Volume 7, No. 1, Art. 6 – Januar 2006

Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse1)

Rainer Diaz-Bone

Zusammenfassung: In diesem Beitrag wird eine methodologische Position für die FOUCAULTsche Diskursanalyse vorgestellt und eine darauf aufbauende Schrittfolge für eine empirische Diskursanalyse skizziert. Anhand eines Anwendungsbeispiels wird diese Methodologie veranschaulicht.

Es wird hervorgehoben, dass Diskursanalysen – um vollständige Analysen zu sein – soweit vorangetrieben werden müssen, dass sie (1) den Systemcharakter des Regelsystems in einer diskursiven Formation erfassen und (2) daran anschliessend die Tiefenstruktur der diskursiven Formation freilegen.

Zur Theoriebasis der FOUCAULTschen Diskursanalyse zählt der französische Kontext des Strukturalismus/Poststrukturalismus. Es wird argumentiert, dass der Poststrukturalismus nicht als Überwindung des Strukturalismus, sondern als eine kritische Öffnung des Strukturalismus zu verstehen ist. Damit können Strukturen in Diskursen auf eine diskursive Praxis bezogen werden und das Strukturkonzept kann (z.B. zur Interdiskursivität und zu Jacques DERRIDAs Strukturalitätsbegriff hin) geöffnet werden. Die strukturalistische Perspektive wird damit fortgesetzt und radikalisiert, aber nicht aufgegeben. Die FOUCAULTschen Theoreme werden hier verknüpft mit den Arbeiten von Michel PÊCHEUX und (insbesondere für die empirische Kultur- und Wissenssoziologie) den Arbeiten von Pierre BOURDIEU.

Die praktische Diskursanalyse wird als theoriefundierte und im Material reflexiv vorgehende Kopplung von Dekonstruktion/Rekonstruktion vorgestellt. Sie ist insofern eine rekonstruktive qualitative Methodologie. Am Ende setzt sich der Beitrag kritisch mit solchen Diskursanalysen auseinander, die weder den Systemcharakter der diskursiven Praxis systematisch erfassen noch die diskursive Tiefenstruktur (Episteme bzw. Sozio-Episteme) erfassen wollen. Diese bleiben entweder Diskurskommentierungen oder einfach phänomenologisch und damit jeweils vorstrukturalistisch.

Keywords: Diskursanalyse, rekonstruktive Methodologie, Interdiskurs, Strukturalismus, Poststrukturalismus, Michel Pêcheux, Pierre Bourdieu, Lebensstilanalyse, Episteme, Sozio-Episteme, Kulturproduktion, Gefühlsstruktur, Techno, Heavy Metal

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodologischer Holismus

3. Strukturalismus / Poststrukturalismus

4. Diskurs als Struktur und strukturierte Praxis

5. Diskursanalyse als reflektierte Rekonstruktion

6. Schritte für die strukturale Analyse

7. Anwendungsbeispiel: Vergleich von Popmusikdiskursen

8. Öffnung der strukturalistischen Diskursanalyse

9. Grenzen der Metaphysikkritik

Literatur

Zum Autor

Zitation

 

1. Einleitung

Nach verschiedenen Rezeptionsanläufen der Foucaultschen Diskurstheorie seit den 1980er Jahren, ist in den späten 1990er Jahren das Feld empirischer Diskursanalyse in Deutschland deutlich hervorgetreten. Dabei handelt es sich um verschiedene Gruppen, die anknüpfend an die Diskurstheorie Michel FOUCAULTs Diskurse aus sozialwissenschaftlicher Perspektive und im weiteren sozialen Kontext analysieren.2) In diesem Beitrag wird eine methodische Schrittfolge für empirische Diskursanalysen vorgestellt und eine Anwendung skizziert. Der Bezug ist dabei die Diskursanalyse kultureller genrebezogener Wissensformen. Die These ist, dass in Kulturwelten durch diskursive Praktiken systematisch nicht nur die kulturelle Wissensordnung praktisch hervorgebracht wird, sondern dass darüber hinaus diese Wissensordnung einer Gefühlsstruktur Ausdruck gibt, die sich als Tiefenstruktur im Diskurs rekonstruieren lässt. Damit bietet die diskursive Sphäre des kulturellen Wissens Formen für Lebensstile an, werden die konkreten Lebensstile von Milieus nicht nur reflektiert, sondern auch stabilisiert und vorgezeichnet. Die Diskursanalyse des zeitgenössischen kulturellen Wissens kann damit als eine Form der Lebensstilanalyse und Sozialstrukturanalyse angesehen werden. [1]

Der vorgestellte Ansatz zielt zunächst strukturalistisch auf die Rekonstruktion von Diskursstrukturen. Hier soll aber auch aufgezeigt werden, wie eine poststrukturalistische Diskursanalyse als Sozialforschung möglich sein kann, wenn man diese als Öffnung der strukturalistischen Perspektive durchführt. Dabei wird der Poststrukturalismus nicht als "Nachstrukturalismus", sondern als eine Theorieentwicklung aus dem Strukturalismus, als eine Öffnung bzw. Erweiterung strukturalistischer Grundpositionen verstanden. Außerdem werden die Grenzen für eine poststrukturalistische Methodologie thematisiert: eine radikale poststrukturalistische Metaphysikkritik (wie sie beispielsweise durch die Dekonstruktion von Jacques DERRIDA vertreten wird) setzt Grenzen für die Möglichkeit einer poststrukturalistischen Methodologie, die notwendig selbst metaphysische Annahmen beinhaltet. Aus methodologischer Sicht ergibt sich eine Kritik an der fehlenden Selbstbegründung einer solchen Dekonstruktion, da diese die Praxis der Dekonstruktion nicht angeben und deshalb nicht reflektieren kann. Aufgrund der immer wieder anzutreffenden Methodenskepsis poststrukturalistischer Positionen zeigt sich, dass eine sich als poststrukturalistisch verstehende empirische Forschung Gefahr läuft, das Analysepotential strukturalistischer Zugänge nicht zu steigern sondern auf vorstrukturalistische erkenntnistheoretische Positionen zurückzufallen. [2]

Die Arbeit an einer Diskursanalyse ist in Frankreich bereits in den 1960er Jahren aufgenommen worden. Hier hat der ALTHUSSER-Schüler Michel PÊCHEUX die Diskurstheorie FOUCAULTs weiterentwickelt und die methodologische Forschungsperspektive der Entwicklung einer Diskursanalyse als einer systematischen und reflektierten Form des "Lesens" von Diskursen als einen Ausgangspunkt formuliert. Dabei hat die französische Diskursanalyse selber einige methodologische Brüche und Verschiebungen hervorgebracht.3) Und gerade bei PÊCHEUX steht die Sorge um ein kontrolliertes "Lesen" an zentraler Stelle der theoretischen und methodologischen Überlegungen. Dabei geht es PÊCHEUX um die Frage, wie die Diskursforschung vermeiden kann, die eigenen Vorurteile (die eigene "Ideologie") im Vorgang der Analyse nicht als "Resultat" der Diskursanalyse auftreten zu lassen und stattdessen einer "Empirie" die Chance zu geben, sich in der Analyse von Wissensordnungen und Wissenspraktiken niederzuschlagen. Wenn man die Diskursanalyse als eine konstruktivistische Methode versteht, geht es um die Frage, wie Diskursanalysen als wissenschaftliche Praxisformen sich selbst beobachten können. Es geht konkret darum, wie Diskursanalysen erreichen können, die Widerständigkeit der Materialität des Gegenstandes (der "Empirie") von der eigenen theoriegeleiteten Forschungspraxis zu unterscheiden. Diese Sorge – kennzeichnend für alle sozialwissenschaftlichen Methodologien – ist der Knotenpunkt für verschiedene theoretische und methodologisch-epistemologische Problematisierungen, die hier aufgegriffen werden sollen: Wie kann man den sozialtheoretischen Gehalt des Strukturalismus und Poststrukturalismus in eine Methode überführen, die die methodische Qualität ihrer Resultate zu begründen versucht, und die sich dem sozialwissenschaftlichen Methodendiskurs nicht unter Berufung auf die Unmöglichkeit einer methodologischen Position entzieht? Wie ist überhaupt eine systematische Methode der Diskursanalyse möglich, wenn diese sich auch auf den Poststrukturalismus stützen will, dem als einer metaphysikkritischen Theorie jede Methodologie und Methode als Fortführung eines metaphysischen Unternehmens verdächtig erscheinen muss? [3]

2. Methodologischer Holismus

Hier wird eine wissenschaftstheoretische Perspektive vorgeschlagen, die vielen sozialwissenschaftlichen Methodologien mehr oder weniger implizit bereits unterliegt, welche man "methodologischen Holismus" nennen kann. Demzufolge wird angenommen, dass es in jeder empirischen Forschung ein Primat der Theorie gibt, welches sich in mehrfacher Hinsicht auswirkt. [4]

Einmal ist die Unterscheidung Theorie/Empirie eine theoretische Unterscheidung. Dies bedeutet, dass das, was aus Sicht einer wissenschaftlichen Position überhaupt relevante "Wirklichkeit" ist, durch die eingenommene Theorie bestimmt wird. Die Grenzziehung (Theorie/Empirie) erfolgt durch die Theorie und wirkt sich in der methodologischen Praxis kontinuierlich aus. Die "Beobachtung" der "Wirklichkeit" erfolgt nicht nur theoriegesteuert (selektiv), sondern auch theoriegesättigt, d.h. die Theorie liefert die Begriffe (Konzepte, Modelle) und Wahrnehmungsraster, durch die hindurch Realitätsaspekte wahrgenommen und im Zuge der Beobachtung synthetisiert werden. Soweit geht bereits der kritische Rationalismus von POPPER (der gerade kein Positivismus ist), ja sogar die idealistische Erkenntnistheorie KANTs ist eine Protoversion.4) Aus Sicht des methodologischen Holismus entwirft die Theorie ein Modell der Realität, das angibt, wie diese Realität sich zeigt, wie sie prinzipiell beforschbar ist und wie nicht. Pointiert formuliert kann man sagen, dass die so theoretisierte "Empirie" eine Funktion oder Konstruktion der Theorie ist, weshalb sie hier in Anführungszeichen gesetzt wird, um ihre Theorieabhängigkeit zu kennzeichnen. Schon Jahre vor POPPER hat der französische Wissenschaftsphilosoph (und Wegbereiter des Strukturalismus) Gaston BACHELARD (1988, S.18) nicht nur die theoriegeleitete Realitätskonstruktion formuliert, er hat auch den Weg der Erkenntnis beschrieben: Wissenschaft sei auf Realisierung, nicht auf Falsifikation aus. Empirische Forschung versucht, die vorangehende theoretische Sicht zu realisieren, zu zeigen, dass die Theorie sich in empirischer Forschung als rekonstruierte Realität verifizieren lässt. Der epistemologische Vektor zeige von der Theorie zur Empirie (BACHELARD 1988, S.9). BACHELARD zufolge ist es die Aufgabe der theoretischen Forschung, die Anwendungsbedingungen der Theorie mit auszuarbeiten (BACHELARD 1978, S.110f). [5]

Die zweite Auswirkung der Perspektive des methodologischen Holismus ist damit, dass die Strategie und Reflexion der Forschung, das wird hier Methodologie genannt, die Prinzipien der Theorie in sich aufgreifen und wiederholen muss. Die Theorie begründet die Regeln für die empirische Forschung. Demnach durchdringt die Theorie die Forschungspraxis von der Rahmung der Forschungsfrage über das Forschungsdesign bis hin zum konkretesten Zuschnitt einzelner Techniken und Methoden genauso wie die Weise der Interpretation (Hermeneutik). Damit wird die Theorie zur Metaphysik der Methoden und die Trias von Theorie, Methodologie und Methode bildet einen ästhetischen Zusammenhang, weil letztere in ihren Formen und Prinzipien die Formen und Prinzipien der Theorie in sich wiederholen. Die Methodologie organisiert die Passung zwischen Theorie und Methode, sie ist im Wortsinn "Methodo-Logie". [6]

