Volume 6, No. 2, Art. 21 – Mai 2005

Rezension:

Andrea D. Bührmann

Jochen Gläser & Grit Laudel (2004). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 340 Seiten, ISBN 3-8252-2348-5, Euro 29,90

Zusammenfassung: Jochen GLÄSER und Grit LAUDEL vertreten in ihrer sehr gelungenen Einführung "Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse" einen weiten Begriff von Experte bzw. Expertin bzw. ExpertInneninterview. Da-von ausgehend leisten sie einen Beitrag zur Beantwortung der Frage danach, welche Methoden für welche Arten von Untersuchungen einsetzbar sind und welche Konsequenzen die Wahl einer bestimmten Methode für die Untersuchung implizieren. Im Hauptteil ihrer Einführung beschreiben GLÄSER und LAUDEL die einzelnen Arbeitsschritte von der Formulierung der Forschungsfragen über die praktische Durchführung des ExpertInneninterviews bis hin zu seiner Auswertung mittels einer computer-gestützten qualitativen Inhaltsanalyse. Dabei gelingt es ihnen in überzeugender Weise, Theorie und Praxis des Erhebungsverfahrens ExpertInneninterview mit der Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse zu vermitteln.

Keywords: Theorie und Praxis des Experteninterviews, Methodologie; Wissensgesellschaft; qualitative Inhaltsanalyse, transdisziplinäre Forschung

Inhaltsverzeichnis

1. Das Problemfeld ExpertInneninterview

2. Wissenschaftstheoretische, methodologische und ethische Grundlagen des Experteninterviews

3. Von der Formulierung der Forschungsfragen über die praktische Durchführung des ExpertInneninterviews bis hin zu seiner Auswertung

4. Fazit

Anmerkungen

Literatur

Zur Autorin

Zitation

 

1. Das Problemfeld ExpertInneninterview1)

Über die Begriffe Experte bzw. Expertin und ExpertInneninterview besteht in der sozialwissenschaftlichen Forschung derzeit beileibe keine Einigkeit. Vielfach wird ein "enger" Experten- bzw. Expertinnenbegriff zugrunde gelegt. Diesen vertreten z.B. Michael MEUSER und Ulrike NAGEL (1991) in ihrem grundlegendem Aufsatz, aber auch zuletzt Alexander BOGNER, Beate LITTIG und Wolfgang MENZ (2002) in ihrer viel beachteten Anthologie zum ExpertInneninterview (dazu BÜHRMANN 2004). Bei diesem engen Begriff des Experten bzw. der Expertin werden ExpertInneninterviews mit Menschen geführt, die wegen ihrer beruflichen Stellung über ein besonderes Wissen verfügen. Für einen "weiten" Experten- bzw. Expertinnenbegriff plädieren dagegen Jochen GLÄSER und Grit LAUDEL in ihrem Einführungsband "Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse". Für sie sind "Experten Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen" (S.10, Herv. im Orig.). [1]

Dabei grenzen GLÄSER und LAUDEL das ExpertInneninterview von anderen Methoden weder über den Status der Interviewten noch über eine bestimmte Form des Interviews ab. Vielmehr ist für sie ein ExpertInneninterview durch ein spezifisches Ziel, den daraus abgeleiteten Interviewzweck sowie die daraus resultierende Rolle des Interviewten bestimmt. Das ExpertInneninterview sollte ihrer Meinung nach nämlich in Untersuchungen eingesetzt werden, "in denen soziale Situationen oder Prozesse rekonstruiert werden sollen, um eine sozialwissenschaftliche Erklärung zu finden" (S.11, Herv. im Orig.). Damit werden also für GLÄSER und LAUDEL alle Menschen zu Experten bzw. Expertinnen, die "aufgrund ihrer Beteiligung Expertenwissen" (a.a.O.) über spezifische soziale Sachverhalte erworben haben (S.11). [2]

