Volume 4, No. 1, Art. 21 – Januar 2003

Rezension:

Katja Koch

Norbert Dittmar (2002). Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien (Reihe Qualitative Sozialforschung – Band 10). Opladen: Leske + Budrich, 247 Seiten, ISBN 3-8100-2650-6, EUR 15,50

Zusammenfassung: Norbert DITTMAR gelingt es mit seinem Buch "Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien", ein Lehr- und Nachschlagewerk rund um das Thema Transkription zu erstellen, das kaum Fragen unbeantwortet lässt. DITTMAR erörtert sprachhistorische und phonologische Aspekte der Transkription, stellt die gängigsten Transkriptionssysteme systematisch und kritisch vor und gibt eine Reihe von praktischen Anleitungen zur Anfertigung eines Trankskripts. Obwohl das Buch zumeist aus der Perspektive eines Sprachwissenschaftlers verfasst ist, bietet es – trotz kleinerer sprachlicher Mängel – auch Sozialwissenschaftlern und anderen mit qualitativer Forschung Beschäftigten eine Reihe von Anregungen. Besonders empfehlenswert ist es für Studierende, die sich mit der Kulturtechnik der dauerhaften Verschriftlichung flüchtiger mündlicher Rede vertraut machen wollen.

Keywords: Transkription, Transkriptionssysteme, Methodologie, Anwendungsfelder der qualitativen Sozialforschung, Kommunikationswissenschaft

Inhaltsverzeichnis

1. Ein Buch, das aus der Reihe fällt

2. Unterhaltsame Annäherung an das Thema

3. Unterschiedliche Transkriptionssysteme im Vergleich

4. Ausblick auf die Zukunft

5. Empfehlenswert, trotz kleiner Mängel

Siehe auch Appendix 1 , FQS 4(2) und Appendix 2 , FQS 7(2)

Literatur

Zur Autorin

Zitation

 

1. Ein Buch, das aus der Reihe fällt

Das in der Reihe "Qualitative Sozialforschung" von BOHNSACK, LÜDERS und REICHERTZ erschienene Buch "Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien" von Norbert DITTMAR fällt im Vergleich zu den anderen in diesem Kontext veröffentlichten Büchern aus der Reihe. Zunächst einmal, weil auf dem Cover der ansonsten recht schlicht gehaltenen Reihe mittelalterliche Neumen abgebildet sind, die neugierig machen. Weiterhin, weil das Buch von DITTMAR mit 247 Seiten mehr als doppelt so dick ist, wie die anderen Publikationen dieser Reihe.1) Auch das Thema lässt aufhorchen, denn ein Lehr- und Nachschlagewerk zur Transkription ist bisher noch nicht erschienen und dürfte bei vielen qualitativ Forschenden Interesse hervorrufen. Die Fixierung lautsprachlicher Forschungsdaten stellt immerhin eine zentrale Tätigkeit im Forschungsprozess dar, ermöglicht sie doch erst die Grundlage für die Analyse der Untersuchungsergebnisse. Bisher, so zeigt es zumindest die eigene Erfahrung, schien die Praxis hierbei eher durch "praktisches Dilletieren" und weniger durch "systematisches Vorgehen" geprägt. Ich war also gespannt und meine Hoffnung – soviel sei vorweg genommen –, Antworten auf Fragen der Transkription zu erhalten, wurde nicht enttäuscht. [1]

