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Volume 25, No. 1, Art. 14 – Januar 2024

Tagungsbericht:

Sofia M. Fletschinger & Loli Milošević

Die Praxis der sozialwissenschaftlichen Methodenbildung – sozialwissenschaftliche Methodenbildung in der Berufspraxis. Eine Veranstaltung des Instituts Kindergarten-/Unterstufe (IKU) der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Kooperation mit dem Methodenlabor (HoC) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Solothurn, 27.-28. Oktober 2023

Zusammenfassung: Die Tagung hatte – als Auftakt der Tagungsreihe Aspekte der Professionalisierung und Perspektiven der Profession – zum Ziel, einen multiperspektivischen und transdisziplinären Austausch über das Verhältnis sozialwissenschaftlicher Methodenbildung und ihrer Anschlussfähigkeit für die Berufspraxis zu eröffnen. Mit dem vorliegenden Bericht werden nicht nur die verschiedenen Beiträge dokumentiert, sondern es wird auch explizit die Herausforderung adressiert, die Relevanz der Methodenbildung für Studierende und deren spätere Berufspraxis greifbar zu machen, denn Methodenbildung wurde überwiegend als grundlegender Bestandteil zur Entwicklung professioneller Handlungskompetenz in einer komplexer werdenden Gesellschaft bewertet.

Keywords: sozialwissenschaftliche Methoden; Berufspraxis; Lehrer*innenbildung; qualitative Forschung; Methodenbildung; Reflexion; Professionalisierung

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodenbildung als unterschätzter Grundpfeiler akademischer Ausbildung?

3. Schlüsselpositionen

4. Perspektiven auf Methodenbildung: curriculare Verankerung – Vermittlung – Transfer

5. Forschungsmethoden als Beitrag zur Professionalisierung

6. Lehrformate und didaktische Konzepte für die Methodenbildung

7. Podiumsdiskussion: Herausforderungen und Chancen für die Lehrpersonenbildung

8. Abschließende Bemerkungen

Anmerkung

Literatur

Zu den Autorinnen

Zitation

 

1. Einleitung

Den Ausgangspunkt der Tagung stellte die Feststellung dar, dass sich die Methodenbildung in einem Spannungsfeld zwischen ihrem Status als unumstrittene Notwendigkeit in der akademischen Praxis einerseits und der Problematisierung ebendieser Notwendigkeit andererseits, befinde. Die Tagung hatte zum Ziel, einen multiperspektivischen und transdisziplinären Austausch über das Verhältnis sozialwissenschaftlicher Methodenbildung und ihrer Anschlussfähigkeit für die Berufspraxis zu ermöglichen. [1]

Eröffnet wurde die Tagung von Guido McCOMBIE (Direktor der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz) und Christine KÜNZLI DAVID (Institutsleiterin Kindergarten-/Unterstufe an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz). Anschließend nahmen Alexa Maria KUNZ (Karlsruher Institut für Technologie) und Marija STANISAVLJEVIĆ (Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz) – die beiden Organisatorinnen der Tagung – eine thematische Einordnung vor, bevor die Praxis sozialwissenschaftlicher Methodenbildung sowie deren Anwendung und Stellenwert in der Berufspraxis von Keynote-Sprecher*innen in Kurzbeiträgen diskutiert wurde (im Folgenden Schlüsselpositionen genannt). Über beide Veranstaltungstage hinweg strukturierten Vortragssessions und Hands-on-Ateliers das Programm, wobei das Augenmerk bei ersteren eher auf theoriegeleiteten Überlegungen lag, während bei letzteren vor allem Raum für den Austausch über konkrete Konzepte geboten wurde. Ihren Abschluss fand die Tagung mit einer Podiumsdiskussion, in deren Rahmen Vertreter*innen aus der Methodenbildung mit der Zentralpräsidentin des Schweizerischen Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrerverbands Dagmar RÖSLER ins Gespräch kamen. [2]

Im Folgenden möchten wir zunächst über die die Tagung eröffnenden Ausführungen berichten (Abschnitt 2), um anschließend, ausgehend von den Schlüsselpositionen (Abschnitt 3), die Einsichten der Referent*innen aus den 19 weiteren Beiträgen der Vortragssessions und Hands-on-Ateliers miteinander in Beziehung zu setzen. Diese erstreckten sich über eine Beschäftigung mit der Vermittlung von Methodenbildung und den Transfer in die Berufspraxis aus einer allgemeinen Perspektive (Abschnitt 4) über die Fokussierung auf bestimmte Forschungsmethoden (Abschnitt 5) hin zur Erprobung konkreter Lehrformate (Abschnitt 6). Abschließend werden wir auf die zentralen Inhalte der Podiumsdiskussion eingehen (Abschnitt 7). [3]

