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Volume 26, No. 2, Art. 3 – Mai 2025

Voice Messaging: eine Methode zur prozessbegleitenden Erfassung digitaler Praktiken

Annika Becker, Marcus Eckelt, Frank Kleemann & Inga Külpmann

Zusammenfassung: In diesem Artikel stellen wir das Erhebungsverfahren Voice Messaging vor. Der Name dieser Methode stammt von der zentralen Technik, dass Fragen in einem Forschungsprojekt per Sprachnachricht beantwortet werden. So können prozessbegleitend qualitative Daten und narrative Darstellungen erhoben werden, die Einblick in subjektive Sichtweisen von Befragten geben. Im Beitrag werden zunächst Erhebungsmöglichkeiten zur Erfassung raum-zeitlich disparater Praktiken erörtert und die notwendige Entwicklung eines neuen Erhebungsansatzes herausgestellt. Exemplarisch wird der Einsatz von Voice Messaging anhand einer durchgeführten Studie im Feld digitaler Plattformarbeit (Crowdwork) dargestellt und reflektiert. Auf dieser Basis werden Hinweise zur Umsetzung der Methode und möglichen Auswertung der Daten gegeben. Die generierten Voice Messages werden bzgl. spezifischer Charakteristika, unterschiedlicher Erhebungskontexte und verschiedener Qualitäten der sprachlichen Darstellungen (Strukturierungs- und Detaillierungsgrade) diskutiert. Außerdem wird das Datenmaterial mit qualitativen Interviews verglichen und unter methodologischen Gesichtspunkten verhandelt. Abschließend werden Adaptionsmöglichkeiten und Anwendungen der Methode in anderen Kontexten besprochen.

Keywords: qualitative Erhebungsmethoden; Voice Messaging; Sprachnachrichten; prozessuale Daten; digitale Methoden; digitale Praktiken; narrative Darstellungen, Crowdwork; Arbeits- und Lernpraktiken

Inhaltsverzeichnis

1. Die Herausforderung, digitale Praktiken prozessbegleitend zu erfassen

2. Möglichkeiten der prozessbegleitenden Erfassung raum-zeitlich disparater Praktiken

3. Forschungsfeld und -design

3.1 Forschungsfeld: Crowdwork-Plattform für Texterstellungsaufträge

3.2 Voice Messaging als Kern der Erhebung

3.3 Praktische Durchführung

3.4 Reflexion des Verfahrens

4. Qualitäten und Charakteristika der Voice Messages

4.1 Erhebungskontext und -verläufe

4.1.1 Aufnahmesetting

4.1.2 Veränderungen im Zeitverlauf

4.2 Qualitäten der sprachlichen Darstellungen

4.2.1 Strukturierungsweisen der Antwort

4.2.2 Detaillierung und Erweiterung

4.3 Methodische Einordnung und Reflexion

5. Adaption und Einbettung in andere Kontexte

Anmerkungen

Literatur

Zu den Autorinnen und Autoren

Zitation

 

1. Die Herausforderung, digitale Praktiken prozessbegleitend zu erfassen

Die Digitalisierung eröffnet Forscher:innen neue Möglichkeiten zur Datenerhebung (GIBBS, FRIESE & MANGABEIRA 2002). Gleichzeitig gehen mit diesen Potenzialen neue Herausforderungen einher (FRANKEN 2022). Neue Möglichkeiten umfassen beispielsweise Usability-Erhebungen oder die Online-Durchführung von Interviews und anderen Formen der Befragung (TIMM & NEHLS 2019). Insbesondere mit dem Smartphone lassen sich zeitlich asynchron Daten für bestimmte Forschungsinteressen gezielt generieren, die nicht bereits im Rahmen der alltäglichen Smartphone-Nutzung anfallen. Beispielsweise ermöglicht Mobile Experience Sampling (exemplarisch FECKE, FEHR & SCHLÜTZ 2024) als mobile Form der Datenerhebung die situative Befragung über Fragebögen per Smartphone, indem die Teilnehmenden ein Signal erhalten und daraufhin wiederholt Frageitems in situ beantworten. Neben solchen quantitativ orientierten Verfahren gibt es auch qualitative Ansätze, bei denen mit Audioaufzeichnungen gearbeitet wird: So verwendeten CROZIER und CASSELL (2016) Diktiergeräte über einen Zeitraum von vier Wochen zur Aufzeichnung von Reflexionen über die eigene Arbeit. KAUFMANN und PEIL (2020) verbanden Mobile Experience Sampling mit einer Art Tagebuchstudie und führten eine eintägige Erhebung mit stündlichen Sprachnachrichten zur Mediennutzung über WhatsApp durch. KLEINLEIN (2023) gab einen allgemeinen Überblick über die Erhebungsmöglichkeiten mit Sprachnachrichten. [1]

Digitale Kommunikationskanäle und Medien eröffnen neue Möglichkeiten der Datenerhebung. Wo und in welcher Form diese für qualitative Forschung sinnvoll genutzt werden können, hängt vom Gegenstand und der Untersuchungsfrage ab. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf der prozessbegleitenden Erfassung raum-zeitlich disparater digitaler Praktiken, die mittels gängiger ethnografischer oder Interviewverfahren nur begrenzt erfassbar sind. Zu diesem Zweck haben wir im Kontext eines laufenden Projekts ein Erhebungsverfahren entwickelt, das wir als Voice Messaging bezeichnen. Im Folgenden stellen wir das Verfahren und seine Anwendungsmöglichkeiten vor und reflektieren die Art und Qualität der damit generierbaren Daten und die methodischen Begrenzungen. [2]

Der Name Voice Messaging ist von der zentralen Übermittlungsform abgeleitet, dem Verschicken von Sprachnachrichten per Smartphone durch die Studienteilnehmer:innen. Die Erhebung beruht im Kern darauf, dass diese regelmäßig per Messenger-App in schriftlicher Form Fragen übermittelt bekommen, die sie dann innerhalb eines Zeitrahmens von mehreren Tagen ebenfalls über die App in Form einer Sprachnachricht beantworten. Die zeitliche Flexibilität ermöglicht auch Personen eine Mitarbeit, die aufgrund von Carework, beruflichen oder anderen Verpflichtungen nicht regelmäßig zu festen Zeiten oder auf spontane Aufforderung hin teilnehmen könnten. [3]

Durch die über einen Zeitraum hinweg regelmäßig wiederholte Befragung per Voice Messaging werden prozessbegleitend qualitative Daten generiert, sodass auch Veränderungen der untersuchten Praxis der Befragten sowie deren subjektive Wahrnehmung und Bewertung im Zeitverlauf erfasst werden können. Aus den konsekutiv gestellten Fragen resultieren spontane mündliche Darstellungen, die die Teilnehmer:innen flexibel in ihrem Alltag aufnehmen können. Im Unterschied zu quantitativen Längsschnittbefragungen zielen wir mit den Sprachnachrichten auf spontane Narrationen ab, die den drei Zugzwängen des Erzählens – Kondensierungs-, Detaillierungs- und Gestaltschließungszwang – im Sinne der Narrationsanalyse unterliegen (KLEEMANN, KRÄHNKE & MATUSCHEK 2013, S.66-68). [4]

Im Folgenden werden zunächst Möglichkeiten der prozessbegleitenden Erfassung raum-zeitlich disparater Praktiken diskutiert und daraus die Entwicklung des neuen methodischen Zugangs erläutert (Abschnitt 2). Anschließend wird kurz das Forschungsfeld Crowdwork eingeführt, in dem Voice Messaging entwickelt und durchgeführt wurde, worauf als zentraler Teil des Beitrags die Erläuterung der Methode Voice Messaging folgt (Abschnitt 3). Daran anknüpfend diskutieren wir Spezifika der Voice Messages als Datenmaterial sowie deren methodische Einordnung und Reflexion (Abschnitt 4). Abschließend werden Adaptionsmöglichkeiten von Voice Messaging vorgestellt (Abschnitt 5). [5]

2. Möglichkeiten der prozessbegleitenden Erfassung raum-zeitlich disparater Praktiken

Unser Ausgangspunkt im Projekt war der Bedarf nach einer gegenstandsangemessenen Erhebungsmethode, um die Arbeitspraktiken, Wahrnehmungen und Deutungen von Crowdworker:innen in der Anfangsphase nach ihrer Anmeldung auf einer Crowdwork-Plattform im Zeitverlauf zu erfassen. Verallgemeinert gesprochen galt es, mit dem Erhebungsverfahren zwei verschiedene Bedarfe gleichzeitig abzudecken. Erstens sollten nicht unmittelbar beobachtbare, raum-zeitlich disparate Praktiken sowie damit korrespondierende individuelle "Argumentationsmuster, Beschreibungen, Einschätzungen und Erzählungen" (STRÜBING 2018, S.95) der Befragten erfasst werden. Zweitens ging es uns darum, die Veränderung solcher Praktiken und Orientierungen im Zeitverlauf zu erfassen; die Erhebungsmethode musste also wiederholt zum Einsatz kommen können. [6]

Gängige Verfahren zur Erhebung subjektiver Erfahrungen und digitaler Praktiken sind Interviewverfahren und ethnografische Erhebungsmethoden. Beide Zugangsweisen weisen in jeweils spezifischer Art Limitationen für die Erfassung des Untersuchungsgegenstands auf. Eine retrospektive Erhebung durch ein einmaliges Interview erschien uns methodisch nicht adäquat, weil individuelle Abwägungs- und Entscheidungsprozesse sowie Veränderungen der Wahrnehmung der Plattform im Zeitverlauf retrospektiv nur bedingt erfassbar sind. Als Alternative, um während der Einstiegsphase kontinuierlich Daten zu erheben, wäre es prinzipiell möglich gewesen, wiederholt (prozessbegleitend, DIMBATH 2012, oder longitudinal, HERMANOWICZ 2013) Interviews zu führen. Das wäre in methodologischer Hinsicht zwar adäquat, aber forschungspraktisch nur bedingt umsetzbar gewesen, da wir eine Teilnahmebereitschaft für wiederholte Interviews im Wochen- bzw. sogar Tagesrhythmus, was zudem jeweils fixe Terminvereinbarungen erfordert hätte, nicht erwartet haben. [7]