Dass es beeindruckende Realisierungen dieses methodologischen Holismus gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine solche Perspektive nicht selbstverständlich ist.5) Gerade in der Konjunktur eines methodischen Eklektizismus zeigen sich die Probleme, die entstehen, wenn man verschiedene Methoden, die in unterschiedlichen Theoriekontexten entwickelt worden sind, in der Untersuchung eines Phänomens einsetzt. (Die Frage ist, ob man dann überhaupt noch von einem Phänomen sprechen kann.) [7]

Gaston BACHELARDs Theorie, die dem methodologischen Holismus unterliegt, bringt ein anderes Fortschritts- und Wissenschaftsverständnis ein. Bereits in den 1920er Jahren (also fast ein halbes Jahrhundert vor Thomas KUHN Theorie des Paradigmenwechsels) hat BACHELARD das Konzept des epistemologischen Bruchs eingeführt und damit die Möglichkeit wissenschaftlicher Revolutionen beschrieben, die durch Konzeptverschiebungen und Konzeptänderungen in der Theorie ausgelöst werden. Denn mit der Selbstreorganisation von Theorie, ergeben sich bruchartige Veränderungen in der Sicht auf die nun anders rekonstruierte Realität. Neue Denkkonzepte ermöglichen den Bruch zu vorhergehenden Denkweisen und die "Entdeckung" neuer Phänomene. Louis ALTHUSSER, Michel PÊCHEUX und Pierre BOURDIEU haben die Bruchmetaphorik BACHELARDs in ihre Strukturalismen übernommen. [8]

3. Strukturalismus / Poststrukturalismus

Das Gründungsmanifest für den Strukturalismus stellen die 1916 veröffentlichten Genfer Vorlesungen von Ferdinand de SAUSSURE dar. Mit dem "Cours de linguistique générale" (SAUSSURE 1967) vollzieht sich der Bruch mit traditionellen Sprachtheorien, die die Sprache als Abbildung einer vorhandenen Realität aufgefasst hatten. Die Sprachtheorie SAUSSUREs ist eigentlich eine "Systemtheorie" (er verwendet den Systembegriff anstelle des Strukturbegriffs). Denn Sprache ist für ihn ein System von Differenzen und gleichzeitig eine Form. SAUSSURE führt eine Zeichentheorie ein, die das Zeichen als Einheit von Bedeutungsträger (Lautbild = Signifikant) und Bedeutung (Vorstellung = Signifikat) ansieht. Hierin liegt aber noch nicht die Innovation seiner Theorie. Diese besteht in der Vorstellung, worin eigentlich der Systemcharakter der Sprache zu sehen ist. Denn zwischen Bedeutungsträger und Bedeutung besteht kein natürliches Band (ihre Beziehung ist arbiträr, d.h. willkürlich, nur konventionell). Lautliches (das Phonetische) und Vorstellung sind ohne Sprache amorph und unsystematisch. Bedeutung entsteht erst dadurch, dass das System der Sprache gleichzeitig sowohl Lautbilder gegen Lautbilder als auch Vorstellungen gegen Vorstellungen so absetzt, dass Zeichen als Kopplungen von einem Lautbild und einer Vorstellung mit einem Sprachwert entstehen. Das Sprachsystem gliedert (artikuliert) uno actu beide Bestandteile des Zeichens und stellt so erst ein bedeutungstragendes Zeichen her, weil es in Relation zu anderen Zeichen steht: die Bedeutung eines Zeichens ist damit ein Differenzeffekt zu anderen Zeichen. So liegt ein Sprachsystem als eine Struktur von Differenzen vor. SAUSSURE überwindet so einen Essentialismus der Sprachtheorie, der Bedeutung in den Worten (den Lautbildern, den Phonemen) angelegt sah, zudem führt SAUSSURE den Wert des Sprachzeichens auf eine nicht substantiell gedachte Realität zurück: sein Wert (der den Bedeutungseffekt erzeugt) ist allein auf seine Differenz zu anderen Zeichen zurückzuführen und nicht in einer Wesenheit oder Substanz begründet. Und SAUSSURE unterscheidet zwischen der nur virtuell und vorbewusst vorhandenen Sprachstruktur (der langue) und ihrer Aktualisierung durch eine jeweils als individuell erfahrene Praxis anhand vielfacher Sprechakte (den paroles). Beobachtbares Material für die Sprachwissenschaft sei die parole, aber das zu Analysierende sei die langue. SAUSSUREs Theorie trägt damit einen ersten antimetaphysischen Zug. Der Ethnologe und NeoDURKHEIMianer Claude LÉVI-STRAUSS überträgt das System- und Differenzdenken SAUSSUREs auf das Soziale.6) Er begreift die verschiedenen Formen des menschlichen Handelns als durch Oppositionen so geordnet sind, so dass sich eine erforschbare und universelle Struktur finden lässt, sowohl im Heiratsverhalten, als auch in der Mythenstruktur der von ihm untersuchten Ethnien. Im Spätwerk (der Mythologica) weist LÉVI-STRAUSS 1964 auf die Problematik der unterstellten Geschlossenheit des Differenzsystems hin. Ihm fällt auf, dass ein Mythos sich nur projektiv als geschlossenes System von Oppositionen rekonstruieren lässt.

"Für die Mythenanalyse gibt es keinen wirklichen Abschluß, keine geheime Einheit, die sich am Ende der Zergliederungsarbeit fassen ließe. Die Themen verdoppeln sich ins Unendliche. Glaubt man sie isoliert zu haben, so muß man feststellen, daß sie wieder zusammenwachsen, reagierend auf die Reizungen unvorhergesehener Affinitäten. Folglich ist die Einheit des Mythos nur tendenziell und projektiv, sie spiegelt nur einen Zustand oder ein Moment des Mythos wider. Als imaginäres Phänomen, gezeichnet von der Mühe der Interpretation, besteht ihre Rolle darin, dem Mythos eine synthetische Form zu verleihen und zu verhindern, daß er sich in der Verwirrung der Gegensätze auflöst." (LÉVI-STRAUSS 1971, S.17) [9]

Hier ist bereits durch LÉVI-STRAUSS angedacht, dass das System der Differenzen kein geschlossenes System ist, womit er bereits die strukturalistische Sichtweise öffnet. LÉVI-STRAUSS wird als Hauptvertreter des Strukturalismus angesehen, auch Roland BARTHES, der frühe FOUCAULT, DERRIDA, LACAN und ALTHUSSER gelten als Strukturalisten. Das Jahr 1966 wird (von DOSSE) als das "Lichtjahr des Strukturalismus" bezeichnet, da hier eine Reihe von zentralen Werken erscheinen.7) Hier soll keine Darstellung des Strukturalismus erfolgen, aber die vermeintliche "Bruchstelle" zwischen Strukturalismus und Poststrukturalismus freigelegt werden. Diese Freilegung beginnt mit dem Hinweis auf das Problem, dass der Strukturalismus eigentlich keine einheitliche Bewegung ist und dass mit dem Begriff versucht wird, einen gemeinsamen Nenner für die Theorien der Genannten darzustellen. Und die Frage ist: Inwieweit handelt es sich mit dem Aufkommen des "Poststrukturalismus" überhaupt um einen Bruch? Denn: wichtige Argumente, die den Poststrukturalismus gegenüber dem Strukturalismus absetzen sollen, sind in den Schriften der Strukturalisten enthalten oder werden von den vormals als Strukturalisten bezeichneten Theoretikern im Laufe ihrer Theorieentwicklung selbst geliefert. Ein zentrales Argument des Poststrukturalismus ist: die Geschlossenheit (clôture) der Struktur (dem System der Differenzen), von der SAUSSURE spreche, sei selber eine metaphysische Annahme und der Strukturalismus habe damit die abendländische metaphysische Tradition fortgesetzt. [10]

Beispielhaft sei hier die Position von DERRIDA angeführt: Mit seinen 1967 erscheinenden Arbeiten wird das lokale und offene, das nicht abgeschlossene Spiel von Bedeutungsdifferenzen gegenüber der Annahme einer einheitlichen Struktur kritisch aufgewertet.8) Dies hat auch Folgen für den Zeichenbegriff, dessen duale strukturalistische Konzeption bei DERRIDA kollabiert, weil die Trennung von Bedeutung und Bedeutungsträger als aufgehoben gedacht wird, so dass Bedeutung nun im Text "flottiert".9) In der DERRIDAschen Perspektive wird die Lektürepraxis zur bedeutungsstiftenden Praxis, deren "analytische" (wenn man im Poststrukturalismus davon schreiben kann) Version den Namen Dekonstruktion erhält. Um die Bedeutungseffekte nicht auf Differenzen im Sinne von Elementen eines geschlossenen Systems zurückzuführen, sondern als Resultate von differenziellen Bewegungen ("Verräumlichungen", "Verzeitlichungen") in offenen Strukturen zu begreifen, hat DERRIDA eine durch eine Praxis hergestellte Differenz als "différance" bezeichnet, um sie von der "gegebenen" Differenz zu unterscheiden. (Differenz ist französisch "différence".)

"Die différance ist das systematische Spiel der Differenzen, der Spuren von Differenzen, der Verräumlichung, mittels derer sich die Elemente aufeinander beziehen. […] Die Aktivität oder die Produktivität, die in dem a der différance mitschwingen, verweisen auf die generative Bewegung innerhalb des Spiels der Differenzen. Diese sind weder vom Himmel gefallen noch ein für alle Mal in ein geschlossenes System, in eine statische Struktur eingeschrieben […]. Die Differenzen sind das Ergebnis von Transformationen; daher ist das Motiv der différance, von diesem Gesichtspunkt aus, mit dem statischen, synchronischen, taxonomischen, ahistorischen usw. Begriff der Struktur unvereinbar. Aber es ist klar, dass die Struktur nicht von allein von diesem Motiv her bestimmt wird und daß das Hervorbringen von Differenzen, die différance, nicht a-strukturell ist: Sie bewirkt systematische und geregelte Transformationen, die bis zu einem gewissen Grad Anlaß zu einer strukturellen Wissenschaft geben könnten. Der Begriff der différance entwickelt sogar die im höchsten Maß legitimen grundlegenden Anforderungen des 'Strukturalismus'." (DERRIDA 1986, S.67f; Herv. i. Orig.) [11]

"Praxis" erhält so im Poststrukturalismus eine bedeutungsstiftende Kraft, die nun nicht mehr der Struktur oder Tiefenstruktur zugesprochen wird. Dass hier zwar eine Kritik am Strukturalismus und eine Radikalisierung aber dennoch kein vollständiger Bruch vorliegt, wird deutlich.10) "Poststrukturalisten" sind Strukturalisten, die wie BARTHES, FOUCAULT oder auch DERRIDA in Personalunion beiden Lagern zeitversetzt zugeordnet wurden.11) Die Kontinuität besteht in einer metaphysikkritischen Bewegung, die an die Stelle von Substanzen, überhöhten Subjektivitätsvorstellungen, teleologischen Geschichtsmodellen und einer sich der eigenen Rationalität versichernden abendländischen Philosophie (darunter insbesondere Phänomenologie, Hermeneutik, Idealismus) ein Denken in (wie weit auch immer geschlossenen oder offenen) Differenzstrukturen und -spielen setzt und die die konstruktive Leistung dieser Differenzen in verschieden Untersuchungen und in eigenständigen Formen der Interpretation herausarbeitet. DERRIDA nennt das Präsenzdenken als Nenner für die verschiedenen Metaphysiken. FOUCAULT und DERRIDA treffen sich hier: Die metaphysische Denkweise spricht den Sinneffekt einer (mehr oder weniger implizit angenommenen) Präsenz des Seins zu, die in verschiedenen Formen auftritt wie in denen als Identität (HEGEL), als Stimme (HUSSERL), als Ursprungsdenken (teleologisches Geschichtsdenken) oder als Annahme der Geschlossenheit einer Epoche bzw. einer Struktur (DERRIDA 1974, Kap. 1). [12]