2. Methodenbildung als unterschätzter Grundpfeiler akademischer Ausbildung?

Die Relevanz der Methodenbildung für die Berufspraxis wurde unmittelbar zu Beginn der Tagung hervorgehoben. So bemerkte Guido McCOMBIE in seiner Begrüßungsrede ausdrücklich, dass es sich bei der Annahme, sozialwissenschaftliche Methoden und Berufspraxis existierten unabhängig voneinander oder stünden gar in einem Gegensatz zueinander, um einen Trugschluss handle. Christine KÜNZLI DAVID unterstrich diesen Aspekt und betonte die Relevanz eines inter- und transdisziplinären Austauschs über das Verhältnis von Methodenbildung und Professionalisierung. Denn anstatt Methodenbildung auf die konkrete Anwendung zu reduzieren, gelte es, deren Beziehung zu Professionalisierungsprozessen zu systematisieren. Dass diese Position außerhalb der wissenschaftlichen Community nicht unangefochten sei, zeige sich unter anderem an der massenmedial geführten Debatte um den tertiären Statuts des Lehramtsstudiums in der Schweiz (BARTHOLDI 2023; ZEMP & KELLER 2017), die im Kontext des Lehrkräftemangels (SKBF 2023) verortet ist. Kritiker*innen zufolge sei die Akademisierung der Lehrer*innenbildung praxisfern und mache den Beruf unattraktiv (AMSTUTZ 2023; RD 2017). Hiermit geht laut McCOMBIE "eine unzulässige Reduktion einer sehr komplexen Tätigkeit"1) einher, und die Hochschulmitglieder sähen sich zunehmend genötigt, ihre Curricula zu rechtfertigen. Damit wurde bereits zu Beginn der Tagung auf die bildungspolitische Dimension des Themas verwiesen, die auch Gegenstand der folgenden Beiträge und Diskussionen war. Aus bildungswissenschaftlicher Perspektive ist es McCOMBIE folgend entscheidend, die Bedeutung einer akademisch fundierten Lehrpersonenbildung zu betonen, die über das reine Handwerk hinausgehe und ein komplexes, intellektuell anspruchsvolles Unterfangen darstelle. Denn gerade in einer komplexer werdenden Gesellschaft beschränke sich die Rolle der Lehrperson gerade nicht auf die reine Wissensvermittlung, sondern umfasse auch die Förderung von sogenannten "Future Skills" (EHLERS 2020). Lehrkräfte seien somit gefordert, ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur zu unterrichten, sondern sie auch zu einer aktiven und kompetenten Gestaltung ihrer Zukunft zu befähigen. Angesichts der sich immer schneller vollziehenden gesellschaftlichen Veränderungen – beispielhaft angeführt seien hier Globalisierung, Klimawandel, Interkulturalität und Digitalisierung – müsse geklärt werden, welche Kompetenzen Studierende benötigen, um für ihre jeweilige Berufspraxis vorbereitet zu sein. KÜNZLI DAVID und McCOMBIE sprachen sich in diesem Zusammenhang klar für die Notwendigkeit einer doppelten Professionalisierung (HELSPER 2021) aus: Es bedürfe sowohl einer wissenschaftlichen Sozialisierung als auch eines Einübens des Handwerks. [4]

Auch Alexa Maria KUNZ und Marija STANISAVLJEVIĆ betonten in ihrer thematischen Einführung die essenzielle Bedeutung der Methodenbildung als zentralem Pfeiler der akademischen Ausbildung. Allerdings würden Studierende die Methodenbildung teilweise als entkoppelt sowohl von ihren Interessen als auch von der Berufspraxis wahrnehmen. Dieser Entwicklung müsse entgegengewirkt werden. Denn der Nutzen der Methodenbildung bestehe nicht allein in der Vorbereitung auf eine akademische Laufbahn. Ihr Potenzial entfalte sich weit über den hochschulischen Kontext hinaus: Die im Rahmen der Methodenbildung erworbenen Kompetenzen befähigten Studierende dazu, sich in einer komplexer werdenden Umwelt zurechtzufinden und auseinanderzusetzen. KUNZ und STANISAVLJEVIĆ rückten insbesondere das wissenschaftliche Arbeiten und Denken, die Entwicklung professioneller Kompetenzen und Schlüsselkompetenzen ins Zentrum, in denen sie die drei Säulen der Methodenbildung sahen. Hierfür müsse die Methodenbildung so konzipiert sein, dass diesen Säulen systematisch Rechnung getragen und zugleich aus hochschuldidaktischer Sicht geeignete Lehransätze integriert würden, um eine effektive Vermittlung zu gewährleisten. Ein solches Konzept führe nicht nur zu einer erfolgreichen Methodenbildung, sondern ermögliche es den Studierenden auch, konkrete Anwendungsbereiche über das Studium hinaus in ihrem jeweiligen Professionsfeld zu identifizieren und zu erschließen. [5]

3. Schlüsselpositionen

Zentrale thematische Stränge wurden am Anfang der Tagung durch drei Schlüsselpositionen aufgezeigt, an welche die weiteren Beitragenden anschlossen bzw. diese ergänzten. Colin CRAMER (Universität Tübingen) fokussierte auf die Bedeutung der Methodenbildung für die Lehrpersonenbildung, Katharina MIKO-SCHEFZIG (Wirtschaftsuniversität Wien) hob die Wirkung qualitativer Forschung auf Praxisfelder im Allgemeinen und exemplarisch auf die Organisation Polizei im Speziellen hervor und Günter MEY (Hochschule Magdeburg-Stendal und Institut für Qualitative Forschung in der Internationalen Akademie Berlin) diskutierte schließlich die Argumente für eine fundierte Methodenausbildung mit Fokus auf Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. [6]