Feldethnografische Erhebungsansätze, deren primärer Bezugspunkt Praxis und Praktiken sind (BREIDENSTEIN, HIRSCHAUER, KALTHOFF & NIESWAND 2020; HINE 2015; MOL 2003), unterliegen den gleichen forschungspraktischen Beschränkungen begrenzter Teilnahmebereitschaft. Vor allem aber wären die zu erfassenden, raum-zeitlich verteilten und nicht fokussierten Praxen der einzelnen Personen auf diesem Wege nur schwer in den Blick zu bekommen. Wichtig ist hier als feldspezifischer Kontext, dass die Aktivitäten von Crowdworker:innen nicht netzöffentlich dokumentiert und daher von außen nicht einsehbar sind, weshalb online-ethnografische Ansätze der Datenerhebung nicht praktikabel waren. Solche Zugänge basieren entweder auf der Erfassung investigativer Daten – d.h. online dokumentierter und daher zugänglicher (Interaktions-)Praktiken (z.B. in Online-Foren) – oder interaktiver Daten, die (wie bei feldethnografischen Zugängen) im Zuge der Teilnahme an digitalen Interaktionen erhoben werden (KOZINETS 2020, S.179). [8]

Ein weiterer Bezugspunkt in den Überlegungen zur Entwicklung eines Verfahrens waren Tagebuchstudien (KENTEN 2010; RAUSCH 2011, S.161-176). Diese werden sowohl eher quantitativ orientiert umgesetzt, aber auch bereits in Form von Audiotagebüchern verwendet (CROZIER & CASSELL 2016; WILLIAMSON, LEEMING, LYTTLE & JOHNSON 2015). In einigen Fällen wurden Sprachnachrichten dabei als "mobile instant messaging interview (MIMI)" (KAUFMANN & PEIL 2020) als Alternative zu Interviews umgesetzt, zielen allerdings darauf ab, dass die Personen möglichst direkt auf die Fragen antworten (a.a.O.). Diese Ansätze beziehen sich vorwiegend auf kürzere Zeiträume, wie der Begriff Tagebuchstudie impliziert. Ein solches Verfahren war sowohl für unser Feld als auch für unser Untersuchungsinteresse nicht adäquat, da der Zeitraum von Interesse deutlich länger war und die Erhebungseinheiten zugleich breiter gefasst werden sollten. KLEINLEIN (2023) beschrieb ebenfalls die Verwendung von Sprachnachrichten in der qualitativen Forschung (insbesondere im Zuge der Covid-19-Pandemie), stellte dabei allerdings nicht deren gezielte Nutzung zur Erhebung prozessualer Daten über einen längeren Zeitraum hinweg heraus. [9]

Zentral bleibt das Erfordernis, dass das Verfahren für das Erkenntnisinteresse angemessen ist. Für uns stellten schriftliche Interviews (SCHIEK 2022) ebenfalls keine passende Erhebungsmethode dar, weil in dieser Kommunikationsform die Spontanität der sprachlichen Darstellung verloren gehen würde. Im Sinne der Gegenstandsangemessenheit und der in der Ethnografie als "feldspezifische[r] Opportunismus" (BREIDENSTEIN et al. 2020, S.39) bezeichneten Haltung, Methode(n) und generierte Daten im Forschungsprozess optimal an das Forschungsfeld anzupassen, haben wir Voice Messaging zur prozessualen Erfassung raum-zeitlich disparater Praktiken entwickelt und in Verbindung mit verschiedenen weiteren Verfahren umgesetzt. [10]

3. Forschungsfeld und -design

Im Folgenden wird zunächst das spezifische Forschungsfeld, in dem Voice Messaging entwickelt wurde, präsentiert und die Methode exemplarisch anhand einer von uns durchgeführten Erhebung verdeutlicht. Anschließend diskutieren wir in Abschnitt 4 in generalisierender Absicht die Spezifika des Voice Messaging als Methode. [11]

3.1 Forschungsfeld: Crowdwork-Plattform für Texterstellungsaufträge

Voice Messaging wurde für eine Erhebung auf einer Crowdwork-Plattform entwickelt bzw. durchgeführt. Als Crowdwork werden bezahlte limitierte Arbeitsaufträge bezeichnet, die über Online-Plattformen vermittelt und abgewickelt werden (GERBER & KRZYWDZINSKI 2019, S.122). Die Besonderheit an dieser neuen, arbeitsrechtlich selbständigen Arbeitsform ist, dass die online vermittelten Aufträge zeitlich und räumlich flexibel bearbeitet und entsprechend flexibel in den eigenen Alltag integriert werden können (GAJEWSKI 2018). Crowdworker:innen entscheiden selbst, ob sie sich für bestimmte Aufträge bewerben. Die Modalitäten variieren zwischen den Plattformen (ECKELT & THRUN 2021). [12]

Die Flexibilität und Unverbindlichkeit beim Crowdworking ermöglicht ein stark unterschiedliches Nutzungsverhalten seitens der Crowdworker:innen. Dies reicht von über Monate inaktiven Accounts und unregelmäßiger Nutzung für wenige Minuten bis hin zur täglichen Nutzung unterschiedlicher Plattformen für mehrere Stunden. Insgesamt zeigen die vorliegenden Studien, dass Crowdworker:innen in Deutschland diese Tätigkeit überwiegend nebenberuflich und häufig nur phasenweise aktiv ausüben. Crowdwork nimmt in ihrem von anderen Tätigkeiten wie Erwerbstätigkeit und/oder Sorgeverpflichtungen dominierten Alltag nur einen geringen Stellenwert ein (BONIN & RINNE 2017; PESOLE, URZÍ BRANCATI, FERNÁNDEZ-MACÍAS, BIAGI & GONZÁLEZ VÁZQUEZ 2018; SERFLING 2019). [13]

Voice Messaging haben wir entwickelt, um Praktiken von Crowdworker:innen auf einer von mehreren von uns untersuchten Plattformen zu untersuchen.1) Über die Plattform werden Aufträge im Bereich der Texterstellung vermittelt, ohne dass direkt in die Interaktion zwischen Auftraggeber:innen und Auftragnehmer:innen eingegriffen wird. Der Prozess verläuft wie folgt: Auftraggeber:innen, üblicherweise Unternehmen, stellen auf der Plattform Aufträge ein, bei denen es um die Erstellung von einfachen, kurzen Produktbeschreibungen mit weniger als 100 Wörtern bis hin zu thematisch spezialisierten Beiträgen für Zeitschriften und Blogs handeln kann. Die Crowdworker:innen wählen die im offenen Marktbereich angezeigten Aufträge nach dem Prinzip first come, first serve aus. Im Anschluss verfassen sie den Text entsprechend der Vorgaben und reichen ihn über die Plattform ein. [14]

Diese Form der Auftragsvergabe und -bearbeitung im digitalen Raum stellte uns vor die Frage, wie wir solche für Außenstehende kaum beobachtbaren Praktiken sozialwissenschaftlich erforschen können. Erfasst werden sollte die Einstiegsphase der ersten drei Monaten nach Registrierung. Leitende Forschungsfragen waren: Wie verhalten sich Crowdworker:innen in dieser Phase auf der Plattform? Wie nehmen sie die Plattform wahr? Was und wie wird in der Einstiegsphase gelernt? Welche Erfahrungen machen sie, und wie beeinflussen diese Erfahrungen ihre Entscheidung, längerfristig als Crowdworker:innen auf der Plattform aktiv zu bleiben? [15]

3.2 Voice Messaging als Kern der Erhebung

Die Teilnehmer:innen erhielten von uns wöchentlich zwei Fragen zu ihrer Plattformnutzung als Textnachricht und beantworteten diese an den Folgetagen zeitlich flexibel mit einer Sprachnachricht per Signal-App.2) Die Länge der Sprachnachrichten variierte. Eine Dauer von fünf bis zehn Minuten wurden vorab im Einstiegsgespräch (siehe Abschnitt 4.2.2) als ungefährer Richtwert kommuniziert. Die erste der beiden Fragen wiederholte sich wöchentlich; die zweite änderte sich jeweils. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich über zwölf Wochen. Gestellt wurden Fragen zur Alltags- und Crowdwork-Praxis, zu den subjektiven Wahrnehmungen und Bewertungsmaßstäben sowie zu unterschiedlichen Aspekten des Crowdworks und der Plattform. Für eine Übersicht über alle Fragen3) siehe Tabelle 1.

 

Wöchentlich wiederholte Frage

 

Haben Sie in dieser Woche [die Plattform] genutzt? Wenn ja: Was haben Sie getan? Können Sie eine Situation oder einen Eindruck beschreiben, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

 

Wöchentlich variierende Fragen

1

Was waren die ausschlaggebenden Gründe für Sie, sich bei [der Plattform] anzumelden, und was erwarten Sie von der Plattform?

2

Bitte beschreiben Sie den Anmeldungs- und Überprüfungsprozess bei [der Plattform]. Was ist Ihnen aufgefallen?

3

Bitte schildern Sie Ihre ersten Eindrücke von der Plattform, nachdem Sie für die Nutzung freigeschaltet wurden. Was ist Ihnen aufgefallen? Welche Informationen haben Sie seitens der Plattform erhalten? Gab es Informationen, die Ihnen gefehlt haben?

4

Welche Rolle spielt das Schreiben grundsätzlich in ihrem Alltag? Wo und wie schreiben Sie am liebsten? Gibt es einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit, eine bestimmte Stimmung?

5

Wie und wann sind Sie auf online über Plattformen vermittelte Arbeit aufmerksam geworden? Haben Sie sich neben [dieser Plattform] weitere Plattformen angesehen und sind dort ggf. aktiv?

