Volume 3, No. 1, Art. 13 – Januar 2002

Rezension:

Michèle Morner

Christian Stegbauer (2001). Grenzen virtueller Gemeinschaft – Strukturen internetbasierter Kommunikationsforen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 312 Seiten, ISBN: 3-531-13644-5, 29 EURO

Zusammenfassung: Christian STEGBAUER stellt gängige Thesen zur Aufhebung sozialer Grenzen und damit zur Entstrukturierung durch den Einsatz computervermittelter Kommunikation in Frage. Theoretisch fundiert und analytisch überzeugend entzaubert er unter Rückgriff auf klassische Definitionen sozialer Formationen populäre Entstrukturierungsthesen. Darauf aufbauend zeigt er neue (und alte) Grenzen und damit Strukturen in internetbasierten Kommunikationsforen auf. Diese kann STEGBAUER mit Hilfe der positionalen Netzwerkanalyse (durchgeführt in einer Stichprobe von vierzehn Mailinglisten) empirisch untermauern. In allen Mailinglisten identifiziert er eine relativ stabile Zentrum-Peripherie-Struktur und zeitlich begrenzte subgruppenähnliche Strukturen, die sich über wenige Themen erstrecken.

Keywords: computervermittelte Kommunikation, Neue Medien, Netzwerkanalyse, Entstrukturierungsfiktionen, internetbasierte Kommunikationsforen, Strukturprinzipien internetbasierter Kommunikationsforen

Inhaltsverzeichnis

1. Das Ziel des Buches

2. Der Aufbau des Buches

3. Eine fundierte theoretische Basis

3.1 Eine hilfreiche wissenschaftstheoretische Positionierung

3.2 Die theoretische Entzauberung der Entstrukturierungsthesen

3.3 Die theoretische Analyse neuer und alter Grenzen

4. Die empirische Untersuchung

4.1 Die positionale Netzwerkanalyse

4.2 Ergebnisse der empirischen Analyse

5. Fazit

Literatur

Zur Autorin

Zitation

 

1. Das Ziel des Buches

Neue Medien setzen sich über Grenzen hinweg – und zwar über Grenzen des Raumes, der Zeit, aber auch von Identitäten – so steht es im Mittelpunkt der meisten aktuellen Arbeiten, die sich mit sozialen Auswirkungen computervermittelter Kommunikation beschäftigen. Üblicherweise wird damit zusammenhängend eine Aufhebung von Strukturen konstatiert. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, diese populären "Entstrukturierungsfiktionen" am Beispiel internetbasierter Kommunikationsforen zu entzaubern. Dieses Vorhaben kann als gelungen bezeichnet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die These, dass durch die Nutzung computervermittelter Kommunikation nicht nur Grenzen aufgehoben werden, sondern vor allem auch Grenzen entstehen. [1]

Der Verfasser des Buches, Christian STEGBAUER, wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt am Main, hat sich durch mehrere sowohl theoretisch als auch empirisch fundierte Veröffentlichungen im Laufe der vergangenen Jahre nicht nur unter Soziologen, sondern auch bei Organisationswissenschaftlern betriebswirtschaftlicher Provenienz einen entsprechenden Namen gemacht. In vorhergehenden Veröffentlichungen widmet er sich bereits an verschiedener Stelle dem Thema der Begrenzung durch neue Medien (z.B. STEGBAUER 2000; STEGBAUER & RAUSCH 1999). In vorliegendem Buch vertieft er die theoretische Analyse der Strukturierung und ihrer Ursachen und überprüft diese anhand einer empirischen Untersuchung von 14 verschiedenen Mailinglisten mit Hilfe der positionalen Netzwerkanalyse. Sein erklärtes Ziel ist dabei die Darstellung empirisch rekonstruierter Zusammenhänge in entsprechenden Gesetzesaussagen. Dabei will er eben gerade nicht einfach technische Eigenschaften auf soziale Strukturen übertragen, sondern sich zunächst an bereits bekannten sozialen Grundprozessen orientieren. [2]