In seinem Vortrag setzte sich Colin CRAMER intensiv mit der Frage auseinander, welcher Stellenwert dem Methodenstudium in der Lehrpersonenbildung hinsichtlich der Professionalisierung zukomme. Er beschrieb das Curriculum als umkämpftes Feld, dessen Ausgestaltung stark von normativen Entscheidungen abhänge. Dies zeige sich u.a. anhand der Frage, ob die Methodenbildung innerhalb der jeweiligen Fächer oder in den Bildungswissenschaften zu verorten sei, ob Methodenbildung über die Beschäftigung mit vorliegenden Forschungen oder über die eigene Involviertheit in Forschung stattfinde und schließlich daran, welche Erhebungs- und Auswertungsverfahren überhaupt Eingang in die Lehrveranstaltungen fänden. Es geht laut CRAMER demnach um eine diffuse Gemengelage, entscheidend sei es daher, die Zieldimension der Methodenbildung zu formulieren. Gehe es uns um allgemeine Prinzipien, Methoden, Heuristiken oder gar um eine bestimmte Haltung, die nur auf Basis fundierter Methodenbildung eingenommen werden könne? Außer Zweifel stünde des Weiteren, dass Lehrpersonen in einem komplexen Gefüge unter Ungewissheit handeln müssten – hierauf vorzubereiten sei Aufgabe der Lehrpersonenbildung. Diese könne durch die Vermittlung bestimmter Haltungen und Kompetenzen dazu beitragen, Lehrpersonen zu befähigen, in einem solchen Kontext professionell zu handeln (am Beispiel der Sozialen Arbeit, siehe VÖLTER 2008). In jedem Fall gelte es zu verhindern, dass das Methodenstudium zu einem Selbstzweck werde. Daher bedarf es laut CRAMER einer vertieften Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der Methodenbildung sowie einer Erforschung und Evaluation ihres Mehrwerts. Hieran mangele es bislang. [7]

Katharina MIKO-SCHEFZIG zeigte auf, wie sich qualitative Methoden in die Polizeiausbildung integrieren ließen, sodass letztlich die polizeiliche Praxis von den in der Methodenlehre erworbenen Kompetenzen und dem neu gewonnenen Wissen profitieren könne. Basierend auf mehreren Forschungs- und Umsetzungsprojekten, die gemeinsam mit angehenden Polizist*innen zu den Themen subjektive Sicherheit und Schubhaft (in der Schweiz Ausschaffungshaft, in Deutschland Abschiebungshaft) durchgeführt worden waren, verdeutlichte MIKO-SCHEFZIG, dass in den Merkmalen qualitativer Forschung das Potenzial zur Perspektivenerweiterung und gezielt herbeigeführter Rollendistanz (GOFFMAN 1973 [1961]) angelegt sei. So hätten die Studierenden durch den Rollenwechsel von angehenden Polizist*innen zu Forschenden ihre Erfahrungshorizonte erweitern können. Weiterhin habe der Rollenwechsel für die Existenz und Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen sensibilisiert (Situiertheit). Durch den spezifischen Prozesscharakter qualitativer Forschung würden Fehler als integraler Bestandteil des Forschungsprozesses betrachtet und in die Rollenreflexion einbezogen. MIKO-SCHEFZIG veranschaulichte so, dass der Methodenbildung eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Professionalität zukommen könne. Essenziell sei jedoch die Verschränkung der Methodenbildung mit Inhalten der Profession. MIKO-SCHEFZIG unterstrich abschließend, dass ihre Erprobungen sich dazu eigneten, sie auch auf andere Berufsfelder (z.B. Pädagogik oder soziale Arbeit) zu übertragen. [8]

Günter MEY argumentierte in seinem Beitrag für eine fundierte Methodenbildung speziell an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und stellte die Frage ins Zentrum, wie eine anwendungsbezogene qualitative Forschung selbstbewusst vertreten und weiterentwickelt werden könne. Hinsichtlich der Relationierung zwischen sozialwissenschaftlicher Methodenbildung (laut MEY muss diese stets als Methodenreflexion verstanden werden) und Berufspraxis unterstrich er die genuine Nähe qualitativer Forschung zur Praxis, die es zu nutzen gelte. Wie zuvor KUNZ und STANISAVLJEVIĆ verdeutlichte auch MEY, dass Methodenbildung im Allgemeinen und qualitative Methoden im Speziellen einen Mehrwert böten, der über ein reines Methodenwissen hinausreiche. Dies zeige sich etwa im Bereich der Schlüsselqualifikationen (KANTER & MEY 2021; RAAB, MEY, KUNZ & ALBRECHT 2021) – exemplarisch angeführt wurden etwa Reflexivität, Perspektivübernahme, Pluralität, Deutungskompetenz, Empathie, Frustrationstoleranz, Selbstorganisation und Projektgestaltung als fundamentale Kompetenzen. Hinsichtlich einer gelungenen Umsetzung qualitativer Methodenlehre schlug er vor, eine zielgerichtete Schwerpunktsetzung vorzunehmen, die zwischen einer Übersicht qualitativer Verfahren einerseits und einer begründeten Auswahl von Methoden aus dieser Vielfalt andererseits oszilliere. Des Weiteren schrieb er in diesem Zusammenhang der Auswahl geeigneter Veranstaltungsformate eine entscheidende Rolle zu. Diesbezüglich plädierte er für den verstärkten Einsatz von Forschungswerkstätten (FUHRMANN, MEY, STAMANN & JANSSEN 2021; MEY 2021), die in einem durch hohen Konkurrenzdruck geprägten Umfeld im Idealfall gar eine "zweite Heimat" schaffen könnten, so MEY. Hiermit eröffnete er zugleich auch die Frage danach, welche Strukturen durch die Hochschulen geschaffen werden müssten, um einen derartigen Zusammenhang zu etablieren. Dass es sich bei der Schaffung curricularer Räume für die Methodenbildung um ein schwieriges Unterfangen handle, wie es bereits im Beitrag von Colin CRAMER angeklungen war, räumte auch MEY ein, indem er kritisch auf die seit Bologna zu beobachtende Einengung der Lehrpläne an Hochschulen blickte. Letztendlich gehe es auch darum, dass in Hochschulen für Angewandte Wissenschaften deren praxisbezogenes Profil im Sinne eines Selbstverständnisses geschärft und die Methodenentwicklung nicht allein den universitären Institutionen überlassen werden solle. Nur so kann laut MEY die eigene Stärke effektiv auf die qualitative Methodenbildung übertragen werden. [9]