Mit der Kritik an der Vorstellung einer geschlossenen Sprachstruktur wird aber der SAUSSUREsche Bruch (die "coupure saussurienne") nicht rückgängig gemacht, d.h. die zentralen metaphysikkritischen Positionen SAUSSUREs werden nicht in Frage gestellt (wie der Antiessentialismus des Sprachkonzeptes: die Ersetzung von Substanzen durch Differenzen). Der "strukturalistische Fortschritt", den der so begriffene Poststrukturalismus darstellt, besteht in der Öffnung des System- bzw. Strukturkonzepts, in der Aufwertung der Praxis gegenüber der Struktur sowie in der Einbeziehung einer (nicht zielgerichteten) Sicht auf die (geschichtliche) Herkunft der Struktur. Das strukturale Denken wird im Poststrukturalismus problematisiert, kritisch vorangetrieben aber auch fortgesetzt. [13]

4. Diskurs als Struktur und strukturierte Praxis

Nicht nur im französischen Kontext ist der Begriff "Diskurs" allgegenwärtig. Er erhält aber erst mit den Arbeiten FOUCAULTs eine theoretische Präzisierung und Neubestimmung. Der Diskurs ist bei FOUCAULT bestimmt als eine sozio-historisch spezifische Wissenspraxis, die in einem sozialen Feld, in einem sozialen Bereich anzutreffen ist bzw. war. FOUCAULT verwendet den Begriff der diskursiven Praxis, um hervorzuheben, dass der Diskurs nicht ein explizites Wissen (etwa der Bestand von Informationen zu einem Thema), sondern eine überindividuelle Praxis ist, die das pulsierende Wissen und insbesondere die Art und Weise des Denkens und des Äußerns darstellt. Ein Diskurs besteht genauer besehen aus dem System von "Aussagen" in einem Feld. "Aussagen" sind nicht einfach Sätze, sondern tatsächlich sich ereignende "seriöse Sprechakte", die im Diskurs ermöglicht werden und dann auch Wirkungen (Machteffekte) erzielen.12) Man kann den Diskurs genauer als Aussagensystem spezifizieren, in dem die Sachverhalte, von denen "die Rede" ist, erst als Wissenselemente hervorgebracht werden. FOUCAULT unterscheidet die diskursive Formation der "Begriffe", der "Objekte", der Sprecherpositionen und der im Diskurs denkbar werdenden thematischen Wahlen und Strategien. In Anführungszeichen werden "Objekte" und "Begriffe" deshalb gesetzt, weil es sich nicht um die Abbildung von vordiskursiven Sachverhalten handelt: denn erst dadurch, dass im Diskurs Konzepte aufeinander bezogen, umschrieben und gebraucht werden, erhalten sie eine Bedeutung und treten an der Oberfläche des Aussagensystems als "Begriffe" auf. Ebenso verhält es sich mit den Objekten. Denn erst dadurch, dass Sachverhalte nicht nur als Dinge verhandelt, sondern auch mit Wertungen verknüpft werden, in Klassifikationen untereinander relationiert und mit Begriffen verknüpft werden, erhalten sie einen Sinn und erhalten so im Diskurs den Wissensstatus von "Dingen", die Diskursgemeinschaften als vordiskursiv erleben, die aber gerade eines nicht sind: einfach gegeben und naiv erfahrbar. Was macht aber den Systemcharakter eines Diskurses aus? Die Aussagen eines Diskurses weisen als Zusammenhang ein Regelsystem auf, das die Formation der "Begriffe", der "Objekte", der Sprecherpositionen und thematischen Wahlen erreicht. Die diskursive Praxis ist damit eine die Wissensordnung generierende und in sich systematische Praxis. Zum anderen wird die weitere Aussagenproduktion durch den Systemkontext strukturiert: was überhaupt in einem Foucaultschen Diskurs sinnvoll gesagt werden kann, muss als Aussage die Klassifikationen und Beziehungen zwischen "Begriffen", "Objekten" implizit voraussetzen, diese aufgreifen, sich der akzeptablen Modi des Äußerns unterwerfen und muss sich im Denkraum der eröffneten thematischen Verknüpfungen, Denkperspektiven bewegen. Das Aussagensystem ist für die einzelne Aussage ein Ermöglichungszusammenhang, umgekehrt reproduziert der Strom der Aussagen die Regelhaftigkeit des Diskurses. Mit einer BOURDIEUschen Formulierung kann man sagen: die diskursive Praxis ist eine (durch das Regelsystem) strukturierte Praxis und eine (die Wissensordnung sowie das Regelsystem) strukturierende Praxis. Hier liegt eine strukturalistische Lesart der FOUCAULTschen Diskurstheorie vor. Dazu gehört auch die Einbeziehung der Tiefenstruktur des Diskurses, also die Berücksichtigung der auf tieferer Ebene den Diskurs integrierenden Semantiken. Diese Tiefenstruktur hat FOUCAULT in seiner Untersuchung "Die Ordnung der Dinge" Episteme genannt (FOUCAULT 1971). Epistemai waren in jeweils einer Epoche in der Lage, Diskurse zu integrieren, denn die Wissenschaften vom Sprechen (Linguistik), vom Leben (Biologie) und vom Tauschen (Ökonomie) wiesen in einer Epoche jeweils die gleiche Tiefenstruktur auf. Aber die FOUCAULTsche Diskurstheorie beinhaltet auch Theorieelemente, die die strukturalistische Sicht auf die diskursive Praxis öffnen. FOUCAULT ist daher sowohl als Strukturalist als auch als Poststrukturalist bezeichnet worden. Die Aussagen sind durch ihre Ereignishaftigkeit gekennzeichnet. Diskurse sind also nicht einfach "Diskursmaschinen", die nach einem formalen Schema Aussagen produzieren. Jede Aussage ist einmalig. Denn ein und dieselbe Aussage kann nicht einfach wiederholt werden. Selbst wenn eine Aussage wortwörtlich wiederholt würde, wäre sie doch nicht dieselbe Aussage wie beim ersten Mal. Der Informationswert wäre ein anderer, der Effekt der Aussage im Diskurs wäre ein anderer, die Situation hätte sich verändert etc. Diskurse haben zudem etwas Unberechenbares, da sie Aussagen hervorbringen können, die das Aussagensystem verändern, das heißt die das Regelsystem nachhaltig in Bewegung bringen können, so dass man von einem Bruch und sogar einer neuen diskursiven Formation sprechen kann. [14]

FOUCAULT hat auch die Beziehungen zwischen Diskursen, die interdiskursiven Beziehungen, schon eingeführt. Aber erst PÊCHEUX hat die Interdiskurstheorie so ausgearbeitet, dass sie die strukturalistische Perspektive methodologisch erweitert. Und PÊCHEUX hat neue diskurstheoretische Konzepte eingeführt, wie das Konzept des Interdiskurses und das (damit verwandte) Konzept der diskursiven Fäden, die bis heute Teil der diskurstheoretischen Agenda (insbesondere in der deutschen Rezeption) sind. Auch für PÊCHEUX ist ein Ausgangspunkt eine Kritik an SAUSSUREs Sprachkonzept. PÊCHEUX würdigt zwar die Innovation der SAUSSUREschen Theorie, aber sie geht ihm nicht weit genug. Die SAUSSUREsche Unterscheidung von langue (Sprachstruktur) und parole (Sprechakt) lasse übersehen, dass SAUSSURE (1) die Semantik nicht weiter verfolge und dass zudem (2) die individuelle Sprechtätigkeit als individuelle Freiheit des Sprechens erscheine. Tatsächlich sei das Sprechen aber durch die sozio-historische Materialität des Diskurses selbst strukturiert, nicht durch die langue.13) Die Diskursforschung von PÊCHEUX und Mitarbeitern widmet sich einmal der Ausarbeitung des Interdiskursmodells, zum anderen den methodischen Strategien seiner Analyse. PÊCHEUX geht von dem Ideologiekonzept ALTHUSSERs (1973) aus. Dessen MARX-Kritik hatte zu einer Betonung der Eigenständigkeit der ideologischen Sphäre geführt. Darüber hinaus betont ALTHUSSER die innere Widersprüchlichkeit der Ideologie (genauer der von ihm so bezeichneten ideologischen Staatsapparate) und die Möglichkeit für die Einnahme verschiedener Positionen in ihr, womit die Ideologie in neuer Weise als Sphäre sozialer Konflikte gedacht wird: die ideologische Sphäre und nicht materielle Ursachen liefern die Ausgangspunkte für Identitäten, Konflikte und Integration (Hegemonie). PÊCHEUX reinterpretiert ALTHUSSER mit FOUCAULT: er sieht mit dem ALTHUSSERschen Ideologiekonzept eine Möglichkeit, Ideologien als diskursive Formationen zu deuten, diese sozialstrukturell (und mit institutionellen Praktiken) zu verorten, sowie das Ideologische insgesamt (PÊCHEUX spricht vom "complex whole in dominance") als Interdiskurs zu bezeichnen, das den einzelnen diskursiven Formationen vorangeht und in diese hineinreicht. Das Hineinreichen erfolgt einmal in der Weise, dass in den einzelnen Diskursen Widersprüchlichkeiten angelegt sind, die diese in sich aber zu verbergen suchen. Zum anderen kursieren im Interdiskurs Semantiken, die in den einzelnen Diskursen als Präkonstruiertes auftauchen, dort aber semantisch bearbeitet werden (PÊCHEUX 1982). Ein erster und linguistisch aufwändiger Versuch, Interdiskursivität und die semantische Tiefenstruktur von Diskursen methodisch im Sinne einer "kontrollierten Archäologie" (PÊCHEUX) freizulegen, bestand in der Entwicklung eines Computeralgorithmus (der "Analyse automatique du discours" von 1969, kurz ADA69), der Textkorpora an verschiedenen Positionen im Interdiskurs so auf seine Netzwerkstruktur (von Aussagen und Beziehungen zwischen ihnen) hin rekonstruieren sollte, dass nicht nur das diskursive und vorbewusste Gerüst, sondern auch die unterschiedliche Bedeutung von Begriffen in Diskursen als Interdiskurseffekt deutlich werden sollten (PÊCHEUX 1988). Diese Analysestrategie setzt die Annahme der Kohärenz von Diskursen an den Anfang und sucht dann nach Spuren von Interdiskursivität. PÊCHEUX hat diese Vorgehensweise später aufgegeben, da der Zugang zur Analyse des Interdiskurses ihm so nicht möglich und die Annahme der Kohärenz in Diskursen ihm so zu stark schien. Stattdessen rückt die Analyse von Interdiskurseffekten an den Anfang: Aussagenserien ("diskursive Spuren") und Ereignisse werden daraufhin betrachtet, welche unterschiedlichen Diskurse sich hier kreuzen und an der Aussagenproduktion beteiligt sind. Diskursive Formationen werden dann in vorangehenden Interdiskursen als "paradoxe Maschinen" beschrieben (PÊCHEUX 1995, S.239). Allerdings konnte PÊCHEUX hier sein Interesse an der Entwicklung einer Methode für eine Interdiskursanalyse nicht parallel zu dieser Theorieverschiebung umsetzen. [15]