2. Der Aufbau des Buches

Das Buch gliedert sich neben Vorbemerkung, Einleitung und Anhang in sieben Teile. Nach einer kurzen Vorbemerkung (1.) und einer präzisen Problemherleitung in der Einleitung (2.) gewährt STEGBAUER einen Überblick über die Mailinglisten, welche die Grundlage der Analyse bilden (3.). Das anschließende vierte Kapitel behandelt populäre "Entstrukturierungsfiktionen", welche STEGBAUER im Laufe der weiteren Ausführungen widerlegt. Dies geschieht bereits auf theoretischer Basis im darauf folgenden fünften Kapitel auf Basis der Definitionen von Gemeinschaft, Gruppe und Netzwerk. Das sechste Kapitel widmet sich grundlegenden theoretischen Positionen in der Soziologie und zwar dem relationistischen und individualistischen Programm. Aus einer relationistischen Perspektive heraus diskutiert STEGBAUER wesentliche Ursachen der Strukturbildung in internetbasierten Kommunikationsforen und analysiert diese empirisch mit Hilfe der Netzwerkanalyse (7. und 8. Kapitel). Ein kurzer Schluss fasst die vorangegangenen Überlegungen nochmals pointiert zusammen. Im Anhang findet sich darüber hinaus eine Validierung des Beziehungskriteriums anhand einer per Hand durchgeführten genaueren Analyse der einzelnen Beziehungen zwischen den Akteuren einer ausgewählten Mailingliste. [3]

3. Eine fundierte theoretische Basis

Christian STEGBAUER schafft mit seinem Buch eine fundierte theoretische Basis für seine empirische Analyse, indem er populäre "Entstrukturierungsfiktionen" darstellt und anhand klassischer Begriffsdefinitionen sozialer Formationen entzaubert (Abschnitt 3.2 dieser Rezension). Darauf aufbauend stellt er Hypothesen auf zu begrenzenden Faktoren neuer Medien, d.h. zu den Strukturierungsursachen (Abschnitt 3.3 dieser Rezension). Zunächst aber erläutert er seine wissenschaftstheoretische Position (Abschnitt 3.1 dieser Rezension). [4]

3.1 Eine hilfreiche wissenschaftstheoretische Positionierung

Basierend auf einer sehr harschen und recht mutigen Kritik am individualistischen Programm erklärt STEGBAUER seine relationistische Betrachtungsweise des Untersuchungsobjektes mit Hilfe der Netzwerkanalyse. Seines Erachtens spiegeln fast alle Studien zum Thema computervermittelte Kommunikation eine verkürzte individualistische Sichtweise wieder, die den Individuen ein vordergründig zweckrationales Handeln unterstelle. Eine systematische Analyse der Wirkung von Beziehungen unterbleibe. Nach STEGBAUER kann nur die relationistische Soziologie soziale Gebilde wie internetbasierte Kommunikationsforen adäquat analysieren: "Soziale Bewegungen ohne Struktur erscheinen [...] absurd" (S.136). Ein kurzer Abriss verschiedener theoretischer Positionen von Carl MENGER über Max WEBER bis wieder zu SIMMEL und der Harvard-Gruppe um Harrison WHITE, eingeordnet in die Differenz zwischen relationalistischer und individualistischer Sichtweise, trägt sehr zum Verständnis seines theoretischen Standpunktes und damit letztlich seiner ganzen Arbeit bei. Hier wird wieder einmal deutlich, wie hilfreich derartige wissenschaftstheoretische Positionierungen sein können, und wie sehr sie in anderen vergleichbaren Arbeiten fehlen. [5]