Im Folgenden sollen die 19 weiteren Beiträge der Tagung vorgestellt und eingeordnet werden. Hierfür haben wir eine vom chronologischen Ablauf der Tagung abweichende Gruppierung vorgenommen, in deren Rahmen die Beiträge danach unterschieden werden, ob aus einer allgemeineren Perspektive der Stellenwert der Methodenbildung für die Berufspraxis behandelt, konkrete Forschungsmethoden und -ansätze ins Zentrum gerückt oder Erprobungen bestimmter Lehrformate und didaktischer Konzepte diskutiert wurden. [10]

4. Perspektiven auf Methodenbildung: curriculare Verankerung – Vermittlung – Transfer

Sara BACHMANN und Marija STANISAVLJEVIĆ – beide von der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz – beschäftigten sich in ihrem Vortrag mit der Frage, inwiefern Methodenbildung die Professionalisierung angehender Lehrpersonen maßgeblich unterstütze und präge. Zunächst zeigten sie auf, dass das pädagogische Feld von verschiedenen Wirkkräften mitbestimmt, stets von öffentlichem Interesse und durch individuelle Wert- und Normorientierungen der Akteur*innen geprägt sei. Für BACHMANN und STANISAVLJEVIĆ besteht das Potenzial der Methodenbildung in dem Bruch mit der sonst unhinterfragten Alltagswelt (SCHÜTZ & LUCKMANN 2017 [1982]), der durch sie eingeleitet und so eine Reflexion über die lebensweltlichen Vorstellungen möglich werde. Bei einer Studiengestaltung, in der Methodenbildung als elementar für die Professionalisierung angehender Lehrpersonen angesehen werde, müsse sie gezielt im Curriculum platziert werden (MEY, NIERMANN, PANENKA & WEYDMANN 2023). Hierfür schlugen BACHMANN und STANISAVLJEVIĆ die Unterscheidung zwischen den Schwerpunktsetzungen "Verstehen und Erklären" im Grundstudium und "Handeln und Begründen" im Hauptstudium vor. Während erstere an der Wissenschaftslogik orientiert sei, stehe bei zweiterer die Professionslogik im Mittelpunkt. Es bedürfe der Kenntnis beider Logiken, um das Professionsfeld erschließen und eine reflexive Haltung entwickeln zu können. [11]

Mit der Frage, welche forschungsmethodischen Kompetenzen Studierende der Lehrer*innenbildung im Rahmen ihrer Ausbildung erwerben sollten, beschäftigten sich Peter VETTER (Universität Freiburg) und Markus GERTEIS (Pädagogische Hochschule Freiburg und Universität Freiburg). Hierbei fokussierten sie insbesondere auf die Ergebnisse ihrer 2019 durchgeführten Befragung von in der Methodenbildung tätigen Personen (VETTER, GERTEIS & MORONI 2019) und zeigten auf, dass unter diesen kein allgemeiner Konsens darüber bestanden hätte, welche forschungsmethodischen Kompetenzen es konkret zu erwerben gelte – eine einheitliche Definition der Anforderungen zu formulieren, stelle demnach ein Problem dar. [12]

In einem weiteren Vortrag diskutierte Markus GERTEIS das Spannungsverhältnis zwischen akademisch-qualifizierender und handlungspraktisch-professionalisierender Kompetenzorientierung (VETTER et al. 2019), in dem sich angehende Lehrpersonen wiederfänden. Im Zentrum stand die Frage, inwiefern didaktische Dispositive mit der problematischen Gegenüberstellung von Berufswelt und Wissenschaftswelt verknüpft seien und welche Probleme daraus folgen könnten. GERTEIS zeigte auf, dass der Transfer zwischen im Rahmen der Methodenbildung behandelten Inhalten und der Berufspraxis nicht (ausreichend) stattfände – dies sei ein grundlegendes Problem. Es schlossen Fragen danach an, über welche Qualifikationen Ausbilder*innen verfügen müssten, um den Studierenden diesen Transfer ermöglichen zu können. [13]

Auch Kathrin KELLER und Peter STEIDINGER – beide von der Pädagogischen Hochschule Thurgau – problematisierten die bislang nicht ausreichend geführte Diskussion darüber, wie eine wissenschaftliche Haltung von Studierenden eingenommen und wie diese anschließend im unterrichtlichen Handeln wirksam werde. Es müsse demnach genauer betrachtet werden, an welcher Stelle Wissenschaft und Berufspraxis als zwei Logiken einerseits zusammenfänden und worin sie sich andererseits notwendigerweise unterschieden. Unter Bezugnahme auf SHAVELSON (2020), der Dozierende in der Lehrpersonenbildung als "Broker" beschrieb, die zwischen Forschung und Praxis vermitteln sollten, diskutierten KELLER und STEIDINGER, wie das Handeln von Dozierenden von dieser Annahme ausgehend gestaltet werden könne. [14]