In Deutschland hat insbesondere Jürgen LINK die Arbeiten von PÊCHEUX aufgegriffen. Sein Interdiskurskonzept unterschiedet sich dahingehend vom dem PÊCHEUXs, dass LINK vorrangig untersucht, wie in Interdiskursen Elemente von Spezialdiskursen aus funktional differenzierten Bereichen mit Hilfe von Kollektivsymbolen popularisiert und so in den Interdiskurs aufgenommen werden.14) LINK hat die so genannte Kollektivsymbolanalyse als Form der Interdiskursanalyse weiterentwickelt. Kollektivsymbole transportieren und reorganisieren Wissenselemente aus Spezialdiskursen für den Interdiskurs. Beispiel: mit Hilfe des Kollektivsymbols "Motor" wird der ökonomische Diskurs im Interdiskurs organisiert (Wirtschaft "springt an", wird "angekurbelt", "stockt", muss "geschmiert" werden). Wichtig ist dabei, dass in einer Gesellschaft ein System von Kollektivsymbolen zur Verfügung steht, dessen sich Akteure auf unterschiedlichen Diskurspositionen bedienen müssen, um sich massenmedial wirksam zu artikulieren. Die Netzmetaphorik kann beispielsweise eingesetzt werden, um die Fragilität der sozialen Sicherungssysteme anzumahnen ("das soziale Netz hat Löcher") oder um das System sozialer Sicherung zu kritisieren ("das soziale Netz ist eine Hängematte für Faulenzer"). Beeinflusst durch die Rezeption der französischen Diskurstheorie durch LINK hat Siegfried JÄGER (2004) die Analyse von Diskurssträngen in die Diskursanalyse aufgenommen und dafür eine qualitative Methodologie vorgelegt. [16]

5. Diskursanalyse als reflektierte Rekonstruktion

Innerhalb der Soziologie kann man heute davon sprechen, dass eine Art "konstruktivistischer Konsens" besteht: die Mehrheit der soziologischen Ansätze (Sozialphänomenologie, Symbolischer Interaktionismus, Systemtheorie, Strukturalismus u.a.) betrachten das Soziale als "konstruiert". Tatsächlich wird der Begriff "Konstruktivismus" ein Allgemeinplatz, wenn eine konstruktivistische Theorieposition nicht in eine zugehörige Methodologie überführt wird, so dass nachgezeichnet werden kann, was wie konstruiert wird und damit gezeigt werden kann, dass es sich bei sozialen Phänomenen um Konstruktionen handelt, die auf konstruierende Praxisformen zurückzuführen sind. Hier ist das Ziel der Aufweis von Kontingenz (der Nichtnotwendigkeit der in der Empirie vorliegenden sozialen Konstruktion) und eine rückblickende Rekonstruktion der Prozesse, die zu dem kontingenten Zustand geführt haben. Eine nicht nur in der Diskursanalyse verwendete Strategie für die Erfahrung der Kontingenz ist die des Vergleichs von Wissensordnungen in einem sozialen Bereich über die Zeit, so dass erfahrbar wird, dass das Gegebene auch anders möglich wäre. Auch wenn man die wissenschaftliche Analyse ebenso als soziale Konstruktionen auffassen kann, darf diese sich in der Selbstwahrnehmung nicht als kontingent beurteilen, sondern muss ihre Befunde (ihre Rekonstruktion der sozialen Konstruktion) als eine aus der eigenen Theorieperspektive folgerichtig und valide entwickelte Konstruktion "zweiter Ordnung" anerkennen. [17]

Damit sind zwei Ebenen der Konstruktion unterschieden. Was begründet den Unterschied und die epistemologische Vorrangigkeit der zweiten Konstruktion gegenüber der ersten? Der BOURDIEUsche Strukturalismus begründet beispielsweise die Vorrangigkeit der wissenschaftlichen Konstruktion durch einen theoretisch-methodologischen (epistemologischen) Bruch mit dem Alltagsdenken (hier steht BACHELARD Pate).15) Zur ersten Konstruktion, der in der sozialen Realität stattfindet: BOURDIEU versucht hier eine Substantialisierung der Struktur zu vermeiden, indem er darauf verweist, dass es eine generative Praxis ist, genauer: die jeweils systematische und systematisch unterschiedliche Form des Habitus, die die soziale Struktur der Lebensstile hervorbringt. Diese Lebensstile und Habitusformen sind selber – so BOURDIEU – durch die Kapitalformen (ökonomisches, kulturelles, soziales Kapital) und die Kapitalzusammensetzung bedingt, also strukturiert. Das Relationensystem zwischen den Lebensstilen bildet die soziale Struktur. Zur zweiten Konstruktion: Diese erste Konstruktion (in der sozialen Wirklichkeit) wird nun durch eine methodologische Konstruktion abgebildet, d.h. in der Analyse methodisch rekonstruiert. Die methodologische Rekonstruktion des sozialen Raums zieht dieselben (durch die Theorie eingebrachten) Prinzipien heran, die die Gesellschaft strukturieren, nämlich die Kapitalformen (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) sowie die Kapitalstruktur (anteilige Zusammensetzung der Kapitalformen). Aber die methodische Rekonstruktion erstellt das im Alltag nicht sichtbare Relationensystem (mit Hilfe von Korrespondenzanalysen), so dass eine "Landkarte des Sozialen" entsteht, die den Akteuren so nicht sichtbar ist, die – so BOURDIEU – aber dennoch das Soziale als wirkmächtiges Relationensystem darstellt, welches das Handeln von Akteuren vorbewusst strukturiert. Der den wissenschaftlichen Blick begründende Bruch besteht in der Reflexion auf das Wie der Vorgehensweise. Denn die methodische Vorgehensweise muss einmal die Grundtheoreme berücksichtigen und erfassen, woraus denn das Soziale besteht, welche Kräfte das Soziale hervorbringen und strukturieren. Zum anderen muss diese Vorgehensweise sich bewusst sein, wie sie einen anderen Blick auf das Soziale ermöglicht, der den Alltagsakteuren selbst nicht möglich ist. Dies kann auf die Diskursanalyse übertragen werden. Auch hier liegen aus Sicht der Diskursforschung zwei Konstruktionen vor. Unterstellt wird: Diskurse sind systematische und konstruierende Praktiken in der sozialen Empirie. Die Diskursanalysen (als "Diskursanalysen über Diskurse") versuchen ebenso systematisch die Regelhaftigkeit der Diskurse zu beschreiben. Diese Beschreibung versucht eine strukturierte und unsichtbare Praxis "ans Tageslicht" zu bringen, wobei die Grundtheoreme (was Diskurse sind, wie sie wirken) eingehen und eine andere – nun soziologische – Sicht möglich werden soll. Diskursanalysen können damit als Rekonstruktionen strukturierter diskursiver Praxisformen verstanden werden. [18]

6. Schritte für die strukturale Analyse

Die folgende Schrittfolge für eine Diskursanalyse der Wissensstruktur ist stark an den Arbeiten FOUCAULTs und an der gerade skizzierten Lesart eines sich erweiternden Strukturalismus orientiert. Sie stellt eine (!) Möglichkeit des Vorgehens bei Diskursanalysen dar, nicht die einzige.16) Dabei steht zunächst eine Betonung der strukturalen Perspektive im Vordergrund: die anfängliche Unterstellung einer kohärenten diskursiven Praxis, die sich aus einem Korpus rekonstruieren lassen soll. Diese strukturale Sicht auf Diskurse kann dann erweitert werden um Aspekte der Veränderung von Diskursordnungen oder der Interdiskursivität. Dass die Diskursanalyse selber eine Praxisform ist, wird deutlich, wenn man ihr methodologisches Problem sieht: sie hat zunächst nur einen unsicheren Anfangspunkt, sie unterstellt, dass diskursive Praktiken vorliegen, aber sie kennt anfänglich die Gestalt dieser Regeln nicht und muss (abduktiv) aus dem Material auf die das Material hervorbringende Praxis schließen. Es liegt eine Art "Münchhausen-Problem" vor: wie der Lügenbaron, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf gezogen haben soll, versucht die Diskursanalyse aus dem Korpus zunächst provisorisch und thesenhaft Regelhaftigkeiten herauszuanalysieren und diese nach und nach zu korrigieren, anzupassen und zu systematisieren. [19]

(1) Theorieformierung

Für Diskursanalysen ist kennzeichnend, dass zunächst nicht das Interesse an Diskursen per se im Zentrum steht. Ausgangspunkte sind sozialwissenschaftliche Fragestellungen, bei denen sich herausstellt, dass die Entstehung von Institutionen, Denkweisen, Handlungsformen, institutionellen Umgangsformen, Gesetzen, sozialen Bewegungen, Identitäten und Konflikten sowie von anderen gut sichtbaren sozialen Phänomenen nur im Zusammenhang mit spezifischen diskursiven Praktiken zu verstehen ist. Diskursanalytische Fragestellungen versuchen zu rekonstruieren, wie der Ermöglichungszusammenhang von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken entstanden ist und oftmals auch warum er sich verändert. Diskursanalysen können aber auch (international oder über verschiedene Felder hinweg) vergleichend Wissensordnungen analysieren und ihre Unterschiedlichkeit soziologisch zu erklären versuchen. [20]

(2) Sondierungsphase

In der Sondierungsphase wird exploriert, wie das Untersuchungsfeld strukturiert ist, welche Institutionen, Akteure und Datenbestände vorliegen. Im Unterschied zur anschließenden Diskursanalyse dient die empirische Arbeit hier der Beschaffung von Informationen, die zur Feldsondierung dienen und von solchen Informationen, anhand derer die Korpuserstellung (anfangs noch provisorisch) begründet werden kann.17) [21]

(3) Provisorische Korpuserstellung, Formulierung heuristischer Fragen

Nun erfolgt die Zusammenstellung von solchen Materialien (Medientexte, Transkriptionen von Interviews etc.), von denen theoretisch gestützt behauptet werden kann, dass sich eine einheitliche Wissensordnung vorfinden und sich deshalb ein kohärentes Regelsystem rekonstruieren lässt. Vorbereitet werden kann die folgende Analyse durch die Entwicklung eines Systems von heuristischen Fragestellungen, die auf die Elemente der diskursiven Formation hinführen und den "analytischen Blick" sensibilisieren helfen sollen. [22]

(4) Oberflächenanalyse

Suche nach den im Sprachfluss auftretenden "Objekten", "Begriffen" und thematischen Wahlen / Strategien: Welche wiederkehrenden Thematisierungen, Problematisierungen finden sich? Wie treten Sprecher auf, was sind die Modalitäten der Argumentation? Dabei geben die heuristischen Fragestellungen ein theoretisches Raster für das Auffinden relevanter Textstellen vor. [23]

(5) Beginn der Rekonstruktion der diskursiven Beziehungen (Interpretative Analytik, 1. Teil)

Schluss auf erste Regeln der Aussagen: Was findet sich "regelmäßig" als Problematisierung als Kategorie, als Bewertung?18) Welche Verknüpfungen finden sich, welche Oppositionen werden ins Spiel gebracht? Identifizierung von Kohärenzen und Widersprüchlichkeiten. Rückbezug zu den Textstellen und Versuch einer rekursiven Prüfung an den Aussagen im Text (mit evtl. anschließender Verfeinerung/Korrektur). Klärung: Sind die gefundenen Elemente der diskursiven Formation ausreichend belegt? Ggfs. muss der Korpus erweitert werden. [24]

(6) Fertigstellung der Rekonstruktion (Interpretative Analytik, 2. Teil)

Weitere Vernetzung der Diskurselemente; Schluss auf die unterliegende Organisation der Oppositionen und Schemata: Welche impliziten Klassifikationsprinzipien lassen sich nach und nach erschließen? Lassen sich die gefundenen Oppositionen und Klassifikationen hierarchisch organisieren? Gibt es fundamentale Schemata? Anhand welcher fundamentalen Oppositionen sind die Elemente der diskursiven Formation angeordnet? Rekonstruktion der enthaltenen Tiefenstruktur (Episteme, System der Kollektivsymbole, der fundamentale Semantiken). Rücküberprüfung an den Ergebnissen der beiden vorherigen Schritte; evtl. Verfeinerung / Korrektur. Erneute Klärung: Ist die Regelhaftigkeit ausreichend hinsichtlich aller vier Bereiche rekonstruiert oder erscheint der Diskurs noch unvollständig abgebildet? Zur Sensibilisierung für die interpretative Analytik können Fragestellungen und Klärungen der methodologischen Haltung vorab erarbeitet werden (DIAZ-BONE 2003b). [25]