3.2 Die theoretische Entzauberung der Entstrukturierungsthesen

Der eigentliche theoretische Teil des Buches beginnt im vierten Kapitel. Unter dem Schlagwort "Entstrukturierungsfiktionen" stellt STEGBAUER ansonsten übliche Thesen einer Entstrukturierung vor: Entfernungen spielten keine Rolle mehr, Technik beseitige Vorurteile und es entstünden Gemeinschaften losgelöst von Orten. STEGBAUERs Analyse zeigt alle damit zusammenhängenden Annahmen auf – und entzaubert sie. Dazu orientiert er sich an den bereits bekannten sozialen Formationen: Gemeinschaft, Gruppe und Netzwerk. Diese Begriffe und deren Anwendbarkeit auf internetbasierte Kommunikationsforen diskutiert er im fünften Kapitel. Grundlage für seinen (klassischen) Gemeinschaftsbegriff ist die Definition von TÖNNIES (1887). Soll eine (virtuelle) Gemeinschaft entstehen, müsste sich das Sach- in ein Personeninteresse verwandeln. Darüber hinaus erfordert eine Gemeinschaft im TÖNNIESschen Sinne Verbindlichkeit: Wenn der Einzelne durch einen Mausklick von einem Forum ins nächste wechseln kann, kann von Gemeinschaft keine Rede sein (S.70). STEGBAUER zeigt, dass sich kaum ein internetbasierter Kommunikationsraum als "virtuelle" Gemeinschaft bezeichnen lässt. [6]

Auch der Begriff der "virtuellen" Gruppe wird kritisch hinterfragt: Die Definition sozialer Gruppen nach HOMANS (1960) setzt beispielsweise ex definitione face-to-face-Begegnungen voraus, und negiert damit quasi automatisch die Möglichkeit ihrer virtuellen Existenz. Darüber hinaus sind in fast allen soziologischen Definitionen der Gruppe mehr oder weniger klar umrissene Gruppengrenzen vonnöten, und die Zahl der Mitglieder ist nicht unbegrenzt zu steigern – schon alleine deshalb weil sich ex definitione Kommunikationsbeziehungen zwischen allen Mitgliedern finden müssen. Somit zeigt STEGBAUER im Grunde schon vor seiner eigentlichen empirischen Untersuchung, dass existierende Gruppendefinitionen für internetbasierte Kommunikationsforen völlig ungeeignet sind. Was nicht heißt, dass die Gruppenforschung keine interessanten Erkenntnisse für sein Untersuchungsobjekt böte. Soziale Formationen, die noch am ehesten dem internetbasierten Kommunikationsforum entsprechen, findet STEGBAUER in dem LUHMANNschen (1975) Interaktionssystem und in Ansätzen der Großgruppenforschung. Letztlich schließt sich STEGBAUER WELLMAN (1996) an, indem er sich bei der Betrachtung der internetbasierten Kommunikationsforen in eine Perspektive der sozialen Netzwerke begibt. [7]

3.3 Die theoretische Analyse neuer und alter Grenzen

Im weiteren Verlauf des Buches analysiert STEGBAUER die Strukturierungsursachen, d.h. insbesondere begrenzende Faktoren. Dazu werden internetbasierte Kommunikationsforen als eigene soziale Form angesehen, die zwar dem LUHMANNschen Interaktionssystem oder der Großgruppe ähneln, sich aber auch von diesen sozialen Formen unterscheiden. Strukturentstehung hängt dabei in allen drei Fällen mit Kapazitätsproblemen zusammen. Bei internetbasierten Kommunikationsforen ergeben sich jedoch Kapazitätsprobleme von neuer Qualität. Denn eine strikte Serialität der Beiträge und der Themen sind nicht von vornherein gegeben. Außerdem kann mehr als ein Thema gleichzeitig behandelt werden. Daraus ergeben sich zusätzlich zu allgemein üblichen Kapazitätsproblemen nach STEGBAUER neue Grenzen durch allgemeine und individuelle Formen des Information Overload sowie durch die "Erschöpflichkeit" von Beziehungen. Diesen Grenzen kann freilich durch die Orientierung an Themen und vielmehr an (bekannten oder vermuteten) Identitäten begegnet werden. Während eine primäre Strukturierung durch Themen stattfindet, ergibt sich eine sekundäre Struktur, die sich an Beziehungen orientiert. Weitere Strukturbildung erfolgt in der Herausbildung von Führungsfunktionen, in der Regel mit dem ursprünglichen Ziel, Kapazitätsprobleme zu lösen. [8]