Norbert DITTMAR, Professor für deutsche und allgemeine Sprachwissenschaft am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie an der FU Berlin, bezeichnet sein Buch als Leitfaden und dementsprechend breit ist es auch angelegt. In den acht Kapiteln des Buches führt er sehr umfassend in die Geschichte der Verschriftlichung mündlicher Rede ein, indem er z.B. auf die Anfänge der Schrift, auf kommunikative und phonetische Grundlagen von Sprache und auf populäre Systeme der Verschriftlichung eingeht. Zudem erhebt er den Anspruch, den Lesern das "Handwerk der Verschriftlichung mündlicher Rede" (S.9) zu lehren. Zu Selbststudienzwecken finden sich deswegen am Ende jedes Kapitels Aufgaben, die das Verständnis des Gelesenen kontrollieren, Problembewusstsein wecken sowie zu Reflexion anregen wollen und so zu einer aktiven Anwendung des Vorgestellten auffordern. Besonders interessant sind hier jene Aufgaben, die auf DITTMARs Homepage und auf dort bereitgestelltes Tonmaterial verweisen. Hilfreich für in Linguistik wenig bewanderte Leserinnen und Leser ist zudem das dem Buch beigefügte Glossar (S.241-247). Im Vergleich zu den bisher zu diesem Thema erschienenen Handbuchartikel von KOWAL und O'CONELL 2000 und den doch sehr knappen Ausführungen von FLICK (2002, S.252-254), HILDENBRAND (1999, S.31f) oder LAMNEK (1998, S.159-161) zeichnet sich das Buch von DITTMAR nicht nur durch eine umfassendere Darstellung und einen systematischeren Vergleich unterschiedlicher Transkriptionssysteme aus, sondern enthält daneben auch Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem Phänomen Sprache. Der Aufbau der einzelnen Kapitel ist dabei so gestaltet, dass jedes eine abgeschlossene Einheit bildet und der eilige Leser somit nicht 247 Seiten lesen muss, sondern sich die jeweils interessierenden Kapitel vornehmen kann. [2]

2. Unterhaltsame Annäherung an das Thema

In den ersten drei Kapiteln seines Buches nähert sich DITTMAR seinem eigentlichen Thema Transkription in durchaus kurzweiliger Weise an. Im einführenden Kapitel "Kulturtechniken der Verdauerung flüchtiger mündlicher Rede" verknüpft DITTMAR die Frage, warum wir Stimmen so gerne "schwarz auf weiß" sehen möchten mit der Beschreibung jener Kulturtechniken, die wir benutzen, um eben jene flüchtige mündliche Rede zu bewahren. Hierzu erklärt er unterschiedliche Schriftsysteme, gibt Hinweise zur stenografischen Methode, führt das Protokoll als ein Beispiel alltagsweltlicher "Transkription" gesprochener Sprache an und zeigt anhand literarischer Beispiele (Alfred DÖBLIN, Franz Xaver KROETZ) auf, wie sich durch die Einbindung "dialektaler" Färbungen Authentizität in der Sprache vermitteln lässt. [3]

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich DITTMAR mit dem Untersuchungsfeld der "sprechsprachlichen Kommunikation", da die Kenntnis über mündliche Kommunikationsprozesse eine wesentliche Voraussetzung des Transkribierens darstellt. Hier merkt der Autor an, dass Sprache auf die Kommunikation von Hörer und Sprecher angewiesen ist, die gemeinsam eine Bedeutung des Gesprochenen konstituieren. Dabei nehmen Sprecher und Hörer das Gesagte holistisch wahr und reagieren in spezifischer Weise auf das zuvor Gehörte. Im Prozess des Transkribierens, verstanden als Fixierung flüchtiger Worte, muss diese Interaktion mit berücksichtigt werden, indem der Transkribent die hierfür notwendige Hör- und Verständnisleistung erbringt. [4]

Im Weiteren geht DITTMAR auf das Modell der Konzeptionellen Mündlichkeit und der Eigenständigkeit der Sprechakte ein und betont dabei, dass die Grenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit durchaus fließend verlaufen. Anhand von Parametern, wie z.B. Öffentlichkeit, Emotionalität, Referenzbezug, Distanz (S.38f), lassen sich die fundamentalen Unterschiede zwischen "mündlich" und "schriftlich" beschreiben. Während in der mündlichen Situation eine direkte Verarbeitung des Gesagten durch den Hörer erfolgen muss, ermöglicht es die schriftliche Situation, sich einen komplexen Sachverhalt immer wieder anzueignen. Die Kunst der Transkription besteht deswegen darin, "die Unzulänglichkeiten der Alltagskommunikation durch gezielte Anwendung instrumentellen Rekonstruktionswissens auszugleichen" (S.43). Anhand eines – wie ich finde recht brauchbaren Modells – beschreibt und erklärt der Autor zudem die Eigenschaften mündlicher kommunikativer Praktiken in Abhängigkeit von vier Dimensionen. Die psycholinguistische Dimension "Denken und Sprechen", fragt danach, wie Gedanken in Sprache umgesetzt werden und materielle Gestalt erhalten. Mit "Grammatik" als Dimension des Kodes und des Systembezugs wird das formale Sprachsystem bezeichnet, das in der Sprachsituation zur Anwendung gelangt. "Sprechen und Diskurs" zielt als soziolinguistische Dimension auf die Verbindung von Form und Funktion von Äußerungen mit dem geographischen Umfeld, der sozialen Identität, dem Alter, dem Geschlecht und anderen sozialen Parametern. Eine diskurslinguistische Dimension schließlich, mit der Sprecherwechsel, Gesprächsmaximen, kommunikative Gattungen und die thematische Gestaltung fokussiert werden, benennt DITTMAR mit "Sprechen und sozialer Kontext". [5]