5. Forschungsmethoden als Beitrag zur Professionalisierung

Andrea MÜLLER und Tobias LEONHARD – beide von der Pädagogischen Hochschule Zürich – stellten in ihrem Atelierbeitrag mit der Adressierungsanalyse (LEONHARD & LÜTHI 2021; LEONHARD, GÜVENÇ, LEONHARD & MÜLLER 2023) einen Zugang vor, der ein tieferes Verständnis für den Berufsalltag von Lehrpersonen ermögliche und damit illusorischen Vorstellungen hinsichtlich der Berufsanforderungen entgegenwirke. Damit unterstrichen sie die Bedeutung der Methodenbildung insbesondere bei der Vorbereitung auf berufsspezifische Herausforderungen. [15]

Das Potenzial der Methodenbildung für die Berufspraxis wurde auch von Beate VOMHOF (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg) hervorgehoben. Sie stellte die Anwendung des forschenden Lernens im Rahmen des Bachelorstudiengangs "Bildung und Erziehung im Kindesalter (Kindheitspädagogik)" vor. Unter Rückgriff auf die dokumentarische Methode, die auf das von Studierenden im Rahmen ihres Praxissemesters erhobene Datenmaterial angewendet werde, könnten diese ihre gewohnte Perspektive auf die Praxis kritisch reflektieren. Grundlegende Annahme hierbei sei, dass durch eine so gelagerte Auseinandersetzung im Studium Reflexivität als Grundmerkmal von Professionalität im Sinne einer Kompetenz verankert werde. Entscheidend sei jedoch, dass Methodenbildung stets in Verbindung mit konkreten Herausforderungen und Bezügen zum späteren Berufsfeld stehe, wie es auch in der Keynote von Katharina MIKO-SCHEFZIG angeklungen war. [16]

Tobias STUDER (Hochschule für Soziale Arbeit Nordwestschweiz) plädierte in seinem Atelierbeitrag für eine interaktionsanalytische Betrachtung von (Einzel-)Fällen in kasuistischen Lehrveranstaltungen, um hierdurch den Fokus auf die in der Praxis zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen zu lenken. Er betonte, dass durch diese Betrachtungsweise eine tiefergehende Einsicht in die komplexen Dynamiken und Sinnschichten sozialer Interaktionen ermöglicht werde. Durch die Analyse spezifischer Kontexte könnten praktische Handlungsstrategien entwickelt werden, die sowohl theoretisch fundiert als auch umsetzbar seien. Eine solche Herangehensweise verdeutliche nicht nur die Relevanz der Theorie für die praktische Anwendung, sondern trage auch dazu bei, das Verständnis und die Kompetenzen der Studierenden in Bezug auf die Komplexität und Vielschichtigkeit sozialer Prozesse zu schärfen. [17]

Dass qualitative Methoden auch im Bereich der Musikvermittlung zur Entwicklung professioneller Handlungskompetenz beitragen können, zeigte Seraina HÜRLEMANN (Pädagogisches Hochschulinstitut NMS) auf. So könnten narrative Interviews zur Rekonstruktion (musikalischer) Bildungsprozesse von Lehrpersonen Reflexionsprozesse anstoßen und darüber hinaus fachbezogene Überzeugungen offenlegen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde ein Weiterbildungskonzept entwickelt, das bereits in der Praxis erprobt und im Atelierbeitrag vorgestellt wurde. Philipp SANER (Pädagogisches Hochschulinstitut NMS) gewährte Einblicke in sein Promotionsvorhaben, in dessen Rahmen er einen autoethnografischen Zugang wählte, um sich mit musikalischer Identität bzw. mit der Bedeutung von Musik für die Identitätsbildung auseinanderzusetzen. [18]

Sabine MOMMARTZ (Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz) setzte sich in ihrem Vortrag mit der Frage auseinander, wie musikalische Selbstkonzepte von Schüler*innen durch Lehrpersonen erkannt und gefördert werden könnten. Des Weiteren verwies sie auf das Potenzial der sozialkonstruktivistischen Verortung qualitativer Forschung. Diese helfe, die zugrunde liegenden, latenten Sinnstrukturen biografischer Selbstkonzepte zu rekonstruieren. [19]

Ebenfalls mit Fokus auf die qualitative Methodenlehre problematisierte Frank OBERZAUCHER (Universität Konstanz und Pädagogische Hochschule Thurgau) die Reduktion auf die Vermittlung von Methoden als "Werkzeugwissen", da so die grundlegenden erkenntnistheoretischen Vorannahmen der jeweiligen Verfahren unbeachtet blieben. Vor diesem Hintergrund plädierte er unter Rückbezug auf die "Studies of Work" (LYNCH & GARFINKEL 2022) dafür, das Augenmerk auf das stumme Wissen bzw. tacit knowledge (ADLOFF, GERUND & KALDEWEY 2015) zu legen, das Mitglieder einer Berufspraxis erst durch Erfahrung erwürben. Denn es sei gerade das Oszillieren zwischen abstraktem Wissen einerseits und praktischem Handlungsproblem andererseits, das professionelles Handeln auszeichne und für Berufsanfänger*innen eine Herausforderung darstelle. OBERZAUCHER betonte den Erkenntnisgewinn einer ethnomethodologischen Perspektive, da bei ihr die soziale Wirklichkeit mit einem veränderten Blick gesehen werde, da das Hauptaugenmerk dem doing, also dem Vollzug im Alltag, gelte. Durch eine Fokussierung auf die jeweilige Funktionsweise eines Berufsfeldes sowie auf die Anforderungen der konkreten Berufspraxis könne auch ein sogenannter Praxisschock abgemildert werden. Eine besondere Rolle komme dabei ethnografischen Zugängen zu. Für OBERZAUCHER sind gerade pädagogische Fächer im Vorteil, denn die Studierenden befänden sich auf eine Weise bereits im Feld. Hinsichtlich der Umsetzbarkeit seiner Überlegungen führte OBERZAUCHER das Argument an, dass es sich lediglich um eine Verschiebung der inhaltlichen Schwerpunkte handle, schließlich sei eine eigene forschungspraktische Arbeit in den meisten Curricula vorgesehen. Allerdings stellte sich die Frage, ob die Ethnomethodologie über einzelne Fachvertreter*innen hinaus in der Lehre angekommen sei (KNORR-CETINA, KRÄMER & SALOMON 2019). [20]