4. Die empirische Untersuchung

Aufbauend auf der beschriebenen theoretischen Basis führt Christian STEGBAUER seine empirische Analyse mit Hilfe der positionalen Netzwerkanalyse durch (Abschnitt 4.1 dieser Rezension). Im Wesentlichen untermauern die empirischen Ergebnisse seine zuvor aufgestellten Hypothesen (Abschnitt 4.2 dieser Rezension). [9]

4.1 Die positionale Netzwerkanalyse

Die Methode der Wahl zur Untersuchung der Strukturen internetbasierter Kommunikationsräume ist für STEGBAUER die positionale Netzwerkanalyse. Sie stellt nicht nur das Untersuchungsinstrument, sondern auch theoretische Grundlage zur Interpretation sozialer Strukturen zur Verfügung (vgl. für einen guten Überblick zur Netzwerkanalyse mit Blick auf interorganisationale Netzwerke KAPPELHOFF 2000). Untersucht werden 14 Mailinglisten, die erstens nach dem Kriterium großer Heterogenität ausgewählt, um eine maximale Kontrastierung (analog des Vorgehens von HOMANS 1960) zu gewährleisten und zweitens – so gibt STEGBAUER erfrischend ehrlich zu – nach pragmatischen Gesichtspunkten respektive nach ihrer Zugänglichkeit (S.23). [10]

Soziale Strukturen bestehen aus Beziehungen, und Beziehungen im internetbasierten Kommunikationsraum definiert STEGBAUER als gemeinsame Beteiligung an einem Betreff (Thread). Die positionale Netzwerkanalyse stellt jede Beziehung als Paarbeziehung in einer quadratischen Matrix – jede Zeile und jede Spalte jeweils einen Akteur repräsentierend – dar. Damit wird lediglich die dialogische Struktur zwischen den Teilnehmern verwendet. Zeilen und Spalten sind nach dem Datum des ersten aktiven Auftretens in der Liste geordnet. Die Stärke der Beziehungen wird via Kommunikationsfrequenz der Akteure gemessen. STEGBAUER untersucht auf diese Weise die Nachrichtenzahl und deren Wirkung in den verschiedenen Listen, den Einfluss des Eintrittszeitpunktes auf die Beziehungskonstitution, Kommunikationsdichte, Zentralität und Mitgliederzahl der Mailinglisten. [11]

In der Tradition von GRANOVETTER (1973, 1982) und BURT (1992) berücksichtigt die Netzwerkanalyse mit dem Verfahren der Blockmodellanalyse auch schwache und nicht existente Beziehungen, indem die gesamte Struktur des Kommunikationsraumes einbezogen wird. Damit kann dann auch die berüchtigte LUHMANNsche Frage, warum Interaktionen nicht zustande kommen, beantwortet werden. Die Blockmodellanalyse sucht nach Blöcken von strukturell ähnlichen Akteuren, die durch sogenanntes Clustern zusammengefasst werden. Auf diese Weise wird die existierende Netzwerkmatrix umgeordnet. Dazu existieren verschiedene Verfahren. STEGBAUER wählt für seine Untersuchung den CONCOR-Algorithmus, ein hierarchisches Clusterverfahren: In einem ersten Schritt werden die Matrixelemente in zwei verschiedene Partitionen zerlegt, die ihrerseits wieder partitioniert werden usw. Die Beziehungen zwischen und innerhalb der Blöcke werden in Block-Image-Matrizen dargestellt. Diese zeigen strukturell bedeutsame Beziehungen auf, also Beziehungen, deren Dichte größer als die durchschnittliche Dichte des gesamten sozialen Raumes ist. In einem weiteren Schritt zieht STEGBAUER auch den Zeitaspekt in seine Blockmodellanalyse mit ein, um damit die Entwicklung der Struktur zu veranschaulichen. Basierend auf den Archivdaten seiner Mailinglisten verfolgt er die Geschichte der Strukturentwicklung anhand aller vorhandenen Kommunikationssequenzen. [12]