In Kapitel drei gibt DITTMAR einen Überblick über die Transkription als Dokumentationsgrundlage wissenschaftlicher Untersuchungen mündlicher Kommunikationsprozesse. Eine weitgehend dokumentarische Form der Transkription stellt dabei für ihn die notwendige Grundlage dar, um flüchtige kommunikative Austauschprozesse zum Zwecke wissenschaftlicher Analyse" festzuhalten. Nachdem DITTMAR einige Definitionen von Transkription diskutiert, kommt auch er zu der weithin üblichen pragmatischen Einschätzung, dass jede Transkription in einem spezifischen wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse steht und sich der gewählte Grad der Transkriptionsgenauigkeit deshalb vor allem an der Forschungsintention ausrichtet. Die wichtigste Aufgabe der Transkription besteht darin "mündliche Produktionen derart zu standardisieren", dass eine Analyse von Formen und Strukturen möglich wird. Sehr wichtig erscheint ihm dabei die prinzipielle Unteilbarkeit von Datenerhebung und Transkription im Forschungsprozess. "Die Erklärung komplexer Kommunikationsprozesse gewinnt in dem Maße an verstehender Tiefe, wie die Daten auswertenden ForscherInnen mit den Datenbeschaffern und -kodierern identisch sind" (S.58). Dieser sicherlich wünschenswerte Anspruch lässt sich meiner Einschätzung nach allerdings in Studien mit hoher Fallzahl nicht immer verwirklichen [6]

3. Unterschiedliche Transkriptionssysteme im Vergleich

Im vierten Kapitel stellt DITTMAR einige Formen der Verschriftlichung vor. Hierzu gehört u.a. die literarische Umschrift, die sich insbesondere durch die Verschriftlichung dialektal gefärbter Abweichungen von der Standardsprache auszeichnet. Anschließend erläutert er Transliteration und meint damit die Übersetzung authentischer Begriffe (z.B. Orts- und Eigenamen) von einer Sprache in eine andere. Weitaus ausführlicher behandelt DITTMAR die phonetischen Umschriften, wobei er jene der International Phonetic Association (IPA) mit der Heidelberger Pidgin-Deutsch-Lautschrift (PDL) vergleicht. Die einschlägigen phonetischen Transkriptionszeichen stellt DITTMAR dabei anhand von Tabellen vor, die mir jedoch für linguistisch nicht versierte Leserinnen und Leser wenig hilfreich erscheinen. [7]

Im fünften, zentralen Kapitel beschreibt DITTMAR schließlich, die in den Sozial- und Kommunikationswissenschaften gängigsten Transkriptionssysteme anhand spezifischer Kriterien. Dabei lässt er sich von der Maxime leiten, dass die Analyse von verbaler Interaktion das WAS von Äußerungen (Semantik) mit dem WIE (formale Organisation) und dem WARUM (Handlungscharakter) in Zusammenhang setzt und es deswegen notwendig sei, das Geäußerte so pragmatisch und authentisch wie möglich zu transkribieren. Dabei präsentiert der Autor die Transkriptionssysteme unter dem Aspekt der Beobachtungsadäquatheit, worunter er "die Formulierung eines differenzierten Inventars von Kategorien, das die wesentlichen kognitiven und konstitutiven Eigenschaften von Gesprächen und Diskursen abbildet" (S.82) versteht. Als Hilfestellung bei der Auswahl eines für die eigene Arbeit angemessenen Transkriptionssystems formuliert er (S.83-85) folgende sechs Maxime:

Zudem gibt er die Empfehlung, zunächst ein Basistranskript zu erstellen, das bei Bedarf verfeinert werden kann. [9]

In einem weiteren Unterkapitel arbeitet DITTMAR ein Kategorienraster zur Bestandsaufnahme von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Transkriptionssysteme heraus. Die Vergleichsdimensionen sind dabei