Schon diese kurzen begrifflichen Klärungen illustrieren sehr gut das Anliegen dieses Einführungsbandes: nämlich eine Einführung zum ExpertInneninterview zu geben, die einerseits zwischen der Darstellung praxis- bzw. anwendungsbezogener Probleme des ExpertInneninterviews, seiner konkreten Erhebungsmethoden sowie praktischen Anwendungsfelder und andererseits einer kritischen Reflexion der wissenschaftstheoretischen, methodologischen und ethischen Grundlagen des ExpertInneninterviews vermitteln. [3]

Diese Vermittlung zwischen Theorie und Praxis gelingt GLÄSER und LAUDEL in den insgesamt sieben Kapiteln ihrer Einführung ganz ausgezeichnet. Zu nutze machen sie sich dabei ihre eigenen umfangreichen Forschungserfahrungen, auf die sie sich im Verlaufe ihrer Einführung immer wieder beziehen. Es handelt sich dabei um zwei empirische Forschungsprojekte aus unterschiedlichen soziologischen Teilgebieten: Das eine Projekt stammt aus der Sportsoziologie und beschäftigt sich mit den Biografien jugendlicher Leistungssportler. Das andere Projekt kann der Wissenssoziologie zugerechnet werden und erforscht die Kooperation von naturwissenschaftlich Forschenden in so genannten Sonderforschungsbereichen. Beide Forschungsprojekte unterscheiden sich allerdings nicht nur im Hinblick auf ihren Untersuchungsgegenstand, sondern auch im Hinblick auf ihre Vorgehensweise. Während die Erforschung des Sonderforschungsbereiches stärker in einen theoretischen Kontext eingebettet ist, aus dem dann relativ einfach vorab Untersuchungsvariablen abgeleitet werden, können bei der Erforschung der Sportlerbiografien erst nach einer ersten Analyse der Einflüsse auf diese Biografien entsprechende Untersuchungsvariablen bestimmt werden. [4]

2. Wissenschaftstheoretische, methodologische und ethische Grundlagen des Experteninterviews

Nach diesen einführenden Erklärungen widmen sich GLÄSER und LAUDEL im zweiten Kapitel ihres Buch zunächst wissenschaftstheoretischen Überlegungen. Deren Ausgangspunkt bildet der Befund, dass es bisher noch keine geschlossene Anwendungsdarstellung der Erhebungsmethode ExpertInneninterview gebe. Dieses – wie ich finde überraschende – Defizit führen GLÄSER und LAUDEL auf eine generelle Schwäche qualitativer Sozialforschung zurück. Denn ihre Methodologie sei über eine Formulierung "qualitativer Prinzipien", denen alle qualitativen Untersuchungsmethoden genügen sollten, bisher nicht hinausgelangt. Unbeantwortet bleibt nach Ansicht von GLÄSER und LAUDEL demnach bisher vor allen Dingen die Frage, "welche Methoden für welche Arten von Untersuchungen (für welche Forschungsprobleme) einsetzbar sind und welche Konsequenzen sich aus der Wahl bestimmter Methoden für die gesamte Untersuchung ergeben" (S.13). [5]