4.2 Ergebnisse der empirischen Analyse

STEGBAUER kann zeigen, dass die anfangs aufgezeigten populären Mythen der Entstrukturierung durch computervermittelte Kommunikation nicht zutreffen. Unabhängig vom jeweiligen Thema identifiziert er in den untersuchten Mailinglisten zwei immer wiederkehrende Strukturmerkmale in seinen Mailinglisten. Erstens bilden sich Multiloge heraus, deren Kommunikationsmuster dem in Subgruppen ähnelt. Zweitens entsteht immer eine Zentrum-Peripherie-Struktur. D.h. es gibt immer zentrale Akteure, die das Sozialgefüge der Kommunikationsforen dominieren. Jenseits der (vertikalen) Ausdifferenzierung eines "Zentrums" rekonstruiert STEGBAUER eine horizontale Differenzierung in drei weitere Positionen: "Diskutanten" beteiligen sich neben dem eigentlichen Zentrum aktiv an der Kommunikation im Forum; "Poster" nutzen das Forum lediglich zur Ankündigung von Veranstaltungen; "Lurker" bleiben selbst "unsichtbar". STEGBAUER zeigt via Netzwerkanalyse, dass Einzelne dieses "positionale Gefüge" (S.279) nicht frei durch die Einnahme bestimmter Positionen gestalten können. Im Gegenteil: Bereits die aktive Teilnahme der Diskutanten setzt spezielle Sachkenntnisse, Spezialsprachen oder bestimmte Erfahrungen voraus. Zentrale Positionen sind teilweise zusätzlich an formale Aufgaben gebunden und noch dazu mengenmäßig begrenzt. Lediglich Poster und Lurker sind frei von derartigen Ansprüchen. [13]

Bei STEGBAUERs Analyse der zeitlichen Entwicklung der Mailinglisten können die bei der statischen Analyse identifizierten Strukturmerkmale (multilogische Kommunikationsstruktur und Zentrum-Peripherie-Struktur) auch verlaufsabhängig bestätigt werden. Die Strukturen bilden sich dabei in allen untersuchten Mailinglisten immer in ähnlicher Weise heraus – unabhängig vom Thema und der Teilnehmerschaft. [14]

Die Zeit entpuppt sich in STEGBAUERs empirischer Untersuchung als wesentliches Hilfsmittel der Strukturierung. Denn erst im Laufe der Zeit können sich bestimmte Positionen im Kommunikationsforum herauskristallisieren und festigen. Weitere Strukturierungshilfe leistet die Herkunft der Teilnehmer. STEGBAUER zeigt auf, dass sich die Teilnehmer in den Kommunikationsforen zwar weltweit zusammensetzen, dass das Zentrum jedoch in der Regel aus Teilnehmern des Ursprungslandes gebildet wird. Weitere Strukturierung erfolgt – wie bereits erläutert – durch Themen und durch bereits eingegangene Beziehungen. [15]