(7) Ergebnisaufbereitung und Rückbezug

Darstellung der herausgearbeiteten Wissensordnung. Bei vergleichender Vorgehensweise können nun die verschiedenen Wissensordnungen gegenüber gestellt werden. Interpretative Verknüpfung der gewonnenen Ergebnisse zur diskursiven Praxis mit nicht-diskursiven Praxisformen. Mit Bezug auf die Resultate der Theorieformierung und der Sondierungsphase kann nun der Rückbezug erfolgen. Was bedeuten die Befunde über die Diskursordnung und die Regeln der diskursiven Praxis für den Ermöglichungszusammenhang von diskursiven und nicht-diskursiven (institutionellen) Praktiken (Dispositivanalyse)? Wie stehen verschiedene Diskurse in Beziehung zueinander und wie ist das Verhältnis von Spezialdiskursen und Interdiskursen zu denken (Interdiskursanalyse)? [26]

7. Anwendungsbeispiel: Vergleich von Popmusikdiskursen

Spätestens mit FOUCAULTs (1977, 1986a, 1986b) mehrbändiger Untersuchung "Sexualität und Wahrheit" zur diskursiv vorgezeichneten Lebensführung in verschiedenen historischen Epochen ist klar, dass die Diskurstheorie einen neuen Zugang zu einem Hauptstrang der Soziologie eröffnet: zur Analyse der Lebensstile und damit der Sozialstruktur (als System der Lebensstile). Der diskurstheoretische Ansatz bringt nun das zentrale Postulat ein, dass die Sozialstruktur eine semantische Struktur sein kann, was anhand empirischer Untersuchungen demonstriert werden kann.19) Eine solches sowohl theoretisch als auch methodisch-empirisch motiviertes Projekt soll skizzenhaft vorgestellt werden, wobei die gerade eingeführte Schrittfolge aufgegriffen werden soll. Diese theoretische Perspektive sollte in einer vergleichenden Analyse von Popmusikdiskursen eingebracht werden. Das Untersuchungsinteresse war empirisch-systematisch aufzuzeigen, dass einmal die diskursiven Praktiken in zwei Popmusikwelten die Wissensordnung mit hervorbringen, dass diese beiden Popmusikwelten systematisch unterschiedliche Diskursivierungen aufweisen und dass eine für die Analyse einsichtige tiefere Ordnung in den Musikdiskursen enthalten sein würde. [27]

Ausgehend von den Lebensstilanalysen BOURDIEUs wurde (diskurstheoretisch) angefragt, wie er die innere Ordnung der Lebensstilentwürfe erklärt und wie die lebensstilbezogenen symbolischen Ressourcen, insbesondere die kulturellen Praktiken und kulturellen Objekte, die die kulturellen Genres ausmachen und anhand derer sich die Lebensstilgruppen systematisch voneinander unterscheiden, aus Sicht BOURDIEUs ihren lebensstilbezogenen Gehalt erhalten. [28]

(1) Theorieformierung: BOURDIEU unterscheidet zunächst zwei Räume: (a) einmal den sozialen Raum, der aus den Koordinaten gebildet wird, die die Gruppen nach ihrer Kapitalausstattung (i.e. Kapitalvolumen und Verhältnis der Kapitalsorten) einnehmen.20) (b) BOURDIEU führt dann den damit korrespondierenden Raum der Lebensstile ein: unterschiedliche Positionen im sozialen Raum führen zu unterschiedlichen Lebensstilen, so dass "über" dem sozialen Raum ein zweiter Raum mit systematisch unterschiedlichen Lebensstilen entsteht, in dem die sozialen Gruppen ihre Unterschiede vorbewusst zum Ausdruck bringen.21) Kritisch wurde eingewendet, dass BOURDIEUs Zweiraummodell die symbolische Ordnung und den für die Lebensstile bedeutsamen Sinngehalt von Kultur nicht ausreichend erklären kann. Als Grund für dieses Defizit wird bei BOURDIEU eine Rückführung der Lebensstile auf die materielle Lebensgrundlage ausgemacht, so dass auch BOURDIEUs Kulturanalyse letztlich materialistisch argumentiert und seine Semantiken auf die Kapitalstruktur des sozialen Raums verkürzt sind.22) Aus diesem Grund wurde eine diskurstheoretische Erweiterung vorgeschlagen: die kulturellen Genres entstehen maßgeblich in Kulturwelten, in denen Diskurse mit eigener (nicht auf Kapitalsorten reduzierbarer) Realität den lebensstilbezogenen Sinn von Kultur hervorbringen. Man kann daher von diskursiver Kulturproduktion in Kulturwelten sprechen. In Kulturwelten werden nicht nur die kulturellen "Objekte" diskursiv hervorgebracht, sondern auch kulturelle Wissenskonzepte ("Begriffe") und Problematisierungen, die folgende ästhetische Aspekte diskursivieren: wie die Kultur hergestellt werden soll, wie sie rezipiert werden soll und wie sie sinnstiftender Teil der Lebensführung werden kann. Diese diskursive Kulturproduktion findet in einem dritten Raum statt: dem vorangehenden Interdiskursraum, in dem Diskurse sich ausbilden, nach Kohärenz streben und sich gegeneinander absetzen (dies ist das Interdiskurskonzept von PÊCHEUX). Diese Diskurse beinhalten eine Tiefenstruktur, die Sozio-Episteme genannt werden kann. Die Rekonstruktion dieser Tiefenstruktur des jeweiligen kulturellen Wissens verspricht, eine sozialstrukturell prägende Semantik zu Tage zu fördern. Unternimmt man diese Rekonstruktion für viele Kulturwelten, so erhält man nach und nach eine Kartografie des Interdiskursraums, die eine Kartografie der sozialen Semantiken insgesamt ist. Diese Sozio-Episteme tritt in den Kulturwelten als Grundstruktur der diskursiv verfassten Ästhetik oder (mit WILLIAMS 1977 oder GOLDMANN 1984) als diskursive Gefühlsstruktur einer Lebensstilgruppe hervor. Die Freilegung (Archäologie) der Sozio-Episteme kann als "Erklärung" für die identitätsstiftende Wertigkeit der kulturellen Genres für die Lebensstilgruppen angesehen werden. [29]

(2) Sondierungsphase: Nun wurde nach vergleichbaren und beispielhaften Kulturwelten gesucht, in denen sich kohärente Diskurse finden lassen würden. Populäre Musikformen schienen geeignet zu sein, da hier Musik so nach Genres und Subgenres unterdifferenziert ist, dass erwartet werden konnte, dass sich unterschiedliche Diskursordnungen als Spezialdiskurse im massenmedialen Interdiskurs herausgebildet hatten. Die Musikwelten von Techno und Heavy Metal wurden ausgewählt, da sie zu den einflussreichsten Genres der 1990er Jahre gehörten, beide eine starke Distinktionskraft hatten und belegt werden konnte, dass die Hörerschaften sich sozialstrukturell in verschiedenen Regionen der Mitte (also den sozialen Milieus in der Mitte des sozialen Raums; vgl. VESTER, OERTZEN & GEILING 2001) verorten ließen. Diana CRANE (1992) hat ein Modell der Mediendifferenzierung vorgeschlagen, das sich auf die Differenzierung zwischen Spezialdiskursen von Kulturwelten (z.B. Special Interest-Zeitschriften) und Interdiskursordnungen des Medien-Mainstreams (z.B. nationale Zeitungen, die populären Formate der Fernsehsender) beziehen lässt. Etwas vereinfachend kann man sagen, dass die Medienperipherie die kulturweltlichen Medienforen beinhaltet, während das Medienzentrum (im Sinne LINKs; vgl. LINK 2003) die Sphäre der Interdiskurse ist. Als kulturweltliche Medienforen für die populären Musikwelten wurden spezielle Musikzeitschriften als "Zentralorgane" der diskursiven Distinktion ausgemacht, hier wurde mit den Redaktionen eine bedeutende Sprecherposition ausgemacht, anhand von Texten war der Diskurs über "Musik" gezwungen sich niederzuschlagen, waren alle Thematisierungen, Problematisierungen, Strategien der Musikwelten textlich dokumentiert. Es wurden Daten gesammelt, welche Zeitschriften in den beiden Kulturwelten vorhanden waren, was jeweils ihre Auflagen waren, und es wurde in Gesprächen mit Vertretern aus beiden Musikwelten und anhand vorgängiger Forschungen geprüft, welchen Status die Medien in der Technowelt und der Metalwelt inne haben.23) [30]

(3) Provisorische Korpuserstellung: Für die beiden Korpora wurden die redaktionellen Beiträge der Zeitschriften RAVELINE und METAL HAMMER der ersten Jahreshälfte 1999 herangezogen.24) Um die analytische Sensibilität zu erhöhen und die Aufmerksamkeit kontinuierlich beizubehalten, wurde ein Set heuristischer Fragestellungen entwickelt, die auch die Funktion hatten, die konsequente Anwendung der Theoriebasis auf den Korpus zu unterstützen. Darunter waren Fragen wie: Welche Qualitäten werden thematisiert als verantwortlich für die Entstehung der Qualität von "Musik"? Worin besteht die Leistung der Produzenten? Wie werden Arbeitsbedingungen und das Arbeitsethos dargestellt? Welche Dimensionen treten für die Klassifikation der Musik hervor? Welche Adjektive, Metaphern, Symbole werden verwendet? Was gilt als musikalisches Werk? Woraus besteht es, welche Bedeutung hat es? Was sind Kriterien für gute und schlechte Musik? Wer kann sich legitim äußern? Was befähigt ihn dazu? Wie soll die Musik aufgeführt und vertrieben werden? Wie soll das musikalische Werk erlebt werden? Wie soll das Publikum mit den musikalischen Werken umgehen und sich verhalten? Für wen ist die Musik gedacht? [31]

(4) Oberflächenanalyse: Hier wurde zunächst der Textkorpus der Zeitschrift METAL HAMMER mehrfach durchgesehen und nach und nach festgehalten, welche Aspekte ("Begriffe", "Objekte", "Sprechermodalitäten", "Thematischen Wahlen/Strategien") auftraten. Anschließend wurden für den Textkorpus der Zeitschrift RAVELINE diese (rekursive) Durchsicht absolviert. Dabei wurde darauf geachtet, dass die ersten Befunde für den Metaldiskurs nicht einfach als Analysekategorien für die Auswertung des Technodiskurses übertragen wurden auf die Analyse des Technodiskurses, sondern die beiderseitigen Besonderheiten zur Geltung kamen. [32]

(5 und 6) Interpretative Analytik: Die Resultate der interpretativen Analytik zeigen, dass die Musik in beiden Musikwelten völlig unterschiedlich diskursiv konstruiert und mit anderen Themen verknüpft wird. Vergegenwärtig man sich, dass heutzutage im Grunde jede Musik (nicht nur Techno) rein elektronisch hergestellt werden kann, dass die Elektronik und die digitale Nachbereitung auch in Musikgenres wie Heavy Metal längst Einzug gehalten hat, viele Metalsubgenres dem Sound von angrenzenden Technosubgenres nicht unähnlich sind, so wird schnell deutlich, dass die nicht-diskursive "Realität" keine Erklärungsgrundlage bietet für die diametral kontroversen Diskurse. Erst die Diskurse machen aus der "Musik" eine sozial relevante Sinnsphäre, die ohne diskursive Praktiken semantisch offen, also unbestimmt bliebe. Insgesamt lässt die Metalwelt eine handwerkliche Diskurslogik erkennen, in der die Erarbeitung und die handwerkliche Qualität der Musik das Arbeitsethos der Musiker ausmacht. Sich schrittweise steigern (wie die Stufen der handwerklichen Ausbildung: Lehrling -> Geselle -> Meister), intensiv proben, hart seinen eigenen Erfolg erarbeiten und so rechtfertigen, die eigenen Stücke selber und arbeitsteilig herstellen (komponieren, aufnehmen und aufführen) können, auf der Bühne die Musik selbst auch so reproduzieren können, wie sie auf dem Album klingt, sind zentrale Elemente des Metaldiskurses. Die Band wird als die dauerhafte, identitätsstiftende Produktionseinheit gedacht, die letztlich verantwortlich ist für die Integration verschiedener Musiker und die Kontinuität ihrer Produkte. Der Technodiskurs hat eine Nähe zum Berufsethos von Selbstständigen und Freiberuflern. Hier zählt das Grenzgängertum (Transfergewinne erzielen) und das Samplen von Stücken anderer, die man eben nicht selber komponiert hat. Das Arbeitethos integriert Spaß und Professionalität, die künstlerische Identität speist sich diskursiv aus dem Netzwerk verschiedener Projekte und ist nicht eingeengt durch die Erwartung einer kontinuierlichen Entwicklung und Steigerung. Technomusiker sind im engeren Sinne Allrounder, Programmierer und Mixer; das dominierende Selbstkonzept ist dasjenige von Künstler-Unternehmern. [33]

(7) Ergebnisaufbereitung und Rückbezug: Verdichtet man die aufgefundenen Diskurselemente und schließt auf die Tiefenstruktur der beiden Diskursordnung, kann man anhand von Aspekten, wie sie ausschnittsweise in der folgenden Tabelle dargestellt sind, eine vergleichende Gegenüberstellung durchführen.