Um die Beantwortung dieser wichtigen methodologischen Fragestellung kümmern sich nun GLÄSER und LAUDEL in Bezug auf die Erhebungsmethode ExpertInneninterview und die Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse. Dabei zeigen sie auf, dass rekonstruierende Untersuchungen der fall-basierten Erklärungsstrategie verpflichtet sind und deshalb qualitative Erhebungs- und Auswahlmethoden ausgewählt werden müssen. Für die Erhebungsmethode ExpertInneninterview plädieren GLÄSER und LAUDEL entsprechend der von ihnen eingangs formulierten Definition für nichtstandardisierte Leitfadeninterviews mit einzelnen Expertinnen bzw. Experten. Diese Interviews sollten dann – auch wiederum mit Blick auf die zuvor formulierte Definition – mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht werden. Das heißt: Der Interviewtext wird mit Hilfe eines Analyserasters auf relevante Informationen hin untersucht und die dem Text entnommenen Informationen werden Kategorien des zuvor erstellten Analyserasters zugeordnet, um sie dann relativ unabhängig vom ursprünglichen Interviewtext weiterzuverarbeiten. Doch an dieser Stelle enden die forschungslogischen Reflexionen von GLÄSER und LAUDEL noch nicht: Dankenswerterweise nämlich thematisieren sie nun noch forschungsethische Fragen, die leider viel zu oft in den meisten Lehrbüchern zur Methodologie der Sozialwissenschaften fehlen. Neben der Benennung wichtiger forschungsethischer Grundsätze gegenüber den Untersuchten werden hier auch Verhaltensgrundsätze gegenüber den Kollegen und Kolleginnen diskutiert. Hier benennen GLÄSER und LAUDEL zum einen die Schadensvermeidung für die Untersuchten und heben vor allen Dingen den Datenschutz und den Grundsatz der freiwilligen informierten Einwilligung hervor. Zum anderen betonen GLÄSER und LAUDEL die folgenden Grundsätze gegenüber den Fachkollegen-/innen und den Studierenden: Benennung aller am Projekt Beteiligten, keine Aneignung fremder Arbeitsergebnisse, Offenlegung der Projektfinanzierung und Auftraggeber, die vollständige Mitteilung der Arbeitsergebnisse, der Vorgehensweise und des eigenen Wissensstandes. [6]

3. Von der Formulierung der Forschungsfragen über die praktische Durchführung des ExpertInneninterviews bis hin zu seiner Auswertung

Mit Blick auf diese forschungsethischen Reflexionen wenden sich GLÄSER und LAUDEL dann in den folgenden Kapiteln drei bis sechs der Forschungspraxis selbst zu. Dabei legen sie in Anlehnung an z.B. die US-amerikanische Methodenausbildung großen Wert auf die Beschreibung der einzelnen praktischen Schritte im Forschungsprozess. [7]

Im dritten Kapitel werden nun zunächst diejenigen Schritte thematisiert, die nach Ansicht von GLÄSER und LAUDEL einer Anwendung von ExpertInneninterviews vorausgehen sollten. Dabei geht es insbesondere um die Formulierung der Untersuchungsfrage, die theoretischen Vorüberlegungen sowie die eigentliche Untersuchungsplanung. An dieser Stelle werden dann auch solche ganz praktischen Probleme diskutiert, wie die Entscheidung darüber, welche, und vor allen Dingen wie viele Fälle mit welchen Erhebungs- und Auswertungsmethoden erforscht werden sollen. Damit hoffen GLÄSER und LAUDEL ihren Lesern und Leserinnen Misserfolge und Unsicherheiten zu ersparen, die aus einer "schlecht" vorbereiteten empirischen Untersuchung resultieren können. Interessant ist an dieser Stelle, dass sich GLÄSER und LAUDEL vehement gegen die Auffassung wenden, "es wäre möglich, ohne Vorannahmen in eine empirische Untersuchung zu gehen – obwohl man tatsächlich lediglich die Wahl zwischen bewussten und unbewussten Vorannahmen hat" (S.59). [8]