Mit der den pädagogischen Kontext kennzeichnenden Antinomien, dass sowohl auf allgemeingültige Wissensbestände zurückgegriffen als auch der Einzelfall sinnverstehend gedeutet werden müsse (Subsumtionsantinomie; HELSPER 2021), setzten sich Denis HÄNZI, Michael LUTERBACHER und Balz WOLFENSBERGER (alle von der Pädagogischen Hochschule Luzern) auseinander. Um in diesem Spannungsgefüge professionell handeln zu können, bedürfe es einer reflexiven Haltung. Hier setzten HÄNZI, LUTERBACHER und WOLFENSBERGER an und eröffneten Einblicke in Lehrveranstaltungen, in deren Rahmen Studierende durch die Auswertung von selbst geführten Interviews an die Fallrekonstruktion herangeführt worden waren und das oben benannte Spannungsfeld in Ansätzen hatten erfahren können. Laut HÄNZI, LUTERBACHER und WOLFENSBERGER kommt einem geeigneten Lernsetting demnach eine entscheidende Rolle für die Entwicklung einer selbstreflexiven Haltung zu. [21]

Neben den überwiegend im pädagogischen Feld verorteten Referent*innen wurde insbesondere an dem Atelierbeitrag von Achim BROSZIEWSKI (Pädagogische Hochschule Thurgau) und Brian SWITZER (Hochschule Konstanz: Technik, Wirtschaft und Gestaltung) deutlich, dass Methodenbildung für verschiedene Berufspraxen – über das pädagogische Feld hinaus – von Relevanz ist. BROSZIEWSKI und SWITZER stellten die aus einer ethnografisch-gestalterischen Lehrforschung gewonnenen Einsichten vor. Im Modul "Designforschung und -entwicklung" des Masterstudiengangs "Kommunikationsdesign" partizipierten die Studierenden teilnehmend-beobachtend am Unterricht und setzten sich mit der Frage auseinander, wie das Notizen machen im Unterricht funktioniere. Hierbei traf das Gespür für die Visualität der Studierenden auf die Ethnografie als Forschungsstil. Dabei stand für BROSZIEWSKI und SWITZER nicht die Vermittlung grundlegender Annahmen und Verfahrensweisen der Ethnografie im Zentrum, vielmehr ging es ihnen darum herauszuarbeiten, wie durch die im Zuge des ethnografischen Arbeitens gewonnenen Erfahrungen neue Möglichkeiten in der Kommunikation zwischen Designer*innen und ihren Auftraggeber*innen eröffnet werden könnten. [22]

6. Lehrformate und didaktische Konzepte für die Methodenbildung

Ausgangspunkt des Vortrags von Kirsten SCHWEINBERGER (Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz) war die Frage, wie die Implementierung von empirischer Evidenz in die Unterrichtspraxis gelingen könne. Angesichts der Tatsache, dass angehende Lehrpersonen häufig Schwierigkeiten hätten, einen Bezug zwischen Forschung und ihrer zukünftigen Berufspraxis herzustellen, forderte SCHWEINBERGER eine intensivere Auseinandersetzung mit der Relevanz und dem Nutzen von Forschung für die eigene Profession. Denn diese beinhalte nicht allein eine praktische, sondern auch eine forschungsorientierte Tätigkeit. In diesem Zusammenhang betonte sie auch das spezifische Evidenzverständnis im pädagogischen Feld. Vor dem Hintergrund dieser Problemlage erprobte SCHWEINBERGER im Rahmen mehrerer Lehrveranstaltungen die Verknüpfung von theoretischem Wissen und praktischer Anwendung durch die Auswertung von Video-Vignetten zu Unterrichtssituationen sowie Beobachtungen von Unterrichtspraxis durch die Studierenden. Im Beitrag fokussierte sie auf die Konzeption und Durchführung der Veranstaltungen sowie die Evaluationsergebnisse. [23]

Denis HÄNZI (Pädagogischen Hochschule Luzern) hingegen stellte in seinem Vortrag ein von BOURDIEUs (1985) Konzeption des sozialen Raums inspiriertes Modell ("F3") vor, in dessen Zentrum die Dimensionen Fachorientierung, Feldbezug und Forschungszugang standen. Mit diesem Raummodell begegnete er der Herausforderung, Forschung und Lehre zu verbinden, indem Verbindungspunkte zwischen deren Handlungslogiken identifiziert werden könnten. [24]