6

Welche Rolle spielt Ihre Tätigkeit auf [der Plattform] in Ihrem Alltag? Wie steht diese im Verhältnis zu Ihren Arbeits- und Freizeitaktivitäten?

7

Welche Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um auf [der Plattform] als Autor:in erfolgreich zu sein?

8

Was sind aus Ihrer Sicht Vor- und Nachteile der online stattfindenden Vermittlung von Arbeitsaufträgen für Autor:innen?

9

Nach welchen Kriterien wählen Sie Aufträge aus? Was sind ggf. Ausschlusskriterien?

10

Bitte beschreiben Sie detailliert den Ablauf des letzten Auftrags, den Sie bei [der Plattform] bearbeitet haben? Von der Auswahl des Auftrags bis zur Abgabe des Textes.

11

Inwiefern entspricht die Arbeit auf [der Plattform] Ihren Erwartungen? Inwieweit hatten Sie andere Erwartungen?

12

Sie sind jetzt seit rund drei Monaten bei [der Plattform]: Wie haben sich Ihre Aktivität und Ihr Umgang mit der Plattform seitdem entwickelt?

Tabelle 1: Überblick über versendete Fragen [16]

Mit der wöchentlich wiederholten Frage legten wir den Fokus auf Umfang und Inhalt der in der Woche stattgefundenen Aktivität auf der Plattform. Die erste Frage zielte also darauf ab, einen vergleichbaren Überblick über die Aktivitäten auf der Plattform sowie die konkret ausgeübten Tätigkeiten zu erhalten. Die variierende zweite Frage haben wir so konzipiert, dass sie auch sinnvoll von Personen beantwortet werden konnte, die in der jeweiligen Woche ggf. nicht auf der Plattform aktiv waren. Die mit diesen Fragen generierten sprachlichen Darstellungen zu bestimmten Themen lassen sich sowohl zwischen den Fällen vergleichen als auch als Teil des jeweiligen Gesamtfalles interpretieren. Ebenso konnten Personen, die noch keinen Auftrag bearbeitet hatten, die meisten dieser Fragen sinnvoll beantworten. [17]

Die wöchentlich eingesendeten Sprachnachrichten wurden unmittelbar transkribiert und entsprechend der inhaltlich-strukturierenden Inhaltsanalyse nach KUCKARTZ (2016) ausgewertet. Wir diskutierten diese einzelnen Auswertungen wöchentlich im Hinblick auf den gesamten Fall und mögliche Entwicklungsperspektiven sowie in fallvergleichender Perspektive. Die Auswertung der Daten im Rahmen unserer Studie wird in diesem Beitrag nur am Rande thematisiert, da der Fokus auf der Art des generierten Datenmaterials liegt. [18]

Die Voice Messaging-Befragung erfolgte in Kombination mit darauf bezogenen anderen Schritten zur Datengenerierung. Die Studie begann für die Teilnehmer:innen, nachdem wir sie kontaktiert hatten, mit dem Ausfüllen eines Fragebogens. Zusammen mit dem Fragebogen erhielten sie eine Datenschutzerklärung. Beides schickten sie dann an uns zurück. In einem kurzen, rund 15-minütigen Einführungsgespräch per Videocall haben wir sie über den weiteren Ablauf der Studie informiert sowie Rückfragen zum Fragebogen und Datenschutz geklärt. Die zwölfwöchige Voice Messaging-Erhebungsphase begann in der Woche nach dem Einführungsgespräch. In diesen zwölf Wochen führten wir zusätzlich drei zweiwöchige Zeitbudgeterhebungen durch. Dabei sollten die Teilnehmer:innen ihren Tagesablauf in den jeweiligen Wochen dokumentieren. Nach Abschluss der Voice Messaging-Befragung wurden sie ca. drei Monate später für ein vertiefendes Interview kontaktiert (siehe Abb.1).



Abbildung 1: schematische Übersicht über den Ablauf der Haupterhebung [19]

Voice Messaging haben wir in unserer Studie mit den folgenden Erhebungsmethoden kombiniert:

Für diese Kombination haben wir uns einerseits entschieden, um zusätzlich Daten zur Einbettung von Crowdwork in die Alltagsgestaltung zu erheben. In den nachfolgenden Interviews konnten wir andererseits weitere Themen individuell-spezifiziert abfragen sowie mögliche verfälschende Effekte der Voice Messaging-Erhebung abmildern.5) Je nach Forschungsinteresse und -design kann Voice Messaging mit oder ohne Kombination mit weiteren Erhebungsmethoden durchgeführt werden. [21]

3.3 Praktische Durchführung

Um die individuelle Wahrnehmung der Crowdworker:innen während ihrer Einstiegsphase auf der Plattform zu verstehen, war es für uns wichtig, die zwölfwöchige Erhebung möglichst kurz nach der Registrierung zu starten. Daraus ergaben sich individuell unterschiedliche Anfangszeitpunkte für die 30 Erhebungsteilnehmer:innen. Aus Forscher:innenperspektive betrug der Erhebungszeitraum insgesamt rund sieben Monate.6) Die erste Person startete Anfang Juni 2022. Die letzte Voice Message ging Ende Dezember 2022 bei uns ein. [22]

Bei der Zusammenstellung des Samples haben wir uns am Theoretical Sampling (GLASER & STRAUSS 2017 [1967]; STRÜBING 2021) orientiert. Ziel war es, zugleich kontrastierend unterschiedliche Fälle, aber auch die relevanten Personengruppen, die sich auf der Plattform finden lassen, einzubeziehen. Anhand der Kategorien Alter, Geschlecht und Niveaustufen haben wir Mindestquotierungen erstellt, nach denen die Plattformbetreiber:innen neu angemeldete Nutzer:innen angesprochen haben, um den Kontakt mit uns herzustellen. Auf der Plattform reichen neue Nutzer:innen immer zunächst einen Probetext ein. Wenn dieser durch die Plattform geprüft wurde und den Mindeststandards genügt, werden die Personen als Autor:innen für die Plattform freigeschaltet und es wird ihnen mitgeteilt, in welches Niveau7) sie eingeordnet wurden. Im Zuge dieses Informationsaustausches erhielten die neuen Nutzer:innen zusätzlich ein Informationsschreiben, in dem sie über die Möglichkeit informiert wurden, an unserer Studie teilzunehmen. Die Interessierten meldeten sich dann bei uns, und wir klärten mit ihnen die weiteren Schritte bezüglich der Teilnahme. Durch wöchentliche Rückmeldung der Quotenerfüllung der Samplingkriterien an die Plattform konnten wir so die Ansprache weiterer Personen steuern und alle Mindestquoten wie geplant füllen. Dass von 30 Teilnehmer:innen nur zwei Personen die dreimonatige Erhebungsphase vor dem geplanten Ende abgebrochen haben, hat unsere Erwartung deutlich übertroffen. Unser Ziel war, dass mindestens 20 von 30 Personen an der Studie bis zum Ende teilnehmen. [23]

Um sozial erwünschten Äußerungen und geschönten Darstellungen des Erlebens auf der Plattform vorzubeugen, haben wir die Unabhängigkeit unseres Forschungsprojekts von der Plattform in der Kommunikation mit den Crowdworker:innen konsequent betont. Insbesondere weil die Teilnehmer:innen initial von Mitarbeiter:innen der Plattform für die Studienteilnahme kontaktiert worden waren, sollte so sichergestellt werden, dass wir nicht fälschlicherweise als Teil der Plattform wahrgenommen würden. Das hat mit Blick auf das Material gut funktioniert, was wir daran festmachen, dass die Teilnehmer:innen in ihren Sprachnachrichten deutlich zwischen Vertreter:innen der Plattform und Forscher:innen differenziert und dass sie uns gegenüber offen Kritik bezüglich der Plattform geäußert haben. [24]

Bezogen auf eine mögliche Beeinflussung des Entwicklungsverlaufs auf der Plattform war es uns ein Anliegen zu vermeiden, dass Personen allein durch die Studienteilnahme auf der Plattform aktiv blieben.8) Das war nur bedingt möglich. Einige Teilnehmer:innen berichteten, dass unsere wöchentliche Frage für sie ein Impuls war, zumindest einmal pro Woche nach Aufträgen zu schauen. Dies teilte uns beispielsweise eine Teilnehmerin am Ende der drei Monate mit: "Also, das kann ich jetzt ganz ehrlich auch sagen, ich glaube, wenn ich hier nicht teilgenommen hätte, dann hätte ich auch in den letzten Wochen wahrscheinlich gar nicht [in die Plattform] reingeschaut" (Laura, SN12.2, Z.8-10). Von 27 Teilnehmer:innen, für die die Anzahl der bearbeiteten Aufträge vorliegt, haben drei innerhalb der zwölf Wochen keinen einzigen Auftrag bearbeitet und weitere acht Personen weniger als zehn Aufträge (vgl. Tabelle 2).