Repräsentation

Heavy Metal

Techno

fundamentale Semantiken

Entwicklungs- und Qualitätssemantik; Beständigkeits- und Integritätssemantik; Umsetzung und handwerkliches Können

Erfolgs- und Verwirklichungssemantik; Individualitäts- und Vernetzungssemantik

sich widersprechende Orientierungen

Traditionalismus versus Entwicklung; Erfolg versus Authentizität

Hedonismus ("Spaß" / "Entspannung") versus Erfolgsorientierung (Erfolgs- und Leistungsdenken); Massenappeal versus Authentizität

Künstler- und Autorkonzept

Band als "beseelte" Einheit, dauerhafte, solidarische Kooperationsform mit arbeitsteiliger Binnendifferenzierung, die über verschiedene Produktionsphasen ihre künstlerische Aussage umsetzt und über die Serie der Produktionen ihr künstlerisches Potential entwickelt.

Künstler-Unternehmer als aktiver "Netzwerkknoten" mit multiplen Rollen in unterschiedlichen, nicht notwendig auf Dauer angelegten Kooperationen. Der DJ/Produzent ist künstlerischer Bastler, Improvisator und Stifter; der "Autoreffekt" tritt im Netzwerk hervor durch Bezugnahme auf andere, deren Samples eingearbeitet werden oder deren Stücke geremixt werden.

Arbeitsethos

Selber (handwerklich) herstellen und Produktqualität kontrollieren können; Nähe zum berufsständischen Ethos von Handwerkern, Facharbeitern und Technikern, starke wertrationale Orientierung (Produkte sollen hochwertig sein); Arbeitsrhythmus kann als mechanischer Trott erscheinen; Vertrauen in die eigene handwerkliche Kompetenz und Erfahrung.

Selber organisieren und flexibel ausführen können; Nähe zum berufsständischen Ethos von Selbstständigen und freien Berufen; starke zweckrationale Orientierung (Produkte sollen "funktionieren"); Arbeitsrhythmus ist selbstbestimmt; starkes Vertrauen in die eigene Fähigkeit zu gestalten sowie in die eigene Kreativität; Bestreben, bestehende Möglichkeiten zu erweitern (Herstellen von Beziehungen, Anbahnen von Projekten) und Verwertungsmöglichkeiten in anderen Bereichen zu erschließen.

Werkkonzept

Serie der Alben, die eine Einheit bilden und die anhand der Gewichtung der Werkphasen im Konzert durch die Band und durch die Rezension sowie den Konzertbericht aktualisiert und gedeutet wird.

Vielzahl der realisierten und geplanten Projekte eines DJ/Produzenten in verschiedenen Feldern (Maxis und Alben, Videos, Mode, Werbeaufträge u.a.).

angemessene Hervorbringungsweise der Musik

Umsetzung über die Stationen Band -> Studio -> Veröffentlichung -> Konzert; Ausgangspunkt ist die Komposition von eigenen Stücken, die durch ein Albumkonzept thematisch integriert sein können.

Studioproduktion von Originalen oder Remixen am (eigenen) Musikcomputer ("Wohnzimmerstudio") oder im Rahmen einer DJ-Performance; Verwendung von "Vorprodukten" anderer (Samples).

angemessene Rezeptionsform

informierte (Werkkenntnis) und aufmerksame, körperlich aktive Teilnahme am Konzertgeschehen, wobei der Bühnenaktivität der Musiker die Aufmerksamkeit gilt.

Musik wird als funktional für kollektive (und auch individuelle) Erlebnisformen (Tanzbarkeit, Entspannung) beurteilt.

Tabelle 1: Tiefenstruktur und Diskurselemente der beiden Diskursordnungen [34]

Was bedeuten nun diese Ergebnisse diskursanalytisch? Es hat sich damit gezeigt, dass eine verstehbare Tiefenstruktur tatsächlich in den kulturweltlichen Diskursen vorhanden ist und dass im synchronen Vergleich diese systematisch unterschiedlich sind. Weiter wurde rekonstruiert, dass die Tiefenstruktur interpretierbar ist als ein Ethos, also als eine diskursiv repräsentierte Gefühlsstruktur, von der erst angenommen werden kann, dass sie der faktischen Lebensführung einen vollständigen Sinngehalt und eine komplette innere semantische Organisation zur Verfügung stellen kann. Damit ist der Weg aufgezeigt, wie eine Diskursanalyse solcher Sozio-Epistemai einen neuen empirischen Zugang zur Analyse der – nun semantisch gedachten – Sozialstruktur eröffnen kann.25) [35]

8. Öffnung der strukturalistischen Diskursanalyse

Die erste Analyseabsicht war, aufzuzeigen, dass es eine Tiefenstruktur in kulturellen Diskursen gibt und dass diese sich auf eine intelligible Weise unterscheiden. Von hier aus ist – der oben skizzierten Theoriebewegung vom Strukturalismus zum Poststrukturalismus folgend – eine (methodisch kontrollierte) "Öffnung" der strukturalen Perspektive möglich. Diese Analyserichtung wird hier vorgeschlagen, weil nun mit den zunächst provisorisch unterstellten Kohärenzen der kulturweltlichen Diskurse ein Bezugsrahmen vorliegt, der sowohl Veränderungen, Ereignisse oder Inkonsistenzen als solche erst wahrnehmbar macht. (Nämlich als Infragestellungen, Umarbeitungen, Verschiebungen solcher zunächst als weitgehend kohärent betrachteter Strukturen.) [36]

Die Strukturalität verschwindet nicht mit dem Öffnen des Strukturmodells. Strukturalität (also die Bezugnahme auf vorgängige Strukturen) ist die Bedingung für die Analyse des Ereignishaften, der Veränderung insgesamt: der Öffnung der Strukturen selber. Wer dagegen bei dem Ereignishaften oder der Veränderung beginnen möchte, ohne einen zunächst strukturalen Rahmen zu rekonstruieren, dem fehlt jeglicher Bezug, jegliche Struktur als analytischer Kontext. Hier sollen beispielhaft zwei mögliche Formen einer solchen Öffnung aus dem Anwendungsbeispiel angeführt werden. Einmal die Einbeziehung der Interdiskursivität und zum andern die Perspektive der Diskursveränderung. [37]

(1) Interdiskursivität: Im Rahmen der vergleichenden Untersuchung des Metaldiskurses und des Technodiskurses trat die Interdiskursivität in verschiedener Form auf. Die Diskursivierung der Interdiskursivität in den Kulturwelten erfolgte beispielsweise anhand der Problematisierung, wie die beiden Musikwelten selbst ihre Authentizität angesichts der Vereinnahmung durch das Medienzentrum wahren konnten. Zum anderen in der Form, wie das Präkonstruierte in den Spezialdiskursen aufgegriffen und umgearbeitet wurde. Beispielhaft dafür war die Diskursivierung von gemeinsamen Konzerten von Metalbands und Klassikorchestern. Aus der Sicht des (im Medienzentrum positionierten) Interdiskurses wurde das gemeinsame Auftreten als postmodernes Phänomen der Überwindung von Grenze zwischen Hochkultur (Klassik) und Popkultur (Heavy Metal) thematisiert. In der Innenansicht des Metaldiskurses wurde dieses Ereignis ganz anderes diskursiviert: hier war der Metalwelt begreiflich, dass eine Nähe zu Klassikmusikern vorlag, da diesen die handwerkliche Kompetenz zugeschrieben wurde, die darin bestand, ihre Instrumente meisterlich zu spielen. Aus der Sicht der Metalwelt wurde die "Klassik" nun umgearbeitet zu einer Handwerkermusik, die damit akzeptabel wurde. Es fand dagegen keine Entgrenzung des Heavy Metal statt, wie dies aus der Sicht des Medienzentrums wahrgenommen wurde. Die Rekonstruktion der Unterschiede in der Rahmung von Ereignissen (der Art "gemeinsames Konzerte von Metalbands und Klassikorchestern") und die kontrollierte Analyse der diskursiven Differenzeffekte ist aber nur möglich, nachdem verschiedene Diskurspositionen (Metalwelt und Interdiskurs) rekonstruiert wurden. [38]

(2) Diskursveränderung: Eine ganz andere Achse der Strukturöffnung wurde aufgezeigt anhand der Einbeziehung einer Theorie der Genredynamik. Obwohl in der beschriebenen Untersuchung ein synchroner Vergleich, kein diachroner Vergleich erfolgte, zeichnete sich auch empirisch die diachrone Perspektive ab, da innerhalb des Hauptgenres Heavy Metal Subgenres vorlagen, die daraufhin diskursiviert wurden, inwieweit eine Veränderung ihrer ästhetischen Formen als problematisch oder als unproblematisch zu bewerten sei.26) Es lag eine diskursive Bearbeitung der älteren Subgenres des Heavy Metal vor, deren Formen (Harmonien, Kompositionen, Stilelemente) über viele Jahre konstant geblieben waren, die nun deswegen aber nicht mehr als innovativ galten, obwohl sie das Genre Heavy Metal als Innovation gegenüber älteren Formen der Rockmusik gerade durch die Etablierung neuer Musikformen erst ermöglicht hatten. Die diskursive Umarbeitung erfolgte demnach in der Weise, dass diese Genres nun ihren Authentizitätsstatus nicht mehr durch ihre Innovativität, sondern gerade durch die im Diskurs vermeintlich wahrgenommene Konservierung ihrer musikalischen Formen erhielt, während andere Subgenres nun gegenüber diesen "konservativen Genres" den diskursrelativen Status von "innovativen Genres" erhielten. [39]

9. Grenzen der Metaphysikkritik

Einer radikal metaphysikkritischen poststrukturalistischen Position (wie der DERRIDAs) muss ein methodologischer Holismus, der eine Methodik vorlegt und als ein explizit metaphysisches Unternehmen auftritt, als inakzeptabel erscheinen. Diese methodologische Position zeichnet sich eben dadurch aus, dass eine Theorie eine Metaphysik (des Sozialen) einbringt, welche dann in die Methodologie und damit in die konkretesten methodischen Schritte einfließen soll. Aber kann eine poststrukturalistische Position auf jedwede Metaphysik verzichten? Hier wird argumentiert, dass dies nicht möglich ist. Belegen kann man dies, wenn man aufzeigt, was Poststrukturalisten nicht sehen, wenn sie selber analysieren. [40]

