Volume 5, No. 3, Art. 2 – September 2004

Rezension:

Anja Naumann

Reinhard Keil-Slawik & Michael Kerres (Hrsg.) (2003). Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in der Bildung (Reihe: education quality forum, Bd. 1). Münster: Waxmann, 334 Seiten, ISBN 3-8309-1287-0, EUR 38,00

Zusammenfassung: In dem hier besprochenen Sammelband präsentieren Experten aus Wissenschaft und Praxis den Stand der Entwicklung der grundlegenden Themenfelder auf dem Gebiet neuer Medien in der Bildung. Dabei werden die Potenziale aber auch die Grenzen der Neuen Medien aufgezeigt und die zentralen Fragen zu Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in der Bildung diskutiert. In 23 Einzelbeiträgen wird dabei das Thema aus verschiedenen Forschungsrichtungen, z.B. der Pädagogik, der Psychologie, der Medienwissenschaften und der Informationsverarbeitung und damit aus verschiedenen, jedoch ineinandergreifenden und sich ergänzenden Perspektiven betrachtet.

Keywords: Lernen, Neue Medien, digitale Medien

Inhaltsverzeichnis

1. Überblick

2. Ausgewählte Einzelbeiträge

3. Fazit

Zur Autorin

Zitation

 

1. Überblick

Die digitalen Medien und das Internet werden zunehmend Träger von Bildung und Kultur, und in Schulen und Hochschulen haben die neuen Medien verstärkt Einzug gehalten. Dieser Einsatz neuer Medien hat einen Prozess angestoßen, der sowohl die Organisation als auch die Formen, Methoden und Rollen des Lernens und Lehrens verändert. Die Chancen und Grenzen von Medien in Lehre und Unterricht rücken dabei zunehmend in den Mittelpunkt einer Diskussion über die Zukunft der Bildung. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für die Bildungspolitik. Weiterhin müssen die daraus resultierenden Konsequenzen erkannt und dadurch entstehende Optionen wahrgenommen werden. [1]

Basierend auf diesem Hintergrund wurde im November 2002 der Kongress "education quality forum – Wirkungen und Wirksamkeit Neuer Medien in der Bildung" veranstaltet. Auf diesem Kongress präsentierten Experten aus Wissenschaft und Praxis den Stand der Entwicklungen in den grundlegenden Themenfeldern, zeigten die Potenziale, aber auch die Grenzen der Neuen Medien auf. [2]

Mit der als "education quality forum" gleichnamig initiierten Publikationsreihe sollen Forschungsergebnisse zusammengetragen werden, die erste Aufschlüsse darüber geben, wie der PC und das Internet, wie Lern-CDs und E-Learning-Plattformen die bislang vertrauten Lernwelten Schule und Hochschule am besten unterstützen können und auch Aufschlüsse darüber geben, was die angemessenen technischen Standards für das Lernen mit neuen Medien sind und wie die pädagogisch-didaktischen Anforderungen für Multimedia in Schule und Hochschule aussehen sollen. Der vorliegende, von Reinhard KEIL-SLAWIK und Michael KERRES herausgegebene Sammelband eröffnet diese Publikationsreihe. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob und wie die neuen Medien das Lehren und Unterrichten nachhaltig verbessern und so zu einem neuen effektiveren Lernen beitragen können. Neben allgemeinen und übergreifenden Schwerpunkten sind die zentralen Themen der 23 Einzelbeiträge: mediale Dienste und Mehrwerte, Wissensmanagement und Lerntheorien, neue Allianzen für die Entwicklung und den Einsatz digitaler Medien, Chancen der Schul- und Hochschulentwicklung sowie die kulturellen Implikationen der digitalen Lernwelten der Zukunft. Im Einzelnen gliedert sich der Band wie folgt:

Im Hinblick auf den Umfang der Rezension soll im Folgenden beispielhaft nur auf eine Auswahl von Einzelbeiträgen aus den jeweiligen Themenbereichen kurz eingegangen werden. Herausgegriffen wurden dabei neben allgemeinen Themen (GROTEN, KEIL-SLAWIK, KERRES) und einem Diskussionsbeitrag ("Impulsvortrag") von WEIBEL jeweils ein Artikel zu Lerntheorien (ACHTENHAGEN), zum Medialen Mehrwert (NIEGEMANN), zu Lernwelten der Zukunft (WESSNER) und zu Kulturellen Implikationen (SANDBOTHE). [4]