Anhand der theoretischen Grundlagen, Leitgedanken und Anwendungsformen diskutiert er dann ausführlicher sechs Transkriptionssysteme, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen. [11]

Ein Leitgedanke des unter Soziologen, Linguisten und Kommunikationswissenschaftlern weit verbreiteten Transkriptionsdesigns der formalen Konversationsanalyse (KA) besteht in dem Wunsch, die sequentielle Struktur von Redebeiträgen abzubilden. Hierbei wird vor allem den Übergängen von einem Redethema zum anderen, von einem Sprecher zu einem anderen besondere Bedeutung beigemessen. Da die verwendeten Zeichen an Alltagsvorstellungen anknüpfen und die Sprecherbeiträge räumlich nacheinander angeordnet werden, können diese Transkriptionen auch ohne fundierte linguistische Kenntnisse erstellt werden. [12]

Das Partiturdesign HIAT (HalbInterpretative ArbeitsTranskription) hingegen wird hauptsächlich von Linguisten, Pädagogen und Soziologen verwendet. Seine Besonderheit besteht darin, die Schreibweise nach dem Prinzip einer "Partitur" zu organisieren. Die Zeitverhältnisse des Miteinandersprechens bleiben so erhalten, da die Synchronizität des Sprechens auf einer Endloszeile durch räumliche Versetzung nach rechts angedeutet wird. [13]

Das Transkriptionsverfahren DIDA (DIskurs-DAtenbank), Anfang der 90er Jahre am Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache entwickelt, diente zunächst dem Zweck, die dort archivierten Korpora kommunikativer Gattungen in ein einheitliches Transkriptionssystem zu überführen. Auch DIDA verwendet Partituren und eignet sich besonders gut, um Mehrparteiengespräche aufzuzeichnen. [14]

Besonders hervorgehoben wird von DITTMAR die Diskurstranskription nach Du BOIS, da sie zwischen Basistranskript und Feintranskript unterscheidet. Dieses Verfahren ist für den Autor deswegen besonders valide, weil Diskurse mit Hilfe leicht erlern- und lesbarer Symbole eindeutig wiedergegeben werden können. Zudem sind die Kodierungsanleitungen sehr transparent und explizit gehalten, so dass mehrere Transkripenten zu gleichen Ergebnissen kommen. [15]

Das Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem (GAT) wurde von Linguisten entwickelt und benutzt, um bestehende Transkriptionsregeln zu vereinheitlichen. Es dient vor allem dazu, Alltagsgespräche und Exemplare kommunikativer Gattungen auf der Grundlage der pragmatischen Gesprächsforschung zu untersuchen. [16]

Das Multifunktionale Transkriptionssystem Codes for Human Analysis of Transcripts" (CHAT) letztlich wurde insbesondere für die Verschriftlichung des kindlichen Spracherwerbs entwickelt. Als länderübergreifendes linguistisches System kann es verbale, paraverbale und nonverbale Interaktion umfassend darstellen. [17]

Im abschließenden Resümee würdigt DITTMAR die vorgestellten Transkriptionssystem kritisch und betont, dass diese sich insbesondere an den Kriterien Reliabilität und Validität messen lassen müssen. Seiner Ansicht nach eignen sich die Transkriptionssysteme CHAT, GAT und das Verfahren der Diskurstranskription, besonders für klar umrissene Fragestellungen, die bereits am Beginn der Untersuchung festliegen und einen hohen Grad an expliziter Kodierung verlangen. DIDA und HIAT wiederum lassen sich besser bei Forschungsfragen einsetzen, die die Auswertungsziele noch offen lassen. Denn die Offenheit der Systeme lässt eine Hypothesengenerierung auch während des Forschungsprozesses zu. Die Stärken der Konversationsanalyse wiederum liegen bei der differenzierten Wiedergabe sequenzbildender Eigenschaften und der leichten Handhabbarkeit auch für Laien. [18]