 

Anzahl bearbeiteter Aufträge

 

 

≥ 50

10-49

1-9

0

Gesamt

Anzahl TN

3

13

8

3

27

 Tabelle 2: Verteilung Anzahl bearbeiteter Aufträge [25]

Auch bei den übrigen Studienteilnehmer:innen fiel die Aktivität im Studienverlauf mehrheitlich deutlich ab. Insofern gehen wir davon aus, dass weitere Personen ohne die Studienteilnahme ihre Aktivität auf der Plattform innerhalb der ersten drei Monate nach Registrierung eingestellt hätten. Um diese Interpretation des Materials zu überprüfen, wurden die vertiefenden Interviews erst gut drei Monate nach Ende der Voice Messaging-Erhebung durchgeführt. So konnten wir feststellen, wie sich die Plattformnutzung in weiteren drei Monaten ohne Beeinflussung durch die wöchentlichen Fragen entwickelt hatte. Mit 19 Teilnehmer:innen haben wir ein solches Interview führen können. Von diesen waren sieben mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit auf der Plattform aktiv. [26]

3.4 Reflexion des Verfahrens

Voice Messaging hat sich in unserer Untersuchung als Ansatz zur Datengenerierung bewährt. Die Methode lässt sich grundsätzlich in anderen Kontexten einsetzen. Forschungsökonomisch betrachtet ist sie leicht adaptierbar und bietet sich insbesondere für den Einsatz in qualitativen Projekten an, in denen die Entwicklungen bzw. Veränderungen der Praxen von Individuen sowie deren Wahrnehmungen und Deutungen im Zeitverlauf erfasst werden sollen. Je nach Interesse und Feld lässt sich variieren, in welchem Rhythmus und welcher Form Fragen verschickt werden, wie viel Zeit für die Beantwortung vorgesehen ist usw. [27]

Beginnen die Teilnehmer:innen – wie in unserem Design – zu individuell unterschiedlichen Zeitpunkten, weitet dies den Erhebungszeitraum für die Forschenden aus. Ebenso ist zu bedenken, dass Personen zu verschiedenen Zeitpunkten die Teilnahme abbrechen können, weshalb ein Umgang damit bspw. im Hinblick auf ein Nachbesetzen des Samples vorab entschieden sein sollte. Zudem sollte der Umgang mit Abwesenheitszeiten (bspw. Urlaub, Krankheit) festgelegt werden. In unserem Fall war es beispielsweise problemlos möglich, dass Personen in solchen Fällen pausieren konnten, da sie in diesen Zeiträumen zumeist sowieso nicht auf der Plattform aktiv waren. [28]

Die vorherige Kontaktaufnahme zur Klärung der Modalitäten in einem Einführungsgespräch (in unserem Fall per Videocall) ermöglichte trotz des digitalen Settings den Aufbau einer vertrauensvollen sozialen Beziehung (Rapport) zwischen Forschenden und Teilnehmenden. Im Verlauf der Erhebung haben die Crowdworker:innen diese Beziehung zu uns aufrechterhalten und teils ausgebaut. Dies zeigt sich u.a. in einer betont freundlichen Ansprache zu Beginn der Sprachnachrichten oder dem Wünschen eines schönen Wochenendes. In einigen Fällen wurde das als positiv empfundene Setting auch im Rahmen der anschließenden Interviews explizit thematisiert. Wie weit das von einigen Teilnehmer:innen aufgebaute Vertrauen reicht, zeigt sich daran, dass auch über persönlich belastende Situationen (bspw. die Trennung von einem Partner oder den Verlust eines Menschen) berichtet wurde. [29]

Durch die Kommunikation über das Medium Sprachnachricht bestand des Weiteren eine niedrigschwellige Möglichkeit für Rückfragen seitens der Teilnehmer:innen und der Forschenden, sodass (in begrenztem Maße) asynchrone dialogische Elemente, die regelmäßig wiederholten Schriftliche-Fragen-mündliche-Antworten-Sequenzen, ergänzen können. So wurden beispielsweise Rückfragen zum weiteren Verlauf der Erhebungen am Ende der Sprachnachrichten eingebracht: "Jetzt ist ja wahrscheinlich dann auch irgendwann wieder das mit den zwei Wochen Zeitbudget-Erhebung, oder wann ist das? Ich weiß das gar nicht mehr. Das kommt bestimmt auch bald wieder" (Maja, SN4.2., Z.26-28). [30]

Voice Messaging ist durch die zeitlich flexible mündliche Beantwortung der Fragen eine Erhebungsmethode, die die Teilnehmer:innen leicht umsetzen können. Sie haben dabei (auch zeitlich) wenig Aufwand und produzieren mit ihren Antworten dennoch aussagekräftiges Datenmaterial. Im Vergleich zu ebenfalls asynchroner schriftlicher Kommunikation etwa per E-Mail ermöglicht dieser Kommunikationsweg eine informellere und unaufwändigere Kommunikation für die Teilnehmer:innen, die entsprechend häufig und ausführlich genutzt wurde. Im Vergleich zu online-typischer textbasierter Kommunikation (z.B. via Chat), die meist knapper gehalten ist und in der weniger Erzählanreize gesetzt werden (GEIMER 2018, S.178), liefert Voice Messaging deutlich umfangreicheres Datenmaterial. Die Sprachnachrichten enthielten häufig (wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß, siehe Abschnitt 4) umfangreiche Darstellungen der Befragten. Einige Teilnehmer:innen gerieten bei der Beantwortung in eine Art Erzählflow und gingen dabei über die Fragen oder den grob vorgegebenen Zeitrahmen hinaus. [31]

Durch Voice Messaging wurde den Befragten zudem eine zeitflexible Durchführung ermöglicht. In einem Zeitfenster von mehreren Tagen konnten die sie die jeweiligen Fragen zeitlich nach individueller Präferenz beantworten und das Einsprechen der Sprachnachricht flexibel in ihre unterschiedlich strukturierten Alltage einbetten. Teilweise wurden die Fragen daher auch parallel zu anderen Tätigkeiten wie Kochen oder Spazierengehen beantwortet. Folglich ermöglicht die Methode die Integration in den Alltag von Personen oder Gruppen, über die ansonsten erschwert qualitative Daten zu erheben sind. [32]

4. Qualitäten und Charakteristika der Voice Messages

Mittels Voice Messaging lässt sich eine besondere Form von qualitativem Datenmaterial generieren, das Gemeinsamkeiten mit, aber auch Besonderheiten gegenüber anderen Erhebungsmethoden aufweist. Nachfolgend erfolgt unter Bezugnahme auf einige gängige Verfahren eine nähere Verortung der durch Voice Messaging generierten Daten. [33]

Insgesamt erhielten wir 700 Voice Messages, wobei bei vollständiger Teilnahme 24 Voice Messages pro Person geschickt wurden.9) Aufgrund des Studiendesigns bezog sich die Hälfte der Voice Messages auf die sich wöchentlich wiederholende Fragen zur Aktivität auf der Plattform, die andere Hälfte auf die wöchentlich wechselnde Fragestellung. Insgesamt resultieren daraus rund 1.600 Minuten sprachlicher Darstellungen der Befragten. Die Länge der einzelnen Sprachnachrichten variierte beträchtlich. Die Spannweite reichte von einer Länge von 6 Sekunden – "Hallo, liebe Frau [Forscher:in]. Zur ersten Frage: Nein!" (Thea, SN11.1) – bis hin zu einer knappen Viertelstunde. [34]

4.1 Erhebungskontext und -verläufe

Im Unterschied zum Interview haben Forscher:innen beim Voice Messaging wenig Kontrolle über die Aufnahmesituation. Die Sprachnachrichten können in unterschiedlichen Situationen im Alltag aufgezeichnet werden. Dieser Vorteil der Methode trägt zugleich dazu bei, dass ein heterogenes Datenmaterial in Bezug auf die Strukturierung, Ausführlichkeit und die Aufnahmesituationen entsteht. Daher stellen wir in diesem Abschnitt die Besonderheiten und Heterogenität der sprachlichen Darstellungen dar. [35]

4.1.1 Aufnahmesetting

So ließen sich hinsichtlich des Settings bzw. der Situation, in der die Sprachnachrichten erzeugt wurden, Unterschiede erkennen. Dies ist im Unterschied zu Interviewsituationen bei Voice Messaging nicht kontrollierbar. Es war für die entstehenden sprachlichen Darstellungen von Bedeutung, ob diese parallel zu anderen Aktivitäten wie Kochen oder Kinderbetreuung aufgenommen wurden, ob die Befragten zuhause oder unterwegs waren und ob es Hintergrundgeräusche gab.10) [36]

Teilweise haben Befragte aufgrund von plötzlichen Störungen die Aufnahme von Sprachnachrichten abgebrochen. So wurde in der folgenden Nachricht auf eine Situation Bezug genommen, die zur Unterbrechung geführt hatte; die zuvor begonnene Erzählung wurde allerdings nicht wieder aufgenommen: "Diese Sprachnachricht musste selbstverständlich abgebrochen werden. Das [die Störung während der vorangegangenen Nachricht] ist unzumutbar. Inwiefern entspricht die Arbeit auf [CW-Plattform] meiner Erwartung? Meine Erwartung wurde deutlich übertroffen, als ich mich dort anmeldete" (Hannah, SN11.2.2, Z.1-3). Dies verweist auf die Bedeutung der Aufnahmesituation für die Erzählung. Befragte generierten eher ausführliche Darstellungen, wenn sie in einer ruhigen Umgebung waren, in der sie sich konzentrieren konnten und in der der Erzählfluss nicht durch das Umfeld gestört oder unterbrochen wurde. [37]

4.1.2 Veränderungen im Zeitverlauf

Einige Personen haben im Verlauf der Erhebung nur noch eine Sprachnachricht versendet, in der sie im Schwerpunkt die zweite Frage beantwortet haben, weil sie über mehrere Wochen hinweg nicht mehr auf der Plattform aktiv waren und dementsprechend keine aktuellen Eindrücke aus der jeweiligen Woche schildern konnten. [38]

Die wöchentlich wiederholt gestellte Frage, die auf die Auftragsbearbeitung bezogen war, konnte nicht von Personen beantwortet werden, die zum Zeitpunkt der Befragung noch keinen Auftrag über die Plattform übernommen hatten. Besonders lange Sprachnachrichten zeichneten sich hingegen dadurch aus, dass die Befragten ausführlich auf die gestellten Fragen eingingen, eigene Bezüge zu angrenzenden Themen herstellten und elaborierten sowie in ihren Darstellungen aus- oder abschweiften. [39]