2. Ausgewählte Einzelbeiträge

In seinem Artikel "Eröffnung des ersten education quality forums" beschreibt Hubert GROTEN das Internet als Leitmedium der Wissensgesellschaft. Allerdings gehen ihm zufolge Experten für E-Learning mittlerweile mit großem Einvernehmen davon aus, dass im netzbasierten Lernen allein nicht das Heil der Bildungszukunft liegen kann. Es stellt sich nun die Frage, wie eine möglichst vorteilhafte Mischung etwa aus Präsenz und virtueller Lehre zu erreichen ist. Sicher ist jedoch, dass der persönliche Kontakt zwischen Lehrenden und Schülern oder Studenten in den Lernwelten der Zukunft seine Bedeutung behält, wenn nicht sogar noch wächst. Allerdings werden den Lehrenden veränderte, neue Rollen zufallen. Davon ausgehend, dass die Wissensgesellschaft von morgen eine umfassend digitale Gesellschaft sein wird, kommt – so GROTEN (S.10f) – den neuen Medien zumindest als Wegbereiter eines neuen Lehrens im Bildungsprozess eine immer größere Bedeutung zu. [5]

Reinhard KEIL-SLAWIK setzt sich in seinem Kapitel mit der "Technik als Denkzeug" auseinander. Er geht dabei davon aus, dass sich Technik der Pädagogik unterordnen sollte, um negative Formen der Technikzentrierung zu vermeiden. KEIL-SLAWIK stellt maschinelle Datenverarbeitung und menschliche Informationsverarbeitung gegenüber, bestimmt die Rolle von Technik und Medien als Mittler zwischen Geist und Maschine und analysiert Gestaltungsprozesse von technischen Infrastrukturen als notwendige Rahmenbedingungen. Er beschäftigt sich mit der Frage, wie und in welcher Form die Umgebung des Lernenden durch technische Systeme sinnvoll angereichert werden kann. Nach KEIL-SLAWIK ist es mit Hilfe des Computers möglich, die bislang relativ eindimensionale Funktionalität der Mittel zur Medienproduktion und Mediennutzung miteinander zu verschmelzen und zugleich neue Ausdrucksformen zu schaffen. Dabei dient der Begriff der Medienfunktionen dazu, die Fülle der entstehenden oder sich abzeichnenden Möglichkeiten hinsichtlich der erforderlichen Kompetenzen und der möglichen Potenziale qualitativ zu differenzieren. [6]

In dem Kapitel "Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in der Bildung" geht Michael KERRES auf die Komplexität der Beziehung zwischen Mensch und Medium ein. Medien haben demnach immanente Wirkungen, die nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die materielle und mediale Form bedingt sind. Sie eröffnen Gestaltungsspielräume, die bestimmte Wirkungen erst möglich machen. Gleichzeitig werden Wirkungen auch dadurch möglich, dass sich Menschen den Medien zuwenden und dabei in ihren Zuschreibungen Erwartungen und Befürchtungen artikulieren, die wiederum als Effekte auf sie selbst zurückwirken. Nach KERRES sind demnach einfache kausale Behauptungen hinsichtlich der Wirkung neuer Medien auf die Bildung kaum aufrechtzuerhalten. [7]

Peter WEIBEL beschäftigt sich in seinem Artikel "Lernlabor Gesellschaft" mit der Frage, ob durch Medienwandel ein Wissenswandel auftritt. Er kommt zu dem Schluss, dass die Beurteilung von impliziten Lernwirkungen neuer Medien stark davon abhängen wird, inwieweit diese den ursprünglichen kognitiven und perzeptuell-motorischen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Dispositionen entgegenzukommen in der Lage sind. Neue Medien müssen also daraufhin hinterfragt werden, wie nahe sie der menschlichen geistigen Organisation liegen. [8]

In dem Kapitel "Lerntheorien und Medieneinsatz" führt Frank ACHTENHAGEN Bedingungen und Möglichkeiten einer Steigerung des Lernerfolgs auf. Er stellt fest, dass der Einsatz neuer Medien den Lernerfolg signifikant steigern kann, wenn entsprechende lerntheoretische Annahmen Berücksichtigung finden. Allerdings kommt es zentral auf die inhaltliche Aufbereitung an, d.h ein Medium kann allenfalls ökonomischer oder komfortabler sein als ein anderes. Die Ergebnisse zu motivationalen Bedingungen einer empirischen Studie ACHTENHAGENs zeigen jedoch auch, dass sich Auszubildende einer Multimediagruppe höher sozial eingebunden und deutlich weniger überfordert fühlen können. Dies bedeutet, dass zum einen computergestütztes Lernen den Austausch individueller Wahrnehmungsprozesse auditiver und visueller Art sowie soziale Interaktionsprozesse fördern kann, und dass zum anderen multimediale Lernumgebungen bessere Strukturierungshilfen anbieten können als rein printbasierte Lernarrangements. [9]