4. Ausblick auf die Zukunft

Besonders interessant erscheinen die Kapitel 6 und 7, in denen DITTMAR auf zukünftige Entwicklungen der Transkription blickt. In Kapitel 6 beschäftigt er sich zunächst mit der Frage, wie und ob nonverbales Verhalten (wie Gesichtsausdruck, Blickkontakt, Körperbewegungen) transkribiert werden kann. Dabei benennt er wichtige Anforderungen für die Transkription nichtverbalen Verhaltens an denen sich die entsprechenden Transkriptionssysteme messen lassen sollten. So sollten diese Verfahren praktikabel, relevant, adäquat, neutral, flexibel und erweiterbar sein. Ausführlich dargestellt und an Beispielen belegt werden die Verfahren zur Transkription nichtverbalen Verhaltens aus HIAT, der Konversationsanalyse und GAT. Zudem verweist der Autor auf ein Verfahren zur Ikonisierung des nicht verbalen Verhaltens, bei dem statt wörtlicher Beschreibungen wie z.B. "hebt den Kopf" symbolische Zeichen verwendet werden. In einem weiteren Abschnitt stellt DITTMAR das aufwendige Verfahren vor, Bildsequenzen (z.B. aus Videomitschnitten) in ein Transkriptionssystem zu integrieren, indem jeder verbalen Äußerung eine nicht verbale Reaktion zugeordnet wird. DITTMAR merkt hier allerdings kritisch an, dass ein derart aufwendiges Verfahren nicht für jede Forschungsfrage geeignet sei. Zugleich macht er deutlich, dass insbesondere im Bereich der flächendeckenden Notationssysteme in Zukunft praktikablere Lösungen zu erwarten sein. Leider führt er diese Vermutung nicht näher aus. Zudem hätte er hier auf das vom IPN in Kiel entwickelte Programm Videograph verweisen können, das ermöglicht, digitalisierte Videos oder Audios abzuspielen und auszuwerten ("videographieren") sowie Transkriptionen des sprachlichen Inhalts anzufertigen. [19]

In Kapitel 7 schließlich geht DITTMAR näher auf die Möglichkeiten der Verwendung von Computern bei der Transkription von Tondaten ein und verweist darauf, dass digitale Aufnahmegeräte bereits jetzt den bisher üblichen Aufnahmen mittels Kassette weit überlegen seien. Von daher werden im folgenden Mp3 und wave als wichtigste Dateiformate für Tondokumente näher ausgeführt und vor dem Hintergrund der entsprechenden Analyseprogramme erörtert. Neben den digitalen Aufnahmeprogrammen beschäftigt sich der Autor in einem weiteren Unterkapitel mit den Optionen, die das Internet hinsichtlich der Transkription von Tondaten offeriert. Breiter ausgeführt werden hier das mit dem CHAT-System verknüpfte CHILDES-Projekt und die entsprechende Software CLAN. Für Transkriptionen nach dem Partitursystem erfolgt eine analoge Beschreibung von HIAT und des hiermit gekoppelten Programms SyncWRITER. Für eine stärker phonetisch orientierte Transkription empfiehlt DITTMAR das PRAAT-System. In seinem Ausblick, in dem er auf die Vorläufigkeit und das noch vorhandene Entwicklungspotential der computergestützten Transkriptionssysteme verweist, empfiehlt DITTMAR noch einen Blick in das System EXMARaLDA. Dieses System wurde im Kontext des DFG-Forschungsschwerpunktes Mehrsprachigkeit an der Universität Hamburg entwickelt und zielt darauf komfortable Lösungen für das Anfertigen von Transkriptionen am Rechner zur entwickeln. [20]

Im abschließenden 8. Kapitel tritt nochmals der Lehrbuchcharakter des Buches deutlich hervor. Hier finden sich praktische Hinweise für Studierende, die sich die "Kunst des Transkribierens" (S.221) aneignen möchten. DITTMAR gibt Tipps zur Auswahl eines Transkriptionssystems, klärt, welche Voraussetzungen notwendig sind, um eine valide Transkription zu erstellen und erteilt praktische Anleitungen zur Durchführung derselben. Abgerundet wird dieses Kapitel durch eine Reihe von Aufgaben, die gut geeignet sind, Anfänger Schritt für Schritt zur Transkription zu befähigen. [21]