Im Studienverlauf veränderte sich bei einigen Personen das Antwortverhalten. So zeigte sich bei manchen, die am Anfang noch vergleichsweise kurze Sprachnachrichten schickten, eine zunehmende Vertrautheit und Routine im Einsprechen der Voice Messages. Sie versendeten im Verlauf längere und vor allem detailliertere Nachrichten. Für andere Befragte gab es eine gegenteilige Entwicklung. Während sie anfangs noch ausführliche Sprachnachrichten schickten und enthusiastisch erzählten, folgten im Zeitverlauf eher knappe, weniger ins Detail gehende Ausführungen. Ein Grund dafür lag in der abflachenden Motivation und Frustrationserfahrungen in Bezug auf die Crowdwork-Plattform, was sich unter anderem auf die Studienteilnahme auswirken konnte. Dies ereignete sich allerdings keineswegs durchgängig, sondern korrespondierte mit den Erfahrungen der Befragten. Für einzelne Teilnehmer:innen schienen die Sprachnachrichten teils als Ventil zu dienen, um sich über negative und frustrierende Erlebnisse wie eine schlechte Auftragslage auslassen zu können – auch hier bildete sich also das subjektive Erleben der Befragten ab. Allerdings könnte ebenfalls ein mit der Zeit in Bezug auf die Erhebung nachlassender Enthusiasmus ein Grund dafür sein, weshalb die Voice Messages im Verlauf knapper gehalten wurden. Dies wirft die (von uns nicht systematisch beantwortbare) Frage auf, wie sich die Dauer einer solchen Befragung auf die Teilnahmebereitschaft auswirkt. [40]

4.2 Qualitäten der sprachlichen Darstellungen

Im Unterschied zu Interviews werden die Fragen beim Voice Messaging schriftlich übermittelt und verlangen keine sofortige Antwort. Die Befragten können diese mehrfach durchlesen und sich je nach Vorlieben Zeit nehmen, um zunächst über ihre Antwort nachzudenken. Der Grad an Spontaneität kann also nicht kontrolliert werden und variiert. Die Reaktionen sind aber in dem Sinne spontan, dass die Sprachnachrichten in einem Zug eingesprochen werden, also keine Möglichkeit zum Pausieren besteht und diese nicht nachbearbeitbar sind.11) Allerdings konnten die Teilnehmenden Nachrichten vor dem Absenden löschen und im Anschluss erneut aufzeichnen. [41]

Die Voice Messages waren aus Sicht der Befragten jeweils abgeschlossene, vollständige Mitteilungen. Dies kennzeichnet die sprachlichen Darstellungen und damit die Qualität des Datenmaterials: Häufig ergänzten die Crowdworker:innen von ihnen für erforderlich erachtete Kontextinformationen zur Einbettung und Erklärung der Antwort. Auch hier griff also ein von den Personen wahrgenommenes Erfordernis zur Detaillierung. In Anlehnung an die im Rahmen des narrativen Interviews identifizierten Zugzwänge des Erzählens (grundlegend: KALLMEYER & SCHÜTZE 1977; siehe auch BOHNSACK 2021, S.96-97; KLEEMANN et al. 2013, S.66-68, PRZYBORSKI & WOHLRAB-SAHR 2021, S.108-110) unterliegen Sprecher:innen den Erfordernissen der Sachverhaltsdarstellung zur Relevanzfestlegung und Kondensierung sowie zur Gestaltschließung. Bei den Antworten auf unsere Fragen handelte es sich schon aufgrund der zeitversetzten Rückmeldung nicht um spontane Stegreiferzählungen umfassender Ereignisabläufe im strengen Sinne der Erzähltheorie nach KALLMEYER und SCHÜTZE (1977). Gleichwohl generierten unsere auf die Darstellung von einzelnen Ereignissen bzw. Situationen abzielenden Fragen (insbesondere die wöchentlich wiederholt gestellte nach der Aktivität auf der Plattform) Erzählungen der Befragten. [42]

Die bereits benannte Heterogenität unseres Datenmaterials erklärt sich insbesondere aus variierenden Relevanzfestlegungen der Befragten. Wie die Fragen beantwortet wurden, hing primär davon ab, wie die Crowdworker:innen die Erwartungen an sie interpretiert haben, ob also davon ausgegangen wurde, dass beispielsweise ein kurzer knapper Bericht oder eine ausführliche, freie Erzählung erwartet wurde. Wir haben den Teilnehmer:innen vorab keine Vorgaben und im Verlauf keine Rückmeldungen zur gewünschten Antwortweise gegeben, um die Antworten in diesem Sinne nicht zu beeinflussen. Zudem eröffneten Erzählaufforderungen zu einer konkreten Situation wie in der wöchentlich wiederholten Frage den Befragten mehr Freiräume in der Darstellung als Fragen nach summarischen Einschätzungen oder Begründungen. Die Voice Messages lassen sich in einem Kontinuum von klar strukturierten, sachbezogenen Äußerungen bis hin zu freien, spontanen und teils ausschweifenden Erzählungen verorten. [43]

4.2.1 Strukturierungsweisen der Antwort

Die Voice Messages wiesen zunächst unterschiedliche Formen der Strukturierung durch die Befragten auf. Bei einigen Sprachnachrichten, die kurz und wenig ausführlich waren, war eine vorstrukturierte Vorgehensweise ersichtlich. So gab es Nachrichten, in denen die Fragen systematisch und auf den Punkt beantwortet wurden. Ein Beispiel dafür ist die folgende Antwort auf die Frage in der ersten Woche, warum sich die Person auf der Plattform angemeldet hatte:

"Frage zwei. Ich wollte erste Aufträge in meinen Interessengebieten bekommen, Erfahrungen sammeln und ein bisschen Geld nebenher verdienen. Ich erwarte ersten oder habe erwartet ersten Einstieg ins eigene kleine Unternehmen. Langfristig wollte ich Ausgleich von Leerläufen und ich wollte möglichst einfacher oder beziehungsweise keine Rechnungsstellungen und aufwendige Akquise betreiben" (Finn, SN1.2, Z.1-6). [44]

Kennzeichnend waren hier die klar konturierten Motive, die als Reaktion auf die Frage aufgezählt wurden. Diese wurden aber jeweils nur benannt, nicht weiter erklärt oder ausgeführt. Zum Teil thematisierten diese Befragten bei solchen Antworten selbst, dass sie sich vorab Stichpunkte zu den Fragen notiert hatten. Gedanklich vorstrukturierte Antworten hatten eine lineare Struktur mit erkennbarem roten Faden und waren eher kurz. [45]

Im Gegensatz dazu zeichneten sich andere Voice Messages dadurch aus, dass die Befragten erst im Prozess der Beantwortung spontan über den Inhalt ihrer Nachricht reflektieren. Besonders deutlich wurde dies, wenn sie zu Beginn explizit thematisierten, dass sie sich erst mit der Frage vertraut machen müssten – "Okay, zu Ihrer Frage zwei. Da muss man ein bisschen drüber nachdenken" (Klara, SN8.2, Z.1) – oder im Zuge des Antwortens anzeigten, dass sie noch über eine Frage nachdachten: "Genau. Was noch? Lass mich mal kurz überlegen" (Thea, SN9.2, Z.19-20). Hier wird deutlich, dass sich die Person vorab keine umfassenden Gedanken zum (vollständigen) Inhalt der aufzusprechenden Nachricht gemacht hatte, sondern im Erzeugen der Nachricht weiter darüber reflektierte. Die spontanen Antworten unterschieden sich von den im Vorhinein gedanklich strukturierten Nachrichten dadurch, dass sie meist keine stringente innere Struktur aufwiesen, weil die Befragten spontan darstellten, was ihnen relevant erschien. Spontan-reflexive Reaktionen konnten zur Folge haben, dass den Teilnehmenden nach Absenden der Nachricht noch wichtige Elemente einfielen und sie deshalb eine weitere Sprachnachricht aufnahmen, wie der folgende Beginn einer solchen nachgesendeten Nachricht zeigt: "Ach, mir ist noch was eingefallen zum, zur ersten Frage, was noch wichtig war die Woche" (Maja, SN7.1.2, Z.1-2). [46]

Diese beiden Strukturierungsweisen lassen sich jeweils als Endpunkte eines Kontinuums von vorstrukturierten bis hin zu spontan-reflexiven und elaborierenden Voice Messages einordnen. Innerhalb dieses Kontinuums lassen sich weitere Varianten finden, beispielsweise eine generelle Vorstrukturiertheit der Sprachnachricht insgesamt mit spontan-reflexiven und elaborierenden Elementen in einzelnen Teilen. [47]

Die verschiedenen Formen der Vorstrukturierung wirkten sich auf die Ausführlichkeit der Antworten aus. So waren eher spontan-reflexive Sprachnachrichten meist ausführlicher als stärker geordnete, weil sich die Befragten vorab weniger Gedanken darüber gemacht hatten, was sie erzählen wollten und daher ihre Antwort erst sukzessive während des Sprechens entwickelten. Diese spontanen Darstellungen konnten aber auch dadurch charakterisiert sein, dass die Befragten von der ursprünglichen Frage abwichen, weil ihnen andere Themen oder Aspekte relevant erschienen. Anders als bei thematisch geschlossenen, umfassenden Stegreiferzählungen, die auf eine detaillierte initiale Erzählaufforderung folgen, wie sie für das narrative Interview zentral sind, waren in unseren Sprachnachrichten daher auch assoziative Dynamiken im Sinne eines Abschweifens von der Frage zu beobachten. Im Vergleich zu prototypischen Eingangserzählungen narrativer Interviews waren die Darstellungen unserer Befragten aufgrund des Erhebungszwecks (Erfassung insbesondere von in ihrem Ablauf klar umrissenen Prozessen der Auftragsannahme und -bearbeitung mit insgesamt eher episodischem Charakter und der darauf bezogenen Deutungen und Orientierungen) und des Erhebungsverfahrens (Voice Messaging als für die Befragten wenig zeitintensiv und flexibel) meist deutlich kürzer. Gleichwohl – und darin liegt ein spezifischer Erkenntnisgewinn – kamen in den Nachrichten aufgrund der Eigendynamik und des spontanen Erzählverhaltens in prinzipiell gleicher Weise individuelle Gedanken und Abwägungsprozesse zum Ausdruck. [48]