Helmut M. NIEGEMANN stellt in dem Kapitel "Schlau durch Mausklick?" Bedingungen für ein effizientes Lernen mit den neuen Bildungsmedien zusammen. Nach NIEGEMANN gehört Interaktivität sicher zu den wichtigsten Merkmalen jedes E-Learning-Systems. Kriterium für die Effizienz von Interaktionen muss dabei aber das Ausmaß der durch die wechselseitigen Aktionen initiierten mentalen Prozesse sein. Da diese Prozesse nicht beobachtbar sind, bedarf es des Rückgriffs auf elaborierte Theorien und Modelle des Lernens, Denkens und Behaltens, um entsprechende Verknüpfungen zu begründen, technologische Hypothesen zu formulieren und diese empirisch zu prüfen. [10]

In dem Artikel "E-Learning – Quo Vadis?" stellt Martin WESSNER fest, dass viele der früheren E-Learning-Ansätze zwar ihre großen Versprechungen nicht gehalten, aber dennoch das Repertoire an Lerntechnologien erweitert haben. Ähnlich werden aktuelle Entwicklungen des E-Learning ihren Weg in den Alltag des Lernens finden, ohne dass dies jeweils speziell als E-Learning bezeichnet werden wird. [11]

Mike SANDBOTHE bezeichnet in "Medien – Bildung – Kultur: Pragmatische Medienkompetenz im 21. Jahrhundert" die kulturelle Einbettung des intelligenten Einsatzes von Medien wie Bild und Musik, Gestik und Mimik, Stimme und Körper als eine zentrale Herausforderung für die Medien- und Bildungspolitik im 21. Jahrhundert. Diese sollte sich jedoch nicht einseitig am aktuellen Leitmedium Internet, sondern vielmehr ausgewogen am medienökologischen Ideal einer demokratischen Gleichberechtigung der unterschiedlichen Medienarten orientieren. [12]

3. Fazit

Der vorliegende Sammelband gibt mittels interessanter Einzelbeiträge einen breiten Überblick über den Stand der Forschung zum Thema Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in der Bildung. In diesem Buch tragen Experten aus verschiedenen Forschungsbereichen ihre Meinung und ihre Forschungsergebnisse zu diesem Thema zusammen. Die einzelnen Autoren können dabei verständlicherweise nur ihr jeweiliges Forschungsgebiet anreißen und nicht in die Tiefe gehen. Als Gesamttenor ist jedoch festzustellen, dass die anfängliche Euphorie, d.h. der E-Learning-Hype (WESSNER, S.216) einer Ernüchterungsphase gewichen ist. Es wird deutlich, dass multimediales Lernen nur unter bestimmten Bedingungen und nur unter Berücksichtigung des Primats der inhaltlichen Aufbereitung von Lernmaterial erfolgreich sein kann. [13]

Zur Autorin

Anja NAUMANN, Dipl.-Psych., arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen des allgemeinpsychologischen Forschungsprojektes "Benutzerorientierte Präsentation von Informationen im Internet" an der TU Chemnitz. Ihr hauptsächlicher Forschungsschwerpunkt liegt in der Gestaltung und Untersuchung von Hypertexten im Hinblick auf deren Optimierung hinsichtlich Strukturierung und Orientierungshilfen, um vor allem den Wissenserwerb mit Hilfe solcher Hypertexte zu fördern. In FQS findet sich eine weitere Besprechung von Anja NAUMANN zu Lernen mit Hypertext. Informationssuche und Navigation.

Kontakt:

Anja Naumann

Institut für Psychologie
Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie
TU Chemnitz
D-09107 Chemnitz

E-Mail: anja.naumann@phil.tu-chemnitz.de
URL: http://www.tu-chemnitz.de/~anjna/

Zitation

Naumann, Anja (2004). Rezension zu: Reinhard Keil-Slawik & Michael Kerres (Hrsg.) (2003). Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in der Bildung [13 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 5(3), Art. 2, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs040322.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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