Die poststrukturalistische Praxis der Präsenzkritik wird als Dekonstruktion bezeichnet. Die Dekonstruktion ist eine kritische und interpretatorische Analyseform, einen Text, eine Praxis "von innen her" darauf hin zu lesen (LUHMANN würde sagen: zu beobachten), welche implizite Präsenz unterstellt wird, welche Metaphysik enthalten ist und den Text bzw. die Praxis somit als einen Sinn enthaltend erscheinen lässt. Bekannt geworden sind solche dekonstruktivistischen Interpretationen bereits als "symptomatische Lektüren" (etwa die Lektüre der Texte FREUDs durch LACAN oder die Lektüre der Texte von MARX durch ALTHUSSER). Diese haben ebenso versucht, ein in Theorien enthaltenes a priori, ein Grundproblem, das den Autoren selbst verborgen blieb, zutage zu fördern und zu zeigen, wie Autoren etwas in ihren Texten konstruierten, ohne es selbst zu bemerken. DERRIDA hat in dieser Weise viele Dekonstruktionen vorgelegt und dabei interessante neue Lesarten von klassischen Texten entwickelt (wie etwa bei der dekonstruktivistischen Lektüre der Texte von ROUSSEAU oder der Theorie von LÉVI-STRAUSS). Man wird aber schnell auf die Frage stoßen, wie eine Dekonstruktion vorgeht. Hier steht die Frage nach der Metaphysik der Methode der Dekonstruktion an.27) Das Argument ist hier nun: die Dekonstruktion (wie jede Form der strukturalistischen oder poststrukturalistischen Interpretation) ist selber eine im besten Falle kohärente Praxis. Einer solchen Praxis unterliegt implizit immer eine praktische Strategie des Vorgehens und eine Weise des Interpretierens, die man als Fremdbeobachter (methodisch) erkennen kann. Anders formuliert: werden Dekonstruktionen selbst einer Dekonstruktion unterzogen, dann erfolgt eine Rekonstruktion auf das Wie der Dekonstruktion. Ex post wäre es möglich, Prinzipien anzugeben, wie dekonstruiert wird, wie eine poststrukturalistische Analyse methodisch vorgegangen ist.28) Hier würde sichtbar werden, wie die Metaphysik in die Dekonstruktion einsickert. Worin besteht nun diese Metaphysik? Sie besteht in der Annahme einer widerständigen Offenheit des Sinns, der Annahme, dass man in der poststrukturalistischen Untersuchung auf ein Spiel des Sinns (auf Differenzialität und die Spur der différance) stoßen wird sowie dass es eine "Positivität" des Diskurses (FOUCAULT) bzw. der Schrift (DERRIDA) gibt. Der blinde Fleck dekonstruktiver Analyse ist die in der Analyse realisierte eigene a priori-Perspektive. Die Paradoxie der dekonstruktiven Absicht ist, dass sie selber eine Metaphysikkritik beabsichtigt und dabei eine eigene Metaphysik in ihrer Analysepraxis realisiert. [41]

Hier geht es dabei nicht um die Ablehnung einer dekonstruktiven Analyse, deren Fruchtbarkeit haben viele Untersuchungen (auch solche, die sich statt auf DERRIDA auf FOUCAULT oder andere beziehen) demonstriert. Es geht auch nicht um die scholastische Spielerei, die Dekonstruktion zu dekonstruieren oder einen unendlichen Regress nachzuweisen. Es geht hier um die Kritik der Weigerung, sich selbst methodologisch zu positionieren (die auch für FOUCAULT bekannt ist). Denn diese Weigerung verhindert das Zustandekommen einer sozialwissenschaftlichen Reflexion und bewirkt letztlich, dass eine so verstandene poststrukturalistische Analyse eben nur eine Lesart bleibt und keine akzeptable sozialwissenschaftliche Methode werden kann. [42]

Die Differenz einer reflektierten methodologischen poststrukturalistischen Position gegenüber einer radikalen Metaphysikkritik besteht in der Möglichkeit der Selbstkontrolle (der selbstbegründeten Differenz zwischen einer "Positivität" der unterstellten "Empirie" und eigener Analysepraxis) und darauf gründend: in der Möglichkeit der Selbstbeobachtung (dem sichtbar werden der Differenz und deren Theoretisierung). Diese Möglichkeit fehlt DERRIDAs Verständnis von Dekonstruktion und anderen radikal poststrukturalistischen Lesarten. Nur wer sich in der eigenen Analyse selbst beobachten kann, kann die Qualität seiner Praxisform feststellen und angeben, weil sichtbar wird, wie man die eigene Metaphysik in der Analyse realisiert und was eigene theoría (Theorie, Perspektive, aber auch: Ideologie) ist und was der Widerständigkeit des positiv Gegebenen zuzurechnen ist. Ex post angefragt: Die entscheidende Frage ist, ob man seine Prinzipien und "Metaphysik" kennt, ob man sie angeben kann, ob man sich in seiner Praxis selbst beobachten und letztere ggfs. verbessern und entwickeln kann. Dafür muss man sich aber sowohl theoretisch als auch methodologisch verorten. Eine solche Selbstbeobachtung kann auch ex post erfolgen im Sinne einer rekonstruktiven Methodologie (BOHNSACK 2003). [43]

Aus einer zu weit getriebenen Metaphysikkritik entsteht so eine naive Methodenskepsis. Diese ist der Grund von nicht methodischen Lesarten, die deshalb wenig systematisch sind, die Einzelereignisse oder Einzeltexte (bis hin zu Textausschnitten) heranziehen und die in der Regel – methodisch und interpretatorisch gesehen – Züge des Beliebigen an sich haben. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die Passung zwischen theoretischer Perspektive und konkreter Interpretation durch eine implizit kohärente Lesart zustande kommt. Die Methodenskepsis führt praktisch zu verschiedensten Problemlagen in der angewandten Forschung. Einige typische problematische Momente bzw. Formen poststrukturalistischer Analyse (die auch zusammenkommen können) kann man benennen. [44]

(1) Viele solcher "Analysen" sind lediglich Formen der Diskurskommentierung (Diskursanalysen als Diskurse über Diskurse, aber nun ohne Angabe und Entwicklung einer die Lesart distanzierenden und so kontrollierenden Methodologie). Der kritische Hinweis auf die von FOUCAULT bereits eingeführte Diskurskategorie des "Kommentars" zeigt schnell, dass eine solche Diskurskommentierung eine Projektion des eigenen Blicks ist, dass sie die "Gefährlichkeit" des empirischen Materials zu bändigen sucht, indem sie versichert, was die eigentliche Lesart (der Sinn also) sein soll (FOUCAULT 1991).29) Diskurskommentierungen und -repräsentationen sind faktisch mehr als Wiederholungen oder gar nur Darstellungen: sie haben als praktische Forschungen ihren konstruktiven Anteil am "präsentierten Material", der hierbei aber übersehen wird.30) [45]

(2) Verbreitet sind Analysen, die "Ereignisse" zum Gegenstand machen und von diesen aus das Gesellschaftliche kontextualisierend zu entwickeln versuchen. Wenn diese Analysen dieses ohne systematische Rekonstruktion und systematische Konstruktion von Kontexten durchführen, dann entstehen zwei Probleme: einmal die Frage der Auswahl (der Identifikation) des Ereignisses (als Ereignis) und zum anderen das Problem, wie nun auch der Kontext systematisch herangezogen (also methodisch konstruiert) werden kann. Wenn zunächst kein strukturaler Zugang gewählt wird, ist die Frage virulent, was denn überhaupt der Kontext ist. Fehlt die Reflexion darauf, dann ist die Folge das Grassieren von Ad hoc-Kontextualisierungen. Solche "Kontexte" sollen einmal das Ereignis rahmen (und so für die Analyse verständlich machen), sie sollen aber auch in dem Ereignis "enthalten" sein, dort ihre Spuren hinterlassen haben. Hier wird dagegen die Position vertreten, dass ein solch astrukturales Vorgehen den Status von Ereignissen weder klären noch deren Beispielhaftigkeit für "das Ganze" (das Soziale etc.) rekonstruieren kann. [46]

(3) Es liegt noch ein typisches Problem auf der Ebene des Methodeneinsatzes vor. Gerade bei poststrukturalistischen Analysen im Bereich der Sozialforschung findet sich immer wieder ein methodischer Eklektizismus (die methodologisch nicht reflektierte Kombination verschiedener Methoden und Vorgehensweise).31) Dabei wird gehofft, dass durch die Kombination verschiedener Methoden "die Sache" von verschiedenen Seiten zu beleuchten und zu erfassen sei. Auf diese Weise würden verschiedene Sichtweisen, verschiedene empirische Aspekte einbezogen und nicht übersehen. Was dabei fehlt ist die Frage, wie einmal die Herstellung von Daten durch Methoden unterschiedlicher theoretischer Provenienz auch unterschiedlich erfolgt. Anstatt die Einheitlichkeit (Holismus), also die Passung von vorangehender Theorie und verwendeten Methoden / Strategien herzustellen, wird dieser Holismus auf diese Weise aufgegeben. Dass es viele Möglichkeiten für die Entwicklung einer Methodologie bei gegebenem Theorieansatz gibt, heißt ja nicht, dass es beliebig ist, wie man forscht und wie man seine Techniken zusammenstellt. Auch wenn es verschiedene Methoden und Techniken geben kann, die zum Einsatz kommen, es kann praktisch immer nur eine Methodologie im Sinne einer Logik der eigenen praktizierten Forschung geben. Genau diese Problematik des "Methodenmixes" ist in der qualitativen Sozialforschung unter dem Stichwort "Triangulation" aufgegriffen worden. Hier sieht man zunehmend, wie problematisch es ist, wenn man versucht in einer Untersuchung verschiedene Blickwinkel durch den Einsatz von Forschungstechniken unterschiedlicher Herkunft einzunehmen. Denn den Techniken unterliegen verschiedene theoretische Grundlagen (FLICK 2000). Die Abhängigkeit der "Empirie" von dem theoretischen Blick wird dabei vergessen. [47]

Von hier aus ist es nicht mehr weit, dass die Analyse in einen naiven Empirismus oder in eine subjektivistische Begründung (Stichwort: Involviertheit oder Betroffenheit als Kriterium) für Methodenauswahl, Ereignisauswahl oder Interpretation zurückfällt. Wenn dies eintritt, ist eine so verstandene "poststrukturalistische" Analyse nicht mehr eine Radikalisierung und Erweiterung der strukturalen Perspektive, sie ist möglicherweise einfach unwissenschaftlich, sie ist aber eines sicherlich: vorstrukturalistisch. [48]

Anmerkungen

1) Eine gekürzte Fassung dieses Beitrages ist erschienen in der Zeitschrift kultuRRevolution, 49 (2005), 75-85. <zurück>

2) Als wichtigste Gruppen seien hier genannt: die Gruppe um Jürgen LINK (Diskurswerkstatt Bochum, LINK ist auch Herausgeber der Zeitschrift kultuRRevolution, die seit über 20 Jahren immer wieder wichtige diskurstheoretische Arbeiten publiziert), der Arbeitskreis Diskursanalyse (München/Augsburg), das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung DISS um Siegfried JÄGER (welches das DISS-Journal herausgibt), die Gruppe um Hannelore BUBLITZ (Paderborn). Das (insbesondere deutschsprachige) Feld der FOUCAULTschen Diskursanalyse ist dokumentiert mit den Beiträgen in den beiden Handbüchern der Münchener Autorengruppe: KELLER et al. (Hrsg.) (2001), KELLER et al. (Hrsg.) (2003). Einen Überblick und Einstieg in die Diskursanalyse bietet KELLER (2004). Einen Abriss der neueren Literatur und der Entwicklung des Feldes findet sich in DIAZ-BONE (2003a). <zurück>

3) Siehe für die Darstellung der Arbeiten von Michel PÊCHEUX und den Verschiebungen die Beiträge in HAK und HELSLOOT (1995). Außerdem: MALDIDIER (1999). Weitere Darstellungen zur Bedeutung der Arbeit von PÊCHEUX in Frankreich finden sich in DIAZ-BONE (2002a, 2003a) sowie GUILHAUMOU (2003) und WILLIAMS (1999). <zurück>