Lange, spontan-reflexive Sprachnachrichten sind nicht automatisch besser, sondern bieten andere Auswertungsmöglichkeiten als kurze, eher vorstrukturierte Antworten. Auf einer rein informationellen Ebene bieten knappere, vorstrukturierte Darstellungen einen klaren Überblick über die relevanten Aspekte, die verglichen mit weniger strukturierten Antworten geringere Rekonstruktionsleistungen erfordern. Auf der Ebene des Gehalts der Sprachnachrichten hinsichtlich individueller Abwägungsprozesse und Praktiken sind die ausführlichen, spontan-reflexiven Voice Messages gehaltvoller, bedürfen aber zusätzliche Interpretationsleistungen in der Auswertung. Aus diesen ergeben sich durch die meist zur Erklärung angeführten Kontextinformationen tiefergehende Einblicke in die individuellen Perspektiven und Überlegungen. Durch die mitunter ausschweifenden Antworten und angeführte Beispiele gaben die Befragten einen detaillierteren und differenzierten Einblick in ihre Praxis und ihre Relevanzsetzungen. Teilweise enthielten diese Antworten auch Themen, die auf den ersten Blick nicht zur gestellten Frage passten, wodurch das Material mehr beinhalten kann, als vorab von den Forschenden erwartet wurde. [49]

Ebenso lässt sich mit den kürzeren, vorstrukturierten Nachrichten vergleichend arbeiten. Sie enthalten jeweils auf die Frage bezogene Informationen in kondensierter Form. Durch die standardisiert vorgegebenen Fragen ist ein fallübergreifender Vergleich des Datenmaterials möglich. Fallintern konnten sowohl Narrative, die sich wie ein roter Faden durch die Sprachnachrichten zogen als auch im Vergleich einzelner Voice Messages sichtbar werdende Ambivalenzen über mehrere Wochen hinweg identifiziert werden. [50]

4.2.2 Detaillierung und Erweiterung

Die mittels Voice Messaging generierten spontan-reflexiven Darstellungen zeichnen sich mitunter dadurch aus, dass im Verlauf des Antwortens ein zunehmender Erzählfluss entwickelt wurde. Beispielsweise fielen den Befragten im Laufe ihrer Nachricht immer noch weitere Punkte ein oder sie kamen in eine Art Erzählflow. Dies wird dadurch deutlich, dass sie gegen Ende der Sprachnachricht meist selbst davon überrascht waren, wie viel oder wie lange sie gesprochen hatten: "Ach so und eins ist noch passiert diese Woche, das muss ich auch noch erzählen. Oh Gott, ist das lang" (Maja, SN2.2, Z.103-104). Vereinzelt kam es vor, dass Teilnehmer:innen von mehr als einer Situation berichteten. Auf inhaltlicher Ebene ist dies zunächst aufgrund der Vielzahl an Informationen, die diese Nachrichten enthalten, von Interesse. Zugleich lassen sich daraus individuelle Relevanzsetzungen, Vorstellungen und Abwägungsprozesse rekonstruieren, die sich ggf. über mehrere Nachrichten hinweg wiederholen, aber ebenso verändern können. [51]

Ebenfalls wurden Verweise auf Darstellungen aus den Vorwochen eingebunden, wie das folgende Zitat zeigt: "Ja, die Kriterien [zur Auftragsauswahl], das hatte ich glaube schon beim letzten Mal irgendwann oder beim vorletzten Mal bereits gesagt" (Linus, SN10.2, Z.3-4). Die Möglichkeit, in den Sprachnachrichten über mehrere Wochen hinweg von den eigenen Eindrücken zu berichten, hatte zur Folge, dass einige Befragten bereits bestimmte Wissensbestände bei den Forschenden voraussetzten und daher Erzählungen über bestimmte Situationen, Vorkommnisse oder Personen über mehrere Wochen fortsetzten. [52]

In unseren Daten finden sich auch kurze Nachrichten von Personen, die zwar formal auf die Frage antworteten, zugleich aber darüber hinausgehende eigene Relevanzen einbrachten. Die folgende Nachricht ist ein Beispiel dafür, wie Frustration und Ernüchterung als generelle Erfahrung mit der Crowdwork-Plattform zum Ausdruck gebracht wurden:

"Hallo. Ich habe diese Woche kein [CW-Plattform] benutzt. Ich war viel unterwegs und habe sehr viel in meinem anderen Job gearbeitet. Von daher habe ich diese Woche kein [CW-Plattform] mehr benutzt. Und wie gesagt, die letzten Wochen. War ja eh ziemlich ernüchternd, dass es keine Aufträge gab und von daher habe ich diese Woche erst gar nicht reingeschaut" (Amelie, SN12.2, Z.1-4). [53]

Bei einigen Befragten wirkte es im fortschreitenden Verlauf der Erhebung so, als würden die Sprachnachrichten eine Ventilfunktion einnehmen. Der Kontakt zu den Forschenden diente für sie als Möglichkeit, besonders negative oder positive Erfahrungen im Umgang mit der Plattform zu äußern. Im folgenden Beispiel nutzte die Crowdworkerin die wöchentliche Sprachnachricht, um ihre Enttäuschung im Umgang mit der Plattform und im Kontakt mit den Auftraggeber:innen loszuwerden und reflektierte dies am Ende selbst:

"Und ich habe das Bauchgefühl jetzt, dass ich für diese Firma einfach nicht mehr arbeiten möchte, für diesen Auftraggeber, das ist, eigentlich macht das Spaß diese Texte, aber das ist mir zu, weiß ich nicht. Ich meine, gut, ich war auch müde, da kann man auch mal ein Z vergessen. Aber bei solchen Sachen, wo es im Wikipedia dann so steht. Da kann man das auch selber ändern, finde ich. So, jetzt habe ich genug rum gejammert und rumgeschimpft" (Maja, SN7.1, Z.48-53). [54]

4.3 Methodische Einordnung und Reflexion

Wie bereits in Abschnitt 2 beschrieben, bestehen bei Voice Messaging Bezugspunkte zu verschiedenen Methoden der qualitativen Sozialforschung. Voice Messaging haben wir unter Bezugnahme auf diese entwickelt, um die individuellen Praktiken und Abwägungsprozesse der Crowdworker:innen angemessen erfassen zu können. Anders als bei ethnografischen Methoden, bei denen Praxis direkt beobachtet wird, sind die Praktiken, die wir erhoben haben, aus den regelmäßigen Sprachnachrichten rekonstruierbar. Damit lässt sich das Datenmaterial kategorial vor allem der Logik von qualitativen Interviews zuordnen und wird im Folgenden mit Blick auf diese diskutiert. [55]

Einen zentralen Diskussionspunkt im Kontext qualitativer Interviews stellt das Spannungsfeld von Strukturierung und Offenheit dar. Interviews sind so zu gestalten, dass die Befragten "so weitgehend wie möglich ohne fremdgesteuerte Strukturierungsleistungen und theoretische Vorannahmen – die von außen an sie herangetragen werden – ihre subjektiven Relevanzsysteme, Deutungen und Sichtweisen verbalisieren können" (KRUSE 2015, S.148). Je nach Interviewform wird dieses Kontinuum von Offenheit und Strukturierung unterschiedlich ausgestaltet. Zentral ist aber immer, dass es mithilfe von Fragen oder Impulsen darum geht, sprachliche Darstellungen der Befragten zu generieren, in denen sie eigene Relevanzsetzungen vornehmen können. Wie bereits beschrieben, dienen die im Voice Messaging gestellten Fragen ähnlich wie Fragen oder andere Impulse in Interviews dazu, zu sprachlichen Darstellungen anzuregen. Die Antworten können sowohl in sich geschlossen und konsistent sein als auch Bezüge zu vorherigen Sprachnachrichten aufweisen. [56]

Beim Voice Messaging können die Befragten, anders als bei synchron stattfindenden Interviews, nicht durch unmittelbare Rückfragen um Elaboration gebeten werden. Vielmehr erhalten alle die gleichen Fragen mit dem Ziel, insgesamt im inhaltlichen Sinne vergleichbare Antworten und auf diesem Weg Erkenntnisse über das jeweilige Forschungsthema zu erhalten. Durch die wöchentlich wiederholt gestellte Frage nach den Aktivitäten in der letzten Woche und durch die Aufforderung, jeweils eine Besonderheit zu elaborieren, wurde mit unserem Vorgehen zudem der Entwicklungsprozess in der Praxis und den Deutungen der Befragten mit in den Blick genommen. Die Fragen waren möglichst offen und explorativ formuliert, um möglichst freie Erzählungen zu erhalten. Nachfragen aller Art, ggf. mit weiteren Folgefragen, konnten dann im Nachhinein im abschließenden Interview gestellt werden. [57]

Die teilnehmenden Crowdworker:innen hatten innerhalb ihrer Sprachnachrichten die Möglichkeit, eigene Relevanzen in ihren Darstellungen zum Ausdruck zu bringen. Dies zeigte sich insbesondere daran, dass sich Befragte nicht immer eng fokussiert auf die Frage bezogen, sondern weitere Aspekte einbrachten, die ihnen relevant erschienen und die sie deshalb noch erwähnen wollten. Ergänzt wurden die Antworten häufig durch Kontextinformationen, die die Teilnehmenden einfließen ließen, wenn sie den Eindruck hatten, dass diese zum Verständnis oder zur Vollständigkeit bedeutsam seien. Zudem haben sie weitere Sprachnachrichten verschickt, wenn ihnen kurz nach der Beantwortung noch andere von ihnen als relevant eingestufte Punkte einfielen. [58]

In seiner Grundstruktur ähnelt Voice Messaging einem stark vorstrukturierten Leitfadeninterview (KRUSE 2015, S.203-204), bei dem allen die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge gestellt werden ohne individualisierte direkte Rückfragen. Klar und präzise formulierten Fragen kommt bei Voice Messaging eine besondere Bedeutung zu, weil diese nicht situativ reformuliert, angepasst, erweitert oder erklärt werden können. Sie sind der alleinige Impuls für die Nachrichten. Im Unterschied zu dem zu einem einzigen Zeitpunkt stattfindenden Leitfadeninterview werden die Fragen beim Voice Messaging allerdings zeitlich gestaffelt gestellt. Dies ermöglicht, dass die gleiche Frage wiederholt gestellt werden kann, wie in unserem Fall die Frage nach den Eindrücken aus der vergangenen Woche. Bei im Zeitverlauf einmalig gestellten Fragen sind Timing und Reihenfolge wichtig, in der die Teilnehmenden die jeweiligen Fragen erhalten. Dies gilt insbesondere bei einer Befragung, bei der auf die Analyse von Prozessen abgezielt wird, um auch fortlaufende Veränderungen zu erfassen – worin gerade eine zentrale methodische Stärke des Voice Messaging besteht. [59]