Für Katja MARGELISCH (Pädagogische Hochschule Bern) und Rüdiger-Philipp RACKWITZ (Pädagogische Hochschule Schwäbisch-Gmünd) bestand das Ziel von Methodenbildung in der Einübung und Stärkung einer forschenden, kritisch-reflexiven Haltung. Katja MARGELISCH stellte das Konzept des Methodencoachings vor, welches Lehramtsstudierende während ihrer Masterarbeit in Anspruch nehmen könnten. Damit werde dem Problem begegnet, dass Studierende große Unsicherheit bei der Planung und Durchführung eigener empirischer Untersuchungen empfänden; zugleich werde die Einnahme und Stärkung einer forschenden Haltung gefördert. Weiter diskutierte sie, welche Schlussfolgerungen von den Studierenden aus der methodischen Auseinandersetzung für ihre Berufspraxis gezogen wurden. [25]

Im Zentrum des Atelierbeitrags von Rüdiger-Philipp RACKWITZ stand die Entwicklung und Etablierung einer Forschungswerkstatt. Mit ihr werde in einem ersten Schritt darauf abgezielt, bei den der Studierenden Neugier und Interesse an Forschung zu wecken, sich kritisch-reflexiv mit Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen und sie zur Durchführung kleinerer Forschungsarbeiten zu befähigen. Dies begünstige schließlich in einem zweiten Schritt das Einüben einer forschenden Haltung, mit deren Hilfe Praxisprobleme professionell bearbeitet werden könnten. [26]

Nina MEISTER (Philipps-Universität Marburg) zeigte am Beispiel einer praktikumsvorbereitenden Veranstaltung in der Lehrpersonenbildung auf, wie durch das ethnografische Beobachten eine differenzierte Perspektive auf Schule und Unterricht eingenommen werden könne. Die hierdurch erzeugte Befremdung des Vertrauten bilde zum einen die Grundlage für jede wissenschaftliche Reflexion (RICHTER, PETRIK & FRIEBERTSHÄUSER 2023), zum anderen ermögliche sie es, auch biografische Erfahrungen einer neuen Betrachtung zu unterziehen. [27]

Der Aspekt der Reflexivität wurde ebenfalls von Karin FASSEING und Philipp EIGENMANN – beide von der Pädagogischen Hochschule Thurgau – aufgegriffen. Sie stellten eine Konzeption der Methodenbildung vor, deren Kernelement die studentische Partizipation in aktuellen Forschungsprojekten sei. Diese könne maßgeblich zur Meta-Reflexivität (CRAMER, HARANT, MERK, DRAHMANN & EMMERICH 2019) künftiger Lehrpersonen beitragen, sofern die Forschungserkenntnisse von Relevanz für die Profession seien und auch von den Studierenden als substanziell wahrgenommen würden. Zudem zeige sich eine erhöhte Qualität der Abschlussarbeiten, und auch die Forschungsprojekte könnten durch den Einbezug einer studentischen Zuarbeit profitieren. [28]

Jeannine WINTZER (Universität Bern) setzte sich mit der Frage auseinander, wie die Vermittlung qualitativer Methoden gestaltet werden könne. In ihrem Vorlesungskonzept erprobte sie die Anwendung qualitativer Methoden auf sozialgeografische Fragestellungen mittels Flipped Classroom und forschendem Lernen (WINTZER 2023). Zentral sei hierbei der Einbezug der Studierenden als Peer Teachers. Des Weiteren thematisierte WINTZER die Verbindung zwischen Methodenbildung und der Vermittlung von Medienkompetenz. [29]

7. Podiumsdiskussion: Herausforderungen und Chancen für die Lehrpersonenbildung

Im Zentrum der die Tagung abschließenden Podiumsdiskussion stand die Frage, wie eine gelungene sozialwissenschaftliche Methodenbildung gestaltet sein müsse, damit sie im Professionsalltag anschlussfähig werde. Dagmar RÖSLER betonte, dass gerade der Berufseinstieg für junge Lehrkräfte eine Herausforderung darstelle. Denn diese stünden vor mannigfaltigen Handlungsanforderungen. Indem durch die Methodenbildung die Fähigkeit zur Reflexion ausgebildet und analytisches Denken befördert werde, komme ihr eine entscheidende Rolle für die Lehrpersonenbildung zu. So würden angehende Lehrpersonen dazu befähigt, Probleme zu erkennen, multiple Lösungsansätze zu entwickeln und ihr Handeln begründen zu können. Hierin bestehe der Transfer von Methodenbildung in die Praxis, so RÖSLER. Günter MEY wies darauf hin, dass für eine gelungene Methodenbildung ein verstärkter Einbezug der beteiligten Akteur*innen entscheidend sei und so auch eine Sensibilisierung für verschiedene Perspektiven gefördert werden könne. Er unterstrich des Weiteren, dass der Nutzen für die Berufspraxis erkenntlich sein müsse. Auch Katharina MIKO-SCHEFZIG plädierte für eine Verbindung von theoretischem Wissen und praktischen Bezügen. Sie machte zudem deutlich, dass die Frage nach dem Ziel der Methodenbildung von zentraler Bedeutung sei. Diesbezüglich erläuterte Colin CRAMER, dass es weniger darum gehe, Wissen über eine Methode abrufen und sie in der Praxis anwenden zu können, sondern um das Einnehmen einer bestimmten Haltung. Einigkeit herrschte auch darüber, dass es grundlegende Veränderungen sowohl im Schulwesen als auch in den Hochschulen bedürfe. Auf die Frage, wie zur Verfügung gestelltes Geld für die Methodenbildung eingesetzt werden sollte, antworteten die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. So sprach sich RÖSLER dafür aus, mit allen Beteiligten in Austausch zu treten und "das Schulsystem neu zu denken", d.h. mit den tatsächlichen Bedarfen in Einklang zu bringen, was entsprechende Anpassungen an den Hochschulen und Universitäten nach sich ziehen müsse. In diesem Zusammenhang plädierte MIKO-SCHEFZIG dafür, gerade die Alumni "konsequent einzubeziehen". Hieran schloss sich BAUMGARTNER (Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz) an und unterstrich die Dringlichkeit, die entsprechenden Rahmenbedingungen umzugestalten. MEY und CRAMER gingen hingegen noch einen Schritt weiter, indem sie die unzureichende Infrastruktur und prekären Arbeitsbedingungen des Mittelbaus an deutschen Hochschulen entschieden kritisierten; diese seien mit einem Anspruch auf gute Bildung nicht in Einklang zu bringen (KALKSTEIN & MEY 2021). Demnach bestehe nicht nur im Bereich der Methodenbildung ein erheblicher Handlungsbedarf. [30]