5. Fazit

Die vorliegende Arbeit begreift sich selbst als "Pilotstudie" (S.282). Dass damit immer nur eine Vorstufe zu STEGBAUERs erklärtem Ziel, empirisch rekonstruierte Zusammenhänge in entsprechenden Gesetzesaussagen darzustellen, erreicht werden kann, scheint offensichtlich. Dazu wäre der Charakter der empirischen Untersuchung vor allem hinsichtlich der Stichprobengröße und damit in puncto Repräsentativität viel zu explorativ. Dennoch hat Christian STEGBAUER einen immens großen Beitrag zur Weiterentwicklung des Forschungsfeldes computervermittelter Kommunikation und deren Auswirkung auf soziale Zusammenhänge geleistet. Er hat – und das ist disziplinenübergreifend von Interesse – Licht auf die bisher unbeleuchteten Hintergründe des von ihm gewählten Themas geworfen und gezeigt, dass es sich lohnt, genauer hinzusehen. Er schärft den Blick für das Soziale hinter dem Technischen und die Beziehungen zwischen den Individuen. Basierend auf einer fundierten theoretischen und einer explorativen empirischen Analyse zeigt er, dass die gängigen, nicht nur populärwissenschaftlichen Thesen hinsichtlich des Einflusses computervermittelter Kommunikation auf soziale Zusammenhänge in die Irre führen können. Und nicht nur das: STEGBAUER stellt mit seiner Kritik an individualistischen Ansätzen vorherrschende wissenschaftstheoretische Positionen nicht nur der Soziologie in Frage. [16]

Literatur

Burt, Ronald S. (1992). Structural Holes: The Social Structure of Competition. Cambridge, Mass.: Harvard University Press.

Granovetter, Mark S. (1973). The Strength of Weak Ties. American Journal of Sociology, 78, 1360-1380.

Granovetter, Mark S. (1982). The Strength of Weak Ties: A Network Theory Revisited. In Peter Marsden & Nan Lin (Eds.), Social Structure and Network Analysis (S.105-130). Beverly Hills, CA: Sage.

Homans, George Caspar (1960). Theorie der sozialen Gruppe. Köln/Opladen: Westdeutscher Verlag (orig.: 1950, The Human Group, New York: Hartcout, Brace and Company).

Kappelhoff, Peter (2000). Der Netzwerkansatz als konzeptueller Rahmen für eine Theorie interorganisationaler Netzwerke. In Jörg Sydow & Arnold Windeler (Hrsg.), Steuerung von Netzwerken: Konzepte und Praktiken (S.25-57). Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Luhmann, Niklas (1975). Soziologische Aufklärung 2: Ansätze zur Theorie der Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Stegbauer, Christian (2000). Begrenzungen und Strukturen internetbastbasierter Kommunikationsgruppen. In Caja Thimm (Hrsg.), Soziales im Netz: Sprache, Beziehungen und Kommunikationskulturen im Internet (S.18-38). Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Tönnies, Ferdinand (1887). Gemeinschaft und Gesellschaft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Wellman, Barry (1996). An Electronic Group is Virtually a Social Network. In Sara Kiesler (Hrsg.), Culture of the Internet (S.179-205). Mahwah, NJ: Erlbaum.

Zur Autorin

Dr. rer. pol. Michèle MORNER, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der LMU München mit den Schwerpunkten Strategische Unternehmensführung (Prof. Werner KIRSCH), Empirische Betriebswirtschaftliche Forschung (Prof. Eberhard WITTE) und Organisationspsychologie (Prof. Lutz ROSENSTIEL). Promotion zum Thema "Organisation der Innovation im Konzern" an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt der Katholischen Universität Eichstätt, Lehrstuhl für Organisation und Personal (Prof. Max RINGLSTETTER). Seit 1997 Habilitation ebenda zum Thema "Der Einfluss computervermittelter Kommunikation auf die Führung und Gestaltung von Organisationen".

Forschungsschwerpunkte: Konzernorganisation, Neue Formen der Organisation, Organisation von Innovationsprozessen, Einfluss computervermittelter Kommunikation auf Organisationen, Organisation von Open-Source-Software-Projekten

Kontakt:

Dr. Michèle Morner

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ingolstadt der Katholischen Universität Eichstätt
Auf der Schanz 49
D - 85049 Ingolstadt

E-Mail: michele.morner@ku-eichstaett.de
URL: http://www.ku-eichstaett.de/docs/WWF/ABWLOP/about/MIM.shtml

Zitation

Morner, Michèle (2002). Rezension zu: Christian Stegbauer (2001). Grenzen virtueller Gemeinschaft – Strukturen internetbasierter Kommunikationsforen [16 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 3(4), Art. 13, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0204133.

Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS)

ISSN 1438-5627

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