5. Empfehlenswert, trotz kleiner Mängel

Leider wird der positive Gesamteindruck durch eine Reihe von Rechtschreibfehlern, wie z.B. "kommplexer" (S.58), "Kritiok" (S.64) oder Copmuter (S.230) getrübt. Das Buch wirkt auch deswegen "schludrig", weil der Autor häufig zwischen alter und neuer Rechtschreibung hin- und herspringt, unterschiedliche Aufzählungssystemen, z.B. (i) (ii) (iii) (S.173) oder (a) (b) (c) (S.165) parallel benutzt und des Öfteren zwischen der Ich- und Wirform wechselt. Hier hätte ich von einen Germanistikprofessor etwas mehr Aufmerksamkeit sowie Systematik und vom Verlag ein sorgfältigeres Lektorat erwartet. Einzelne Unterkapitel, die weitgehend aus Sätzen mit Spiegelstrichen bestanden (z.B. auf S.136), wirkten auf mich eigentümlich unfertig. Im zentralen Kapitel 5 hätte ich mir zudem eine einheitlichere Systematik der Überschriften gewünscht. Was unter "Forschungstradition" bei der Konversationsanalyse beschrieben wird, heißt im Fall von HIAT und DIDA "Forschungskontext", "Kontext der Forschung" in Bezug auf Diskurstranskription und GAT und fehlt bei CHAT völlig. Hier hätte DITTMAR den Lehrbuchcharakter des Werkes stärker betonen können, indem er bei der Beschreibung der Transkriptionssysteme die gleichen Überschriften verwendet und diese systematisch abarbeitet. [22]

Insgesamt kann ich das Buch von DITTMAR jedoch empfehlen, da es den Anspruch, ein Lehrbuch für interessierte Laien, Studenten und Forscher zu sein, durchaus erfüllt. Der Leser erfährt viel Neues rund um das Thema "Transkription", die Angaben sind ausführlich, informativ und interessant aufbereitet und die am Ende der Kapitel gestellten Aufgaben ermuntern zum Selbst- und Weiterstudium. [23]

Anmerkung

1) In FQS finden sich Rezensionen zu folgenden Publikationen aus der Reihe "Qualitative Sozialforschung": KELLE und KLUGE 1999 (rezensiert von KÖLBL 2000), BEHNKE und MEUSER 1999 (DÖRING 2001) sowie LOOS und SCHÄFFER 2001 (FIEDLER 2002). <zurück>

Literatur

Döring, Nicola (2001, September). Rezension zu: Cornelia Behnke und Michael Meuser (1999). Geschlechterforschung und qualitative Methoden [11 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 2(3), Art. 25. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/3-01/3-01review-doering2-d.htm.

Fiedler, Anja (2002, August). Kollektives kollektiv erfassen – das Gruppendiskussionsverfahren in der Diskussion. Rezensionsaufsatz zu: Peter Loos & Burkhard Schäffer (2001). Das Gruppendiskussionsverfahren. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendung [18 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 3(4), Art. 29. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/4-02/4-02review-fiedler-d.htm.

Flick, Uwe (2002). Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung (6. überarbeitete Auflage). Reinbek: Rowohlt.

Hildenbrand, Bruno (1999). Fallrekonstruktive Familienforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Kölbl, Carlos (2000, Juni). Rezension zu: Udo Kelle & Susann Kluge (1999). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. [8 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 1(2), Art. 39. Verfügbar über: http://www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-00/2-00review-koelbl-d.htm.

Kowal, Sabine & O'Conell, Daniel (2000). Zur Transkription von Gesprächen. In Uwe Flick, Ernst von Kardoff & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S.437-447). Reinbek: Rowohlt.

Lamnek, Siegfried (1998). Gruppendiskussion. Theorie und Praxis. Weinheim: Beltz.

Zur Autorin

Katja KOCH, Dr. phil., Promotion 2001 zum Thema "Der Übergang in die Sekundarstufe aus Lehrersicht", anschließend Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Familiale Bildungsstrategien als Mehrgenerationenprojekt. Bildungs- und kulturbezogene Austauschprozesse zwischen Großeltern, Eltern und Enkeln in unterschiedlichen Familienkulturen", seit Oktober 2001 Wissenschaftliche Assistentin am Pädagogischen Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, Arbeitschwerpunkte: Empirische Schul- und Bildungsforschung, Schulentwicklung, Methoden der empirischen Sozialforschung. In dem zurückliegenden Special Issue: Review II findet sich von Katja KOCH eine Rezension zu Berufserfolg als individuelles Projekt.

Kontakt:

Dr. Katja Koch

Pädagogisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen
Baurat-Gerber-Str.4/6
D-37075 Göttingen

Tel.: 0551/39-9449

E-Mail: Katja.Koch@so-wiss.uni-goettingen.de

Zitation

Koch, Katja (2003). Rezension zu: Norbert Dittmar (2002). Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben für Studenten, Forscher und Laien [23 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 4(1), Art. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0301217.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

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