Im vierten Kapitel, das im Übrigen fast 100 Seiten umfasst, beschäftigen sich GLÄSER und LAUDEL insbesondere mit der Erstellung eines Leitfadeninterviews, der "Kunst des Fragens" und schließlich mit der praktischen Vorbereitung sowie der tatsächlichen Durchführung des ExpertInnenInterviews. Den Ausgangspunkt dieser Ausführungen bildet die Überlegung, dass das Interview als Kommunikationsprozess zu betrachten ist. Insofern ähnele es zwar auf den ersten Blick einem alltäglichen Gespräch, jedoch unterscheide es sich fundamental durch festgelegte Kommunikationsregeln, fixierte Rollenverteilungen und gerichtete dialogische Strukturen. Davon ausgehend thematisieren GLÄSER und LAUDEL dann einige wichtige Probleme im Hinblick auf die "Kunst des Fragens", wie etwa die Offenheit, Neutralität und Klarheit von Fragen, aber auch ihre Inhalte und Funktionen. Erst dann gehen GLÄSER und LAUDEL auf die Konstruktion des Interviewleitfadens, die praktische Vorbereitung und die konkrete Durchführung des Interviews ein. Auch hier stehen wieder scheinbar "einfache", aber wichtige Fragen im Mittelpunkt: So wird diskutiert, ob eine oder mehrere Personen ein Interview führen, wie das Interview aufgenommen wird, sowie wer, wann und auf welche Weise Kontakt zu den Interviewpartner bzw. -partnerinnen aufnimmt. Darüber hinaus aber sprechen GLÄSER und LAUDEL auch gerade typische Fehler der Interviewenden an. So warnen sie ihre Leser und Leserinnen im Rekurs auf Christel HOPF(1978) insbesondere vor einer "Leitfadenbürokratie", d.h. dem bürokratischen Abhaken von Leitfragen, ohne dass die Interviewenden eine klärende Vertiefung der Antworten versuchten. [9]

Im fünften Kapitel beschäftigen sich GLÄSER und LAUDEL schließlich mit der Auswertung von ExpertInneninterviews mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse. Dabei bestimmen sie die Inhaltsanalyse zunächst als eine Methode zur Analyse von Texten, die mit dem Aufkommen der Massenmedien in den 1920er Jahren entstanden sei. Anders als bei der quantitativen gehe es aber bei der qualitativen Inhaltsanalyse nicht darum, Häufigkeiten, sondern Inhalte von Informationen zu analysieren. Im weiteren Verlauf stellen dann GLÄSER und LAUDEL ihre Modifizierung der von Philipp MAYRING (1993) konzipierten Methode der qualitativen Inhaltsanalyse vor2). Diese qualitative Inhaltsanalyse nach GLÄSER und LAUDEL behandelt die auszuwertenden Texte grundsätzlich als Materialien, die Daten beinhalten. Im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse sollen dann Daten extrahiert und ausgewertet werden. GLÄSER und LAUDEL verwenden hier den Begriff der Extraktion, um so den Unterschied zum Kodierungsbegriff deutlich zu machen. Denn die "Kodierung indiziert den Text, um ihn auswerten zu können; sie macht also Text und Index zum gemeinsamen Gegenstand der Auswertung" (S.193). Dagegen würden mit der Extraktion Texten Informationen entnommen, die dann ausgewertet werden. Auf diese Weise, so erläutern GLÄSER und LAUDEL, verschafft "man sich also eine von den Ursprungstexten verschiedene Informationsbasis, die nur noch die Informationen enthalten soll, die für die Beantwortung der Untersuchungsfrage relevant sind (S.194). Diese Informationsbasis sei dann wiederum durch das Suchraster strukturiert, das zur Extraktion der Informationen aus den Ursprungstexten gedient habe. Demnach trennt sich also das Verfahren von GLÄSER und LAUDEL sehr frühzeitig von den Ursprungstexten und versucht, "die Informationsfülle systematisch zu reduzieren sowie entsprechend dem Untersuchungsziel zu strukturieren" (S.194). Im Mittelpunkt dieses Verfahrens steht also die Extraktion, deren Vorbereitung und Ablauf GLÄSER und LAUDEL denn auch auf mehr als 20 Seiten außerordentlich instruktiv beschreiben: Die Extraktion geschieht über ein zuvor auf Basis theoretischer Vorüberlegungen entwickeltes Suchraster. Dabei bedeutet Extraktion, zu entscheiden, welche Informationen in einem Text für die Untersuchungsfrage relevant sind. Daran anschließend werden dann die relevanten Informationen den Kategorien des Suchrasters zugeordnet. Dieses Kategoriensystem basiert auf Untersuchungsvariablen, die zuvor in theoretischen Vorüberlegungen konzipiert worden sind. Dieses Vorgehen soll die Anleitung der Extraktion durch die theoretischen Vorüberlegungen sicherstellen. Zugleich aber betonen GLASER und LAUDEL die Offenheit des Kategoriensystems:

"Es kann während der Extraktion verändert werden, wenn im Text Informationen auftauchen, die relevant sind, aber nicht in das Kategoriensystem passen. Die Dimensionen existierender Kategorien können verändert werden, und es können neue Kategorien konstruiert werden. Entsprechend verändert sich auch die Struktur der Informationsbasis, die damit auch durch die im Material enthaltenen Informationen geprägt wird." (S.195) [10]

Ausgehend von diesen Vorüberlegungen beschreiben dann GLÄSER und LAUDEL unterstützt von vielen Grafiken sehr gut nachvollziehbar die einzelnen Schritte der Extraktion, ihrer Aufbereitung und Auswertung. Dabei geben sie immer wieder instruktive Beispiel aus den eingangs erwähnten sportsoziologischen und wissenssoziologischen Forschungsprojekten. [11]

Diesen praktischen Ausführungen zur Auswertung von ExpertInneninterviews mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse fügen GLÄSER und LAUDEL im sechsten Kapitel ihres Lehrbuches einige nützliche Hinweise zur Ergebnisinterpretation und zum Abfassen eines Untersuchungsberichtes an. Auch hier greifen sie wieder auf Beispiele ihrer eigenen Forschungspraxis zurück, um deutlich zu machen, wie die Untersuchungsergebnisse in theoretische Konstrukte einzuordnen sind, in dem die ursprüngliche Forschungsfrage formuliert worden ist. [12]

Im abschließenden siebten Kapitel verweisen GLÄSER und LAUDEL nochmals dezidiert darauf, dass sie mit ihrem Lehrbuch "nur einen schmalen Pfad durch den sozialwissenschaftlichen Methodendschungel geschlagen" (S.278) hätten. Denn aus didaktischen Gründen hätten sie auf bisher ungelöste Fragen der sozialwissenschaftlichen Methodologie bestenfalls vorläufige Antworten gegeben. Es handelt sich bei diesen Fragen im Kern um das Fehlen eines "gemeinsamen Urgrundes" qualitativer und quantitativer Methodologie, das bisher ungeklärte Verhältnis der Sozialwissenschaften zur Theorie und schließlich um Defizite in der Ausarbeitung der Methoden. [13]

Flankiert werden diese Ausführungen zur Vorbereitung, Ausführung und Auswertung der Erhebungsmethode ExpertInneninterview mit Hilfe der Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse durch eine gelungene Zusammenfassung und Aufbereitung des aktuellen Forschungsstandes zu beiden Methoden. So können die bisher Noch-Nicht-Experten bzw. -Expertinnen fundierte Kenntnisse darüber erwerben, ExpertInneninterviews vorzubereiten, Interviewleitfäden zu entwickeln, Interviews durchzuführen und mögliche Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Sie lernen zudem die Auswertung ihrer Interviews unter spezifischen Aspekten, die der Beantwortung der ursprünglichen Fragestellung dienen. [14]

Aber dies ist nicht alles. Denn dieses Wissen wird am Ende der einzelnen Kapitel vertieft, indem GLÄSER und LAUDEL zum einen weiterführende Literatur benennen, die sie mit Kommentaren versehen, und zum anderen jeweils Lern- und Arbeitsfragen zum Verständnis stellen. [15]