Durch die Prozesshaftigkeit von Voice Messaging können Personen auf bereits in der Vergangenheit gestellte Fragen Bezug nehmen. In unserem Datenmaterial wurden die einzelnen Antworten daher teilweise miteinander verknüpft und Inhalte wiederholt oder mit neuen Argumenten unterlegt, ergänzt oder relativiert. Durch die Wiederholung der gleichen Frage zu mehreren Zeitpunkten und durch die individuellen sprachnachrichtenübergreifenden Bezugnahmen ermöglicht Voice Messaging auch fallinterne Vergleiche, wodurch sich (Entwicklungs-)Prozesse herausarbeiten lassen. In unserem Beispiel ließen sich unter anderem Veränderungen der Motivation der Crowdworker:innen und ein damit verbundener Wandel der Nutzungspraxis rekonstruieren. Darüber hinaus waren fallübergreifende Vergleiche von Veränderungen möglich. [60]

Die ausführlicheren Antworten unserer Befragten zur wöchentlich wiederholt gestellten Frage nach ihrer Aktivität auf der Plattform hatten narrativen Charakter, sodass sich die Frage nach der Relation zur Eingangserzählung des narrativen Interviews stellt. Hier steht die ausführliche, spontane initiale Erzählung der Teilnehmer:innen auf der Grundlage ihres Erfahrungswissens im Zentrum. Die gesamte weitere Interviewführung wird dann situativ auf die Eingangserzählung und die nachfolgenden Äußerungen bezogen. Ziel ist – auch mit Blick auf das beschriebene Spannungsfeld Offenheit und Strukturierung – mit einem offenen Erzählimpuls zunächst eine lange und ausführliche spontane Erzählung – d.h. die konkrete Darstellung eines Einzelereignisses bzw. Prozesses in seinem Verlauf mit Detaillierungen – zu erzeugen (KRUSE 2015, S.150-151). Anders als beim Voice Messaging haben die Befragten nach der Erzählaufforderung im narrativen Interview keine Verarbeitungszeit, weshalb die dort entstehende Erzählung auch als "Stegreif- bzw. Spontanerzählung" (S.151) bezeichnet wird. Dieser Kontext lässt sich beim Voice Messaging allerdings nicht gezielt herstellen: Die Fragen können als Erzählimpulse ebenfalls spontane Erzählungen erzeugen, wenn sie spontan beantwortet werden. Gleichermaßen ist es aber möglich, dass sich die Teilnehmer:innen bereits vor den Sprachnachrichten Gedanken machen und diese vorstrukturieren. Im ersten Fall greifen die Zugzwänge des Erzählens nach KALLMEYER und SCHÜTZE (1977), wenn die Aufzeichnung der Nachricht einmal begonnen wird. Insofern dienen der Detaillierungsgrad und eine gewisse Ungeordnetheit der Darstellung (mit eingeschobenen Hintergrundinformationen, Begründungen etc.) als Indikatoren dafür, dass es sich um eine spontane Erzählung entsprechend der "Erlebnisaufschüttungen" (KLEEMANN et al. 2013, S.73) der Befragten handelt, während kürzere, strukturiertere und eher berichtsförmige Darstellungen darauf hindeuten, dass die Befragten sich die Antwort vorher schon in groben Zügen im Kopf zurechtgelegt haben. Aber auch dies kann subjektive Relevanzen zum Ausdruck bringen. [61]

Anders als bei Interviews haben die Befragten beim Voice Messaging aufgrund der zeitlichen Entkopplung bei jeder einzelnen Frage die Möglichkeit, ein eigenes Narrativ zu erzeugen. Das bedeutet, dass jede Nachricht – auch aufgrund der jeweils unterschiedlichen Kontextbedingungen der Antwortsituation – zunächst als eine eigenständige Dateneinheit anzusehen ist. Darauf aufbauend können diese wie zuvor erwähnt sowohl fallintern als auch fallvergleichend ausgewertet werden. [62]

Die mit Voice Messaging erzeugten Daten lassen sich nach Transkription mit gängigen Verfahren auswerten. In unserer Studie haben wir die inhaltlich-strukturierende Inhaltsanalyse nach KUCKARTZ (2016) gewählt, um typische Entwicklungen im Verlauf erfassen zu können. Je nach Untersuchungsfokus lassen sich die Daten auch mittels der Grounded-Theory-Methodologie (z.B. GLASER & STRAUSS 2017 [1967]; STRÜBING 2021), der dokumentarischen Methode (z.B. BOHNSACK, NENTWIG-GESEMANN & NOHL 2001; NOHL 2012) oder der objektiven Hermeneutik (z.B. OEVERMANN 1995) auswerten. Die Besonderheit besteht bei Voice Messaging in der konsekutiven Erhebung der Daten, weshalb bei der Analyse der einzelnen Nachrichten diese jeweils auch im Kontext des gesamten Falls interpretiert werden sollten. [63]

5. Adaption und Einbettung in andere Kontexte

Voice Messaging ist eine feldnahe Erhebungsmethode, die für den Einsatz in unterschiedlichen Forschungskontexten adaptiert werden kann. Das Medium der Sprachnachricht bedeutete zumindest für die von uns Befragten eine alltagsnahe, zum Teil routinisierte Sprechpraxis. Die wiederholte Befragung ermöglichte die Erfassung von Veränderungsprozessen der Praxis sowie der Wahrnehmungen und Deutungen der Teilnehmenden; auch wurden Brüche im Zeitverlauf sichtbar. [64]

Daten, die mit Voice Messaging generiert werden, ähneln am ehesten den in qualitativen Interviews erhobenen. Deren Ziel ist, "verbale Äußerungen anzuregen, die sich auf Erfahrungen, Vorstellungen und Meinungen, aber auch auf die Beschreibungen von Handlungsweisen, Gegenständen, Prozessen und Denkweisen beziehen" (LUEGER & FROSCHAUER 2018, S.125). Die Fragen, die von den Teilnehmer:innen per Sprachnachricht beantwortet werden, zielen ebenfalls darauf ab, verbale Darstellungen zu generieren, in denen die Befragten ihre Situation, ihre Motivation und ihre konkreten Erfahrungen mitteilen. Wie bei initiierenden Fragen in Interviews (KLEEMANN et al. 2013, S.211f.) geht es mit jeder einzelnen Frage darum, einen neuen Impuls zu setzen, durch den die Personen – im Idealfall – dazu angeregt werden, ausführlich zu berichten. Grundlegend fehlt dem asynchronen Voice Messaging aber der dialogische Charakter von Interviewverfahren: Nach- und Folgefragen auf die Sprachnachricht sind den Fragenden nicht bzw. zumindest nicht unmittelbar im Anschluss möglich. Voice Messaging bietet allerdings das Potenzial, dies in Adaptionen anders zu gestalten, bspw. indem (Rück-)Fragen individualisiert werden, sodass das Verfahren deutlich enger an individuell angepasste Interviewverfahren angenähert wird. [65]

Durch Voice Messaging können Praxen und Orientierungen in ihrer Dynamik im Zeitverlauf in unterschiedlichen Forschungsfeldern erhoben werden. Es kann – im Sinne der ethnografischen Haltung eines "feldspezifische[n] Opportunismus" (BREIDENSTEIN et al. 2020, S.39), bei dem je nach den Gegebenheiten des jeweiligen Feldes unterschiedliche Zugänge und Datenquellen einbezogen werden – mit weiteren Erhebungsverfahren kombiniert werden. Gleichzeitig sind mit dem Einsatz der Methode spezifische Herausforderungen verbunden, die es vorab zu berücksichtigen und zu reflektieren gilt. Für Forschende, die Voice Messaging einsetzen wollen, ist es notwendig, sich im Vorfeld der Erhebung mit dem eigenen Verhalten im Rahmen der Kommunikation per Messenger-App auseinanderzusetzen: Wie soll auf Fragen und Rückmeldungen der Studienteilnehmer:innen reagiert werden, die jenseits der reinen Sachebene liegen? Welcher Kommunikationsstil soll gepflegt werden? In unserer Studie haben wir uns für einen neutralen und einheitlichen Kommunikationsstil der beteiligten Wissenschaftler:innen entschieden. Die Fragen waren ohnehin im Vorfeld ausformuliert worden und wurden genau in dieser Form allen Studienteilnehmer:innen übermittelt. Für eingegangene Antworten haben wir mit einer kurzen Nachricht gedankt. Konkrete Fragen wurden in kurzer und sachlicher Form schriftlich beantwortet. So äußerten einige in den ersten Wochen innerhalb der Nachrichten die Rückfrage, ob ihre Antworten inhaltlich und/oder bezüglich der Länge in Ordnung seien. In solchen Fällen wurden die Teilnehmenden bestärkt, entsprechend den eigenen Relevanzen und in einem für sie angenehmen Umfang zu berichten. Auf eine Kommentierung der Inhalte haben wir verzichtet. Auch hier ließe sich eine individualisiertere Kommunikation etablieren, beispielsweise wenn Voice Messaging-Erhebungen eher als eine Form asynchroner Interviews per Messenger konzipiert werden. [66]

