir uns bei den beiden anonymen Gutachter:innen.

Anmerkungen

1) Weitere empirische und theoretische Einsichten in die Thematik liefern auch Studien zu medial vermittelten Interaktionen in unterschiedlichen Arbeitskontexten in der Tradition der Workplace Studies (HEATH & BUTTON 2002; KNOBLAUCH & HEATH 2006). <zurück>

2) Punktuell findet sich eine Berücksichtigung von Intersituativität in SCHIEKs (2022) methodologischen Reflexionen zum Interviewen mittels E-Mail. <zurück>

3) Diese integrative Theorieperspektive ist möglich und sinnvoll, da wir mittels der verwendeten Konzepte weder einen Technik- noch einen Sozialdeterminismus vertreten, sondern für ein relationales Verständnis von Gesellschaft und Technologie plädieren. <zurück>

4) Die Ergebnisse der Studie finden sich in der Masterarbeit von Stefanie RAIBLE, in welcher sie Startups aus einer organisationssoziologischen Perspektive untersuchte. <zurück>

5) Die Erhebung steht in Zusammenhang mit dem soziologischen Promotionsprojekt von René WERNER. In diesem untersucht er aus einer praxistheoretischen Perspektive die Einführung von KI-Systemen in Organisationen. <zurück>

6) Die Erhebung fand im Rahmen des Forschungsprojektes "The Politics of Data Science" (Leitung: Bianca PRIETL; gefördert durch die Dr. Hans Messer Stiftung) statt, an dem Stefanie RAIBLE beteiligt war. Im Projekt wurde von März bis Dezember 2021 die akademische Institutionalisierung von Data Science im D-A-CH-Raum untersucht. <zurück>

7) Die Studie bildet einen Teil des soziologischen Habilitationsprojekts von Stefan LAUBE. In diesem untersucht er die Materialität, Medialität und Körperlichkeit sozialer Praktiken und Interaktionen in der digitalen Gesellschaft. <zurück>

8) Der Termin hatte als Fortsetzung eines Interviews am Vortag am Morgen nach dem Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 stattgefunden. Eigentlich wollte der Interviewpartner am videotelefonischen Interview aus seinem Büro heraus teilnehmen, entschied sich dann jedoch für eine Teilnahme von zuhause aus. Er wollte das Interview trotz Angebots durch den Forscher nicht absagen oder verschieben. <zurück>

9) Wie in der Einleitung angemerkt, finden sich relevante Überlegungen zu dieser Position auch in der kulturanthropologischen Diskussion zu digitaler Ethnografie in digitalen Feldern (FLEISCHHACK 2019). <zurück>

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Zur Autorin und zu den Autoren

Stefanie RAIBLE, M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID) am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. Sie forscht mit qualitativen Methoden an der Schnittstelle von Organisations- und Techniksoziologie. In ihrem Promotionsprojekt beleuchtet sie das Wechselverhältnis von soziotechnischen Zukunftsvorstellungen und organisationaler Praxis sowie dessen organisationaler Bearbeitung. 

Kontakt:

Stefanie Raible, M.A.

Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Soziologie
Abteilung für Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID)
Altenberger Straße 69, 4040 Linz
Österreich

E-Mail: stefanie.raible@jku.at

 

René WERNER, M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID) am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. In seinem Promotionsprojekt untersucht er die Einführung von KI-Technologien in Organisationen aus einer praxistheoretischen Perspektive und verortet sich damit an der Schnittstelle von Technik- und Organisationssoziologie.

Kontakt:

René Werner, M.A.

Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Soziologie
Abteilung für Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID)
Altenberger Straße 69, 4040 Linz
Österreich

E-Mail: rene.werner@jku.at

 

Dr. Stefan LAUBE ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID) am Institut für Soziologie der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Soziologische Theorie, Digitalisierung und Gesellschaft, Medien- und Interaktionssoziologie, Körper- und Emotionssoziologie sowie Methoden und Methodologie qualitativer Forschung.

Kontakt:

Dr. Stefan Laube

Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Soziologie
Abteilung für Soziologie mit den Schwerpunkten Innovation und Digitalisierung (SID)
Altenberger Straße 69, 4040 Linz
Österreich

E-Mail: stefan.laube@jku.at

Zitation

Raible, Stefanie; Werner, René & Laube, Stefan (2023). Begegnungen im Digitalen. Qualitative Sozialforschung als intersituative und polymediale Praxis [51 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 24(2), Art. 11, https://dx.doi.org/10.17169/fqs-24.2.3967.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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