4. Fazit

Das Lehrbuch von GLÄSER und LAUDEL vermittelt anhand zweier Beispieluntersuchungen Anwendungswissen über alle Arbeitsschritte rekonstruierender sozialwissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei wird die Erhebungsmethode Experteninterview und die Auswertungsmethode qualitative Inhaltsanalyse ausführlich dargestellt. Damit legen GLÄSER und LAUDEL eine insgesamt sehr gelungene praxisorientierte Einführung vor. Besonders hervorzuheben sind zwei Dinge: Erstens glückt es GLÄSER und LAUDEL Theorie und Praxis dieser beiden Methoden überzeugend miteinander zu vermitteln. Dies gelingt ihnen nicht nur über eine sehr übersichtliche Gliederung der einzelnen Kapitel und oftmals sehr informativer Grafiken, sondern insbesondere deswegen, weil sie es zudem verstehen, sich immer wieder in die Perspektive des Laien hineinzuversetzen und so zugleich ihre Leser und Leserinnen für die praktischen Fragen des Forschungsprozesses interessieren. Dieses Interesse erreichen GLÄSER und LAUDEL zum einen über Arbeits- bzw. Lernfragen am Ende eines jeden Kapitels und zum anderen über die Möglichkeit ein von GLÄSER und LAUDEL speziell entwickeltes Programmpaket zu nutzen, um so die qualitative Inhaltsanalyse aktiv als computergestützte Methode nach vollziehen zu können.3) Mit Blick auf diese beiden Aspekte ist zu erwarten, dass das ExpertInneninterview nach GLÄSER und LAUDEL zu einer der bedeutendsten Untersuchungsmethoden transdisziplinärer Forschung avancieren wird. Gelten doch dank der hier vertretenen weiten Definition des Experten bzw. der Expertin nicht nur Menschen wegen ihres beruflichen Wissens als Experten oder Expertin. [16]

Anmerkungen

1) Im Interesse einer besseren Lesbarkeit des Textes wird im Folgenden jeweils nicht die männliche und weibliche Form explizit, sondern stets diese Schreibweise verwendet. <zurück>

2) GLÄSER und LAUDEL (S.193) kritisieren MAYRING insbesondere deshalb, da sein Verfahren technisch zu aufwendig und methodologisch wenig begründbar sei. <zurück>

3) Dieses Programmpaket wird unter der Internet-Adresse http://www.vs-verlag.de/ zur Verfügung gestellt. <zurück>

Literatur

Bogner, Alexander; Littig, Beate & Menz, Wolfgang (Hrsg.) (2002). Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Opladen: Leske + Budrich.

Bührmann, Andrea D. (2004, Juni). Rezension zu: Alexander Bogner, Beate Littig & Wolfgang Menz (Hrsg.) (2002). Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung [19 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 5(2), Art. 1. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-04/04-3-1-d.htm [Zugriff: 03.02.2005].

Hopf, Christel (1978). Die Pseudo-Exploration – Überlegungen zur Technik qualitativer Interviews in der Sozialforschung. Zeitschrift für Soziologie, 7(2), 97-115.

Mayring, Philipp (1993). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutscher Studienverlag.

Zur Autorin

Andrea Dorothea BÜHRMANN, geb. 1961, PD DR. phil., Privatdozentin an der Universität Münster und z.Zt. Vertretungsprofessorin an der Universität Dortmund und Gastprofessorin an der Universität Salzburg. Derzeitige Forschungsschwerpunkte: Methoden der empirischen Forschung, insbesondere Diskurs- und Dispositivanalysen, Frauen- und Geschlechterforschung, Gesellschafts- und Wissenschaftstheorie. Andrea BÜHRMANN hat in FQS bereits besprochen: Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung.

Kontakt:

Vertr. Prof. Dr. Andrea D. Bührmann

Institut für Soziologie (FB12)
Universität Dortmund
Emil-Figge-Str. 50
D-44227 Dortmund

Tel.: 030 / 755 6268

E-Mail: abuehrmann@fb12.uni-dortmund.de

Zitation

Bührmann, Andrea D. (2005). Rezension zu: Jochen Gläser & Grit Laudel (2004). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse [16 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 6(2), Art. 21, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0502212.

Revised 5/2018

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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