8. Abschließende Bemerkungen

Die verschiedenen Perspektiven, aus welchen die Frage nach den Relationierungen zwischen sozialwissenschaftlicher Methodenbildung und deren Nutzung und Stellenwert in der Berufspraxis diskutiert wurde, regten einen lebhaften Austausch an. Die Tagung markierte ohne Zweifel einen überaus gelungenen Auftakt der Tagungsreihe "Aspekte der Professionalisierung und Perspektiven der Profession". In den Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich, dass Methodenbildung als ein unverzichtbarer Bestandteil der Professionalisierungsprozesse nicht nur von Lehrpersonen, sondern auch für andere Berufsgruppen anzuerkennen sei. Trotz der unbestreitbaren Notwendigkeit einer fundierten Methodenbildung scheint ihre Anschlussfähigkeit mit der tatsächlichen Berufspraxis nicht fraglos gegeben zu sein. Diese Diskrepanz wurde mehrfach thematisiert. Auffallend war, dass überwiegend Beitragende mit einem Schwerpunkt auf qualitativen Methoden vertreten waren, obwohl in der Ankündigung der Tagung keine Einschränkung vorgenommen worden war. Für eine Folgeveranstaltung wäre es durchaus wünschenswert, auch hier den Raum für Dialoge zu eröffnen. [31]

Die wohl größte Gemeinsamkeit bestand in der Pointierung, dass die Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion als Grundlage professionellen Handelns maßgeblich durch die Methodenbildung ermöglicht werden könne. Hierfür wurden sowohl einzelne methodologische – vor allem interpretative und rekonstruktive – Zugänge (etwa dokumentarische Methode, Ethnomethodologie, Hermeneutik) wie auch bestimmte Formate (z.B. Forschungswerkstätten und Methodencoaching) als besonders geeignet hervorgehoben. Voraussetzung sei die Herstellung berufspraktischer Bezüge. Für Studiengänge, hinter denen keine sich im Vorfeld klar abzeichnende Berufspraxis steht, stellt letzterer Aspekt sicherlich eine Herausforderung dar. Darüber hinaus muss jedoch noch genauer geklärt und definiert werden, worauf Methodenbildung zielen soll: Geht es um die Anwendung konkreter Erhebungs-, Analyse- und Auswertungsverfahren oder um die Einübung einer bestimmten (Forschungs-)Haltung? Letztere wurde an vielen Stellen der Tagung als "wissenschaftlicher" bzw. "qualitativer Habitus" bezeichnet und eingefordert. Um eine Reduktion des Habitus-Konzepts (BOURDIEU 2014 [1979]) auf eine veränderbare Stellschraube, an der im Rahmen der Methodenbildung gedreht werden müsse, zu vermeiden, plädieren wir an dieser Stelle für den Begriff einer reflexiven Haltung, wie er auch in einigen Beiträgen verwendet wurde. Gerade weil die sozialwissenschaftliche Methodenbildung als integraler Bestandteil hochschulischer Bildung im Anschluss an KUNZ und STANISAVLJEVIĆ durchaus als "der Schlüssel zum Erfolg" bezeichnet werden kann, sehen wir es als unerlässlich an, dass sich dieser Stellenwert auch in den curricularen Strukturen widerspiegelt. [32]

Anmerkung

1) Alle Zitate der Referent*innen stammen aus Mitschriften, die während der Tagung angefertigt wurden. <zurück>

Literatur

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Zu den Autorinnen

Sofia Marie FLETSCHINGER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Soziologie an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich der qualitativen Sozialforschung und Wissenssoziologie.

Kontakt:

Sofia Marie Fletschinger

Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Institut für Sozialwissenschaften
Abteilung Soziologie
Fortstraße 7
D-76829 Landau

Tel.: +49 6341 280 34408

E-Mail: s.fletschinger@rptu.de

 

Loli MILOŠEVIĆ ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Professur Berufspraktische Studien und Professionalisierung am Institut Kindergarten-/Unterstufe an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Studierendenbefragung, speziell des Teaching Analysis Poll (TAP) sowie Interviewverfahren.

Kontakt:

Loli Milošević

Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz
Institut Kindergarten-/ Unterstufe
Berufspraktische Studien und Professionalisierung
Obere Sternengasse 7
CH-4502 Solothurn

E-Mail: loli.milosevic@fhnw.ch
URL: https://www.fhnw.ch/de/personen/loli-milosevic

Zitation

Fletschinger, Sofia M. & Milošević, Loli (2024). Tagungsbericht: Die Praxis der sozialwissenschaftlichen Methodenbildung – sozialwissenschaftliche Methodenbildung in der Berufspraxis [32 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 25(1), Art. 14, https://doi.org/10.17169/fqs-25.1.4177.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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