Eine kontinuierliche Befragung von Personen mit Voice Messaging ermöglicht nicht nur, das Ergebnis von Lern- oder Entscheidungsprozessen zu erfassen, sondern auch damit einhergehende Emotionen, Überlegungen und Abwägungsprozesse nachzuvollziehen. So können durch die im Prozessverlauf erhobenen Daten Einblicke z.B. in sich verändernde Motivationen und Motive der teilnehmenden Personen gewonnen werden. Durch die wöchentliche Taktung der Sprachnachrichten lassen sich bereits nuancierte Veränderungen erfassen. Je nach Forschungsperspektive können hier Anpassungen hinsichtlich der zeitlichen Taktung der Befragungen erfolgen. Auch eine stärker situationsbezogene Einbettung von Voice Messaging, bspw. in Form einer Art Think-Aloud-Erhebung (z.B. REEGEN 2020), ist möglich. [67]

Mit Blick auf die von uns durchgeführte Befragung von Crowdworker:innen hat sich Voice Messaging – in Verbindung mit den in Abschnitt 3 dargestellten weiteren Elementen der Erhebung – bewährt. Über zwölf Wochen hinweg konnten wir deren Aktivitäten und Deutungen bezüglich ihrer Online-Praxis auf der Plattform erfassen. Für die Teilnehmer:innen war Voice Messaging eine Methode, die sich flexibel in ihren Alltag einbinden ließ, da sie selbst entschieden, wann sie die Nachrichten innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters einsprachen. Des Weiteren stellte das Erzeugen von Sprachnachrichten eine niedrigschwellige, weil alltägliche Anforderung dar. Somit ist dieses Erhebungsverfahren insbesondere geeignet, um Personengruppen zu befragen, die nur begrenzt Zeit zur Verfügung haben und sich nicht auf feste Termine verständigen wollen oder können. Im Erhebungszeitraum war keine Tendenz einer Abnahme hinsichtlich der Länge der Sprachnachrichten zu verzeichnen, was darauf verweist, dass die Form der Datenerhebung nicht als Belastung wahrgenommen wurde. [68]

Insgesamt bietet das vorgestellte Erhebungsdesign verschiedene Anwendungs- und Adaptionsmöglichkeiten für Forschungsfelder, in denen alltagsbezogene Themen über einen längeren Zeitraum erforscht werden sollen, die schwer zu beobachten oder kaum durch ein qualitatives Interview allein greifbar wären. Auch Personen, die eher wenig Zeit im Alltag haben, sind eine geeignete Zielgruppe für Voice Messaging-Adaptionen, da sich die Erhebung für sie spontan und flexibel in den Alltag einbetten lässt und vergleichsweise wenig Zeitaufwand erfordert. [69]

Mit Blick auf die Art der Daten empfiehlt sich Voice Messaging insbesondere für Forschungskontexte, in denen es um die Erhebung nicht beobachtbarer und ggf. raum-zeitlich disparater Praktiken geht. Durch die sprachlichen Darstellungen erlaubt Voice Messaging ein mit qualitativen Interviews vergleichbares Datenformat, das allerdings eine größere zeitliche Nähe zu für das jeweilige Forschungsinteresse relevanten Ereignissen ermöglichen kann. Dies verweist allerdings zugleich darauf, dass Voice Messaging weniger für explorative Ansätze geeignet ist, da bestimmte Annahmen bzw. Vorwissen für die Entwicklung der unterschiedlichen Erzählstimuli vorhanden sein müssen. [70]

Anmerkungen

1) Die Erhebung und dieser Beitrag entstanden im Rahmen des Verbundprojekts Crowdwork und Crowdworker vor, während und nach der beruflichen Ausbildung – Kompetenz-/Subjektivierungseffekte, individuelle Beruflichkeit und lernförderliche Plattformgestaltung (CKoBeLeP). Das Projekt wurde durch dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr gefördert. dtec.bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert. <zurück>

2) Siehe für Informationen zur App https://signal.org/de/ [Datum des Zugriffs: 20. Februar 2025]. <zurück>

3) Im Original stand anstelle von "[der Plattform]" der Name der Plattform. Dieser wird hier aus Gründen der zugesagten Anonymisierung nicht genannt. Bei allen Namen von Crowdworker:innen, die in diesem Beitrag verwendet werden, handelt es sich um Pseudonyme. <zurück>

4) Die Beschreibung der Interviews als narrationsorientiert soll unterstreichen, dass wir uns zwar an thematischen Kategorien aus einem Leitfaden orientierten, die Befragten wurden innerhalb der einzelnen thematischen Abschnitte allerdings zu ausführlichen sprachlichen Darstellungen angeregt. <zurück>

5) Durch den zeitlichen Abstand sollte ausgeschlossen werden, dass Befragte nur aufgrund der Teilnahme an der Voice Messaging-Erhebung auf der Plattform aktiv blieben. Ein solcher Effekt unserer Forschung im Feld lag nahe und wurde uns auch von einzelnen Teilnehmer:innen kommuniziert: "Ich habe ja quasi einen Auftrag nur Ihnen zuliebe angenommen, damit ich mal wieder was schreiben kann oder was mit beisteuern kann zur Studie" (Toni, SN11.1, Z.3-5). Das Kürzel SN11 beschreibt, dass die Sprachnachricht aus der 11. Erhebungswoche war, die 1, dass es sich dabei um die wöchentlich wiederholte Frage handelte. <zurück>

6) Vor Durchführung der Haupterhebung haben wir das Erhebungsdesign in der ersten Jahreshälfte 2022 mit zunächst nur sieben Crowdworker:innen und einem kürzeren Erhebungszeitraum (vier Wochen) erprobt. Dabei wurde überprüft, inwieweit Personen bereit waren, an einer solchen Erhebung teilzunehmen. Insbesondere das von uns neu konzipierte Tool Voice Messaging sollte dabei im Hinblick auf die Bereitschaft der Personen sowie auf Qualität und Umfang des damit produzierten Datenmaterials geprüft werden. Nach der Piloterhebung mussten nur wenige Anpassungen (Spezifizierung von Fragen für die Sprachnachrichtenerhebung) vorgenommen werden, da sich die Methodenkombination und insbesondere die Befragung per Sprachnachricht hinsichtlich der genannten Erhebungsinteressen bewährt hatten. Nach erfolgter Auswertung und Reflexion der Umsetzung der Piloterhebung startete dann die Haupterhebung. <zurück>

7) Die Crowdworker:innen werden je nach Qualität ihrer Texte in unterschiedliche Niveaustufen eingeteilt. Die Bezahlung auf der Plattform erfolgt pro Wort in Abhängigkeit von der jeweiligen Stufe. <zurück>

8) Alle Teilnehmer:innen erhielten während der zwölfwöchigen Haupterhebung jede Woche eine Incentivierung in Höhe von 7,50 € für ihre aktive Teilnahme, um die Verbindlichkeit zu stärken. <zurück>

9) Zwei Teilnehmer:innen brachen die Studie innerhalb der zwölf Wochen ab. Dementsprechend liegen von diesen Personen nur die bis zum Abbruch generierten Voice Messages vor. <zurück>

10) Auch wenn diese Flexibilität in der Durchführung die sprachlichen Darstellungen beeinflussen kann, steckt hierin ein weiterer positiver Aspekt der Erhebungsmethode: Auch Personen, die nur wenig Zeit haben, können an solchen Forschungsprojekten teilnehmen und ihre Perspektiven teilen. Das Datenmaterial vergleichbar zu machen, ist dann zentrale Aufgabe der Forschenden. <zurück>

11) Dies ist abhängig vom Messenger-Dienst. Bei einigen Messengern lassen sich Aufzeichnungen während der Aufnahme pausieren. <zurück>

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Zu den Autorinnen und Autoren

Annika BECKER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich Arbeit und Organisation am Institut für Soziologie an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Digitalisierung von Arbeit, Kontrolle und Autonomie in Arbeit, Subjektivierung und qualitative Forschungsmethoden.

Kontakt:

Annika Becker

Institut für Soziologie
Universität Duisburg-Essen
Lotharstraße 65 (LF 382), 47057 Duisburg

E-Mail: annika.becker@uni-due.de
URL: https://www.uni-due.de/soziologie/becker_a.php

 

Marcus ECKELT ist Privatdozent für Erziehungswissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und vertritt seit dem Wintersemester 2023/24 die Professur für Schul- und Berufspädagogik an der TU Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen soziale Ungleichheit am Übergang Schule-Beruf, Ausbildungsmärkte, Berufsbildungspolitik, Internationalisierung und Berufsbildungstransfer sowie Herausforderungen für die Berufsbildung durch Digitalisierung.

Kontakt:

Marcus Eckelt

Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften
Helmut-Schmidt-Universität
Postfach 70 08 22, 22008 Hamburg

E-Mail: eckelt@hsu-hh.de
URL: https://www.hsu-hh.de/bwp-b/team/marcus-eckelt/

 

Frank KLEEMANN ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Arbeit und Organisation an der Universität Duisburg-Essen. Arbeitsschwerpunkte sind Arbeit und Subjektivität, Digitalisierung von Arbeit, alltägliche Lebensführung, Arbeitspraxis und -kooperation, Mobilitätsforschung und qualitative Sozialforschung.

Kontakt:

Frank Kleemann

Institut für Soziologie
Universität Duisburg-Essen
Lotharstraße 65 (LF 355), 47057 Duisburg

E-Mail: frank.kleemann@uni-due.de
URL: https://www.uni-due.de/soziologie/kleemann.php

 

Inga KÜLPMANN war bis Ende 2024 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Professur Berufs- und Wirtschaftspädagogik / Berufspädagogik an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Beruflichkeit sowie Subjektivierung von Arbeit.

Kontakt:

Inga Külpmann

Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften
Helmut-Schmidt-Universität
Postfach 70 08 22, 22008 Hamburg

E-Mail: kuelpmai@hsu-hh.de
URL: https://www.hsu-hh.de/bwp-b/team/inga-kuelpmann/

Zitation

Becker, Annika; Eckelt, Marcus; Kleemann, Frank & Külpmann, Inga (2025). Voice Messaging: eine Methode zur prozessbegleitenden Erfassung digitaler Praktiken [70 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 26(2), Art. 3, https://doi.org/10.17169/fqs-26.2.4235.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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