4) Dass die Empirie "hergestellt" wird, zeigen auch die Untersuchungen des "Laborkonstruktivismus" (KNORR-CETINA 1984, LATOUR 1987), in denen Naturwissenschaftler in Laboren soziologisch beobachtet wurden, wie diese faktisch und vorbewusst entscheiden, wie sich die Wirklichkeit jeweils zeigt. <zurück>

5) Eine beispielhafte gelungene Passung ist die von Symbolischem Interaktionismus (BLUMER 1986) und Grounded Theory (GLASER & STRAUSS 1998). <zurück>

6) Mit dem Erscheinen seiner Dissertation im Jahre 1949 beginnt der sozialwissenschaftliche Strukturalismus, nachdem der Strukturalismus in verschiedenen linguistischen Zirkeln und Kreisen (wie Prag, Kopenhagen) bereits als sprachwissenschaftliches Paradigma weiterentwickelt worden war (vgl. LÉVI-STRAUSS 1981; siehe insgesamt für eine Darstellung des Strukturalismus DOSSE 1997a und 1997b). <zurück>

7) Dazu zählen "Die Ordnung der Dinge" von FOUCAULT (1971), die "Schriften" von LACAN oder die "Strukturale Semantik" von Julien Algirdas GREIMAS; siehe insgesamt die beiden Bände von DOSSE (1997a; 1997b.). <zurück>

8) Die deutschen Ausgaben sind DERRIDA (1974), DERRIDA (1972) sowie DERRIDA (2003). <zurück>

9) Vgl. für die Destruktion des SAUSSUREschen Zeichenbegriffs auch DERRIDA (1974), Kap. 1. <zurück>

10) Manfred FRANK hat deshalb seiner Darstellung des Poststrukturalismus den Titel "Was ist Neostrukturalismus?" verwandt. Für diesen gilt: "[…] er schloß unmittelbar an den klassischen Strukturalismus […] an und bewahrte insofern einen inneren Zusammenhang mit ihm. Anders gesagt: der Neostrukturalismus ist nicht nur – wie es der Titel 'Poststrukturalismus' nahelegt – eine Denkrichtung die nach dem Strukturalismus ans Tageslicht trat; sie ist auch eine solche, die sich kritisch an den Strukturalismus anschließt und ohne diese Herkunft nicht verstanden werden kann." (FRANK 1983, S.31f; Herv. i. Orig.) <zurück>

11) Dabei ist bemerkenswert, dass die Vokabel "Poststrukturalismus" im US-amerikanischen Kontext entstanden ist, und der begründete Verdacht besteht, dass dort die Kontinuität des strukturalistischen Anliegens in Frankreich übersehen wurde; siehe ANGERMÜLLER (2001). Auch in der Darstellung von DOSSE (1997b, S.48) kann man die Herkunft dieser unglücklichen Bezeichnung als ein "amerikanisches Missverständnis" nachlesen. <zurück>

12) DREYFUSS und RABINOW (1987) haben in ihrer Darstellung der FOUCAULTschen Theorie die FOUCAULTschen Aussagen als "seriöse Sprechakte" beschrieben, um die besondere Art der Sprechakte, die FOUCAULT damit gemeint hat, von anderen Sprechakten zu unterscheiden. <zurück>

13) Siehe für diese früh formulierte Kritik PÊCHEUX (1969). <zurück>

14) Insofern betrachtet die Interdiskursanalyse bei LINK eher einer "horizontale" Perspektive: dabei wird der Interdiskurs als die vermittelnde Sphäre zwischen Spezialdiskursen angesehen. Diese massenmedial und durch Kollektivsymbole organisierte Sphäre des Interdiskurses steht dann bei LINK im Vordergrund der Betrachtung (siehe dafür LINK 2003). PÊCHEUX hat dagegen eher eine "vertikale" Perspektive bzw. eine Diskurs-Umwelt-Perspektive verfolgt. PÊCHEUX betont die Möglichkeit für Widerständigkeit aufgrund der Widersprüchlichkeit in Interdiskursen. Er betrachtet den Interdiskurs eher als eine (im systemtheoretischen Sinne) Umwelt für einzelne Diskurse, die sowohl konstitutiv für einzelne Diskurse ist, weil Diskurse sich als Zonen höherer Kohärenz im Interdiskurs absetzten, gleichzeitig im Diskurs für Irritation und Unruhe sorgt, da sich die Interdiskursivität im Diskurs als Widersprüchlichkeit bemerkbar macht. Bei PÊCHEUX steht damit eher die Betrachtung von Diskursen in Interdiskursen im Zentrum (LINK 2003, S.23, Anm. 7). <zurück>

15) Für eine ausführlichere Darstellung der BOURDIEUschen Epistemologie und den darin durchgeführten doppelten Bruch mit der objektivistischen und subjektivistischen Soziologie siehe BOURDIEU (1987), BOURDIEU (1996) und DIAZ-BONE (2002a, Kap. 1). <zurück>

16) Zwischen den Schritten 2 bis 6 können Rekursionen erfolgen. Als Unterstützung für die Handhabung größerer Korpora, für die Dokumentation der Schritte und die Organisation der prozessbegleitenden Reflexion hat sich der Einsatz einer qualitativen Datenanalysesoftware (QDAS) bewährt (vgl. DIAZ-BONE & SCHNEIDER 2003). <zurück>

17) KELLER (2004) hat diese Phase in seiner Darstellung anschaulich herausgearbeitet. <zurück>

18) Dabei ist hier der Begriff "regelmäßig" nicht gleichzusetzen mit "häufig" oder "typisch". Im Kontext der Diskursanalyse meint regelmäßig: "an sich die Spuren von Bildungsregeln aufweisend". Also meint hier regelmäßig im Wortsinn: "auf regelmäßige Weise hervorgebracht". Daher kann man von den Diskurselementen auf das Regelhafte schließen. <zurück>

19) Damit teilt die Diskurstheorie die LUHMANNsche Perspektive auf den Zusammenhang zwischen Gesellschaftsstruktur und Semantik (LUHMANN 1980). <zurück>

20) Dieser soziale Raum ist zweidimensional (und damit eigentlich eine Ebene). Die Vertikale stellt das Kapitalvolumen dar und die Horizontale die Kapitalstruktur, also das Verhältnis von ökonomischen und kulturellem Kapital. <zurück>

21) Der Mechanismus, der den einen Raum in den anderen "überführt" ist der des Habitus, worunter ein System inkorporiertes Schemata für Wahrnehmen, Denken und Handeln verstanden wird (vgl. BOURDIEU 1982, 1999). <zurück>

22) Dies ist eine grobe Skizze der diskurstheoretischen Kritik an BOURDIEUs Theorie. Siehe dazu und zu den folgenden Schritten ausführlicher DIAZ-BONE (2002a). <zurück>

23) Da zwei umfangreiche Korpora vorlagen und die Analyse dennoch systematisch und theoriegeleitet durchgeführt werden musste, wurde die qualitative Datenanalysesoftware ATLAS/ti für die diskursanalytische Auswertung eingesetzt (vgl. Diaz-Bone & Schneider 2003). <zurück>

24) Diese wurden eingescannt, es erwies sich aber, dass nicht alle Artikel aus der 2. Jahreshälfte ausgewertet werden mussten. <zurück>

25) Das bedeutet auch, dass solche Diskursordnungen Lebensstilen zeitlich vorangehend können. Damit kann die Diskursanalyse von Wissensordnungen auch die Potentiale sozialer Bewegungen abschätzen. Solche Bewegungen wie die Frauen- und Queerbewegung zeichnen sich ja gerade durch eine "generative Intelligenz" aus, die in dem diskursiven Entwerfen von möglichen Lebensstilen besteht und die nach Jürgen LINK kulturverändernde (kulturrevolutionäre) Effekte hat: "Im Kern einer solchen generativen Intelligenz läge die Einsicht, daß Diskurse und vor allem Interdiskurse als 'Kultur-Kerne' Subjektivitäten und As-Sociationstypen generieren und daß also die empirischen Subjektivitäten in solchen Interdiskursen wurzeln und die Sehnsucht der Individuen nach Verwandlung ihrer Subjektivität wie ihrer As-Sociation vor allem an die Kulturrevolution, d.h. den Umsturz oder Umbau der Interdiskurse, verwiesen ist." (LINK 2003, S.23) <zurück>

26) Für einen Entwurf einer diskurstheoretischen Erfassung von Genredynamik siehe DIAZ-BONE (2002a, Kap. 4). Ein anschauliches Beispiel der diskursiven Umbewertung kultureller Genres und der damit sich offen zeigenden Diskursveränderung gibt LEVINE (1988). Hier zeigt LEVINE, wie sich die Diskursivierung der Schriften SHAKESPEAREs von derjenigen einer Populärkultur zu Anfang des 19. Jahrhunderts zur Diskursivierung einer "Hochkultur" Ende des 19. Jahrhunderts verschiebt. <zurück>

27) So beurteilt RANCIÉRE (im Gespräch mit DOSSE 1997b, S.34) die Dekonstruktion durch Derrida: "Im Grunde ist er ein Professor, der die Lektüre philosophischer Texte tiefgreifend erneuert hat, der aber seinen Interpretationen hinterherläuft. Sein Bemühen eine Praxis zu begründen, hat etwas leicht Blindes. Seine Lektüren werfen die Frage auf, was sie stützt." <zurück>

28) Was DERRIDA so auch ankündigt, aber nicht ausarbeitet: "Die Dekonstruktion wird immer auf bestimmte Weise durch ihre eigene Arbeit vorangetrieben. […] Es müsste also möglich sein, die Regeln dieser heute so verbreiteten Arbeit zu formalisieren." (DERRIDA 1974, S.45) <zurück>

29) Man könnte mit FOUCAULT auch sagen: der Kommentar ist der Ersatzmechanismus für die fehlende "Kontrolle" des Materials; natürlich ist er kein äquivalenter Ersatz für methodologische Reflexion, weil die zentrale Aufgabe – Selbstbeobachtung der empirischen Analyse – nicht ermöglicht wird. <zurück>

30) In der Ethnologie ist eine solche Kritik an einer solchen vermeintlich einfachen Darstellung in den letzten Jahren unter der Überschrift "Krise der ethnographischen Repräsentation" aufgekommen (vgl. dazu BERG & FUCHS 1993). <zurück>

31) Siehe für eine solche Kritik an dem Methoden-Eklektizismus der (poststrukturalistisch gewendeten) Cultural Studies DIAZ-BONE (2002b). <zurück>

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Zum Autor

Rainer DIAZ-BONE, geb. 1966, Dr. phil., Dipl. Soz.-Wiss., 1991 bis 1996 Studium der Sozialwissenschaft (Schwerpunkt: angewandte Sozialforschung) an der Ruhr-Universität Bochum, von 1996 bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (Hochschule für Musik und Theater Hannover), seit 2002 Wiss. Assistent am Institut für Soziologie (FU Berlin) in der Abteilung Methodenlehre und Statistik. Forschungsschwerpunkte: angewandte Diskursanalyse, empirische Kultur- und Sozialstrukturanalyse, Methoden der empirischen Sozialforschung, Wissenschaftstheorie, sozialwissenschaftliche Statistik und Netzwerkanalyse. Rainer DIAZ-BONE hat in FQS bereits die Sammelbesprechung Entwicklungen im Feld der foucaultschen Diskusanalyse und den Artikel Milieumodelle und Milieuinstrumente in der Marktforschung veröffentlicht.

Kontakt:

Dr. Rainer Diaz-Bone

Institut für Soziologie
Freie Universität Berlin
Garystraße 55
D-14195 Berlin

Tel.: 030-838-57620

E-Mail: diazbone@zedat.fu-berlin.de
URL: http://www.rainer-diaz-bone.de/

Zitation

Diaz-Bone, Rainer (2005). Zur Methodologisierung der Foucaultschen Diskursanalyse [48 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 7(1), Art. 6, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs060168.

Revised 060307

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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